Gericht | FG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 10.03.2011 | |
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Aktenzeichen | 9 K 7341/02 B | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 39 Abs 2 Nr 1 AO, § 11 Abs 2 BewG 1996, § 19a EStG 1996, § 23 Abs 1 Nr 1b EStG 1996 |
Wird einem Arbeitnehmer vertraglich das Recht eingeräumt, im Rahmen eines sog. Mitarbeiterbeteiligungsprogramms entgeltlich erworbene Belegschaftsaktien einer A-AG innerhalb einer bestimmten Frist zu einem bestimmten Umtauschverhältnis gegen Belegschaftsaktien des Mutternunternehmens B-AG einzutauschen, wirkt sich dieser Vorgang einkommensteuerrechtlich erst in dem Zeitpunkt aus, in dem der Arbeitnehmer die Tauschoption tatsächlich ausübt.
Die Einkommensteuer 1996 wird unter Änderung der Steuerfestsetzung gemäß Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2002 und des Steuerbescheids vom 24. Oktober 2002 unter Nichtansatz eines geldwerten Vorteils des Klägers im Sinne von § 19 a EStG und Nichtansatz eines Spekulationsgewinns nach § 23 EStG sowie Berücksichtigung zusätzlicher Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von … € festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob im Zusammenhang mit einem Aktienerwerb seitens des Klägers im Streitjahr 1996 ein geldwerter Vorteil bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit und/oder ein Spekulationsgewinn im Sinne von § 23 des Einkommensteuergesetzes - EStG - anzusetzen ist.
Der … geborene Kläger war im Streitjahr verheiratet und wurde zusammen mit seiner Ehefrau … vom Beklagten zur Einkommensteuer veranlagt. Die Ehe wurde erst einige Jahre später geschieden.
Der Kläger war seit dem … 1991 als Leiter der … Geschäftsstelle der X - GmbH mit Sitz in … (im Jahr 1995 gemäß §§ 190 ff. i. V. m. §§ 238 ff. Umwandlungsgesetz - UmwG - umgewandelt in X - AG; alleiniges Vorstandsmitglied: B) bei dieser Gesellschaft angestellt. Er erzielte in diesem Zusammenhang im Streitjahr 1996 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von brutto rund … DM. Die X-AG entwarf und installierte laut Börsen-Zeitung vom … das "…" für … und zählte zu ihrem Kundenkreis Unternehmen wie …, …, …, … und ….
Mit Aktienkaufvertrag vom 10. Juli 1996 erwarb die X-AG, vertreten durch B, von ihrem Hauptaktionär C … Stück ihrer Namensaktien im Nennbetrag von je … DM zum Zwecke der Weiterveräußerung an ihre Mitarbeiter (= 3 % der gesamten Aktien). Der Kaufpreis wurde nach dem sog. Stuttgarter Verfahren ermittelt. Diese Aktien wurden als vinkulierte Namensaktien an -- Manager der X-AG weiterverkauft.
Der Kläger erwarb hierbei mit Aktienkaufvertrag vom 15. August 1996 von der X-AG … Stück vinkulierte Namensaktien zum Nennwert von insgesamt … DM mit Dividendenbezugsrecht ab dem laufenden Geschäftsjahr zu einem Kaufpreis in Höhe von … DM. Der Gesamtnennwert aller Aktien der Gesellschaft betrug … Mio. DM. Der Kläger war somit fortan mit 0,25 % am Gesamtkapital der X-AG beteiligt. In dem Kaufvertrag heißt es u. a. wie folgt:
"§ 6 Gewährleistung
…
Käufer ist bekannt, dass die verkauften Aktien vinkulierte Namensaktien sind, deren Übertragung nach Maßgabe von § 4 Abs. 5 der Satzung der X-AG der Zustimmung des Vorstands der Gesellschaft bedarf.
§ 7 Rückübertragungsverpflichtung
Scheidet der Käufer vor Ablauf von zwei Jahren aus den Diensten der X-AG, gleich aus welchem Rechtsgrunde aus, so ist er verpflichtet, sämtliche der aufgrund dieses Vertrages erworbenen Aktien zum Kaufpreis sowie der hierauf zugeteilten jungen Aktien zum Ausgabepreis an die Verkäuferin zurückzuübertragen.
Die Rückübertragungsverpflichtung vermindert sich nach Ablauf
- von zwei Jahren auf 75 %,
- von drei Jahren auf 50 %,
- von vier Jahren auf 25 %
der aufgrund dieses Vertrages erworbenen Aktien sowie der hierauf zugeteilten jungen Aktien. Nach Ablauf von fünf Jahren nach Erwerb der Aktien entfällt die Rückübertragungsverpflichtung. ..."
Der Kläger finanzierte den Aktienerwerb, der im Aktienbuch der X-AG unter Nr. 16 eingetragen wurde, mit einem Darlehen der Bank.1, …, über … DM.
