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Versorgungsausgleich - Wirksamkeitskontrolle eines Ehevertrages


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 05.07.2018
Aktenzeichen 13 UF 117/17 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2018:0705.13UF117.17.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Das Ansinnen eines Ehegatten, eine Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrags eingehen zu wollen, begründet für sich genommen auch bei Vorliegen eines Einkommens- und Vermögensgefälles für den anderen Ehegatten in Regel noch keine (Zwangs-) Lage, aus der ohne Weiteres auf eine gestörte Vertragsparität geschlossen werden kann (vgl. BGH FamRZ 2018, 577 Rn. 21).

2. Ein Ehegatte kann sich ohne Verstoß gegen § 242 BGB auf den Ausschluss des Versorgungsausgleichs in einem wirksamen Ehevertrag berufen, wenn er einer einseitigen Einkommensreduktion des anderen Ehegatten nach Vertragsabschluss entgegen getreten ist. 

3. Da das Scheidungsfolgenrecht grundsätzlich streng zwischen dem Versorgungsausgleich und dem Zugewinnausgleich unterscheidet, ist in Ansehung möglicher Grundstückswertsteigerungen während der Ehe eine etwaige Korrektur eines Ehevertrages nicht durch Anpassung der dortigen Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich, sondern - systemgerecht - zum Güterrecht vorzunehmen (vgl. BGH FamRZ 2014, 1978 Rn. 35).

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 23.05.2017 in der Entscheidungsformel zu 2. abgeändert:

Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden unter der Antragstellerin und dem Antragsgegner gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 2000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die beschwerdeführende Antragstellerin wendet sich gegen die Durchführung eines ehevertraglich ausgeschlossenen Versorgungsausgleichs.

Die am ...1967 geborene Antragstellerin und der am …1953 geborene Antragsgegner sind die gemeinsamen Eltern eines am ... 2001 geborenen Sohnes und einer am … 2007 geborenen Tochter und schlossen am … 2008 ihre Ehe. Am … 2008 hatten die Beteiligten einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen, in dem sie den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und den Güterstand der Gütertrennung vereinbarten. Ferner verzichteten die Beteiligten wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts. Zum weiteren Inhalt wird auf die Ablichtung der Vertragsurkunde verwiesen (4 ff). Der Antragsgegner war bereits Vater weiterer Kinder.

Auf den am … 2016 zugestellten Scheidungsantrag, dem der Antragsgegner im Termin am 03.05.2017 zugestimmt hat, hat das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich zwischen ihnen durchgeführt. Der Ausschluss zum Versorgungsausgleich halte einer Inhalts- und Ausübungskontrolle gemäß § 8 Abs. 1 VersAusglG nicht stand, benachteilige den Antragsgegner im Hinblick auf die grundsätzliche Halbteilung, die Maßstab der ehelichen Wohl- und Wehegemeinschaft sei, einseitig und sei dahingehend anzugleichen, dass der Antragsgegner über die Anwendung der gesetzlichen Regelung zum Versorgungsausgleich eine hinreichende Absicherung erfahre. Die Voraussetzungen eines Ausschlusses nach § 27 VersAusglG lägen nicht vor.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Das Amtsgericht habe die Wirksamkeit des ehevertraglichen des Versorgungsausgleichs fälschlich verneint und zudem die Voraussetzungen des § 27 VersAusglG verkannt.

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt (129), ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.

II.

Die nach §§ 58 ff, 228 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.

1. Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt, weil die Eheleute ihn durch Vereinbarung ausgeschlossen haben, § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VersAusglG. Der Senat ist hieran gebunden, weil weder Wirksamkeits- noch Durchsetzungshindernisse bestehen, § 6 Abs. 2 VersAusglG.

a) Die Vereinbarung ist formell wirksam, da sie in gleichzeitiger Anwesenheit beider Eheleute notariell beurkundet wurde, §§ 7 Abs. 3 VersAusglG, 1410 BGB.

b) Die Vereinbarung hält einer Inhalts- und Ausübungskontrolle stand, § 8 Abs. 1 VersAusglG.

aa) Der Ehevertrag vom … 2008 hält der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGB stand. Nach gefestigter höchstrichterlich Rechtsprechung, der der Senat folgt, unterliegen die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Die Disponibilität der Scheidungsfolgen darf allerdings nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle ist zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (vgl. BGH FamRZ 2014, 1978, Rn. 20 m.w.N.).

Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach § 138 Abs. 1 BGB schon für sich genommen unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund des bereits beim Vertragsschluss verwirklichten Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Das ist namentlich dann der Fall, wenn sich ein Ehegatte, wie schon beim Vertragsschluss verwirklicht, der Betreuung der gemeinsamen Kinder gewidmet und deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichtet hat. In diesem Verzicht liegt ein Nachteil, den der Versorgungsausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilen will und der ohne Kompensation nicht einem Ehegatten allein angelastet werden kann, wenn die Ehe scheitert (vgl. BGH FamRZ 2014, 629, Rn. 20 m.w.N.).

Das ist hier nicht der Fall. Die Betreuung der gemeinsamen Kinder sollte im Kindergarten bzw. im Hort erfolgen, ohne Einschränkung der Berufstätigkeit der Ehegatten, die beabsichtigten, auch während ihrer Ehe in gleicher Weise wie bisher berufstätig zu bleiben und davon ausgingen, dass durch die Ehe keinem von ihnen Nachteile in seiner Erwerbsbiografie entstehen würden (vgl. Nr. 1 Ehevertrag, fortan auch: EV, 5).

Auch im Übrigen begegnen - für sich genommen - weder der Ausschluss des Versorgungsausgleichs noch die Vereinbarung der Gütertrennung noch der (teilweise) Unterhaltsverzicht am Maßstab des § 138 BGB durchgreifenden Bedenken. Bei Abschluss des Ehevertrags gingen beide Beteiligten davon aus, die Antragstellerin als verbeamtete Förderschullehrerin und der Antragsgegner als selbständiger Künstler und freiberuflicher Lehrer, auskömmliche Einkünfte zu erzielen, die es ihnen auch ermöglichten, in dem für notwendig gehaltenen Umfang und in der jeweils für richtig befundenen Weise Vorsorge für Alter, Krankheit und Invalidität zu treffen (vgl. Nr. 1 EV, 4).

Auch in der Gesamtwürdigung hält der Ehevertrag der Wirksamkeitskontrolle stand. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen auf eine einseitige Benachteiligung des (potentiell) einkommensschwächeren Antragsgegners hinausliefe, könnte - da es ein unverzichtbares Mindestmaß an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten nicht gibt - nach ständiger Rechtsprechung des BGH nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag in diesem Zusammenhang zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn sonst außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (vgl. BGH FamRZ 2018, 577 Rn. 19).

Derartige verstärkende Umstände sind nicht festzustellen.

Wie der BGH mehrfach ausgesprochen hat, begründet das Ansinnen eines Ehegatten, eine Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrags eingehen zu wollen, für sich genommen auch bei Vorliegen eines Einkommens- und Vermögensgefälles für den anderen Ehegatten in Regel noch keine (Zwangs-) Lage, aus der ohne Weiteres auf eine gestörte Vertragsparität geschlossen werden kann (vgl. BGH FamRZ 2018, 577 Rn. 21).

Seinem Vorbringen, er sei durch Drohungen zum Abschluss des Notarvertrages gezwungen worden, ist die Antragstellerin entgegengetreten, und in welcher Zwangslage er sich befunden und welche Drohungen die Antragstellerin ihm gegenüber ausgestoßen habe, hat der Antragsgegner nicht erwiderungsfähig ausgeführt. Dass er sozial oder wirtschaftlich auf die Eheschließung mit der Antragstellerin angewiesen oder ihr intellektuell unterlegen gewesen wäre, macht der Antragsgegner schon selbst nicht geltend.

bb) Soweit ein Ehevertrag - wie hier - der Wirksamkeitskontrolle standhält, ist im Rahmen einer Ausübungskontrolle zu prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht (§ 242 BGB), wenn er sich im Scheidungsfall gegenüber einer vom anderen Ehegatten begehrten gesetzlichen Scheidungsfolge darauf beruft, dass diese Rechtsfolge durch den Vertrag wirksam abbedungen sei. Entscheidend ist insofern, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige und nach Treu und Glauben unzumutbare Lastenverteilung ergibt.

