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Entscheidung 3 UF 47/13


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 29.07.2013
Aktenzeichen 3 UF 47/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 1628 BGB, § 1671 BGB

Leitsatz

1. Mit Rücksicht auf die Entfernung vom Wohnort zur Schule kann es nahe liegen, dass derjenige Elternteil, dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wird und bei dem sich daher die Kinder ständig aufhalten werden, auch das Recht erhält, über die von den Kindern zu besuchende Schule zu entscheiden.

2. Haben nach der Trennung der Eltern die Kinder ihren Lebensmittelpunkt durchgängig bei der Mutter gehabt, spricht insbesondere dann alles dafür, diese Erziehungskontinuität aufrechtzuerhalten, wenn sich die Kinder im Falle eines Obhutswechsels in eine neue "Familie" integrieren müssten, da der Vater inzwischen in einer gefestigten Lebensgemeinschaft mit seiner Partnerin und deren Kind lebt. In einem solchen Fall kann der Gedanke der Erziehungskontinuität denjenigen der Schulkontinuität eindeutig überwiegen.

Tenor

Die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 17. April 2013 (10 F 69/13 SO) wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussbeschwerde der Mutter wird der genannte Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde dahin abgeändert, dass der Mutter auch das Recht zur Wahl der Krankenversicherung für die Kinder J… und T… M…, beide geboren am ….6.2004, sowie das Recht, in diesem Zusammenhang alle rechtlich und tatsächlich erforderlichen Erklärungen abzugeben, übertragen wird.

Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden den beiden Elternteilen je zur Hälfte auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden auch insoweit nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Eltern, die seit August 2012 voneinander getrennt leben, streiten über das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Schulwahl und das Recht zur Bestimmung der Krankenversicherung.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 17.4.2013 hat das Amtsgericht über die Anträge der Eltern entschieden. Wegen der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 17.4.2013 wenden sich der Vater mit der Beschwerde und die Mutter mit der Anschlussbeschwerde.

Der Vater trägt vor:

Den Kindeswillen habe das Amtsgericht nicht ausreichend ermittelt. Eine Befragung durch das Jugendamt habe nicht stattgefunden. Die Kinder hätten im Übrigen eindeutig geäußert, dass sie weder nach B… umziehen noch die Schule wechseln wollten. Soweit sie sich für einen Verbleib bei der Mutter ausgesprochen hätten, sei das allein darauf zurückzuführen, dass sie die Mutter nicht allein lassen wollten. Die Verfahrensbeiständin habe die Kinder im Übrigen nicht in seinem, des Vaters, Haushalt angehört.

Soweit es die Erziehungsfähigkeit betreffe, sei eine Klärung durch ein Gutachten erforderlich gewesen. Er sei nach wie vor überzeugt, besser in der Lage zu sein, die Kinder zu fördern. Beide Kinder müssten den durch die Kur versäumten Stoff nachholen. Die Mutter habe Hausaufgaben der Kinder nicht überwacht. Er hingegen habe mit den Kindern geübt, so dass diese bei Lernkontrollen gute Noten erzielt hätten. Hinsichtlich der Kooperationsbereitschaft der Eltern mit der Schule hätten die jeweiligen Klassenlehrer befragt werden müssen. Dabei wäre insbesondere zu Tage getreten, dass die Muter es versäumt habe, für einen Schulausflug einen Unkostenbeitrag rechtzeitig zu entrichten.

Der Mutter fehle es an einer ausreichenden Bindungstoleranz. Sie wolle seinen Kontakt mit den Kindern auf das geringst mögliche Maß begrenzen. Vor den Umgängen würden die Kinder regelmäßig mit diversem Spielzeug beschenkt. Die Mutter habe den Kindern im Alleingang mitgeteilt, dass sie nach den Sommerferien mit ihnen nach B… ziehen werde. Das Angebot der Verfahrensbeiständin, den Kindern das Ergebnis der Gerichtsverhandlung mitzuteilen, habe die Mutter abgelehnt. Die Kinder würden lieber auf die als Belohnung versprochenen Welpen verzichten als nach B… zu ziehen.