Am 21. Dezember 1996 wurde zwischen den -- Namensaktionären, darunter auch dem Kläger, und den … Hauptaktionären sowie D ein "…" mit folgendem Inhalt geschlossen:
"Präambel
1. Die Aktionäre halten gemeinsam 100 % der Aktien der X-AG …
2. Eine Gesellschaft unter der Firma "E.", angemeldet zur Eintragung im Handelsregister des Amtsgerichts …, wird in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden und ihre Firma ändern ("F"). F wird anfangs 97 % und letztlich bis zu 100 % der Aktien der X von den Aktionären erwerben, gemäß dem Kauf- und Übertragungsvertrag, der zwischen den Aktionären in der Form abzuschließen ist, die hier als Anlage 1 beigefügt ist … F wird künftig zu der D-Unternehmensgruppe gehören, deren Konzernobergesellschaft D ist.
3. Eine neue Gesellschaft wurde errichtet und zur Eintragung angemeldet als "G" beim Handelsregister des Amtsgerichts …. Diese Gesellschaft wird ebenfalls ihre Firma ändern ("H"). H wird eine 100 %-Tochter von F und dient als der Benannte, der letztlich zwischen 97 und 100 % der Anteile an X halten wird.
4. Beim Erwerb von X wünscht D sicherzustellen, dass die Aktionäre dem Geschäft von X verbunden bleiben und dass sie angemessen an deren künftigem Wachstum teilhaben. Demgemäß wurde ein Wiederanlage-Plan entwickelt, demzufolge gewisse Beträge, die die Aktionäre als Gegenleistung für ihre Aktien an X erhalten, in F wiederangelegt werden ("Wiederanlage").
Auf dieser Grundlage vereinbaren die Vertragsteile, was folgt.
II. Wiederanlageplan für Aktionäre
2.1 Für D ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Aktionäre dem Geschäft von X verpflichtet bleiben. Deshalb, gleichzeitig mit dem Verkauf der Aktien von X, haben C und die Inhaberaktionäre Anteile in F (Stammanteile) zu Bedingungen zu kaufen, die in dem Kauf- und Übertragungsvertrag spezifiziert sind.
2.2 Die Namensaktionäre, die sich für die Ausübung ihrer Option entschieden haben, haben Namensaktien von F zu Bedingungen zu kaufen, die in dem Kauf- und Übertragungsvertrag spezifiziert sind; die Inhaber- und Namensaktionäre werden ermutigt, diese Wandlung vorzunehmen (die "Wandlung") und von dem Darlehen Gebrauch zu machen, das ihnen zur Verfügung gestellt wird.
2.3 D hat eine Bank zu bezeichnen, die jedem Inhaberaktionäre und jedem Namensaktionär ein Darlehen zur Verfügung zu stellen hat, das gleich ist 300 % der Beträge, die dieser Aktionär in F-Anteile wieder anlegt, oder derjenige niedrigere Betrag, den der Aktionär wählt, binnen drei Monaten nach Anzeige durch den Aktionär, dass die in Nr. 2.2 bezeichnete Wiederanlage gemacht wird. Das Darlehen steht ausschließlich dafür zur Verfügung, dem Aktionär den Erwerb von Anteilen an F zu ermöglichen. Es ist ohne Haftung für den Aktionär persönlich oder sein sonstiges Vermögen, außer die Anteile des Aktionärs an F. Es wird besichert durch ein vorrangiges Pfandrecht an jedem Anteil des Aktionärs an F. Das Darlehen ist verzinslich mit einem Satz zum …. Es wird bedient bezüglich Tilgung und Zinsen ausschließlich aus jeglichen Darlehen, die dem Aktionär auf seine F-Anteile bezahlt werden, oder aus Erlösen, die er aus dem Verkauf dieser F-Anteile erhält. Soweit der Zins, der auf das Darlehen zahlbar ist, die an den Aktionär bezahlten Dividenden übersteigen sollte, ist der andernfalls fällige Zins zum Darlehenshauptsache-Betrag zu schlagen. Falls Dividendenzahlungen, die der Aktionär erhält, die zahlbaren Zinsen übersteigen, ist der Mehrbetrag zur Tilgung des Darlehens zu verwenden. Alle Steuergutschriften, die für Dividendenzahlungen zur Verfügung stehen, sind zu berücksichtigen. ... Die endgültige Rückzahlung des Darlehens erfolgt beim Verkauf der F-Anteile und aus den Erlösen aus einem solchen Verkauf, die der F-Aktionär erhält."
Gemäß XVI dieses Vertrages wurden die beigefügten Anlagen (u.a. der Kauf- und Übereignungsvertrag) Bestandteil dieser Vereinbarung.
Nach diesem "Anteilskauf- und Übertragungsvertrag", der u.a. von C und B als Bevollmächtigte der Gesellschafter abgeschlossen wurde, veräußerten die fünf Hauptaktionäre der Gesellschaft und die X-AG selbst mit Wirkung bereits zum 1. Dezember 1996 97 v. H. aller Aktien an die E mit Sitz in …. Der Gesamtkaufpreis bestand aus einem Grundbetrag in Höhe von … Mio. DM. Die genaue Ermittlung des Kaufpreises war von verschiedenen Faktoren abhängig, die im Einzelnen in § 4 des Vertrages beschrieben sind. Das Gewinnbezugsrecht stand der Erwerberin ab dem 1. Januar 1997 zu. Oberste Muttergesellschaft der Erwerberin war D.1, … (Republik …). D hatte laut Börsen-Zeitung vom … im Jahr 1996 bereits 40 v. H. der Gesellschaftsanteile der I - Tochter J (Deutschland GmbH) übernommen.
In § 1 des o. g. "Anteilskauf- und Übertragungsvertrags" heißt es wie folgt:
"§ 1 Gesellschaft, Anteile, Verkäufer
…
5. Wandelrechte
Jeder der -- Manager gilt nur dann als Verkäufer und Wiederanleger für alle Zwecke des Vertrages, wenn und sobald er sich in seinem freien Ermessen für die Wiederanlage entscheidet, bezogen auf alle seine Anteile, schriftlich, beim Käufer (oder bei X für den Käufer) eingehend spätestens am 30. August 1997. Beträge, die aus dem Kaufpreis oder zur Wiederanlage einem solchen Verkäufer zuzuordnen sind, werden nicht vor Eingang einer solchen Optionserklärung ihm freigegeben oder zugewiesen. Die -- Manager stimmen für die Umwandlung von X in eine Kommanditgesellschaft und/oder eine Verschmelzung mit ihrer Holding Gesellschaft und/oder diejenigen anderen Maßnahmen gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierung mit ähnlicher Wirkung und/oder die Änderung des Geschäftsjahres auf den 31. Mai 1997, wenn und sobald eine Stimmenmehrheit in X (dies) verlangt, wobei die Umwandlung oder Umstrukturierung nicht vor dem 15. August 1997 stattfinden. Wenn die -- Manager sich dafür entscheiden, ihre Anteile zu behalten, und X gemäß dem Vorstehenden umgewandelt oder umstrukturiert wird, so halten die -- Manager insgesamt nicht mehr als drei Prozent an der umgewandelten oder umstrukturierten X, und die Verkäufer halten die anderen Gesellschafter von X schadlos bezüglich eines etwaigen Steuerschadens, der wegen der Neubestimmung der Größe des Anteilsbesitzes von drei Prozent erlitten wird. Wenn weniger als alle -- Manager sich gemäß dem vorstehenden Satz entscheiden, gilt die Begrenzung auf drei Prozent anteilig.
…
§ 3 Wiederanlage
Wiederanlage
a) Die Verkäufer (diesbezüglich auch als "Wiederanleger" bezeichnet) verpflichten sich zur Wiederanlage in Stamm- bzw. Namensaktien des Käufers (oder der anderen deutschen Holdinggesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar die Anteile an X halten wird). Dabei muß jedes Recht der Verkäufer für sie mindestens ebenso günstig sein wie dasjenige jedes anderen Gesellschafters des Käufers. Anfangs wird der Käufer ausschließlich mit Eigenkapital finanziert sein und (unmittelbar oder mittelbar) nur die X-Anteile halten und keine andere Tätigkeit ausüben. …
b) D (unmittelbar oder mittelbar) erwirbt und verkauft (oder läßt verkaufen) und die Verkäufer kaufen Anteile an dem Käufer wie folgt:
...
dd) vorbehaltlich § 1 (5) jeder der -- Manager 5/11 seiner Erlöse im Tausch gegen Aktien des Käufers zu dem selben Preis je Aktie wie ihn C und die Geschäftsleitung zahlen.
Der Wiederanlage-Betrag jedes Mitglieds des gesamten Ganzen Teams erhöht sich um den Betrag, zu dem er durch Option das Darlehen in Anspruch nimmt."
Die Verträge vom Dezember 1996 wurden von Rechtsanwalt … aus … ausgearbeitet, der der X-AG als Fachanwalt für Steuerrecht auch steuerberatend zur Seite stand.
Am 26./27. Juni 1997 schlossen die X-AG und der Kläger folgende "Vereinbarung" (Bl. 202 f. der Streitakte):
"Vorbemerkung
Zwischen der Gesellschaft und dem Mitarbeiter wurde am 15.08.1996 ein Aktienkaufvertrag über den Erwerb von … Stück Namensaktien im Nennbetrag von je … DM geschlossen. Es handelte sich hierbei um vinkulierte Namensaktien, deren Übertragung nach Maßgabe von § 4 Abs. 5 der Satzung der Gesellschaft der Zustimmung des Vorstandes der Gesellschaft bedurfte.
Im Vertrag durch den die D-Gruppe die Mehrheit der Anteile an der Gesellschaft erwarb ("K" vom 21. Dezember 1996), wurde dem Mitarbeiter mit Zustimmung des Vorstandes der Gesellschaft die Option eingeräumt, seine Aktien an den neuen Mehrheitsaktionär zu veräußern. Von dieser Option kann der Mitarbeiter nach der Regelung des Vertrages nur Gebrauch machen, wenn er gleichzeitig den Kaufpreis in Aktien der Holding-Gesellschaft reinvestiert, die in Zukunft Eigentümerin der Gesellschaft sein wird (vgl. § 1 Abs. 5 und § 3 des K). Die vom Mitarbeiter erworbenen Aktien an der Holding-Gesellschaft sollen wiederum vinkulierte Namensaktien sein. An ihnen setzen sich die vertraglichen Bedingungen aus dem zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft geschlossenen Aktienkaufvertrag fort.
Zur Umsetzung der vorgenannten Regelung und zur Sicherung der Vinkulierung der Aktien und der vertraglichen Bedingungen aus dem Aktienkaufvertrag treffen die Parteien folgende Vereinbarung:
§ 1 Der Mitarbeiter eröffnet ein separates Bankkonto bei der Bank.1, …, und stellt sicher, dass der Erlös aus dem Verkauf der oben genannten Aktien allein auf dieses Konto eingezahlt wird.
§ 2 Über das unter § 1 genannte Bankkonto darf der Mitarbeiter nur in Gemeinschaft mit der Gesellschaft verfügen. Der Mitarbeiter wird zu diesem Zweck mit der kontoführenden Bank eine Verfügungsbeschränkung vereinbaren, wonach jede Verfügung über das Konto der Unterschrift des Kontoinhabers und eines Vertreters der Gesellschaft bedarf."
Am 26. September 1997 wurde der Tausch der Namensaktien des Klägers an der X-AG gegen … Aktien der XY-AG vollzogen. Der Tausch war bereits am 26. Juni 1997 vom Vorstand genehmigt worden. Gleichzeitig erwarb der Kläger noch weitere 69 Aktien derselben Gesellschaft zu einem Kaufpreis in Höhe von ... Mio DM (… DM pro Aktie), so dass er fortan mit einem Aktienanteil in Höhe von 0,46 % am Gesamtkapital dieser Gesellschaft beteiligt war. Der Aktienerwerb wurde vollständig mit Hilfe eines von der D-Gruppe den -- betroffenen Managern vermittelten, zinsgünstigen Darlehens der Bank.2, … finanziert (beim Kläger in Höhe von rd. … Mio. DM).
Der Kläger veräußerte am 6. Mai 1999 im Rahmen einer Wandlung seine Aktien der XY-AG an die J.1, … (Republik …) und erwarb gleichzeitig im Gegenzug einige Aktien dieser Gesellschaft. Nach seinen Angaben führte er seine Aktienanlage von … Mio. DM wieder auf … DM zurück. Mit dem Verkaufserlös konnte er das Darlehen der Bank.2 vollständig tilgen und auch sämtliche Schuldzinsen bezahlen. Aufgrund seiner Aktienbeteiligung an der J.1 erhielt er von dieser Gesellschaft anschließend Dividendenauszahlungen.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärungen der Eheleute … für die Jahre 1996 bis 1999 machte der Kläger die Schuldzinsen für das von ihm allein aufgenommene Darlehen bei der Bank.1 zur Finanzierung des Erwerbs der Aktien der X-AG folgende vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend:
1996: | … DM | |
1997: | … DM | (= … DM ./. … DM ./. … DM) |
1998: | … DM | |
1999: | 0,00 DM |
Am 26. April 1999 erging ein erstmaliger Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1996, in dem der Beklagte die streitgegenständlichen vorweggenommenen Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen zunächst steuermindernd berücksichtigte. Der Bescheid war gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Abgabenordnung - AO 1977 - vorläufig (gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, weil "noch nicht abschließend geprüft werden" konnte, "ob eine Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich der Aktien der X-AG vorliegt"; gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 wegen anhängiger Verfassungsbeschwerden bzw. Gerichtsverfahren beim BFH wegen der im Bescheid genannten vier Rechtsprobleme).
Am 21. Juni 1999 erging ein nach § 165 Abs. 2 AO 1977 geänderter Einkommensteuerbescheid 1996, in dem die vorgenannten Werbungskosten nicht mehr steuermindernd berücksichtigt wurden. Dieser Bescheid erging nicht mehr nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, sondern nur noch nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 vorläufig. U. a. gegen das teilweise Fortbestehen des Vorläufigkeitsvermerks legten der Kläger und seine Ehefrau fristgerecht Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb.
Der Kläger und seine Ehefrau begründeten ihren Einspruch im Wesentlichen damit, dass die Veräußerung der Aktien der X-AG im September 1997 nicht auf seiner, des Klägers, freien Entscheidung beruht habe, sondern wegen der Neustrukturierung seiner Arbeitgeberin zwingend erforderlich gewesen sei. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der Aktien der X-AG und mittels Aufnahme weiterer Darlehen habe er den gleichzeitigen Ankauf der Aktien der XY-AG finanziert. Aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der XY-AG habe er sich für die Zukunft entsprechende Dividendenausschüttungen und damit Einnahmen aus Kapitalvermögen erhofft.
Am 1. Dezember 2000, 3. Januar und 12. Februar 2001 gingen beim Beklagten insgesamt drei Schreiben des Klägers vom 16. November 2000, 2. Januar 2001 sowie vom 8. Februar 2001 ein, in denen er zu den Hintergründen der Aktiengeschäfte Stellung nahm.
Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 1996 aus anderen, nicht streitgegenständlichen Gründen mit der Einspruchsentscheidung vom 2. August 2002 auf … EUR herab. Die Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 blieb bestehen.
