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Entschädigung - Sozialpartnerempfehlung - Aufsicht


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 31.01.2014
Aktenzeichen L 1 KR 338/11 KL ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 29 Abs 2 Nr 2 SGG, § 41 SGB 4, § 90 SGB 4

Leitsatz

Von der Sozialpartnerempfehlung abweichende Aufwandsentschädigungsregelungen nach § 41 SGB IV bedürfen einer individuell konkreten Begründung.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, vertreten durch das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde, die Genehmigung von Regeln zur Entschädigung ihrer Verwaltungsräte.

Die Klägerin ist eine bundesunmittelbare Ersatzkasse und hat ca. 8,7 Mio. Versicherte. Sie hat ihren satzungsmäßigen Sitz in Berlin und untersteht der Aufsicht der Beklagten.

Die Anlage zu § 10 der Satzung der Beklagten „Entschädigungsregelung für die Mitglieder der Selbstverwaltung“ lautete zum Stand 1. Januar 2010 auszugsweise im Abschnitt a) „Reisekostenregelung für die Mitglieder des Verwaltungsrats der BARMER GEK“ wie folgt:

„3. Pauschbetrag für Zeitaufwand

Für jeden Kalendertag einer Sitzung wird ein Pauschbetrag für Zeitaufwand in Höhe von € 52,00 gezahlt. Bei außergewöhnlicher Inanspruchnahme erhalten andere Organmitglieder als die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter diesen Pauschbetrag, wenn sie außerhalb von Sitzungen im Auftrage der BARMER GEK tätig werden, jedoch monatlich nicht mehr als das Sechsfache dieses Pauschbetrages. Die Vorsitzenden der vom Verwaltungsrat eingesetzten Ausschüsse und ihre Stellvertreter erhalten bei Sitzungen des Ausschusses den doppelten Pauschbetrag für Zeitaufwand nach Satz 1.“

(sogenannte Sitzungspauschale)

Abschnitt b) „Festsetzung der Pauschbeträge für Zeitauswand des Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates für ihre Tätigkeit außerhalb von Sitzungen und der Pauschbeträge für Auslagen des Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates für ihre Tätigkeit außerhalb von Sitzungen“ bestimmte:

„a) Die Pauschbeträge für Zeitaufwand der Vorsitzenden des Verwaltungsrates für ihre Tätigkeit außerhalb von Sitzungen (§ 41 Abs. 3 Satz 2 SGB IV) werden festgesetzt

für den Vorsitzenden des Verwaltungsrates auf € 416,00 monatlich,

für den stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates auf € 312,00 monatlich.

b) Die Pauschbeträge für Auslagen der Vorsitzenden des Verwaltungsrates für ihre Tätigkeit außerhalb von Sitzungen (§ 41 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) werden festgesetzt

für den Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates auf jeweils € 64,00 monatlich.“

Am 14. September 2011 beschloss der Verwaltungsrat der Klägerin einstimmig einen 5. Nachtrag zur Satzung.

Unter anderem soll dort in Artikel II die Anlage zu § 10 der Satzung im Abschnitt a) geändert werden durch Anhebung des Pauschbetrag für den Zeitaufwand Nr. 3 Satz 1 (also die Sitzungspauschale) von 52,00 € auf 65,00 €.

Satz 3 dieser Nummer soll wie folgt lauten:

„Den doppelten Pauschbetrag nach Satz 1 erhalten Organmitglieder als Sitzungsleiter(innen) oder stellvertretende Sitzungsleiter(innen)“.

Diese Änderung würde bewirken, dass nicht nur die Vorsitzenden (und die Stellvertreter) der Ausschüsse die doppelte Sitzungskostenpauschale erhalten, sondern auch die Vorsitzenden/stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates, wenn sie – wie in der Geschäftsordnung vorgesehen – die Verwaltungsratssitzungen leiten.

Ferner wurde beschlossen, in Abschnitt b) die monatliche Pauschale für die Tätigkeit außerhalb von Sitzungen für den Vorsitzenden des Verwaltungsrates von 416,00 € auf 650,00 € und für den stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates von 312,00 € auf 520,00 € (lit. a) sowie den Pauschbetrag für Auslagen für den Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates (lit. b) von 64,00 € auf 77,00 € anzuheben.