J… leide unter der momentanen Situation. Während der Zeiten bei der Mutter sei sein Mund rings um die Lippen wund geleckt. Die Mutter versäume es, die Lippen mit einer Salbe zu behandeln.

Die Belastung der Kinder durch einen Umzug nach F… sei geringer als durch einen Umzug mit der Mutter nach B…. In unmittelbarer Umgebung seiner Wohnung lebten Schulkameraden der Kinder. Der Schulweg betrage dann nur noch 10 Minuten. Der Mutter werde ein großzügiges Umgangsrecht eingeräumt. Den Kindern werde die Fortsetzung des Musikunterrichts ermöglicht. Er sei bereit, den Anteil der Mutter für den Schulbeitrag zu übernehmen. Im Falle einer Veräußerung des Familienheims würde sich die finanzielle Lage entspannen.

Statt die Kinder jeden Morgen an der Hand in den Klassenraum zu begleiten, müsse die Mutter endlich zulassen, dass die Kinder mit dem Bus zur Schule führen. Die von der Mutter kritisierten Begegnungen mit den Kindern vor der Schule würden von den Kindern selbst begrüßt und seien von ihm auf ein Minimum reduziert worden.

Ergotherapien habe er nicht abgelehnt. Hinsichtlich der Kur habe er lediglich den damit einhergehenden zweiwöchigen Unterrichtsausfall kritisiert. Insbesondere T… sei nach der Kur unausgeglichen und aggressiv gewesen. Auch J… habe Mühe gehabt, den Anschluss wieder herzustellen.

Auch der Kontinuitätsgrundsatz spreche nicht gegen die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn. Er habe sich trotz Erwerbstätigkeit um die Zwillinge bereits seit deren Geburt neben seiner Frau gekümmert. Soweit es die Zeit nach der Trennung betreffe, liege eine erzwungene Kontinuität vor, da die Mutter die Haustürschlösser ausgetauscht und ihn ausgesperrt habe. Diesen Zustand habe er zunächst geduldet, um die Kinder nicht unnötig zu belasten.

Ihm sei von seinem Vorgesetzten die Möglichkeit zugesagt worden, ausschließlich tagsüber Dienst zu tun, so dass er sich um die Belange der Kinder kümmern könne.

Die von der Mutter nun kritisierte Kommunikation per E-Mail habe diese zunächst selbst gewünscht, während er Telefonate und das persönliche Gespräch bevorzuge.

Er sei nicht gegen Beratungsgespräche, habe aber Vorbehalte gegenüber der von der Mutter favorisierten Frau S…. Diese Vorbehalte seien der Mutter bekannt.

Bei dem Umgang am 19.6.2013 habe T… entgegen der Umgangsregelung auch bei ihm übernachten wollen. Bei dem Bemühen, T… davon zu überzeugen, zur Mutter zu gehen, habe diese ihn, den Vater, völlig im Stich gelassen.

Das Verhalten der Mutter sei widersprüchlich. Soweit sie die Kosten für das Schulgeld als Belastung empfinde, müsse sie sich fragen lassen, warum sie neben dem Hausgrundstück in S… einen zweiten Wohnsitz in B… mit einer geschätzten Monatsmiete von 500 € unterhalte.

Im Falle einer Bestätigung der Entscheidung des Amtsgerichts wüssten die Kinder im Endeffekt nicht, wo sie in Zukunft wohnen und zur Schule gehen würden.

Die Verfahrensbeiständin habe eher die Interessen der Mutter als diejenigen des Kindes im Blick gehabt. Es bestehe die Besorgnis, dass sie befangen sei, wobei ihm insoweit allerdings ein Ablehnungsrecht nicht zustehe.