Am 24. Oktober 2002 - also nach Klageerhebung durch die Eheleute … - erließ der Beklagte aufgrund einer Kontrollmitteilung des Finanzamts … vom 24. September 2002 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geänderten Bescheid für das Streitjahr 1996, mit dem er die Einkommensteuer auf nunmehr … € festsetzte. Der neue Steuerbetrag beruht auf einer Erhöhung der Brutto-Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um … Mio. DM. In einer Anlage zum Bescheid heißt es dazu:
"Gem. Feststellung des Finanzamts … haben Sie am 18.08.96 von Ihrem Arbeitgeber, der Firma X- AG, Aktien i. H. v. … DM erworben und am 21.12.96 für … Mio DM veräußert. Die Oberfinanzdirektion … vertritt die Auffassung, dass Ihnen diese Aktien vom Arbeitgeber verbilligt überlassen worden sind. Dieser geldwerte Vorteil ist Ihnen im Zeitpunkt des Erwerbs zugeflossen und im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Arbeitslohn zu erfassen. Der Veräußerungsgewinn i. H. v. ... Mio DM wurde deshalb dem bisherigen Arbeitslohn hinzugerechnet. Ich bitte um Entschuldigung, dass Ihnen vorab kein rechtliches Gehör gewährt werden konnte, aber aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung am 31.12.02 musste eine Auswertung der getroffenen Feststellungen umgehend erfolgen."
Dieser Feststellung lag offenbar folgende Berechnung zugrunde:
Kaufpreis gemäß § 4 des Anteils- und Übertragungsvertrages | … Mio. DM | |
davon vorab: Grundbetrag von | … Mio. DM | |
verteilt auf 213.000 Aktien (nur für das Ganze Team) = | … DM/Aktie | |
Restkaufpreis: | … Mio. DM | |
davon … Mio. DM (Anteile C und B) | ||
Restbetrag: | … Mio. DM | |
zu verteilen auf | 120.000 Aktien | |
Der Wert der für … DM 5.000 Aktien | ||
beträgt danach 5.000 (… DM + … DM) = | … Mio DM. |
Mit seiner Klage macht der Kläger hinsichtlich des Erwerbs der Aktien der X-AG im Wesentlichen geltend, dass kein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil entstanden sei. Auch lägen die Voraussetzungen nach § 23 EStG für eine Besteuerung des Gewinns aus dem späteren Verkauf der Aktien oder eines (fiktiven) zwischenzeitlichen Wertzuwachses der Aktien nicht vor. Dagegen seien die vom Kläger in den Einkommensteuererklärungen 1996 bis 1999 geltend gemachten Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Erwerb der Aktien der X-AG im August 1996 als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen steuermindernd zu berücksichtigen, weil er beim Erwerb der vorgenannten Aktien die Absicht gehabt habe, Gewinne aus Dividendenausschüttungen der X-AG zu erzielen (Hinweis auf Schreiben von Steuerberater … an den Kläger vom 20. November 2001 mit Ausführungen zur Ertragskraft und dem Ausschüttungsverhalten der X-AG).
Ein geldwerter Vorteil sei im Zusammenhang mit dem Aktienkauf im August 1996 nicht entstanden, weil die ersten Aktienerwerbsbemühungen der D-Gruppe später- nämlich ab September 1996 - eingesetzt und sich erst im November 1996 näher konkretisiert hätten (der Kaufpreis der Aktien sei erst im Dezember 1996 nach mehrmaligen Angebotsverbesserungen seitens der D-Gruppe festgelegt worden). Diese Aktienerwerbsbemühungen hätten daher bei den Kaufpreisverhandlungen der X-AG mit den -- Managern im Rahmen eines gängigen Mitarbeiterbeteiligungsprogramms keine Rolle gespielt (Hinweis auf schriftliche Äußerungen des Vorstandsmitglieds B aus … . gegenüber dem FG vom 26. Juni 2005 und gegenüber dem Beklagten vom 26. September 2005 sowie des damaligen kaufmännischen Leiters und Prokuristen der X-AG, … aus …, vom 6. November 2005 gegenüber dem Beklagten (Bl. 177, 182, 244 der Streitakten).
Der vom Betriebsprüfer anhand des rkr. Beschlusses des Hessischen Finanzgerichts vom 15. Mai 2001, 4 V 5281/00, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2001, 1163 ermittelte geldwerte Vorteil im Zusammenhang mit der Erwerb der Aktien der X-AG durch ihn, den Kläger, im August 1996 sei nicht nachvollziehbar. Insbesondere werde dabei den Besonderheiten des Einzelfalls (vinkulierte Namensaktien) nicht Rechnung getragen. Der von den Vertragsparteien damals ausgehandelte Kaufpreis für die Namensaktien stelle immerhin das Neunfache des durchschnittlichen Jahresgewinns der X-AG dar und sei damit wirtschaftlich angemessen.
Ein Veräußerungsgewinn im Sinne von § 23 EStG sei im Streitjahr 1996 nicht angefallen, weil er, der Kläger, die ihm durch die Verträge vom Dezember 1996 eingeräumte Option im Jahr 1996 nicht mehr ausgeübt habe und - wegen des Vorstands-Zustimmungserfor-dernisses - auch nicht autonom bereits im Dezember 1996 habe ausüben können (Hinweis auf Zustimmungsvereinbarung mit dem Vorstand der X-AG vom 26./27. Juni 1997).
Der Kläger beantragt,
die Einkommensteuer 1996 unter Änderung der Steuerfestsetzung gemäß Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2002 und Änderung des Einkommen-steuerbescheids vom 24. Oktober 2002 unter Nichtansatz eines geldwerten Vorteils i. S. von § 19 a EStG und Nichtansatz eines Spekulationsgewinns nach § 23 EStG sowie Berücksichtigung zusätzlicher Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von … EUR festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass zusätzliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von … EUR anerkannt werden.