Zur Begründung zur Satzungsänderung führte die Klägerin aus, die Anpassung zur Sitzungskostenpauschale basiere auf der „Gemeinsamen Empfehlung für die Entschädigung der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane in der Sozialversicherung (§ 41 SGB IV)“des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) und des Bundesverbands der Arbeitgeberverbände (BDA) vom 17. November 2009 (Sozialpartnerempfehlung). In dieser werde eine Sitzungspauschale von höchstens 62,00 € empfohlen. Bei der Klägerin handele es sich allerdings um die größte gesetzliche Krankenkasse Deutschlands. Ihren Verwaltungsrat träfe eine besondere Verantwortung, die in ihrer Bedeutung in Bezug auf die zeitlichen und sonstigen Anforderungen des Amtes am ehesten mit der des Verwaltungsrates des GKV-Spitzenverbandes vergleichbar sei. Dessen Mitgliedern stehe in Abweichung von der Sozialpartnerempfehlung ein Pauschbetrag in Höhe von 70,00 € zu. Eine moderate Anpassung auf 65,00 € erscheine deshalb sachgerecht.

Der Zeitaufwand für die Leitung von Sitzungen treffe nicht nur die Vorsitzenden der Ausschüsse, sondern auch den Vorsitzenden des Verwaltungsrats und dessen Stellvertreter. Zwar stehe den Letztgenannten eine Monatspauschale zu. Diese betreffe allerdings nur die Tätigkeit außerhalb von Sitzungen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Zeitaufwand bei Sitzungen nur bestimmten Personen – nämlich den Ausschussvorsitzenden – gewährt werden solle, anderen Personen aber nicht, obwohl diese ebenfalls Sitzungen leiteten, demselben Zeitaufwand ausgesetzt seien und deshalb auch die doppelte Sitzungskostenpauschale erhalten sollten.

Die Erhöhung der monatlichen Pauschale für die Tätigkeit außerhalb von Sitzungen (Abschnitt b) vollziehe wie die Sitzungskostenpauschale die Sozialpartnerempfehlung nach.

Die Klägerin beantragte am 12. Oktober 2011 bei der Beklagten die Genehmigung der Satzungsänderung.

Diese lehnte mit Bescheid vom 24. Oktober 2011 die Genehmigung der in Artikel II des 5. Nachtrages zur Satzung enthaltenen Regelungen ab. Die Erhöhungen der Pauschalen seien unangemessen im Sinne des § 41 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) und verstießen gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.

Die Empfehlung der Sozialpartner einer Sitzungskostenpauschale von höchstens 62,-- € halte die Beklagte für große Versicherungsträger (über 200.000 Versicherte) für angemessen. Die beschlossene Sitzungskostenpauschale in Höhe von 65,00 € liege nicht mehr im Rahmen der Empfehlungsvereinbarung und sei nicht als angemessen zu bewerten. Soweit hingegen den Mitgliedern des Verwaltungsrates des GKV-Spitzenverbandes ein Pauschbetrag von 70,00 € zustehe, halte sich dies noch im Rahmen der Empfehlungsvereinbarung.

Die Gewährung unter 2. im Abschnitt a eines doppelten Pauschalbetrag nicht nur für Ausschussvorsitzenden, wie dies die Empfehlungsvereinbarung ausschließlich vorsehe, sondern auch für den Verwaltungsratsvorsitzenden und dessen Stellvertretender, sei ebenfalls unangemessen.

Die beschlossenen monatlichen Pauschalen für Tätigkeiten außerhalb von Sitzungen als Vielfaches der Sitzungskostenpauschale überschritten den für große Versicherungsträger mit über 200.000 Versicherten vorgesehene sieben bis achtfachen Satz. Nur bei Landesverbänden der Krankenkassen sowie deren Spitzenorganisationen, der DRV Bund und der DRV Knappschaft-Bahn-See käme der neun- bis zehnfache Satz in Betracht.