Der Vater beantragt,

ihm unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses

1.

das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht

2.

das Recht über die Wahl der Grundschule ab dem 4. Schuljahr 2013/2014

für die beiden Kinder J… und T… einzuräumen,

ferner,

die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

Die Mutter beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

sowie im Wege der Anschlussbeschwerde,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit dieser zu Ziffer 4. ihren Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Vaters auf Wechsel der Krankenversicherungen der Kinder auf sie zurückweise und die Zustimmung des Vaters zu Übertragung der Krankenversicherungen der Kinder bei der D… Krankenversicherung Verein a. G. gerichtlich zu ersetzen.

Die Mutter trägt vor:

Der Kontinuitätsgrundsatz stütze die angefochtene Entscheidung. Sie habe sich in der Vergangenheit ausschließlich um die schulischen Belange der Kinder gekümmert, Ergotherapietermine wahrgenommen und die Kinder zu Schwimmkursen begleitet. Auch habe sie die ärztlich verordnete Mutter-Kind-Kur durchgeführt, die wegen der trennungsbedingten Belastung bei den Kindern angezeigt gewesen sei.

Aufgrund der Teilzeitarbeit und der vom Arbeitgeber eingeräumten Möglichkeit, Schichtdienst nur an den Umgangswochenenden zu verrichten, sei sie auch besser in der Lage, Arzt- und Psychologentermine mit den Kindern wahrzunehmen.

Sie stehe in ständigem Kontakt zu beiden Klassenlehrern und der Schulleiterin. Auch wenn sie mit den Kindern geübt habe, seien Lernkontrollen mit der Note 1 bewertet worden.

Hinsichtlich des Beitrags für den Schulausflug sei eine Frist zur Bezahlung nicht gesetzt worden. Allein im zweiten Halbjahr des 3. Schuljahres habe sie für die Kinder anlässlich von vier Veranstaltungen den Beitrag bezahlt.

Sie sei kommunikationsfähig, habe den Kontakt zur Erziehungs- und Familienberatungsstelle aufrecht erhalten. Der Vater habe die Wiederaufnahme von gemeinsamen Gesprächen dort abgelehnt. Die Beraterin, Frau S…, sei mehrfach Zeugin von Entgleisungen des Vaters geworden und habe bereits eine Psychotherapie zur Aufarbeitung der Aggressionen empfohlen. Soweit der Vater auf die Möglichkeit von Mediationen hinweise, seien diese erfahrungsgemäß mit hohen Kosten verbunden.

Der Vater habe sich nicht an die Vereinbarung gehalten, sich nicht vor der Schule aufzuhalten, wenn die Kinder gebracht würden. Dadurch würden die Kinder stark belastet.

Bei Schulveranstaltungen habe es der Vater nicht fertig gebracht, sie bei ihrem Hinzutreten zu begrüßen. Derartige offene Spannungen erlebten die Kinder mit.

Der qualitative Anspruch der Rahnschule habe nachgelassen. Bereits im zweiten Jahr in Folge habe die erste Schulklasse nur einzügig besetzt werden können. Es fehle an finanziellen Mitteln, um das ursprüngliche Schulangebot aufrechtzuerhalten.

Obwohl der Vater mehrfach um Zustimmung zum Verkauf des Wohngrundstücks in S… gebeten habe, habe sie erklärt, vor Abschluss des Beschwerdeverfahrens zum Aufenthaltsbestimmungsrecht überhaupt keine Entscheidung darüber zu treffen, ob sie das Haus künftig mit den Kindern weiter nutze oder nicht.

Ein Umzug ihrerseits mit den Kindern nach B… würde zu einer Beschränkung des Umgangs des Vaters mit den Kindern nicht führen. Denn dieser sei zur Dienstausübung arbeitstäglich in B…. Sowohl die Verwandtschaft mütter- als auch väterlicherseits, insbesondere die Großeltern, lebten in B….

Die Anschlussbeschwerde sei gerechtfertigt, weil sie bei Bezahlung von Arztrechnungen immer in Vorlage treten und darauf warten müsse, dass der Vater die Erstattungsbeträge der D… an sie weiterreiche.

Das Jugendamt hat sich im Beschwerdeverfahren geäußert und die angeforderten Berichte der Klassenlehrer der Kinder vorgelegt.

Ebenfalls geäußert hat sich die Verfahrensbeiständin, die im Ergebnis eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und das Recht auf die Schulwahl auf die Mutter auch dann empfiehlt, wenn diese mit den Kindern nach B… umziehen sollte.

Durch Beschluss vom 23.05.2013 hat der Senat gemäß §§ 30 Abs. 1 FamFG, 358 a ZPO vor Durchführung eines Anhörungstermins die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens angeordnet. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten der Sachverständigen E… vom 17.7.2013 verwiesen.

Der Senat hat die Eltern, die Kinder und die Verfahrensbeiständin angehört. Auch hat die Sachverständige mündlich ihr Gutachten erläutert. Insoweit wird auf den Anhörungsvermerk zum Senatstermin vom 29.7.2013 Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 58 FamFG zulässige Beschwerde des Vaters ist unbegründet, hingegen die gemäß § 66 FamFG zulässige Anschlussbeschwerde der Mutter begründet.

1.

Die Beschwerde des Vaters ist als unbegründet zurückzuweisen. Zu Recht hat das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Kinder sowie das Recht zur Schulwahl für das Schuljahr 2013/2014 auf die Mutter übertragen.

a)

Das Recht zur Schulwahl ist auf die Mutter zu übertragen.

Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen, § 1628 Satz 1 BGB. Zu den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung gehören Auswahl und Wechsel der Schule (Palandt/Götz, BGB, 72. Aufl., § 1628 Rn. 7).

Im Hinblick auf die aktuelle Bedeutung des Rechts, über die Wahl der Schule für die Kinder für das Schuljahr 2013/2014 zu entscheiden, hat der Senat sogleich nach Vorliegen der Beschwerdebegründung die Einholung eines Sachverständigengutachtens vor Durchführung eines Anhörungstermins angeordnet und noch vor dem Beginn des Schuljahres einen Anhörungstermin durchgeführt und in dessen Anschluss eine Entscheidung getroffen. Bei der Anordnung eines vorab zu erstattenden Gutachtens hat sich der Senat davon leiten lassen, dass ein solches Gutachten nach Aktenlage zur Vorbereitung der Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht erforderlich schien und das Recht zur Bestimmung der Schulwahl wiederum voraussichtlich dem Aufenthaltsbestimmungsrecht zu folgen hatte. Denn mit Rücksicht auf die Entfernung vom Wohnort zur Schule schien es naheliegend, dass derjenige Elternteil, dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wird und bei dem sich daher die Kinder ständig aufhalten werden, auch das Recht erhält, über die von den Kindern zu besuchende Schule zu entscheiden.

Diese Einschätzung des Senats hat sich im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens als zutreffend erwiesen. Auch wenn die Äußerungen der Eltern zu der Frage, inwieweit die Mutter womöglich noch in der Lage wäre, weiter in der vormaligen Ehewohnung in S… zu wohnen, so dass auch bei einem Lebensmittelpunkt der Kinder bei ihr weiterhin der Schulbesuch in F… möglich gewesen wäre, nicht immer frei von Widersprüchen geäußert wurden, hat sich jedenfalls im Senatstermin herausgestellt, dass die Mutter so schnell wie möglich einen endgültigen Wohnortwechsel nach B… beabsichtigt und dass das Haus in S… nach Einschätzung beider Elternteile schon aus finanziellen Gründen nicht gehalten werden kann.

Auf die Frage, welcher Elternteil die besseren Argumente in Bezug auf die von ihm favorisierte Schule hat, kommt es danach nicht an. Der Vater hat insoweit vor allem darauf hingewiesen, dass die Kinder in der von ihnen bislang besuchten Schule gut aufgehoben seien, dort ihre Freunde hätten und Gründe für einen Schulwechsel nicht vorlägen. Die Mutter hat geäußert, die Qualität der Schule lasse nach. Ob diese Einschätzung zutrifft, bedarf keiner näheren Feststellungen. Jedenfalls hat die Mutter nicht den Eindruck vermittelt, dass sie einen Schulwechsel auch dann angestrebt hätte, wenn es zur Trennung vom Vater nicht gekommen wäre und man weiterhin gemeinsam in S… gelebt hätte, insbesondere auch finanzielle Gründe dem weiteren Besuch der privaten Schule nicht entgegengestanden hätten.

