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Prozesskostenhilfe - Erfolgsaussicht - Maßstab - Zeitpunkt


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat Entscheidungsdatum 27.03.2012
Aktenzeichen L 13 SB 201/11 B PKH ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 73a SGG, § 114 ZPO

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2011 aufgehoben und der Klägerin unter Beiordnung des Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe mit monatlicher Ratenzahlung von 15,00 € für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin vom 27. September 2011 an gewährt.

Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz –SGG– zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Streitverfahren zum Az. S 41 SB 1662/10, in dem die Klägerin die Feststellung eines GdB von 50 begehrt, zu Unrecht zurückgewiesen.

Die Klägerin, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nur in Raten aufbringen kann, hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung –ZPO–).

Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG und dem aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe dieses Verfahren an die Stelle des Verfahrens der Hauptsache treten zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2007, 1 BvR 68/07). Aus diesem Grunde dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen in dem Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von dem Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Verfahren der Hauptsache zugeführt werden können (BVerfG a.a.O).

Vor diesem Hintergrund ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält bzw. – sofern der Tatsachenstoff noch nicht geklärt ist – eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden ausgehen würde (so BVerfG a.a.O. mit weiteren Nachweisen).

Hiernach ist der von der Klägerin beabsichtigten Rechtsverfolgung im maßgeblichen Zeitpunkt für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag, nämlich dem Tag des Eingangs der vollständigen Unterlagen, eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abzusprechen.

Abzustellen ist hierbei nicht auf den Eingang des Prozesskostenhilfeantrags vom 3. Mai 2011 am 30. Mai 2011. Denn die Klägerin hat zu diesem Zeitpunkt eine veraltete Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse – nämlich vom 15. September 2010 – eingereicht. Auf die Anforderung des Sozialgerichts vom 7./14. Juni 2011 hat die Klägerin erst in der Sitzung vom 27. September 2011 eine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.

Bezogen auf diesen Zeitpunkt war der Tatsachenstoff trotz Einholung des Gutachtens der gerichtlichen Sachverständigen Dr. B vom 22. Juni 2011 nicht aufgeklärt. Denn ausweislich des Befundes der Praxis für Radiologie und Nuklearmedizin W vom 6. September 2011 hat die Klägerin Ende August 2011, also nach der Begutachtung, ein Trauma der rechten Schulter mit persistierender Schmerzsymptomatik erlitten. Der untersuchende Arzt Dr. S hat den Verdacht auf eine knöcherne Verletzung geäußert und eine ergänzende MRT- oder CT-Untersuchung für ratsam gehalten. Dem hätte das Sozialgericht nachkommen müssen.

Zwar setzt der GdB nach Teil A Nr. 2f Satz 1 der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) eine nicht nur vorübergehende und damit eine über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten sich erstreckende Gesundheitsstörung voraus. Die Klägerin durfte jedoch nicht auf einen sechs Monate nach dem Unfall zu stellenden Neufeststellungsantrag verwiesen werden. Vielmehr hätte das Sozialgericht ermitteln müssen, welcher GdB nach Ablauf der sechs Monate voraussichtlich verbleiben würde. Denn nach Teil A Nr. 2f Satz 2 der Anlage zur VersMedV ist bei abklingenden Gesundheitsstörungen auf diesen Wert abzustellen.

Auf der Grundlage der nachgewiesenen Einkünfte von 905,55 € abzüglich der Fahrkosten von 67,00 €, der Freibeträge von insgesamt 598,00 € und der anteiligen Wohnkosten von 190,11 € hat die Klägerin bei einem anrechenbaren Einkommen von 50,44 € eine monatliche Rate von 15,00 € zu leisten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).