Soweit vorgesehen sei, für die Tätigkeit außerhalb von Sitzungen für den Vorsitzenden des Verwaltungsrates 650,00 € festzusetzen, also das Zehnfache der Sitzungskostenpauschale, sei dies nicht alleine aufgrund der Einsetzens der erhöhten Sitzungskostenpauschale unangemessen, sondern auch aufgrund des Faktors. Entsprechendes gelte für den stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates. Wenn die übliche Inanspruchnahme des stellvertretenden Vorsitzenden geringer ausfalle, sollte auch der Pauschbetrag entsprechend niedriger festgesetzt werden. Bei gleicher Beanspruchung seien für den stellvertretenden Vorsitzende das Achtfache des Höchstbetrages der Sitzungskostenpauschale in Höhe von 62,00 €, also 496,00 € angemessen.

Soweit ferner in diesem Abschnitt die Auslagenpauschale für den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates von 64,00 € auf 67,00 € angehoben werde, überschreite auch dies die Empfehlungsvereinbarung, welche hierfür bei großen Versicherungsträgern maximal 64,00 € empfehle. Ein Pauschbetrag für Auslagen in Höhe von 77,00 € sehe die Empfehlung lediglich für die genannten Spitzenorganisationen und Körperschaften vor.

Gegen diesen, am 27. Oktober 2011 zugestellten Bescheid, richtet sich die Klage vom 25. November 2011: Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig, weil die Beklagte die Genehmigung zu Unrecht versagt habe. Der Verwaltungsrat der Klägerin habe nach der Rechtsprechung des BSG einen Spielraum, den die Aufsichtsbehörde auch bei einer Genehmigung zu beachten habe (Bezugnahme u. a. auf BSG, Urteil vom 9. Dezember 1997 – 1 RR 3/94). Die Beklagte dürfe im Interesse einer Vereinheitlichung der Entschädigungspraxis auf die von den Sozialpartnern geschlossene Empfehlungsvereinbarung zurückgreifen, dieser komme aber keine rechtliche Verbindlichkeit zu. Es müsse unbeschadet der Richtigkeitsvermutung im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob die Empfehlung sachlich berechtigt sei. Alleine ein Abweichen von der Vereinbarung könne die Versagung der Genehmigung nicht rechtfertigen. Es müsse vielmehr umfassend geprüft und gewürdigt werden, ob im konkreten Einzelfall ein wichtiger Grund für die Abweichung vorliege. Diese geforderte konkrete Einzelfallprüfung sei hier unterblieben. Die Beklagte habe sich nur strikt an die Empfehlung gehalten. Sie habe nicht beachtet, dass die Vereinbarung der Sozialpartner selbst wiederholt als bloße Empfehlung bezeichnet worden sei.

Die von ihrem Verwaltungsrat beschlossenen Abweichungen von dieser Empfehlung seien sachlich begründet. Die Empfehlung staffele die Versicherungsträger lediglich in drei Stufen von bis 50.000 Versicherte, bis 200.000 Versicherte und über 200.000. Eine sachgerechte Staffelung für eine sehr große Versicherung wie die Klägerin fehle. Führe man die Systematik fort, jeweils aus dem Vierfachen der Versichertenanzahl eine neue Stufe zu bilden, müsste es eine für bis 3,2 Mio. und eine für bis 12,8 Mio. Versicherte geben und -unter Erhöhung des Multiplikators nach der zweiten Stufe jeweils um zwei- eine Festsetzung der Höhe Entschädigungsleistung bis auf das 11- bis 12-fache der erhöhten Sitzungskostenpauschale für den Vorsitzenden. Dass die Empfehlungspartner das neun- bis zehnfache der Sitzungskostenpauschale in erster Linie den Verbänden zugeständen, bedeute nicht, dass sie den Verbänden eine wesentlich größere Bedeutung zubilligten als einer großen Krankenkasse.

Die Empfehlung der Sozialpartner sehe für den für Sitzungen anfallenden Zeitaufwand einen höheren Pauschbetrag nur für den Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden von Ausschüssen der Organe vor. Dass ein solcher Pauschbetrag für andere mit Sitzungsleitung betraute Personen, insbesondere den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates fehle, sei eine offenbare Lücke. Die dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates zugebilligte Monatspauschale betreffe nämlich ausdrücklich nur die Tätigkeit außerhalb von Sitzungen. Der Verwaltungsrat der Klägerin sei berechtigt gewesen, die unbeabsichtigte Lücke durch eine analoge Anwendung der für die Ausschussvorsitzenden geltenden Regelung zu schließen.

Auch für die Erhöhung der Sitzungskostenpauschale um 3,00 € über der Empfehlung der Sozialpartner hinaus gebe es einen sachlichen Grund. Bei generalisierter Betrachtung könne ein größerer Aufwand zur Vorbereitung der Sitzungen und damit ein wesentlich höherer Zeitaufwand unterstellt werden im Vergleich zu kleineren Versicherungsträgern. Entsprechendes gelte für die Anhebung der Pauschbeträge für die Auslagen des Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates für ihre Tätigkeit außerhalb von Sitzungen auf 77,00 €. Dieser Betrag werde von der Empfehlungsvereinbarung u. a. für Verbände vorgesehen, obgleich diese in wesentlich geringerem Maße in unmittelbarem Versichertenkontakt stünden, wie dies bei den Verwaltungsratsvorsitzenden der Krankenkassen wie der Klägerin sei. Auch fielen bei diesem laufend und zunehmend Telefon-, Fax-, Porto- und Fahrtkosten an.

BDA und DGB haben am 23. Oktober 2012 eine neue Sozialpartnerempfehlung für die Entschädigung der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane in der Sozialversicherung mit Wirkung ab 1. Januar 2013 vereinbart.

Im Hinblick auf die geänderte Empfehlung der Sozialpartner hat die Beklagte mit Bescheid vom 17. Juni 2013 den Bescheid vom 24. Oktober 2011 dahingehend abgeändert, dass Artikel II Nr. 1a mit der Maßnahme genehmigt wird, dass dieser rückwirkend zum 1. Januar 2013 in Kraft tritt. Die durch den Verwaltungsrat der Klägerin am 14. September 2011 beschlossene Sitzungskostenpauschale in Höhe von 65,00 € werde mit der neuen Empfehlung der Sozialpartner zum 1. Januar 2013 genehmigungsfähig, welche die Beklagte als entsprechenden Willen der Selbstverwaltung ab dem 1. Januar 2013 interpretiere.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2011 in der Gestalt des Bescheides vom 17. Juni 2013 abzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Artikel II des vom Verwaltungsrat der BARMER GEK am 14. September 2011 beschlossenen 5. Nachtrags zur Satzung der BARMER GEK insgesamt zu genehmigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt die Begründung des angefochtenen Bescheides.

Die Empfehlungsvereinbarung sei eine Übereinkunft derjenigen Organisationen, die das Recht hätten, Vorschlagslisten zu den Sozialwahlen einzureichen, und die damit in den Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherungsträger vertreten sein. Die Empfehlung gehe also von den unmittelbar Betroffenen selbst aus und sei Ausdruck des Willens der Selbstverwaltung, an dessen Stelle sich die Aufsichtsbehörde in der Regel nicht setzen könne.

Die Beklagte habe geprüft, ob eine Abweichung von der Empfehlung auf Grund von Besonderheiten gerechtfertigt wäre. Einzig in Betracht kommender und vorgetragener Grund sei die Größe und Bedeutung der Klägerin mit 8,7 Mio. Versicherten. Dieser Umstand würde sich jedoch nur auswirken, wenn die Klägerin sich hinsichtlich der Zahl der Versicherten so stark von den übrigen Sozialversicherungsträgern unterscheiden würde, dass infolge dessen ein erhebliches Missverhältnis des mit der Sitzungskostenpauschale abgegoltenen Aufwandes der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane der Klägerin im Gegensatz zu den Mitgliedern der Selbstverwaltungsorgane der übrigen Sozialversicherungsträger entstehen würde. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Hinsichtlich der Sitzungskostenpauschale, bei welcher die Empfehlung nur einen Höchstbetrag vorsehe und keine Staffelung nach der Versichertenzahl, hätten sich die Aufsichtsbehörden darauf verständigt, den Höchstbetrag nur bei Versicherungsträgern mit mehr als 200.000 Versicherten als angemessen anzusehen und bei kleineren Versicherungsträgern zwingend einen Abschlag zu verlangen. Konkrete Argumente dafür, dass der Höchstbetrag unangemessen niedrig sei, um den Zeitaufwand der Mitglieder des Verwaltungsrates adäquat zu entschädigen, habe die Klägerin nicht geliefert.