Er verweist zunächst auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus:
Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass die Verhandlungen, die zum Abschluss der Verträge vom Dezember 1996 geführt hätten, im August 1996 sich schon soweit verdichtet hätten, dass der im Dezember 1996 schriftlich niedergelegte Kaufpreis für 97 v. H. der Aktien der X-AG diese Einigung der Vertragsparteien nur noch nach außen hin dokumentiert habe (Hinweis auf Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 23. Juni 1999, X B 103/98, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2000, 30 m. w. N.).
Die Erhöhung der Bemessungsgrundlagen um ... Mio DM sei auch bei einer anderen Verteilung auf die verschiedenen Einkunftsarten gerechtfertigt. Nach einer Stellungnahme des Fachprüfers für Unternehmensbewertung des Finanzamts für Körperschaften IV ergebe sich für 1996 ein Sachbezugswert im Sinne des § 19a EStG in Höhe von … DM sowie ein Spekulationsgewinn in Höhe von … DM (… Mio DM ./. … DM ./. … DM - Bl. 156, 184, 185 ff., 190 R, 193 der Gerichtsakten).
Für die Annahme eines Veräußerungsgeschäftes im Sinne von § 23 Abs. 1 EStG reiche ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien der X-AG im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 vom Kläger auf E aus. Dieser habe sich im vorliegenden Fall bereits mit Abschluss der Verträge vom Dezember 1996 ereignet, da "nach dem typischen und für die wirtschaftliche Betrachtung maßgeblichen Geschehensablauf tatsächlich mit der Ausübung der Option durch den Kläger gerechnet werden musste" (Hinweis auf Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, 28. Aufl., § 23 Rz. 37 und 51 m. w. N. ). Dies ergebe sich insbesondere aus folgenden Umständen:
- Die Aktien des Klägers an der X-AG hätten einer Veräußerungsbeschränkung durch den Vorstand unterlegen. Insoweit sei es dem Kläger trotz vertraglich zugesicherter sog. Put-Option nicht möglich gewesen, die Aktien an einen anderen Erwerber für einen höheren Kaufpreis zu veräußern.
- Die Annahme der Put-Option sei mit einem weitreichenden "Begünstigungskatalog" für den Kläger verbunden gewesen (z. B. Vergabe von ungesicherten Darlehen). Unabhängig von dem an sich schon hohen Kaufpreis sei daher von einer Annahme der Option auszugehen gewesen.
- Im Vordergrund der vertraglichen Überlegungen der D. habe nicht der Erwerb von Aktien gestanden. Vielmehr sollten der Kläger und die anderen -- Manager langfristig an das Unternehmen gebunden werden. Deshalb sei die Zustimmungserklärung des Vorstandes der X-AG reine Formsache gewesen. Auch aus diesem Grund sei von einer Optionsannahme bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger auszugehen gewesen.
Es entspreche den Grundsätzen höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass bei Einräumung einer nicht handelbaren Call-Option zum Zeitpunkt der verbilligten Aktienüberlassung der wirtschaftliche Vorteil in Form einer vergünstigten Aktienüberlassung als Sachbezug zu versteuern ist (Hinweis auf BFH-Urteil vom 20. Juni 2001, VI R 105/99, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2001, 689 m.w.N.). Nichts anderes müsse im Falle der Gewährung einer Put-Option gelten, bei dem die dem Arbeitnehmer gehörenden Aktien zu einem höheren Wert als dem Verkehrswert übernommen werden, soweit die ursprüngliche Ausgabe der Put-Option - wie im vorliegenden Fall gegeben - durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags des Beklagten wird insbesondere auf dessen Schriftsatz vom 30. Mai 2010 mit Anlagen verwiesen.
Dem Senat haben bei seiner Entscheidung zwei Bände Einkommensteuerakten (StNr.: …) sowie ein Hefter mit Unterlagen über die BNV (= betriebsnahe Veranlagung) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.
Die Klage ist begründet. Die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 1996 gemäß Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2002 sowie Änderungsbescheid vom 24. Oktober 2002 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Der Kläger macht zu Recht die steuermindernde Berücksichtigung zusätzlicher Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von … EUR geltend, was zwischen den Prozessbeteiligten inzwischen auch unstreitig ist (vgl. den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 28. Januar 2011 sowie den eingeschränkten Klageabweisungsantrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 10. März 2011).