Vor diesem Hintergrund kann ferner dahinstehen, ob die eher skeptische Haltung der Mutter gegenüber der Schule in F… auch darauf zurückzuführen ist, dass sie etwa den Bericht des Klassenlehrers von T…, den das Jugendamt im Beschwerdeverfahren vorgelegt hat, eher als Parteinahme zugunsten des Vaters empfunden hat und dies wiederum damit im Zusammenhang gebracht werden könnte, dass die Schule ein Interesse daran hat, keine Schüler zu verlieren, was für den Fall des Umzugs von T… und J… nach B… zur Mutter der Fall wäre.

Das Recht zur Schulwahl ist der Mutter deshalb zu übertragen, weil die Voraussetzungen dafür vorliegen, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zu übertragen, wie sogleich auszuführen ist.

b)

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist auf die Mutter zu übertragen. Ihrem Antrag, nicht hingegen demjenigen des Vaters, ist stattzugeben. Denn es ist zu erwarten, dass die Aufhebung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Übertragung auf die Mutter dem Wohl des Kindes am besten entspricht, § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.

Bei der Frage, ob die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht, sind folgende Gesichtspunkte zu beachten, wobei deren Reihenfolge im Hinblick auf ihren Stellenwert keine Bedeutung zukommt (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl., § 1671 BGB Rn. 84):

- der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Stetigkeit und die Wahrung der Entwicklung des Kindes abstellt,

- der Förderungsgrundsatz, nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung,

- der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist,

- die Bindung des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister (vgl. zum Ganzen Palandt/Götz, a.a.O., § 1671 Rn. 27 ff.; Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671 BGB Rn. 52 ff., 64 ff., 68 ff., 78 ff.).

Bei der nach diesen Kriterien vorgenommenen Prüfung ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass es dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein auf die Mutter übertragen wird. Dies steht in Einklang mit der Empfehlung der Sachverständigen und der Verfahrensbeiständin.

aa)

Der Kindeswille spielt für die vorliegende Entscheidung keine Rolle. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Kinder, soweit es ihren ständigen Lebensmittelpunkt betrifft, nicht einheitlich geäußert haben. Bei der Anhörung vor dem Amtsgericht haben sie erklärt, sie wollten in dem Haus, in dem sie mit der Mutter zusammen wohnten, bleiben, ebenso wollten sie die Schule nicht wechseln. Soweit die Kinder sich dahin geäußert haben, sie wollten bei der Mutter wohnen bleiben, ist zu berücksichtigen, dass sie jedenfalls gegenüber der Verfahrensbeiständin ausweislich deren Stellungnahme vom 5.4.2013 dazu erklärt haben, die „Mama sei sonst allein“. Die Kinder haben im Übrigen vor allem zum Ausdruck gebracht, dass sie sich eigentlich wünschten, sie lebten mit beiden Elternteilen zusammen in S…, sie wünschten sich also die Trennung der Eltern ungeschehen. Die Kinder befinden sich offensichtlich in einem erheblichen Loyalitätskonflikt. Im Übrigen bietet der Kindeswille regelmäßig erst bei einem Alter der Kinder ab etwa 12 Jahren eine einigermaßen zuverlässige Entscheidungsgrundlage (vgl. Senat, Beschluss vom 20.4.2013 – 3 UF 17/13; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, FamRZ 2008, 1472, 1474; OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, FamRZ 2003, 1951, 1954; Beschluss vom 25.11.2010 – 10 UF 135/10, BeckRS 2010, 30458; siehe auch Senat, Beschluss vom 19.7.2013 – 3 UF 20/12).

bb)

Unter dem Gesichtspunkt der Bindungen besteht ebenfalls kein Vorrang eines Elternteils. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten sichere Bindungen an beide Elternteile konstatiert.

cc)

Im Hinblick auf den Förderungsgrundsatz ist ebenfalls kein Elternteil vorzugswürdig.

(1)

Unter dem Gesichtspunkt der tatsächlichen Betreuungsmöglichkeiten sind beide Elternteile in der Lage, die Verantwortung für die Kinder zu übernehmen. In der Vergangenheit war die Mutter in geringerem Umfang berufstätig, um den Kindern mehr Zeit widmen zu können. Der Vater hat aber nachvollziehbar dargelegt, dass sein Arbeitgeber für den Fall des ständigen Aufenthalts der Kinder bei ihm bereit wäre, eine Reduzierung der Arbeitszeit zu akzeptieren. Im Übrigen besteht ohnehin kein grundsätzlicher Vorrang des weniger oder überhaupt nicht berufstätigen Elternteils gegenüber dem anderen Elternteil (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 BGB Rn. 56).

(2)

Die Eltern sind gleichermaßen in der Lage, die Kinder zu erziehen. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten festgestellt, dass die Interaktionen zwischen dem Vater und den Kindern freundlich, unkompliziert und durch einen kameradschaftlichen Stil geprägt seien. Die Interaktionen von Mutter und Kindern hat die Sachverständige als gut eingeübt und flüssig erlebt. Dass diese Einschätzungen der Sachverständigen unzutreffend wären, hat kein Beteiligter geltend gemacht.

(3)

Um das Wohlergehen der Kinder sind beide Elternteile gleichermaßen besorgt. Beiden ist das Problem bewusst, dass J… häufiger wunde Lippen hat und beide Eltern kümmern sich darum. Hinsichtlich der ADHS-Diagnose bei T… ist der Vater deutlich ablehnender als die Mutter. Doch laut den Äußerungen, wie sich dem Sachverständigengutachten ergeben hat, lehnen beide übereinstimmend eine medikamentöse Behandlung entsprechender Symptome ab.

Soweit die Kinder in der Vergangenheit an einer Ergotherapie teilgenommen haben und die Mutter insoweit die Termine wahrgenommen hat, steht der Vater dem nach eigenen Bekundungen nicht ablehnend gegenüber.

Auch die Notwendigkeit der Kur hat der Vater nicht in Abrede gestellt. Unterschiedliche Auffassungen gab es lediglich hinsichtlich der Frage, wann diese Kur anzutreten sei. Die Mutter hat vor dem Senat glaubhaft erklärt, die Ärzte hätten einen sofortigen Kuraufenthalt empfohlen, weshalb dieser bereits im Februar 2013 stattgefunden habe. Ein Teil der Kur lag in den Winterferien, so dass die Mutter dabei auf schulische Belange durchaus Rücksicht genommen hat. Hinzu kommt, dass in der Kureinrichtung auch die Möglichkeit schulischer Förderung bestanden hat.

(4)

Anhaltspunkte dafür, dass die Kinder unzureichend oder fehlerhaft ernährt würden, sind nicht ersichtlich. Soweit der Vater auf den Verzehr von Weißmehlprodukten durch die Kinder hingewiesen hat, geschah dies allein unter dem Gesichtspunkt, dass dies, wenn man entgegen seiner Auffassung ADHS bei T… annehme, kontraproduktiv sei. Im Übrigen hat der Vater nicht den Eindruck vermittelt, hinsichtlich der Auswahl der Nahrungsmittel für die Kinder besonders streng zu sein. So hat er schriftsätzlich vorgetragen, dass es bei ihm am Geburtstag der Kinder Würstchen, Bouletten, Brötchen, Melone, Kuchen und diverse Süßigkeiten gegeben habe. Angesichts dessen kann davon ausgegangen werden, dass bei beiden Elternteilen eine Ernährung im üblichen Umfang stattfindet.