Ein zunächst wirksam vereinbarter - völliger oder teilweiser - Ausschluss des Versorgungsausgleichs hält nach diesen Maßstäben einer Ausübungskontrolle nicht stand, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund einvernehmlicher Änderung der gemeinsamen Lebensumstände über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint (vgl. BGH FamRZ 2014, 1978 Rn 23).

Das ist hier nicht Fall. Dass der Antragsgegner nach Eheschließung seine bis dahin ausgeübten Erwerbstätigkeiten, etwa als Dozent in der …, einvernehmlich mit der Antragstellerin aufgegeben hätte, um sich mehr als bisher familiären Aufgaben widmen zu können, ist nicht feststellbar. Vielmehr ist das fehlende Einvernehmen der Antragstellerin mit einem reduzierten Einkommen des Antragsgegners objektiv dokumentiert durch ihr Schreiben vom November 2012, mit dem sie vom Antragsgegner eindringlich eine höhere Beteiligung, auch finanziell, an den Familienlasten fordert (vgl. 153 ff).

Soweit der Antragsgegner wiederholt und nachdrücklich eine Wertsteigerung des Grundstücks der Antragstellerin durch seine Leistungen hervorhebt und seine fehlende Teilhabe hieran beklagt, führt dies zu keiner Korrektur der vertraglichen Abreden zum Versorgungsausgleich.

Die richterliche Ausübungskontrolle führt auf der Rechtsfolgenseite weder ohne weiteres zur Unwirksamkeit des Ausschlusses der gesetzlichen Scheidungsfolge noch dazu, dass die gesetzliche Regelung in Vollzug gesetzt wird. Vielmehr soll die richterliche Anpassung von Eheverträgen im Wege der Ausübungskontrolle ehebedingte Nachteile ausgleichen. Der Ehegatte kann daher durch die Anpassung des Ehevertrags nicht bessergestellt werden, als er ohne die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehenden Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit stünde (vgl. BGH FamRZ 2013, 770 Rn. 22; BGH FamRZ 2007, 974 Rn. 28). Die richterliche Ausübungskontrolle hat sich daher im Ausgangspunkt daran zu orientieren, welche Versorgungsanrechte der sich durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs benachteiligt sehende Ehegatte ohne die Ehe und die ehebedingte Rollenverteilung durch eigene Berufstätigkeit hätte erwerben können (vgl. BGH FamRZ 2014, 1978 Rn. 26).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe scheidet eine Anpassung des Ehevertrags vom ... 2008 im Hinblick auf den Ausschluss des Versorgungsausgleichs schon deshalb aus, weil sich im Hinblick auf den Aufbau von Versorgungsanrechten gerade keine ehebedingten Nachteile des Antragsgegners feststellen lassen, wie bereits ausgeführt. Zudem liegt ein Großteil der vom Antragsgegner geschilderten Wertverbesserungsleistungen weit vor der Eheschließung und beruht damit auf keiner ehebedingten Rollenverteilung. Überdies wäre, da das Scheidungsfolgenrecht grundsätzlich streng zwischen dem Versorgungsausgleich und dem Zugewinnausgleich unterscheidet, in Ansehung möglicher Grundstückswertsteigerungen während der Ehe eine etwaige Korrektur des Ehevertrages jedenfalls nicht durch Anpassung der dortigen Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich, sondern vielmehr - systemgerecht - im Güterrecht vorzunehmen (vgl. BGH FamRZ 2014, 1978 Rn. 35).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 150 Abs. 1, Abs. 3, 81 Abs. 1 FamFG (vgl. Keidel, FamFG § 150 Rn. 14). Die Wertfestsetzung folgt aus den §§ 55 Abs. 2, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Beschwerdegegenständlich waren zwei Anrechte.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht.