Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 20.01.2017 | |
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Aktenzeichen | 2 Sa 1188/16, 2 Sa 1805/16 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2017:0120.2SA1188.16.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 Abs 2 KSchG, § 9 KSchG, § 10 KSchG |
Kurzfristige Auftragslücken sind bei einem Leiharbeitsunternehmen nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu rechtfertigen, da sie zum typischen Wirtschaftsrisiko dieser Unternehmen gehören.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.06.2016 – 28 Ca 4975/16 – wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23.09.2016 – 28 Ca 4975/16 – wird unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage hinsichtlich des Entgelts für Mai 2016 in Höhe von zuletzt 1.222,50 EUR netto abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung gegen das Schlussurteil zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz bei einem Streitwert in Höhe von 10.415,00 EUR trägt die Klägerin 13,87 %, die Beklagte 86,13 %, von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz bei einem Streitwert in Höhe von 5.083,50 EUR trägt die Klägerin 24,05 %, die Beklagte 75,95 %.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten zuletzt um die betriebsbedingte Kündigung einer Leiharbeitnehmerin vom 31. März 2016 zum 30. April 2016, um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Hilfsantrages der Arbeitgeberin sowie um Entgelt für Mai 2016.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Teilurteil vom 10. Juni 2016 der Kündigungsschutzklage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31. März 2016 nicht aufgelöst worden ist. Mit Schlussurteil vom 23. September 2016 hat es den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.222,50 EUR netto nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Dies hat das Arbeitsgericht Berlin im Wesentlichen damit begründet, dass die Kündigung vom 31. März 2016 unwirksam, da sozial nicht gerechtfertigt sei. Es lägen entgegen der Auffassung der Beklagten keine dringenden betrieblichen Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG vor, welches hier – unstreitig – anwendbar sei. Das Auslaufen eines vom Arbeitgeber mit seinem Kunden geschlossenen Überlassungsvertrages stifte kein dringendes betriebliches Erfordernis, sich von der betroffenen Arbeitnehmerin nach seinem Belieben zu trennen. Vielmehr treffe den Arbeitgeber in einem solchen Fall eine deutlich vertiefte Darlegungs- und Beweislast. Deshalb reiche es dann der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht aus, auf einen auslaufenden Auftrag und einen fehlenden Anschlussauftrag hinzuweisen. Der Arbeitgeber müsse anhand der Auftrags- und Personalplanung darstellen, warum es sich nicht nur um eine – kurzfristige – Auftragsschwankung, sondern um einen dauerhaften Auftragsrückgang handele, und ein anderer Einsatz bei einem anderen Kunden bzw. in einem anderen Auftrag nicht in Betracht komme. Dies gelte vorliegend umso mehr, weil sich ein Verbund mehrerer Unternehmen mit der Beklagten einen eigenen Personaldienstleister geschaffen habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Stelle der Klägerin nach dem unwidersprochenen Vortrag fast nahtlos mit einer anderen Arbeitnehmerin besetzt worden sei.
Danach sei die Kündigung nicht gerechtfertigt. Zwar sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte überwiegend Pflegekräfte vermittele und nur ausnahmsweise Mitarbeiterinnen mit anderen Qualifikationen wie die Klägerin. Auch in diesem Fall sei aber eine prognostische Auftrags- und Personalplanung vorzutragen, wonach in einem nicht nur kurzfristigen Zeitraum keine Auftragseingänge zu erwarten seien. Daran mangele es vorliegend. Die Berufung auf einen Mitarbeiter als Zeugen sei ein unzulässiger Ausforschungsbeweisantritt.
Aufgrund der unwirksamen Kündigung bestehe das Arbeitsverhältnis fort, so dass der Klägerin das Entgelt für den Monat Mai 2016 aufgrund des Annahmeverzuges der Beklagten gemäß § 615 Satz 1 BGB zustehe. Allerdings sei ein Anspruch auf Zahlung von 1.445,00 EUR netto nicht schlüssig dargetan. Aus den eingereichten Abrechnungen der letzten Monate vor dem Mai 2016 ergebe sich ein Bruttolohn von 1.703,00 EUR und ein Nettolohn von 1.222,50 EUR.