Nach der Rechtsprechung des BFH gilt Folgendes: Hat der Steuerpflichtige neben der Absicht, auf Dauer gesehen einen Überschuss der Einnahmen aus Kapitalvermögen über die damit zusammenhängenden Werbungskosten zu erzielen, auch die Erwartung oder Hoffnung, mit der Kapitalanlage steuerfreie Vermögensvorteile zu realisieren, so steht dies dem vollumfänglichen Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten nicht entgegen, sofern die Absicht, steuerfreie Wertsteigerungen zu realisieren, nur mitursächlich für die Anschaffung der ertragbringenden Kapitalanlage ist und nicht im Vordergrund steht (BFH-Urteile vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BStBl II 1982, 37 und vom 8. Juli 2003 VIII R 43/01, BStBl II 2003, 937 m.w.N.). Da die X-AG in den Jahren 1993 bis 1995 unstreitig zusammengerechnet Gewinne in Höhe von rund … Mio. DM erzielt und pro Jahr jeweils Dividendenausschüttungen in Höhe von … bis … Mio. DM durchgeführt hat und auch die XY-AG in den Wirtschaftsjahren 1997/98 sowie 1998/99 zusammengerechnet Gewinne in Höhe von rund … Mio. DM erzielt und eine Gewinnausschüttung für das Wirtschaftsjahr 1998/99 in Höhe von … Mio. DM durchgeführt hat, ist die vom Kläger behauptete Absicht, durch stetige Anlage von Geld in (hinsichtlich ihrer Weiterveräußerbarkeit an fremde Dritte vinkulierte) Aktien seiner jeweiligen Arbeitgeberin, Gewinne aus Dividendenausschüttungen zu erzielen, nach den Maßstäben der BFH-Rechtsprechung (vgl. dazu Weber-Grellet, a.a.O., 29. Aufl., § 20 Rz. 253 "Schuldzinsen") nachvollziehbar dargelegt.
Somit ergeben sich folgende, vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 28. Januar 2010 bereits unstreitig gestellte, zusätzliche Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen im Hinblick auf von ihm an die Bank.1 gezahlte Schuldzinsen in Höhe von … €.
2. Die Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer 1996 durch den Beklagten mittels Änderungsbescheid vom 24. Oktober 2002 um … Mio. DM ist nicht unter dem Gesichtspunkt der Erzielung eines Spekulationsgewinns im Sinne von § 23 EStG 1996 gerechtfertigt.
a.) Ein Spekulationsgewinn aufgrund eines vom Kläger noch im Veranlagungszeitraum 1996 mitinitiierten Aktientauschs i. S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG 1996 (Spekulationsfrist: sechs Monate) könnte vom Beklagten grundsätzlich trotz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BStBl II 2005, 56 zum strukturellen Vollzugsdefizit der Finanzverwaltung bei den Einkünften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG angesetzt werden, weil jener Beschluss nur für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 bindend ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 7. September 2005 VIII R 90/04, BStBl II 2006, 61 sowie Weber-Grellet, a. a. O., § 23 EStG Rz. 10).
b.) Ein solcher Spekulationsgewinn ist bei der Besteuerung für das Streitjahr 1996 gleichwohl nicht anzusetzen, weil der Kläger nach der Überzeugung des erkennenden Senats in jenem Kalenderjahr noch nicht die hierfür erforderliche Willenserklärung gegenüber der D-Gruppe oder deren Tochtergesellschaften oder gegenüber seiner Arbeitgeberin abgegeben hat, die im August 1996 erworbenen Aktien der X-AG gegen Aktien der XY-AG einzutauschen. Der Kläger ist - entgegen der schriftsätzlich geäußerten Auffassung des Beklagten - nach den Grundsätzen der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BFH in jenem Streitjahr auch noch nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien der im Tauschwege von ihm zu erwerbenden Aktien der XY-AG i. S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 geworden.
Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 ist die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers dadurch gekennzeichnet, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Unter diesen Voraussetzungen können auch Rechte und damit auch Anteile an Kapitalgesellschaften Gegenstand wirtschaftlichen Eigentums sein. Bei der Veräußerung von Anteilen ist dies nach Auffassung des BFH jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Erwerber
(1) aufgrund eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und
(2) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie
(3) das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 2006 VIII R 32/04, BStBl II 2007, 296 und vom 4. Juli 2007 VIII R 68/05, BStBl II 2007, 937).
Ein besitzloses wirtschaftliches Eigentum setzt nach Ansicht des BFH weiter voraus, dass der Inhaber des zivilrechtlichen Eigentums bezüglich des Wirtschaftsguts allein den Weisungen des anderen zu folgen verpflichtet ist und dieser jederzeit die Herausgabe (Übertragung des Eigentums an sich) verlangen kann (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 2010 IX R 38/09, BFH/NV 2011,41 m. w. N.).
Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen. Eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts kann deshalb auch anzunehmen sein, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind. Demgemäß ist auch bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend (BFH in BFH/NV 2011, 41 m. w. N.).
Im vorliegenden Fall war z. B. das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung der Aktien der XY-AG im Streitjahr 1996 noch nicht auf den Kläger übergegangen, weil er in jenem Jahr noch nicht zu erkennen gegeben hat, ob er von den ihm im Rahmen der Vereinbarungen vom Dezember 1996 in Bezug auf Erwerb der Aktien der XY-AG eingeräumten Rechten überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt Gebrauch machen werde. Für die Ausübung der ihm in diesem Zusammenhang eingeräumten Rechte, insbesondere das Recht, die im Dezember 1996 bereits in seinem Eigentum stehenden Aktien der X-AG zu einem bestimmten Umtauschkurs gegen Aktien der XY-AG einzutauschen, hat er sich nach Auffassung des erkennenden Senats erst im Laufe des Jahres 1997 entschieden (siehe auch den Inhalt der Vereinbarung vom 26./27. Juni 1997 zwischen der X-AG und dem Kläger sowie die Genehmigungserklärung seitens des Vorstandes der X-AG vom 26. Juni 1997). Dafür sprechen nicht zuletzt folgende Umstände: Zum einen der unstreitige Umstand, dass der Beklagte selbst die an den Vertragsvereinbarungen beteiligten -- Manager per 31. Dezember 1996 nicht als juristische und damit vollumfängliche, sondern nur als wirtschaftliche und damit "unvollkommene", weil z. B. besitzlose Eigentümer der Aktien der XY-AG ansieht. Zum anderen war im Streitjahr 1996 unstreitig auch noch nicht der (mittels eines von der D-Gruppe dem Kläger sowie den anderen -- beteiligten Managern vermittelten zinsgünstigen Darlehens einer Bank.2 finanzierte) Ankauf zusätzlicher Aktien der XY-AG (Kaufpreis: … Mio. DM; Darlehensbetrag: rd. … Mio. DM) durch den Kläger vollzogen worden, der nach der vom Beklagten unwidersprochenen Einlassung des Klägers zum selben Zeitpunkt durchgeführt worden ist wie der Tausch der … Aktien der X-AG gegen … Aktien der XY-AG (alle Aktien mit einem Nennwert in Höhe von jeweils … DM).