Auch die beantragte Anhebung der Pauschbeträge für den Zeitaufwand für die Tätigkeit außerhalb von Sitzungen für den Vorsitzenden des Verwaltungsrates und den Stellvertreter sei unangemessen, weil sich eine Abweichung von den Empfehlungen nicht aus den Umständen des Einzelfalles ergebe. Die Entschädigungsregel für Organmitglieder von Landesverbänden knüpfe nicht an deren Größe, sondern an die Bedeutung und den Umfang ihrer Aufgaben an.

Unangemessen seien auch die beschlossenen Auslagenpauschalen für die Tätigkeit des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates außerhalb von Sitzungen von jeweils 77,00 €. Auch insoweit fehlten Besonderheiten, die eine Überschreitung der Empfehlungsvereinbarung rechtfertigten.

Zuletzt sehe die Empfehlung doppelter Pauschbeträge bewusst nur für Ausschussvorsitzende und deren Stellvertreter bei Sitzungen ihrer Ausschüsse vor. Es liege keine planwidrige Regelungslücke vor. Die Unterscheidung sei auch aufgrund der an die Ausschussvorsitzenden gestellten besonderen fachlichen Anforderungen sachlich gerechtfertigt. Demgegenüber sei davon auszugehen, dass der Aufwand der Verwaltungsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters zu großen Teilen außerhalb der Sitzungen entstehe und deshalb durch die Pauschale nach Punkt 6.2 bereits hinreichend abgegolten sei.

Die Grundsätze einheitlicher Genehmigungspraxis wären nicht mehr gewahrt, folgte man der Fortentwicklung der Stufenbildung durch die Klägerin.

Die Grundlagen der finanziellen Ausstattung der Sozialversicherungsträger seien vornehmlich im System einer Zwangsmitgliedschaft von den jeweils zahlungspflichtigen Mitgliedern zu entrichten. Der Einsatz finanzieller Mittel erfordere daher besonderen Bedacht.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Klage bleibt Erfolg versagt.

Das hiesige Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist für sie nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) funktionell und nach § 57 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. SGG analog örtlich zuständig. Die Klägerin ist ein Sozialversicherungsträger und hat ihren Sitz in Berlin. Es handelt sich um eine Aufsichtsangelegenheit (dazu näher sogleich).

Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1, Abs. 5 SGG, die sich nach § 96 Abs.1 SGG auch gegen den Bescheid vom 17. Juni 2013 richtet, ist überwiegend zulässig.

Sie ist unzulässig, soweit sich die Klägerin auch gegen die Teilgenehmigung im Bescheid vom 17. Juni 2013 wendet, also nicht nur eine teilweise Aufhebung bzw. Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide begehrt, sondern eine gänzliche Aufhebung. Durch die teilweise Genehmigung ihres Beschlusses ist sie nämlich auch nicht möglicherweise in eigenen Rechten verletzt und damit beschwert im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG.

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 41 Abs. 3 SGB IV kann den Mitgliedern der Selbstverwaltungsorgane für jeden Kalendertag einer Sitzung ein Pauschbetrag für Zeitaufwand geleistet werden. Die Höhe des Pauschbetrages soll unter Beachtung des § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (Ehrenamtlichkeit) in einem angemessenen Verhältnis zu dem regelmäßig außerhalb der Arbeitszeit erforderlichen Zeitaufwand, insbesondere für die Vorbereitung der Sitzungen, stehen.

Ein Pauschbetrag für Zeitaufwand kann für die Tätigkeit außerhalb von Sitzungen dem Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden der Selbstverwaltungsorgane geleistet werden.

Die Zuständigkeit des Verwaltungsrates für die entsprechenden Regelungen folgt aus § 197 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 41 Abs. 4 Satz 1 SGB IV.

Satzungsänderungen und Beschlüsse gemäß § 41 Abs. 4 Satz 1 SGB IV müssen nach § 195 Abs. 1 SGB V, § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB IV von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden.

Für die Klägerin ist das Bundesversicherungsamt die zuständige Aufsichtsbehörde nach § 90 Abs. 1 SGB IV, da die Klägerin ein bundesunmittelbarer Versicherungsträger ist.