(5)

An einer musischen und sportlichen Förderung der Kinder ist beiden Elternteilen offenbar gelegen. In der Vergangenheit haben die Kinder Schwimmkurse besucht. Beide Elternteile befürworten weiterhin das Erlernen eines Musikinstruments durch die Kinder.

(6)

Auch in schulischer Hinsicht besteht kein Vorrang eines Elternteils. Dass die Kinder, wie der Vater geltend macht, bessere Schulnoten erzielen, wenn er zuvor mit ihnen intensiv geübt hat, lässt sich, zumal die Mutter ihrerseits gute Schulnoten auch für sich in Anspruch genommen hat, objektiv nicht feststellen. Soweit die Mutter einen Betrag für einen Schulausflug verspätet eingezahlt hat, ist dies offensichtlich auf Kommunikationsschwierigkeiten zurückzuführen, lässt jedenfalls nicht den Schluss auf eine Unzuverlässigkeit der Mutter insoweit zu.

(7)

Im Hinblick auf den Umzug nach B… kann der Mutter ein Vorwurf nicht gemacht werden. Sie hat ihre Beweggründe für den Umzug nachvollziehbar dargelegt. Der Vater selbst geht, wie er bei der Anhörung vor dem Senat erklärte, nicht davon aus, dass die Muter (mit den Kindern) auf dem Hausgrundstück der Beteiligten wohnen bleiben könnte. Er hat dazu erklärt, dass dies aus seiner Sicht finanziell nicht möglich sei, das Haus vielmehr verkauft werden müsse.

(8)

Unter dem Gesichtspunkt der Bindungstoleranz ergibt sich jedenfalls kein Vorrang des Vaters. Die Sachverständige hat vor dem Senat geäußert, dem Vater fehle es ein wenig an Bindungstoleranz in dem Sinne, dass er sich noch daran erinnere, was die Mutter in den acht Jahren für die Kinder bedeutet habe. Ob der von der Sachverständigen insoweit für bedeutsam erachtete Umstand die Frage der Bindungstoleranz betrifft, kann hier aber dahinstehen. Jedenfalls ergeben sich Zweifel an der Bindungstoleranz der Mutter nicht. Der Vater hat zwar schriftsätzlich behauptet, diese wolle seinen Kontakt mit den Kindern auf das geringmöglichste Maß begrenzen. Bei seiner Anhörung vor dem Senat hat er jedoch eingeräumt, dass der Umgang zuletzt reibungslos verlaufen sei.

(9)

Beiden Elternteilen gelingt es nicht immer, die Paarebene von der Elternebene deutlich zu trennen. Zu oft steht bei ihnen der Streit im Vordergrund. Dies betrifft beide Elternteile.

Ausdruck dieses Streits ist etwa die eingeschränkte Kommunikation. Während der Vater das persönliche Gespräch bzw. Telefonate bevorzugt, fühlt sich die Mutter beim Austausch von E-Mails sicherer. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Charaktere der Eltern erscheint eine bei der Mutter etwa bestehende Furcht vor einer Dominanz des Vaters im persönlichen Gespräch nicht ganz fernliegend. Dies bedarf aber keiner abschließenden Feststellungen. Jedenfalls sind beide derart in Streit verfangen, dass sich unter diesem Gesichtspunkt kein Vorrang eines Elternteils ergibt.

Deutlich wird der Streits der Eltern auch bei der unterschiedliche Sichtweise hinsichtlich des Umgangs am 19.6.2013 und der dabei aufgetretenen Frage, wer T… mit welchen Mitteln von der Einhaltung der Umgangsregelung zu überzeugen hat. In diesen Zusammenhang gehört auch der Streit darüber, ob die Mutter den Kindern anlässlich des Umgangs Gegenstände mitzugeben habe oder ob sie berechtigt befürchten muss, dass diese Gegenstände verloren gehen. Schließlich zeugt auch die unterschiedliche Sichtweise darüber, ob sich der Vater an die Vereinbarung gehalten hat, sich nicht vor der Schule aufzuhalten, wenn die Kinder gebracht werden, davon, dass die Eltern, soweit es um Schwierigkeiten geht, die Verantwortung vorrangig bei dem jeweils anderen Elternteil sehen, ohne ihre eigene Rolle hinreichend zu reflektieren.

