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Einkommen - Einkommensermittlung - Selbständigkeit - Gesellschafter - GbR - Gesellschaft bürgerlichen Rechts - Gewinn - Gewinnverteilung - Gewinnermittlung - Zwischengewinn - Abschlussgewinn - monatliche Verteilung -jährliche Verteilung - endgültige Festsetzung


Metadaten

Gericht SG Cottbus 14. Kammer Entscheidungsdatum 07.03.2011
Aktenzeichen S 14 AS 711/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 328 SGB 3, § 11 SGB 2, § 40 Abs 1 S 1 Nr 1a SGB 2, § 3 AlgIIV, § 4 AlgIIV, § 705 BGB

Leitsatz

1.) Zur Frage der Ermittlung der endgültigen Leistungen bei Einkommen aus Anteilen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

2.) Einkommen im Sinne des § 11 SGB II sind nur die tatsächlichen Gewinnentnahmen aus einer GbR. Diese sind monatlich zu ermitteln und nicht auf einzelne Monate auf der Grundlage eines Jahresüberschusses zu verteilen.

Tenor

I. Der Änderungsbescheid und der endgültige Feststellungsbescheid, jeweils vom 09. Februar 2010, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. April 2010, werden aufgehoben.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, der Rechtmäßigkeit der endgültigen Feststellung der Höhe der Leistungen nach dem Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) für die Klägerin für den Zeitraum 01. September 2009 bis 31. Dezember 2009 und der damit verbundenen Erstattungsforderung in Höhe von 385,59 Euro.

Die Klägerin ist Mitgesellschafterin der W W H K und D B GbR (im Folgenden nur GbR) gewesen. Im streitgegenständlichen Zeitraum hielt die Klägerin einen Anteil von 50 % an der GbR. Wegen der weiteren Einzelheiten des GbR Vertrages wird nach § 136 Absatz 2 SGG auf diesen verwiesen.

Die Klägerin bezog auf Grund einer für vorläufig erklärten Bewilligung vom 25. August 2009 ergänzende Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten.

Unter dem 18. Januar 2010 wurde die Gewinnermittlung für das Jahr 2009 bei der Beklagten eingereicht. Auf Grund dieser Gewinnermittlung ermittelte die Beklagte für den Zeitraum September 2009 bis Dezember 2009 ein Einkommen der Klägerin aus selbständiger Tätigkeit, setzte die Leistungen der Klägerin mit Bescheid vom 09. Februar 2010 endgültig fest und verlangte mit einem weiteren Bescheid vom 09. Februar 2010 einen überzahlten Betrag in Höhe von 385,59 Euro von der Klägerin zurück.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 01. April 2010 zurückgewiesen.

Mit Ihrer am 04. Mai 2010 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist insbesondere der Auffassung, eine Aufteilung der Gewinnermittlung auf einzelne Monate sei im Falle einer GbR nicht möglich, da insofern ein Geschäftsjahr bestimmt wurde und der Gewinn der GbR nur für das gesamte Geschäftsjahr ausgewiesen wird.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

den Änderungsbescheid und den endgültigen Festsetzungsbescheid, beide vom 09. Februar 2010, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. April 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide.

In Ausübung der Pflicht zur Amtsermittlung wurde unter dem 31. Januar 2011 ein Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt und im Rahmen dessen der Zeuge D B gehört. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zum Termin verwiesen.

Die Aussage des Zeugen B wurde durch Verlesen in der mündlichen Verhandlung in jene eingeführt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden haben.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Bescheide vom 09. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. April 2010 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat in der streitgegenständlichen Zeit kein Einkommen erzielt was die Erstattungsforderung des Beklagten stützen würde.

1.

Im Rahmen der vorläufigen Bewilligung nach §§ 40 Absatz 1 S. 1 Nr. 1a SGB II und 328 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) gelten für den später vorzunehmenden Ausgleich die Vorgaben des § 328 SGB III (vgl. dazu Niesel SGB III, 4. Aufl. § 328 Rn 20). Voraussetzung für diesen Ausgleich ist zunächst die vorläufige Bewilligung. Hier wurden der Klägerin Leistungen nach dem SGB II ausdrücklich vorläufig bewilligt. Der Zusatz der Vorläufigkeit begegnet, ob der unklaren Einkommenssituation der Klägerin, auch keinen Bedenken.

Nach § 328 SGB III ist zunächst festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Vorläufigkeit weggefallen sind. Dies war hier der Fall, da unter dem 18. Januar 2010 die abschließende Gewinnermittlung vorgelegen hat und damit die Einkommenssituation der Klägerin beurteilbar wurde.