Die Aufsichtsbehörden sind bei der Überprüfung der Beschlüsse speziell nach § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB IV nicht nur berechtigt, die Rechtmäßigkeit der von einem Sozialversicherungsträger beschlossenen Aufwandsentschädigung für Organmitglieder zu überprüfen, sondern auch deren Angemessenheit:

Bereits bei der allgemeinen Rechtsaufsicht nach § 69 Abs. 2 SGB IV gibt der Charakter der aufsichtsbehördlichen Genehmigung als Akt staatlicher Mitwirkung an der autonomen Rechtssetzung des Sozialversicherungsträgers der Aufsichtsbehörde grundsätzlich das Recht, eigene Zweckmäßigkeitsüberlegungen anzustellen und hierbei Bewertungsmaßstäbe zu entwickeln, mit denen unbestimmte Rechtsbegriffe wie Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in einer bestimmten Weise konkretisiert werden (BSG, Beschluss vom 31. März 1998 – B 1 A 1/96 B, juris Rdnr. 6 m. w. N.).

Es geht aber bei § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB IV nicht nur -wie bei § 69 Abs. 2 SGB IV- um eine Rechtmäßigkeitskontrolle hinsichtlich der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „Wirtschaftlichkeit“ und „Sparsamkeit“, sondern auch um die Kontrolle der Ermessensausübung.

Die Aufsichtsbehörde ist deshalb berechtigt, das Angemessenheitsgebot des § 41 Abs. 3 SGB IV im Interesse einer Vereinheitlichung der Entschädigungspraxis der ihrer Aufsicht unterstehenden Sozialversicherungsträger zu konkretisieren. Sie kann dazu auf die von den Sozialpartnern abgeschlossene Empfehlungsvereinbarung zur Höhe der Pauschbeträge für Zeitaufwand zurückgreifen.

„Als Wertung der unmittelbar Betroffenen, also derer, die es angeht, begründet sie eine Vermutung der Richtigkeit, die ihre Hereinziehung als Grundlage der Angemessenheitsprüfung hinreichend legitimiert“ (BSG, Urteil vom 9. Dezember 1997 – 1 RR 3/94 – juris – Rdnr. 20).

Die Empfehlungsvereinbarung dürfe aber – so das BSG, dem der hiesige Senat aus eigener Überzeugung folgt – von der Aufsichtsbehörde und den Gerichten nicht etwa so gehandhabt werden, als ob sie normatives Recht sei, weil ihr keinerlei rechtliche Verbindlichkeit zukomme. Unbeschadet der Richtigkeitsvermutung müsse stets geprüft werden, ob die im konkreten Fall zur Anwendung kommenden Empfehlungen sachlich berechtigt seien.

Auch könne allein die Abweichung von der Empfehlung alleine die Versagung der Genehmigung von der Vertreterversammlung beschlossenen Pauschbeträge nicht rechtfertigen. Vielmehr bedürfe es einer umfassenden Prüfung und Würdigung, ob für die Abweichung im konkreten Einzelfall ein wichtiger Grund vorliege (BSG, a. a. O., juris – Rdnr. 20 am Ende mit Bezug auf BSGE 23, 206, 209 f).

Die hier maßgeblichen Regelungen der Empfehlung 2009 lauten im Wortlaut:

„V. Pauschbeträge für Auslagen außerhalb von Sitzungen

1. Den Vorsitzenden der Organe können Auslagen außerhalb von Sitzungen, mit Ausnahme von Reisekosten auch durch einen Pauschbetrag abgegolten werden. Hierbei sollten folgende Pauschbeträge nicht überschritten werden:

Versicherte
(einschl. Rentner)

Vorsitzende(r)

        
        

Vorstand/Verwaltungsrat/
Aufsichtsrat

Vertreterversammlung

bis 50000

26 € mtl.

13 € mtl.

bis 200 000

39 € mtl.

20 € mtl.

über 200 000

64 € mtl.

32 € mtl.

Spitzenorganisationen
DRV Bund
DRV Knappschaft-Bahn-See
Landesverbände der
Krankenkassen

77 € mtl.

39 € mtl.