Der Auflösungsantrag der Beklagten sei zurückzuweisen. Dies folge eigentlich schon daraus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Auflösungsantrages schwanger war. Die Kammer meine mit der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Sachsen und Teilen des Fachschrifttums in analoger Anwendung des § 9 MuSchG, dass während einer Schwangerschaft ohne Genehmigung der zuständigen Behörde kein Auflösungsantrag gestellt werden dürfte. Aber auch unabhängig davon liege ein Auflösungsgrund nicht vor. Der Vorwurf der „Lüge“ der Klägerin im Prozess, weil diese negiere, dass sie der Klägerin Stellen angeboten hätte, trage den Auflösungsantrag schon nach dem einschlägigen Tatbestand des § 9 KSchG nicht. Die Parteien hätten in ihren Schriftsätzen schlicht aneinander vorbeigeschrieben: Hintergrund des Vortrages der Klägerin sei die Darstellung der Beklagten gewesen, dass der Zeuge K. mehrere potentielle Kunden, bei denen offene Stellen im Verwaltungsbereich zu besetzen gewesen seien, Personaldienstleistungen durch die Klägerin angeboten habe. Darüber hinaus habe Herr K. die Klägerin auch auf diverse Stellenangebote hingewiesen, die dann allerdings keine Folgebeschäftigung erbracht hätten. Die Klägerin habe schlicht nicht die Angebote der Beklagten vor und nach der Kündigung getrennt, während ihr dies die Beklagte im Hinblick auf die Angebote vor der Kündigung zu Unrecht als „Lüge“ auslege.
Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf die Urteile des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.06.2016 (Bl. 95 bis 115 d. A.) und 23.09.2016 (Bl. 197 bis 216 d. A.) verwiesen.
Gegen diese der Beklagten am 23.06.2016 (Teil-Urteil) bzw. 07.10.2016 (Schluss-Urteil) zugestellten Urteile richten sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 15.07.2016 eingegangenen und am 23.09.2016 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.09.2016 (Teil-Urteil) bzw. am 07.11.2016 per Fax eingegangene und am 07.12.2016 per Fax begründeten Berufungen der Beklagten.
Sie meint, dass das Arbeitsgericht Berlin den Vortrag der Beklagten und Berufungsklägerin im Hinblick auf eine fehlende Auftrags- und Personalplanung nicht hinreichend gewürdigt habe und dabei auch nicht berücksichtigt habe, dass prognostisch und schwerpunktmäßig Pflegefachkräfte vermittelt würden und auch zukünftig vermittelt werden sollten und dass mit dem Eingang von Aufträgen und Anfragen aus dem Verwaltungsbereich – auch prognostisch – aufgrund der Abfragen des Zeugen K. nicht gerechnet werden konnte. Auch prognostisch solle die Überlassung von Verwaltungskräften kein Schwerpunkt und kein auszubauendes Geschäftsfeld darstellen. Aus diesem Grund sei punktuell wie prognostisch und nach der konzeptionellen Planung nicht mit einem Beschäftigungsbedarf für die Klägerin als Verwaltungsfachkraft zu rechnen.