3. Schließlich ist im Rahmen der Einkommensbesteuerung des Klägers für das Streitjahr 1996 auch kein geldwerter Vorteil im Sinne von § 19 a EStG einkünfteerhöhend anzusetzen.
a.) Ein geldwerter Vorteil ist im Streitjahr 1996 im Hinblick auf die Einräumung von Rechten zugunsten des Klägers auf Erwerb von Aktien der XY-AG nicht entstanden. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BFH führt bei Einräumung eines handelbaren wie nicht handelbaren Aktienoptionsrechts erst die Umwandlung des Rechts in Aktien zum Zufluss eines geldwerten Vorteils; diese ist aber unter Berücksichtigung des oben zur Frage des wirtschaftlichen Eigentums des Klägers an den Aktien der XY-AG erst im Folgejahr 1997 durchgeführt worden (vgl. dazu allgemein nur BFH-Urteil vom 20. November 2008 VI R 25/05, BStBl II 2009, 382 m.w.N.).
b.) Ein geldwerter Vorteil ist im Streitjahr 1996 schließlich in der Person des Klägers auch nicht in Bezug auf den Erwerb der Aktien der X-AG im August 1996 entstanden.
Die vom Arbeitgeber des Klägers ausgegebenen Aktien der X-AG gelten als Vermögensbeteiligung i. S. von § 19 a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1996. Diese sind gemäß § 19 a Abs. 8 Satz 1 EStG mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen. Unterschreitet das vom Kläger für die Aktien geleistete Entgelt deren gemeinen Wert, ist insoweit ein Vorteil nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gegeben.
Der gemeine Wert von nicht börsennotierten Aktien ist zwar grundsätzlich aus Verkäufen abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. BewG). Lässt sich allerdings - wie im vorliegenden Fall mangels entsprechendem Tatsachenmaterial- auf diese Weise der gemeine Wert der Aktien nicht feststellen, ist er nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen. Der gemeine Wert lässt sich überdies auch dann nicht aus vorangegangenen Verkäufen ableiten, wenn noch vor dem sog. Bewertungsstichtag weitere objektive Umstände hinzutreten, die dafür sprechen, dass diese Verkäufe nicht mehr den gemeinen Wert der Aktien repräsentieren (vgl. dazu jüngst BFH-Urteile vom 29. Juli 2010 VI R 30/07, BStBl II 2011, 68 und VI R 53/08, BFH/NV 2011,18). Ansonsten ist der gemeine Wert für die VZ bis einschließlich 2006 (per 1.11.2007 erfolgte eine Änderung des § 19 a EStG durch Gesetz vom 16. Juli 2007, Bundesgesetzblatt - BGBl - I S. 1330) regelmäßig nach dem sog. Stuttgarter Verfahren zu ermitteln (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2011,18 ff.,20 unter II.2.c am Ende sowie Richter am BFH Schneider in: Neue Wirtschaftsbriefe - NWB - 2010, 3614).
Im vorliegenden Fall hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht ausreichend dargetan, dass dem Kläger sowie den weiteren -- beteiligten Managern und der Arbeitgeberin dieser Manager bei der Verhandlung des Kaufpreises für den Erwerb der Aktien der X-AG im Rahmen des Arbeitnehmer-Beteiligungsprogramms im August 1996 schon bekannt gewesen ist, dass ein ausländischer Investor wenige Monate später bereit sein werde, ein Vielfaches dieses Kaufpreises für den Erwerb von rund 97 v. H. der Aktien der X-AG zu bezahlen. Denn es gibt keine Anhaltspunkte, dass die entsprechenden Verkaufsverhandlungen mit D bereits im August 1996 begonnen haben.
Da die Arbeitgeberin der -- Manager den von ihr geforderten Preis für den Verkauf der Aktien der X-AG im Rahmen des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms unstreitig nach den Maßstäben des Stuttgarter Verfahrens ermittelt hat und dieses nach dem vorstehend Gesagten auch den Vorgaben der BFH-Rechtsprechung entspricht, bleibt auch insoweit kein Raum für den Ansatz eines geldwerten Vorteils in der Person des Klägers bereits für das Streitjahr 1996.
4. Die Berechnung der Höhe der aufgrund dieses Urteils neu festzusetzenden Einkommensteuer 1996 wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz und § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.