Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 01.11.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 N 181.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 124 VwGO, § 5 KAG BB, § 6 aF VwVG BB, § 2 KostO BB |
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Oktober 2012 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Beklagte.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf bis zu 300 EUR festgesetzt.
I.
Der Beklagte zog den Kläger durch (Benutzungs-)Gebührenbescheid zu Wassergebühren in Höhe von 383 Euro heran. Die Verbrauchsstelle betrifft ein Restaurant des Klägers. Die Gebühren waren am 15. Februar 2009 fällig. Der Beklagte mahnte den Kläger zweimal; beim zweiten Mal drohte er überdies die Einstellung der Wasserversorgung an. Am 23. März 2009 suchte ein so genannter "Inkassobeauftragter" des Beklagten den Kläger auf, forderte ihn zur Zahlung der Gebühren auf und wies auf die sonst drohende Zwangsvollstreckung und Versorgungseinstellung hin. Der Kläger versprach ihm, die Gebühren zu überweisen, was er dann auch umgehend tat. Mit dem hier angegriffenen Verwaltungsgebührenbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zog der Beklagte den Kläger für die Tätigkeit des "Inkassobeauftragten" zu einer Verwaltungsgebühr von 35 Euro und 0,75 Cent Reisekosten zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer auf die Gebühr und die Reisekosten, mithin zu einem Gesamtbetrag von 42,54 Euro heran. Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsgebührenbescheid aufgehoben. Das Urteil ist dem Beklagten am 1. November 2012 zugegangen. Er hat am 28. November 2012 die Zulassung der Berufung beantragt und seinen Zulassungsantrag erstmals am 2. Januar 2013 begründet.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO). Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Danach ist die Berufung hier nicht zuzulassen.
1. Die fristgerechten Darlegungen des Beklagten wecken keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Beklagte hat keinen tragenden Rechtssatz oder keine erhebliche Tatsachenfeststellung in der Weise schlüssig angegriffen, dass ein Erfolg der Berufung wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg.
a) Das Verwaltungsgericht ist von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Der Beklagte hält dem entgegen, der Kläger habe entgegen § 42 Abs. 2 VwGO keine Rechtsverletzung geltend gemacht. Das greift nicht. Nachdem der Kläger Inhaltsadressat der Verwaltungsgebührenerhebung ist, liegt auf der Hand, dass die Gebührenerhebung ihn in seiner eigenen Rechtsphäre betrifft. Soweit die Geltendmachung der Rechtsverletzung darüber hinaus noch das Plausibelmachen der Rechtswidrigkeit erfordert (vgl. dazu etwa Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage, Rdnr. 379 zu § 42 VwGO), sind die diesbezüglichen Anforderungen nur sehr niedrig (vgl. Sodann, a. a. O., Rdnr. 381); ihnen hat der Kläger zumindest im Rahmen der rechtlichen Erörterung in der mündlichen Verhandlung konkludent genügt.
b) Das Verwaltungsgericht hat in der Sache unter anderem angenommen, die Festsetzung der Gebühr stehe im Widerspruch zu gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Gemäß § 5 Abs. 1 KAG dürften Verwaltungsgebühren nur erhoben werden, wenn die Leistung von dem Beteiligten beantragt worden sei oder ihn unmittelbar begünstige. Ein Antrag des Klägers liege nicht vor. Die Leistung des Beklagten, das Aufsuchen des Klägers durch den "Inkassobeauftragten", habe den Kläger auch nicht unmittelbar begünstigt.
Der Beklagte hält dem entgegen: Durch die erfolgreiche Tätigkeit des Inkassobeauftragten seien dem Kläger die mit der zweiten Mahnung schon angedrohte Einstellung der Wasserversorgung für sein Restaurant und damit die Schließung des Restaurants erspart geblieben. Weiter sei ihm die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der offenen Gebührenforderung erspart geblieben und damit auch die mit der Zwangsvollstreckung einhergehende Beeinträchtigung der Bonitätseinstufung und der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers. Ein gesonderter Vorteil des Einsatzes des "Inkassobeauftragten" für den Kläger habe darin gelegen, dass die Kosten für eine Einstellung und Wiederaufnahme der Wasserversorgung und die Kosten für eine Zwangsvollstreckung wegen der offenen Gebührenforderung höher gewesen wären als die Kosten des Einsatzes des "Inkassobeauftragten". Außerdem seien dem Kläger Säumniszuschläge erspart geblieben. Sämtliche genannten Vorteile für den Kläger seien auch nicht nur eine mittelbare, sondern eine unmittelbare Folge des Einsatzes des "Inkassobeauftragten" gewesen. Dies ergebe sich aus dessen hoher - durch den vorliegenden Fall bestätigte - Erfolgsquote; die Tätigkeit des "Inkassobeauftragten" sei nicht nur ex post, sondern auch ex ante gesehen vorteilsgerecht für den Kläger gewesen.