Dies alles macht – ohne dass es Einfluss auf die hier zu treffende Entscheidung hätte - deutlich, dass die Eltern im Interesse der Kinder, nämlich um zu einem Zustand zu gelangen, in dem sie sich ohne große Probleme regelmäßig und auch formlos über die Kinder austauschen können, auf die vorhandenen Beratungsangebote zurückgreifen sollten. Ergebnis des Anhörungstermins vor dem Senat ist, dass der Vater zwar Vorbehalte hinsichtlich einer Beratung durch Frau S… hat, jedoch beide Elternteile grundsätzlich einer Beratung durch Frau St… aufgeschlossen gegenüberstehen. Dies sollte genutzt werden, um alsbald eine entsprechende Beratung einzuleiten bzw. fortzusetzen.

dd)

Der Kontinuitätsgrundsatz spricht im Ergebnis dafür, dass die Kinder ihren dauernden Aufenthalt bei der Mutter haben.

Allerdings führt die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter, die zum sofortigen Umzug nach B… bereit ist, dazu, dass die Kinder die Schule wechseln müssen und insoweit auch ein Stück ihrer vertrauten Umgebung verlieren. Vorrang genießt hier jedoch der Gedanke der Erziehungskontinuität.

Nach der Trennung der Eltern haben die Kinder ihren Lebensmittelpunkt durchgängig bei der Mutter gehabt. Entsprechend hat diese die Hauptverantwortung für die Kinder übernommen und deren Alltag wesentlich gestaltet. Es spricht alles dafür, diese Erziehungskontinuität aufrechtzuerhalten.

Dies gilt umso mehr, als die Kinder bei einem Umzug in den Haushalt des Vaters nicht nur einen Wechsel der Hauptbezugsperson hinnehmen müssten. Denn darüber hinaus müssten sich die Kinder in eine neue „Familie“ integrieren, da der Vater inzwischen in einer gefestigten Lebensgemeinschaft mit seiner Partnerin und deren Kind lebt. Der Umstand, dass dieses Kind zu den Schulkameraden zählt, macht es für J… und T… nicht unbedingt einfacher. Denn aus ihrer Sicht nähme dieses Kind im Falle eines Umzugs in den väterlichen Haushalt nun eine andere Rolle ein, nämlich diejenige eines Halbgeschwisters.

Da nach alledem der Gedanke der Erziehungskontinuität denjenigen der Schulkontinuität eindeutig überwiegt, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, ob im Rahmen des Kontinuitätsgrundsatzes auch – wie von der Sachverständigen hervorgehoben – die Frage der Erziehungs- und Betreuungsanteile während noch intakter Partnerschaft von Bedeutung ist.

ee)

Wenn nach alledem weder der Kindeswille noch die Bindungen der Kinder die Entscheidung für einen Elternteil nahelegen und auch unter dem Gesichtspunkt des Förderungsgrundsatzes ein Vorrang eines Elternteils nicht feststellbar ist, gibt der Kontinuitätsgrundsatz zugunsten der Mutter den Ausschlag. Ihr ist somit das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder zu übertragen.

2.

Die Anschlussbeschwerde der Mutter ist begründet. Ihr ist das Recht zur Wahl der Krankenversicherung für die beiden Kinder sowie das Recht, in diesem Zusammenhang alle rechtlich und tatsächlich erforderlichen Erklärungen abzugeben, zu übertragen. Insoweit bestand im Termin vor dem Senat Einigkeit bei den Eltern, dass es sinnvoll ist, dass dieses Recht von demjenigen Elternteil ausgeübt wird, der Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 FamFG. Allein der Umstand, dass der Vater mit seinem Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist, gebietet hier nicht seine alleinige Kostentragung, zumal die Sache erst nach Einholung eines Sachverständigengutachtens entscheidungsreif war.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 45 Abs. 1 FamGKG.