Der Beweisantritt durch das Zeugnis von Herrn K. hätte auch nicht als unsubstantiiert oder unzulässiger Ausforschungsbeweis zurückgewiesen werden dürfen. Erstinstanzlich sei vorgetragen und zweitinstanzlich werde wiederholt, dass der Zeuge K. derjenige sei, der als Personaldisponent etwaige Kundenwünsche ermittele, durch entsprechende Angebote Kundenwünsche wecke und im Rahmen seiner Kontakte Kundenwünsche erfülle. Wenn der Zeuge K. der Geschäftsführung der Berufungsklägerin berichte, dass es jetzt keine Anforderung gäbe und auch zukünftig aufgrund seiner Nachfragen mit Anforderungen von Verwaltungsmitarbeitern nicht gerechnet werden könne und wenn der Zeuge K. darüber hinaus berichte, dass er die Personal- und Beschäftigungsangebote der Kunden gecheckt und in den Fällen, in denen Personal gesucht werde, die Überlassung der Klägerin erfolglos angeboten habe, dann könne sich die Beklagte und Berufungsklägerin auf die Richtigkeit verlassen und dann könne auch das Gericht den Zeugen zu seinen Erkenntnissen befragen. Dabei komme es nicht wesentlich auf die Art und Weise an, wie der Zeuge seine Erkenntnisse und Prognosen selbst ermittele und begründe, sondern darauf, ob der Zeuge glaubwürdig seine Prognose darlegen könne.
Da die Kündigung wirksam sei, habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Entgelt für den Monat Mai 2016. Im Übrigen übersehe die Klägerin aber auch, dass der Anspruch auf die Agentur für Arbeit übergegangen sei, da die Klägerin von der Agentur für Arbeit im Mai 2016 Arbeitslosengeld erhalten habe und die Agentur dies der Beklagten und der Arbeitnehmerin mitgeteilt habe.
Der Auflösungsantrag sei gerechtfertigt. Im Zeitpunkt der Antragstellung sei der Beklagten die Schwangerschaft der Klägerin nicht bekannt gewesen. Die Beklagte halte jedoch auch eine analoge Anwendung des § 9 MSchG nicht für richtig.
Im Übrigen missverstehe das erstinstanzliche Gericht den klägerischen Vortrag. Klägerseits sei zweimal vorgetragen worden, dass der Zeuge K. die Klägerin auf keinerlei Stellenangebote hingewiesen habe. Die Klägerin habe jegliches Bemühen der Beklagten um Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin in Abrede gestellt. Sie stelle damit Herrn K. als Lügner dar und unterstelle ihm Prozessbetrug. All dies sei auch und insbesondere aufgrund der vom Gericht herangezogenen Rechtsprechung über Auflösungsgründe erheblich. Entgegen der Auffassung des Gerichts lägen in den Darlegungen des Klägervertreters Beleidigungen und ehrverletzende Äußerungen und persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber und einen Kollegen vor, die der weiteren Zusammenarbeit nicht dienlich seien. Das Gericht verkenne, dass der klägerische Vortrag ein „Offensivakt“ gewesen sei, der die Beklagte und andere Unternehmen des Evangelischen Johannesstiftes in ein schlechtes Licht rücken sollte. Wer so über den Arbeitgeber schreibe und denke, könne nicht – noch dazu in einer Entleihfirma – beschäftigt werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Teil-Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.06.2016 – 28 Ca 4975/16 – sowie das Schluss-Urteil vom 23.09.2016 – 28 Ca 4975/16 – abzuweisen und hilfsweise das Arbeitsverhältnis nach den §§ 9, 10 KSchG aufzulösen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die erstinstanzlichen Urteile. Unter anderem meint sie, dass die Rechtsansicht der Beklagten bezüglich der übergegangenen Ansprüche auf die Agentur für Arbeit inhaltlich nicht nachvollziehbar sei, so dass darauf auch nicht eingegangen werden könne.
Wegen des weiteren konkreten Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 22.09.2016 (Bl. 231 ff. d. A.) und vom 07.12.2016 (Bl. 264 ff. d. A.) sowie der Klägerin vom 11.10.2016 (Bl. 242 ff. d. A.) und 15.12.2016 (Bl. 272 f. d. A.) verwiesen.
Im Termin vom 20.01.2017 (vgl. dazu das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bl. 275 ff. d. A.) hat sich die Kammer das Übergangsschreiben der Agentur für Arbeit vom 20.06.2016 für das Entgelt Mai 2016 zeigen lassen und auch der Klägerin Einblick gewährt.
