Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 24.03.2011 | |
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Aktenzeichen | L 3 R 1001/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 5 Abs 1 Nr 11 SGB 5, § 5 Abs 1 Nr 228 SGB 5, § 5 Abs 1 Nr 237 SGB 5, § 57 Abs 1 SGB 11, § 44 SGB 10 |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Die Klägerin, die eine Altersrente aus eigener Versicherung und außerdem eine Witwenrente aus der Versicherung des Herrn A D (Rentenbescheid vom 25. Oktober 1995) bezieht, begehrt in ihrem, von der Beklagten als Überprüfungsantrag (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) gewerteten Schreiben vom 29. November 2009 eine Neuberechnung der Rente. Nach Mitteilungen von ihren Anwälten sowie Medien und Zeitschriften und vom Oberverfassungsgericht seien alle Renten, Ost wie West, falsch berechnet worden. Es werde Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen.
Die Beklagte lehnte eine Rücknahme des Witwenrentenbescheides mit Bescheid vom 14. Januar 2010 ab, denn der Bescheid vom 25. Oktober 1995 sei rechtmäßig. Gemäß Mitteilung der AOK B habe die Klägerin die Vorversicherungszeit in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung erfüllt mit der Folge, dass Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Versicherten- und Hinterbliebenenrente bestehe, so dass die Beiträge vom Rentenversicherungsträger nach § 255 Abs. 1 SGB V einzubehalten und an die Krankenkasse abzuführen seien. Bei der Berechnung der der Klägerin gewährten Witwenrente seien alle vom verstorbenen Versicherten zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten entsprechend der Sach- und Rechtslage berücksichtigt worden. Weitere Versicherungszeiten seien weder nachgewiesen noch behauptet worden.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch trug die Klägerin vor, dass ein „toter A D“ weder einen Arzt noch eine Pflegeversicherung benötige. Das Verfassungsgericht halte derartige Bescheide für falsch, so dass die Gelder, die von 1995 an für A D für Kranken- und Pflegekasse einbehalten worden seien, zurückgezahlt werden müssten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zu den Einkünften eines Rentenbeziehers gehörten nicht nur die Altersrente aus seiner eigenen Versicherung, sondern auch etwaige Hinterbliebenenrenten. Da die Witwenrente aus der Versicherung des Herrn A D (Rentenbescheid vom 25. Oktober 1995) der Klägerin zur Verfügung stehe, sei sie ihr Einkommen und werde daher zur Beitragsberechnung herangezogen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten, als „Widerspruch“ bezeichneten Klage vom 20. März 2010 hat die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens vorgetragen, sie sei doppelt und dreifach mit Krankenkassen- und Pflegegeldzahlungen belastet. Zusätzlich habe sie Ausgaben für Medikamente und bekomme keine gesetzliche Pflege von der Pflegekasse. Nach derzeitigen Mitteilungen des Bundesverfassungsgerichts sei die Beklagte verpflichtet, alle Gelder bis 1995 rückwirkend zurückzuzahlen.
Mit Urteil vom 26. August 2010 hat das Sozialgericht Berlin (SG) die Klage abgewiesen und zur Begründung auf den vollkommen zutreffenden Widerspruchsbescheid (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie ergänzend auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 09. Februar 1993 (12 RK 58/92) hingewiesen, worin das BSG ausführe, dass der Bezug einer Witwenrente eine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner bedinge. Der Zahlbetrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung führe zu beitragspflichtigen Einnahmen, die bei der Berechnung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung wie auch zur Pflegeversicherung zu berücksichtigen seien.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung trägt die Klägerin vor, sie zahle mit ihrer Rente Monat für Monat und Jahr für Jahr Krankenkasse und Pflegekasse in die AOK ein. Des Weiteren werde von der Witwenrente ebenfalls Kranken- und Pflegegeld abgezogen, auch für die AOK. Zudem habe sie vierteljährlich 10,00 Euro und für Medikamente 50,00 bis 70,00 Euro zu bezahlen, weitere Behandlungen seien Hörgeräte, Brillen, Gehhilfen, auch hierfür sei von der AOK Geld verlangt worden. Sie fühle sich als Rentnerin von der Versicherung und auch von der AOK betrogen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Januar 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2010 zu verurteilen, sämtliche sie betreffende Rentenbescheide seit 1995 dahingehend zu ändern, dass die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung, bezogen auf die Witwenrente aus der Versicherung des Herrn A D, entfällt und ihr eine entsprechend höhere Rente zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten unter dem 18. November 2010 zum beabsichtigten Erlass eines Beschlusses gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 23. März 2011 eine Entscheidung des Senats angemahnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen (25 030717 D 027 – 2030).
II.