In einem weiteren Schritt ist dann festzustellen inwiefern die endgültige Berechnung von der vorläufigen abweicht. Hier hat der Beklagte ein höheres Einkommen der Klägerin errechnet als ursprünglich angenommen. Daraus resultierte dann, nach der Berechnung des Beklagten, dass der Klägerin zu hohe Leistungen nach dem SGB II bewilligt und ausbezahlt wurden.

Der Klägerin wurden indes aber keine zu hohen Leistungen vorläufig bewilligt und ausbezahlt. Die Betrachtungsweise der Beklagten ist von den Vorgaben des § 11 Absatz 1 SGB II i.V.m. § 3 der ALG II VO nicht gedeckt.

Nach § 11 Absatz 1 SGB II sind als Einkommen alles Einnahmen in Geld, oder Geldeswert zu berücksichtigen. Für die Bestimmung dieses Einkommens werden in der ALG II VO weitere Reglungen getroffen. § 3 der ALG II VO in der maßgeblichen Fassung vom 17. Dezeber 2007, zuletzt geändert mit ÄndVO vom 23. Juli 2009, regelt die Bestimmung des Einkommens bei Selbständigen. § 3 ALG II VO ist auf die Klägerin anwendbar, da sie als mitarbeitende Gesellschafterin der GbR ihr Einkommen aus der GbR durch ihre Arbeitskraft erzielt und nicht im Sinne von § 4 ALG II VO ihr Einkommen alleine aus der Beteiligung an der GbR erwirtschaftet hat. § 3 Absatz 1 S. 1 ALG II VO bestimmt für die Betrachtung des Einkommens im Sinne des § 11 Absatz 1 SGB II, dass die Betriebseinnahmen maßgeblich sein sollen. Im Satz 2 wird bestimmt, dass Betriebseinnahmen alle aus selbständiger Arbeit (…) erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen, sind. Die ALG II VO in der hier maßgeblichen Fassung stellt nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut auf einen tatsächlichen Zufluss ab. Daher kann die Kammer hier auch dem Vorbringen des Beklagten nicht folgen, es wäre zumindest auf die Nutzungsvorteile der getätigten Privatverbräuche abzustellen (vgl. dazu LSG Mecklenburg-Vorpommern L 8 B 7/07). Die maßgebliche Entscheidung des LSG, welches auf dieses Nutzungsvorteile abstellt ist unter der Geltung des § 2a der alten ALG II VO entstanden. Dieser hatte insbesondere den Hinweis auf einen tatsächlichen Zufluss noch nicht enthalten. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber die Wendung des „tatsächlichen Zuflusses“ bewusst eingeführt hat, gerade um klar zu stellen, dass Vorteilsnutzungen eben nicht (mehr) von § 3 ALG II VO erfasst sein sollen, sondern nur die tatsächlich erfolgten Zuflüsse.

Ein tatsächlicher Zufluss von Einkommen aus der GbR lag hier aber nicht vor. Weder aus den Kontoauszügen der Klägerin ist dieser ersichtlich, noch wurde eine Barzahlung vom Zeugen B bestätigt. Der Beklagte hat hier zwar die Behauptung in den Raum gestellt es werden wohl schon Gelder geflossen sein, diese Behauptung wurde aber nicht einmal ansatzweise unter Beweis gestellt. Der Kammer wurden durch den Beklagten auch keine weiteren Mittel an die Hand gegeben die Aussage des Zeugen, er habe keinen Bargewinn ausgezahlt zu erschüttern. Die Aussage des Zeugen, er habe insofern sowohl seine Tochter, als auch die GbR viel eher mit seiner eigenen Rente unterstützt, ist nachvollziehbar und glaubhaft.

Im Übrigen wäre, schon aus steuerrechtlichen Gründen, eine Entnahme eines „Zwischengewinns“ aus der GbR zu dokumentieren. Eine solche Dokumentation findet sich hingegen ebenfalls nicht. Soweit aber auf einen „Abschlussgewinn“ abzustellen wäre, wäre dieser (nach dem 18. Januar 2010), erst außerhalb des Bewilligungszeitraumes angefallen, so dass auch hierauf nicht anbestellt werden kann.

Die vorläufige Bewilligung erweist sich demnach zumindest als nicht zu hoch angesetzt, so dass sowohl die endgültige Festsetzung als auch die daraus resultierende Erstattungsforderung als rechtswidrig erweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht der Entscheidung in der Hauptsache.

III.

Nach § 144 Absatz 2 Nr. 1 SGG war die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Auslegung der ALG II VO und der Berechnung des Einkommens bei einer Beteiligung an einer GbR zuzulassen.