In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte einen „Sklavenhändler“ genannt. Auch darauf hat die Beklagte ihren Auflösungsantrag gestützt.
I.
Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 c, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässigen Berufungen sind insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.
II.
Das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.06.2016 war nicht aus prozessualen Gründen gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufzuheben und zurückzuverweisen.
1. Es liegt jedoch ein Verstoß gegen § 301 ZPO vor. Denn eine Aufteilung der Entscheidung in ein Teil-Urteil wegen der Unwirksamkeit der Kündigung und ein Schluss-Urteil wegen der Auflösung gegen eine Abfindung ist wegen der möglichen Widersprüchlichkeit in der zweiten Instanz unzulässig (BAG 04.04.1957 – 2 AZR 456/54 – BAGE 4, 90 = AP Nr. 1 zu § 301 ZPO; LAG Köln 25.04.1997 – 11 Sa 1395/96 – zitiert nach juris; KR-Spilger, 10. Aufl., § 9 KSchG Rz. 83 m. w. N. auch der Gegenansichten im Schrifttum). Allerdings ist der grundsätzlichen Gefahr der widersprüchlichen Entscheidung in der zweiten Instanz dadurch beim LAG Berlin-Brandenburg Rechnung getragen worden, dass nach dem Geschäftsverteilungsplan die erkennende Kammer für beide Verfahren gemäß Ziffer 4.1. des Geschäftsverteilungsplans 2016 bzw. 2017 zuständig ist. Insofern durfte das Berufungsgericht einheitlich entscheiden (vgl. dazu Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 538 Rz. 55 m. w. N. aus der Rechtsprechung).
III.
In der Sache haben die Berufungen der Beklagten nur im Hinblick auf den Entgeltanspruch der Klägerin für Mai 2016 Erfolg. Im Übrigen folgt das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg dem Arbeitsgericht Berlin sowohl im Ergebnis als auch – wenn auch nicht in dessen Schriftduktus – in der zutreffenden Begründung, sieht von einer nur wiederholenden Begründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG und weist im Hinblick auf den Vortrag der Parteien in der zweiten Instanz und die Erörterungen der mündlichen Verhandlung nur auf Folgendes hin:
1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 31.03.2016 nicht zum 30.04.2016 aufgelöst worden ist. Denn diese Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG, welches gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG anwendbar ist, sozial nicht gerechtfertigt. Denn die Beklagte hat die Vorgaben der obergerichtlichen Rechtsprechung zum Vortrag des Arbeitgebers zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung durch einen Verleiher nicht eingehalten.
a)
Danach muss der Arbeitgeber bei einem Auftragsverlust, welcher grundsätzlich eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen könnte, anhand der Auftrags- und Personalplanung darstellen, warum es sich nicht nur um eine – kurzfristige – Auftragsschwankung, sondern um einen dauerhaften Auftragsrückgang handele und ein anderer Einsatz des Arbeitnehmers bei einem anderen Kunden bzw. in einem anderen Auftrag – auch gegebenenfalls nach entsprechenden Anpassungsfortbildungen – nicht in Betracht komme. Dies gilt umso mehr, als es dem Wesen der Arbeitnehmerüberlassung in dem Geschäft eines Arbeitnehmerüberlassungsunternehmens entspricht, Arbeitnehmer – oft kurzfristig – bei verschiedenen Auftraggebern einzusetzen und zu beschäftigen. Es kann geschehen, dass bereits ein Tag nach Ausspruch der Kündigung ein neuer Kunde kurzfristig Bedarf für einen Arbeitnehmer und dessen Einsatz anmeldet. Deshalb ist es gerechtfertigt, an die Darlegung der Tatsachen, auf denen die zu stellende Prognose des zukünftigen Beschäftigungsvolumens beruht, dezidierte Anforderungen – auch in zeitlicher Hinsicht – zu stellen. Das Vorliegen von möglicherweise nur kurzfristigen Auftragsschwankungen muss auszuschließen sein. Kurzfristige Auftragslücken sind bei einem Leiharbeitsunternehmen nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu rechtfertigen, da sie zum typischen Wirtschaftsrisiko dieser Unternehmen gehören (vgl. nur BAG 18.05.2006 – 2 AZR 412/05 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 146).