Dies greift nicht. Der Umstand, dass dem Kläger eine Versorgungseinstellung und eine Zwangsvollstreckung einschließlich aller damit verbundenen Nachteile unterblieben ist, beruht nicht unmittelbar auf der Ansprache des Klägers durch den "Inkassobeauftragten", sondern auf dem Umstand, dass der Kläger die Gebührenforderung anschließend beglichen hat, also auf einer Entscheidung des Klägers. Die Unmittelbarkeit lässt sich insoweit auch nicht mit der vom Beklagten behaupteten hohen Erfolgsquote des "Inkassobeauftragten" begründen. Die Erfolgsquote ändert nichts daran, dass der Vermeidung der Versorgungseinstellung und der Zwangsvollstreckung eine Entscheidung des Klägers vorausgegangen ist. Im Übrigen hat die Tätigkeit des "Inkassobeauftragten" nach dem Zulassungsantrag darin bestanden, dem Kläger vor Ort die Folgen einer weiter unterbleibenden Zahlung (Versorgungseinstellung und Zwangsvollstreckung) vor Augen zu halten. Das kann man als zulässige mündliche Wiederholung der schon schriftlich erfolgten ersten und zweiten Mahnung und der mit der zweiten Mahnung verbundenen Androhung der Versorgungseinstellung verstehen. Denn es ist gerade Zweck der hier nach § 6 Abs. 3 VwVGBbg a. F. in Verbindung mit § 259 AO vorgesehen gewesenen Mahnung, dem Abgabenschuldner nach der Abgabenfestsetzung mit dem Leistungsgebot nochmals nachhaltig auf die ihm drohende Gefahr der Zwangsvollstreckung aufmerksam machen, um ihm unliebsame Überraschungen durch unerwartete Vollstreckungsmaßnahmen zu ersparen (vgl. Müller-Eiselt, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand März 2012, Rdnr. 3 zu § 259 AO). Den gleichen Warnzweck hat die Androhung der Versorgungseinstellung. Soweit der "Inkassobeauftragte" die Mahnung und die Androhung der Versorgungseinstellung zulässigerweise mündlich wiederholt hat, ist das indessen nicht gesondert gebührenfähig. Schon für die erste Mahnung wird eine Gebühr nach § 37 VwVGBbg a. F. in Verbindung mit § 2 Abs. 1 BbgKostO erhoben. Auch bei wiederholter Mahnung für die gleiche Forderung wird diese Gebühr nur einmal erhoben (§ 2 Abs. 2 Satz 3 BbgKostO). Diese Regelungen durfte der Beklagte nicht dadurch umgehen, dass er eine zweite - oder wie hier: eine dritte - Mahnung nur mündlich erteilen ließ und die entsprechende Handlung als Tätigkeit eines "Inkassobeauftragten" deklariert hat. Auch die mündliche Wiederholung der Androhung der Versorgungseinstellung ist als solche nicht gebührenfähig. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Einstellung der Wasserversorgung gerade für einen Restaurantbesitzer äußerst schwerwiegende Folgen nach sich zieht. Deshalb muss schon die mit der zweiten Mahnung verbundene erste Androhung der Versorgungseinstellung den Kläger auf das Höchste alarmiert haben; es ist nicht ersichtlich, dass eine Wiederholung insoweit noch irgendeine für den Kläger nützliche Steigerung der Warnung mit sich gebracht hätte. Soweit die Tätigkeit des "Inkassobeauftragten" über eine zulässige mündliche Wiederholung der Mahnungen und der Androhung der Versorgungseinstellung herausgegangen ist, d. h. soweit der "Inkassobeauftragte" über den Druck hinaus, der notwendigerweise mit einer zulässigen Wiederholung der Mahnungen und der Androhung der Versorgungseinstellung einhergegangen ist, zusätzlichen Druck auf den Kläger ausgeübt haben sollte (und sei es durch Lästigfallen), führt auch dies nicht zu einer gesonderten Gebührenfähigkeit seines Tuns. Der Beklagte ist nicht nach § 2 Abs. 3 VwVG a. F. zur Vollstreckungsstelle bestimmt gewesen und wäre selbst bei einer Bestimmung zur Vollstreckungsstelle an den numerus clausus der im Verwaltungsvollstreckungsgesetz geregelten Maßnahmen gebunden gewesen (vgl. dazu App/Wettlaufer, Praxishandbuch Verwaltungsvollstreckungsrecht, 5. Auflage, § 4 Rdnr 17 ff.). Eigene Vollstreckungsformen durfte er aus beiden Gründen nicht erfinden und anwenden, geschweige denn Gebühren dafür erheben.
2. Der Rechtssache kommt mit Blick auf die fristgerechten Darlegungen des Rechtsmittelführers auch keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wenn für die erstinstanzliche Entscheidung eine bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung gewesen ist, die auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre und deren Klärung in einem Berufungsverfahren im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Soweit der Zulassungsantrag konkrete Fragen im Zusammenhang mit der Gebührenfähigkeit der Tätigkeit des Inkassobeauftragen anspricht, lassen sich diese - wie oben geschehen - ohne weiteres im Berufungszulassungsverfahren klären. Weiteren Klärungsbedarf zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).