2. Für die stellvertretenden Vorsitzenden gilt V. 1. entsprechend.

Wenn die übliche Inanspruchnahme der/des stellvertretenden Vorsitzenden üblicherweise geringer ausfällt, sollte der Pauschbetrag der/des stellvertretenden Vorsitzenden jedoch entsprechend niedriger festgesetzt werden.

3. Anderen Mitgliedern der Selbstverwaltungsorgane werden die notwendigen und angemessenen Auslagen In Höhe der tatsächlichen Kosten erstattet.

4. Die Pauschbeträge für Auslagen dürfen nicht mit den Pauschbeträgen für Zeitaufwand (VI.) vermischt werden.

VI. Pauschbeträge für Zeitaufwand

1. Für Sitzungen werden an jedes Mitglied der Selbstverwaltungsorgane unabhängig von der Sitzungsdauer höchstens 62 EUR je Sitzungstag erstattet. Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende von Ausschüssen der Organe erhalten bei Sitzungen ihres Ausschusses den doppelten Betrag.

2. Für die Tätigkeit außerhalb von Sitzungen bei den einzelnen Versicherungsträgern kommen folgende Sätze in Betracht:

Versicherte
(einschl. Rentner)

Vorsitzende(r)

        
        

Vorstand/Verwaltungsrat/
Aufsichtsrat

Vertreterversammlung

bis 50000

das 2-4fache

das 1fache

bis 200 000

das 5-6fache

das 2fache

über 200 000

das 7-8fache

das 2fache

Spitzenorganisationen
DRV Bund
DRV Knappschaft-Bahn-See
Landesverbände der
Krankenkassen

das 9-10fache

das 3fache

Für die stellvertretenden Vorsitzenden der Organe gilt V. 2. entsprechend.

3. Anderen Organmitgliedern kann ein Pauschbetrag für Zeitaufwand für ihre Tätigkeit außerhalb von Sitzungen ausnahmsweise dann gewährt werden, wenn im Einzelfall eine außergewöhnliche Inanspruchnahme des Organmitglieds aufgrund eines besonderen Auftrages vorliegt. Das gilt nicht für die Wahrnehmung repräsentativer Interessen. In Betracht kommt für diese Fälle die Gewährung eines Pauschbetrages für Sitzungen oder eines Bruchteils hiervon.

In der neuen Sozialpartnerempfehlung von Oktober 2012 ist die Tabelle zu V. 1 (Auslagen außerhalb der Sitzungen) folgendermaßen gefasst:

Versicherte
(einschl. Rentner)

Vorsitzende(r)

        
        

Vorstand/Verwaltungsrat/
Aufsichtsrat

Vertreterversammlung

bis 50000

27 € mtl.

14 € mtl.

bis 200 000

41 € mtl.

21 € mtl.

bis 1 Mio

68 € mtl.

34 € mtl.

Über1 Mio

74 € mtl.

37 € mtl.

Spitzenorganisationen
DRV Bund
DRV Knappschaft-Bahn-See
Landesverbände der
Krankenkassen
SVLFG (ab 01.01.2013)

81 € mtl.

41 € mtl.

Die Sitzungspauschale beträgt nunmehr 65,00 € (VI. Pauschbeträge für Zeitaufwand Nr. 1) Die Tabelle nach VI ist unter VI. bestimmt Folgendes:

Versicherte
(einschl. Rentner)

Vorsitzende(r)

        
        

Vorstand/Verwaltungsrat/
Aufsichtsrat

Vertreterversammlung

bis 50000

das 2-4fache

das 1fache

bis 200 000

das 5-6fache

das 2fache

bis 1 Mio.

das 7fache

das 2fache

über 1 Mio

das 8fache

das 2fache

Spitzenorganisationen
DRV Bund
DRV Knappschaft-Bahn-See
Landesverbände der
Krankenkassen
SVLFG (ab 01.01.2013)

das 9-10fache

das 3fache

Unter Heranziehung der oben skizzierten Rechtlage und der einschlägigen Sozialpartnerempfehlungen leidet die Genehmigungsversagung der Beklagten nicht an Rechtsmängeln, die zur Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide führten:

Hinsichtlich der Sitzungskostenpauschale für alle Verwaltungsorganmitglieder hat die Beklagte zu Recht darauf abgestellt, dass die Klägerin außer ihrer Größe keinen konkreten Umstand genannt hat, weshalb der Zeitaufwand ihrer Organmitglieder relevant höher sein könnte. Die Sitzungskostenpauschale dient der Abgeltung des Aufwandes an Freizeit für die Sitzung, insbesondere auch für deren Vorbereitung. Es bleibt bei der abstrakten Überlegung, dass Umfang und Komplexität der Aufgaben der Selbstverwaltungsorgane bei größeren Trägern tendenziell zunehmen könnten. Bereits 2009 gab es Sozialversicherungsträger mit weitaus größeren Versichertenzahlen als 200.000 Mitgliedern. Die Empfehlung sieht hier auch aktuell nach wie vor keine Staffelung der Sitzungskostenpauschale nach der Zahl der Versicherten vor, wie bei anderen Pauschalen, sondern nur einen Höchstbetrag zur Abgeltung dieses Aufwandes (höchstens 62,-- € bzw. nunmehr 65,00 € je Sitzungstag). Eine Atypik der Klägerin im Vergleich zu anderen großen Sozialversicherungsträgern wird auch von dieser nicht vorgetragen.

Soweit sie in der mündlichen Verhandlung erstmals angedeutet hat, die Aufgaben ihrer Selbstverwaltungsorgane als Krankenkasse könnten umfangreicher sein als die bei anderen Sozialversicherungsträgern bzw. die Sozialpartner hätten nur die Strukturen der AOKs im Blick gehabt, zeigt dies -Richtigkeit unterstellt- auch nur abstrakt-generelle Gesichtspunkte auf, welche die Beklagte auch bei entsprechen früherem Vorbringen nicht hätte berücksichtigen dürfen.

Für den allgemeinen Aufwand außerhalb der Sitzungen kann bei einer generalisierenden Betrachtungsweise unterstellt werden, dass die Vorbereitungen der Sitzungen bei größeren Versicherungsträgern einen höheren Zeitaufwand verursachten als bei kleineren. Der Umfang und Komplexität der Aufgaben u. a. des Verwaltungsrates, etwa bei der Feststellung des Haushaltsplans, der Entlastung des Vorstandes und des Geschäftsführers, der Jahresrechnung oder beim Erwerb, der Veräußerung oder der Belastung von Grundstücken und der Errichtung von Gebäuden nehmen mit der Größe des Versicherungsträgers zu (BSG, a. a. O., juris Rdnr. 21). Insofern knüpft die Staffelung der Beiträge bei den Verbänden sachgerecht an den Umfang und die Bedeutung der Aufgaben an (BSG, a. a. O., juris Rdnr. 21).

Nach der alten wie der neuen Empfehlung ist für die Klägerin nur der achtfache Satz der Sitzungspauschale zum Ausgleich der Vorbereitungszeit für den Vorsitzenden/stellvertretenden Vorsitzenden vorgesehen, auch soweit es einen großen Versicherungsträger mit über einer Million Versicherten betrifft.

Die Argumentation der Beklagten, die Einheitlichkeit der Genehmigungspraxis wäre nicht mehr gewahrt, wenn die Beklagte als eine von mehreren Aufsichtsbehörden die Empfehlung der Sozialpartner eigenständig fortentwickeln müsste, weist keine Rechtsfehler auf. Sie ist vielmehr schlüssig.

Auch der Senat vermag in der Sozialempfehlung keine Lücke zu erkennen, soweit die doppelte allgemeine Sitzungspauschale nur den Ausschussvorsitzenden und deren Stellvertretern zuerkannt wird, nicht hingegen den Vorsitzenden der Verwaltungsorgane. Weil diesen für den Zeitaufwand außerhalb der Sitzungen die Aufwandsentschädigung nach VI zugebilligt wird, liegt die Annahme einer unbewussten Regelungslücke fern.

Zuletzt hat die Beklagte zutreffend festgestellt, dass die von der Klägerin beschlossenen Beträge der Auslagenpauschale die Empfehlung nach wie vor übersteigen, ohne dass hier konkret ersichtlich wäre, was die Klägerin von anderen großen Sozialversicherungsträgern unterscheidet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.