b)
Diesen Vorgaben genügt die beklagte Arbeitgeberin vorliegend nicht. Sie hat weder in erster noch in zweiter Instanz dargelegt und unter Beweis gestellt, dass in absehbarer Zeit aufgrund welcher Ursachen die Klägerin nicht mehr einsetzbar sein wird.
aa)
Der Einsatz für die Klägerin bei dem letzten Kunden der Beklagten endete am 29.02.2016 (vgl. den letzten Arbeitnehmerüberlassungsvertrag Nr. 1600083 vom 21.01.2016, Bl. 53 d. A.). Bereits am 22.03.2016 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu einer bevorstehenden betriebsbedingten Kündigung an und schilderte darin bereits ihre „intensiven Versuche“, die Klägerin zu anderen möglichen Kunden im Verwaltungsbereich zu entleihen (vgl. die Betriebsratsanhörung Bl. 18 bis 19 d. A. in Kopie). Die Beklagte hat damit gerade einmal nach drei Wochen „intensiven Suchens“ entschieden, der Klägerin eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen. Drei Wochen sind eine „kurzfristige Auftragslücke“ im Sinne der eben genannten Rechtsprechung.
bb)
Weder die erste Instanz noch die erkennende Kammer waren gehalten, den von der Beklagten als Zeugen angebotenen Herrn K. zu hören. Auch insofern hat die erste Instanz zutreffend unter Bezugnahme auf die obergerichtliche Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die Zeugenvernehmung von Herrn K. einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellen würde. Wird ein Beweis angeboten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substanzielle Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, so ist der Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich (vgl. nur BAG 26.05.1998 – 6 AZR 618/96 – BAGE 89, 70 = NZA 1999, 96, 98; BAG 15.12.1999 – 5 AZR 566/98 – NZA 2000, 447, 448).
cc)
So liegt es hier. Denn die Beklagte hat dazu nur vorgetragen
„…
Freie Stellen, auf denen die Klägerin eingesetzt werden könnte, hat die Beklagte nicht. Andere Personalleasinganforderungen, die von der Klägerin erbracht werden könnten, liegen der Beklagten nicht vor. Insgesamt beschäftigt die Beklagte drei Mitarbeiterinnen, die im Verwaltungsbereich eingesetzt werden, die jedoch horizontal mit der Klägerin nicht vergleichbar sind (zwei Minijobber; eine gelernte Buchhalterin).
Mit dem Wegfall des Einsatzbereiches ist auch der Arbeitsplatz für die Klägerin weggefallen, da nicht zu erwarten steht, dass alsbald oder in absehbarer Zeit Personalleasinganforderungen im Verwaltungsbereich an die Beklagte gerichtet werden.
Beweis: Zeugnis Marcel K.
Herr K. weiß als Leiter der Koordination über die Einsatzbereiche Bescheid und rechnet als zuständiger Mitarbeiter der Beklagten nicht damit, alsbald Mitarbeiter im Verwaltungsbereich wieder vermitteln zu können.
…“
Dies ist einem Beweis nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht zugänglich. In der Berufung hat die Beklagte diesen Schriftsatz vom 22.09.2016 wiederholt und die Prognoseentscheidungen in das Wissen des Zeugen K. gestellt, ohne die tatsächlichen Gründe der Prognose darzulegen.
dd)
Endlich hat die Beklagte auch nicht vorgetragen, dass sie endgültig keine Verwaltungskräfte mehr beschäftigen werde, was jedenfalls grundsätzlich eine betriebsbedingte Kündigung hätte rechtfertigen können. Vielmehr hat sie stets darauf verwiesen, dass sie „größtenteils“ Pflegekräfte vermittele und nur wenige Verwaltungskräfte. Unstreitig beschäftigt die Beklagte neben der Klägerin auch noch drei andere Mitarbeiterinnen, die vermittelt werden (vgl. dazu den Schriftsatz der Beklagten vom 23.05.2016, Seite 5, Bl. 29 d. A.).
