Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat | Entscheidungsdatum | 04.09.2013 | |
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Aktenzeichen | L 18 AL 126/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 122 Abs 1 S 1 SGB 3, § 125 Abs 1 S 3 SGB 3 |
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2012 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 5. Februar 2010 bis 14. Februar 2010.
Die 1958 geborene Klägerin bezog wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ab 31. Juli 2008 in der Zeit vom 11. September 2008 bis 28. Januar 2010 Krankengeld. Auf den im Februar 2010 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung (EM) bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg der Klägerin ausgehend von einem Eintritt voller EM am 3. Februar 2010 Rente wegen voller EM für die Zeit vom 1. September 2010 bis 31. August 2013.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2010, bei der Beklagten eingegangen am 5. Februar 2010, beantragte die Klägerin Alg. Eine persönliche Vorsprache der Klägerin bei der Beklagten erfolgte auf Hinweis der Beklagten am 15. Februar 2010. Mit Bescheid vom 15. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2010 bewilligte die Beklagte Alg für die Zeit vom 15. Februar 2010 bis 16. Mai 2011 iH eines täglichen Leistungsbetrages von 43,09 €.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat der auf Gewährung von Alg auch für die Zeit vom 5. Februar 2010 bis 14. Februar 2010 gerichteten Klage stattgegeben (Urteil vom 27. März 2012). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Der Klägerin stehe ein Alg-Anspruch bereits ab 5. Februar 2010 zu. Unter Berücksichtigung des vom Rentenversicherungsträger festgestellten Eintritts voller EM am 3. Februar 2010 und des ärztlichen Attests vom 18. März 2010 (Internistin Dr. Herold) sei von einer Arbeitslosmeldung im Hinblick auf § 125 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) bereits am 5. Februar 2010 auszugehen. Es könne keinen Unterschied machen, ob sich der erkrankte Arbeitslose – wie hier die Klägerin - selbst schriftlich melde oder die Meldung durch einen Vertreter erfolge. Die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Alg im streitigen Zeitraum seien erfüllt.
Mit der vom SG zugelassenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Greife § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung (aF), müsse auch die Meldung durch den Vertreter persönlich erfolgen. Lasse sich die Arbeitslose – wie die Klägerin – indes nicht vertreten, müsse sie sich selbst persönlich arbeitslos melden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt (vgl §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Alg für den – hier nur streitigen – Zeitraum vom 5. Februar 2010 bis 14. Februar 2010. Es fehlt insoweit jedenfalls an der erforderlichen persönlichen Arbeitslosmeldung (§§ 118 Abs. 1 Nr. 2, 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III aF) bzw der Meldung durch einen Vertreter (§ 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III).
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass sich die Klägerin selbst vor dem 15. Februar 2010 nicht persönlich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hat. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann insoweit ungeachtet dessen, dass ein Beratungsfehler der Beklagten oder eines anderen Trägers nicht ersichtlich ist, nicht Platz greifen, weil es sich bei der Arbeitslosmeldung um eine – nicht im Wege der Fiktion ersetzbare - Tatsachenerklärung als Voraussetzung für einen Alg-Anspruch handelt (st Rspr des BSG, vgl BSG SozR 4100 § 105 Nr 2; BSG SozR 1300 § 28 Nr 1; BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 – B 11 AL 72/08 R – juris).
Auch eine Meldung durch einen Vertreter ist vorliegend nicht erfolgt, und zwar weder persönlich noch schriftlich, so dass es dahinstehen kann, ob sich die Klägerin iSv § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III aF vor dem 15. Februar 2010 aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich arbeitslos melden konnte. Dass in diesem Fall auch eine schriftliche Meldung durch die Arbeitslose selbst ausreichen würde, lässt sich dem Gesetz überdies nicht ansatzweise entnehmen. Das Gesetz geht vielmehr davon aus, dass sich die Arbeitslose entweder selbst persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos meldet oder – wenn sie hierzu objektiv aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist – ein Vertreter dies tut (vgl Brand in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage, § 125 Rn 14; LSG Hamburg, Urteil vom 4. Mai 2012 – L 2 AL 33/10 - juris). Weder dem eingereichten ärztlichen Attest vom 18. März 2010 (!), in dem der Klägerin unter Hinweis auf „Weinanfälle“ und „psychosomatische Beschwerden“ attestiert wurde, vom 4. Februar 2010 bis 12. Februar 2010 nicht in der Lage gewesen zu sein, sich persönlich bei der Beklagten vorzustellen, noch der Tatsache, dass der Klägerin ausgehend von einem Leistungsfall am 3. Februar 2010 EM-Rente gewährt wurde, lassen sich indes hinreichende Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Klägerin vor dem 15. Februar 2010 objektiv tatsächlich außerstande gewesen wäre, sich persönlich arbeitslos zu melden oder, selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, einen Vertreter hiermit zu beauftragen. Ihre Rechtsauffassung, dass in Fällen einer – hier nicht ersichtlichen - schweren Gesundheitsbeeinträchtigung, in denen die Arbeitslose objektiv an der persönlichen Arbeitslosmeldung der Bestellung eines Vertreters gehindert sei, von dem Erfordernis der persönlichen Arbeitslosmeldung abzusehen und letztlich allein auf die schriftliche Antragstellung bzw den tatsächlichen Eintritt von Arbeitslosigkeit abzustellen sei, findet im Gesetz keinerlei Stütze. Weiterer Ausführungen hierzu bedarf es indes nicht, weil – wie dargelegt – die objektiven Voraussetzungen für einen derartigen Hinderungsfall hier im erforderlichen Vollbeweis ohnehin nicht dargetan sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.