Die Berufung ist gemäß § 153 Abs. 4 S. 1 SGG nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Die Beklagte hat jedoch bei Erlass der angefochtenen Bescheide das Recht nicht unrichtig angewandt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neufeststellung ihrer Rente ohne Berücksichtigung der auf die Hinterbliebenenrenteentfallenden Beitragsanteile zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, § 57 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) gehört die Klägerin zu den Mitgliedern der Krankenversicherung der Rentner, da sie die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt. Die Klägerin bezieht eine Rente aus eigener Versicherung und ferner eine Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des verstorbenen Herrn A D. Nach §§ 228, 237 Satz 1 Nr. 1 SGB V gehört bei versicherungspflichtigen Rentnern, zu denen die Klägerin zählt, der Zahlbetrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu den beitragspflichtigen Einnahmen, die der Bemessung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zugrunde gelegt werden. Hierbei sind nach den §§ 228, 237 SGB V alle Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Hierzu gehören sowohl die Renten aus eigener Versicherung als auch abgeleitete Renten, wie z. B. die Witwenrente aus der Versicherung des Herrn A D denn § 228 Abs. 1 SGB V enthält insoweit keine Einschränkungen (vgl. hierzu Peters, Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 228 SGB V Rdnr. 3).
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass „Tote“ keine Ausgaben mehr für Medikamente etc. hätten. Zum einen handelt es sich bei der Witwenrente um Einkommen der Klägerin, während das zu Lebzeiten des Versicherten gezahlte Altersruhegeld Einkommen des Versicherten darstellte. Zum anderen werden die Beiträge nicht für eine Kranken-/Pflegeversicherung des verstorbenen Versicherten A D, sondern für die Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin erhoben. Da das System der gesetzlichen Kranken- und auch Pflegeversicherung als eine Solidarversicherung ausgestaltet ist, ist der von jedem Versicherungspflichtigen zu erbringende Beitrag weder dem Grund noch der Höhe nach an einen konkreten Schaden oder Krankheitsfall gebunden und auch persönliche Umstände wie z. B. eine schlechte Gesundheit oder verschuldete Gesundheitsschäden spielen bei der Bemessung des Beitrags grundsätzlich keine Rolle. Mit dem Argument der Klägerin, es käme auf die Inanspruchnahme durch den konkreten Versicherten an, könnte z. B. derjenige, der aufgrund stabiler Gesundheit keinen Arzt aufsuchen muss, eine Rückerstattung seiner Krankenversicherungsbeiträge verlangen oder es könnte von einem Versicherten, dessen Krankheit hohe Kosten verursacht, ein Zusatzbeitrag verlangt werden. Dies würde dem System der Solidarversicherung zuwiderlaufen.
Es ist auch nicht ersichtlich, welche die Rechtsstellung der Klägerin tangierende Frage Gegenstand einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hätte sein können, zumal die Klägerin zu ihrer diesbezüglichen Behauptung weder ein Aktenzeichen noch ein Entscheidungsdatum genannt hat. Die in den §§ 228, 237 Satz 1 Nr. 1 SGB V angeordnete Regelung, wonach bei versicherungspflichtigen Rentnern der Zahlbetrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung – und zwar auch aus der Hinterbliebenenrente - zu den der Bemessung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zugrunde gelegten beitragspflichtigen Einnahmen gehört, bestand seit jeher. Auch vor Inkrafttreten des SGB V am 01. Januar 1989 ordnete die Vorgängervorschrift des § 180 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 8 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) an, dass als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung die Renten der Arbeitnehmer und Angestellten mit gewissen, hier nicht einschlägigen, Ausnahmen galten und der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung der Beitragsbemessung bei versicherungspflichtigen Rentnern zugrunde gelegt wurde (vgl. hierzu Peters, a. a. O.). Die Klägerin greift auch nicht Regelungen an, die Gegenstand diverser verfassungsgerichtlicher oder höchstrichterlicher Entscheidungen waren, etwa die durch § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der Fassung des Artikels 6 Nr. 1 des 2. SGB VI-Änderungsgesetzes geregelte Verpflichtung der Rentner zur Tragung des vollen Beitrags zur Pflegeversicherung (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07. Oktober 2008, 1 BvR 2995/06 und 1 BvR 740/07, in juris) oder die in § 241 a Abs. 1 Satz 1 SGB V i. d. F. des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14. November 2003 geregelte Verpflichtung der Rentenbezieher seit dem 01. Juli 2005 zur Entrichtung eines Zusatzbeitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung (BSG, Urteil vom 18. Juli 2007, B 12 R 21/06 R, in juris). Einschlägig ist im Fall der Klägerin auch nicht die Entscheidung des BVerfG zu der Regelung des § 248 Satz 1 SGB V i. d. F. d. GMG, wonach seit dem 01. Januar 2004 auf Versorgungsbezüge Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz erhoben werden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28. Februar 2008, 1 BvR 2137/06, in juris), denn die Klägerin erhält keine Versorgungsbezüge. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch eine Rentnerin, die wie die Klägerin Bezieherin einer Rente aus eigener Versicherung und einer Witwenrente war, zu den Beschwerdeführern gehörte, ohne dass das BVerfG insoweit irgendeine verfassungswidrige Belastung gesehen hätte.
Da die Klägerin auch keine Einwände gegen die rechnerische Ermittlung der Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhoben hat und Fehler diesbezüglich nicht zu erkennen waren, war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG nicht vorliegen.