2. Das Arbeitsverhältnis war auch nicht gegen Zahlung einer Abfindung gemäß §§ 9; 10 KSchG aufzulösen.
a)
Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen allerdings nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (vgl. aus der ständigen BAG-Rechtsprechung nur BAG 23.06.2005 – 2 AZR 256/04 – EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 52 zu II 2 c d. Gr. m. w. N.; BVerfG 08.11.2016 – 1 BvR 988/15 – zitiert nach juris). Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Dies gilt auch für von ihm nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht davon distanziert. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (vgl. nur BAG, a. a. O., zu II 2 c d. Gr.).
b)
Danach liegt ein Auflösungsgrund nicht vor, weil die Kammer es dahinstehen lassen kann, ob ein Auflösungsantrag gegenüber einer Schwangeren gestellt werden kann (vgl. dazu nur LAG Sachsen 12.04.1996 .- 2 (4) Sa 102/96 – LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37; KR-Spilger, a.a.O., § 9 Rz. 77 m.w.N.).
aa)
Hinsichtlich der nur von der Beklagten behaupteten „Lüge“ der Klägerin schließt sich die Kammer der Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin an. Die Parteien haben ersichtlich aneinander vorbei geschrieben und sich entweder auf Angebote der Beklagten vor und/oder nach der Kündigung bezogen.
bb)
Allerdings liegt eine Beleidigung der Beklagten im Termin am 20.01.2017 durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor. Dieser hat die Beklagte ausdrücklich als „Sklavenhändlerin“ bezeichnet. Die Klägerin hat sich diese Bezeichnung, die eine Beleidigung eines im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätigen Arbeitgebers darstellt, ersichtlich nicht zu eigen gemacht. Verstand sie schon während der Ausführungen des Gerichts zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Annahmeverzug bei einem Anspruchsübergang weder das Gericht noch die Ausführungen ihres – wie aus dem Schriftsatz vom 15.12.2016 ersichtlich – insoweit nicht kompetenten Prozessbevollmächtigten, stiegen ihr während der oben bezeichneten Beleidigungen durch ihren Prozessbevollmächtigten die Tränen in die Augen.
cc)
Endlich ist auch bei einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der Grundrechte beider Parteien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 08.11.2016 (a. a. O.) nicht zu erwarten, dass eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit ausgeschlossen ist. Denn die Klägerin, die kurz vor der mündlichen Verhandlung in der zweiten Instanz entbunden hatte und sich damit noch im Mutterschutz befand, wird ohnehin den Erziehungsurlaub bzw. die Elternzeit antreten, in deren Rahmen sich die Parteien – wenn überhaupt – in einem Teilzeitarbeitsverhältnis begegnen werden. Beleidigungen oder „Lügen“ haben das bisherige Arbeitsverhältnis nicht begleitet, sondern sind erst im Prozess zum Gegenstand des Verfahrens geworden.
3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des Entgelts für Mai 2016 gemäß § 615 in Verbindung mit § 611 Abs. 1 BGB, da dieser Anspruch gemäß § 115 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen ist. Die Klägerin ist damit bis zur Höhe der erhaltenen Arbeitslosengeldzahlung nicht mehr aktivlegitimiert. Es obliegt der Klägerin, den sich daraus ergebenden Anspruch zu berechnen, was sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter nicht für nötig befunden haben (vgl. erneut den Schriftsatz der Klägerin vom 15.12.2016, Seite 2, Bl. 273 d. A.).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1; 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO.
V.
Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.