Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.12.2016 | |
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Aktenzeichen | 2 Sa 1382/16 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 23 Abs 1 KSchG |
Der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz ist nicht unternehmens-, das heißt arbeitgeberübergreifend ausgestaltet.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 05.07.2016 – 2 Ca 160/16 – wird auf seine Kosten bei einem Streitwert von 8.100,00 Euro in der 2. Instanz zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung aus betrieblichen Gründen und dabei um das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG.
Das Arbeitsgericht Eberswalde hat die gegen die Kündigung vom 26.02.2016 gerichtete Kündigungsschutzklage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kündigung wirksam sei, da auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde, so dass es ohne Beschränkung kündbar sei. Da die Beklagte unstreitig nur neun Arbeitnehmer beschäftige, sei gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar.
Es seien auch die Beschäftigten anderer GmbH’s aus dem Konzernverbund der IGS I. GmbH & Co. KG nicht mitzuzählen, da ein unternehmensübergreifender „Berechnungsdurchgriff“ nicht möglich sei. Der Kündigungsschutz sei nach ständiger Rechtsprechung nicht unternehmens-, das heißt arbeitgeberübergreifend ausgestaltet.
Der Kläger genieße auch keinen Kündigungsschutz im sogenannten Gemeinschaftsbetrieb. Die Voraussetzungen eines solchen Gemeinschaftsbetriebs mehrerer Unternehmen habe der darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht dargelegt. Er lege schon nicht dar, mit welchen anderen Unternehmen die Beklagte einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten solle. Seine Darstellungen schwankten zwischen der Möglichkeit, dass ein Gemeinschaftsbetrieb mit der IGS I. GmbH & Co. KG vorliegen könnte, oder aber mit allen anderen Unternehmen, die sich im Konzernverbund befinden. Hier hätte der Kläger eindeutig schildern müssen, mit welchem Unternehmen sein Arbeitgeber am Standort in P. einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalte. Dieser Vortrag fehle. Es gebe weder mit der IGS I. GmbH & Co. KG noch mit anderen Unternehmen eine einheitliche Leitung zur Erreichung eines gemeinsamen Betriebszweckes. Die IGS I. GmbH & Co. KG werde von anderen Geschäftsführern geführt als die Beklagte. Herr O. als Geschäftsführer der Beklagten leite diese Firma und weitere selbständige GmbH’s, die im Konzernverbund stünden, nicht aber von der IGS V. GmbH vertreten würden. Nicht widerlegt blieben die Ausführungen der Beklagten, dass ihr Geschäftsführer keinerlei Weisungen seitens der Unternehmung in Weimar unterliege. Herr O. führe die Firma der Beklagten seit 2015. Der Kläger lege in seinen Darstellungen immer wieder die Unternehmensstruktur dar, wie sie bis 2014 bestanden habe. Dies könne für eine Kündigung aus dem Jahr 2016 keine Rolle mehr spielen. Der Kläger lege auch nicht dar, dass der Geschäftsführer Herr O. als Leiter anderer GmbH’s mit diesen zusammen einen Gemeinschaftsbetrieb bilde. Hier bleibe schon offen, mit welcher anderen der von ihm geführten GmbH’s ein gemeinsamer Betriebszweck verfolgt werden sollte.
Der Kläger behaupte auch nicht, dass in seiner Firma in P. auch Betriebsmittel eines anderen Unternehmens eingesetzt würden. Dem Vortrag des Klägers fehle jede Ausführung dazu, welchen gemeinsamen Betriebszweck die Firma in P. mit anderen Unternehmen verfolgen sollte. Jede GmbH und auch die GmbH & Co. KG in W. würden selbständig Verträge mit ihren Auftraggebern abschließen. Es sei nicht erkennbar, dass die Beklagte mit irgendeiner anderen Unternehmung gemeinsam an einem konkreten Auftrag gearbeitet habe bzw. dieses regelmäßig tue.
Sofern die Beklagte wegen Personalnot oder wegen fehlender Kapazitäten Hilfe anderer Unternehmen in Anspruch nehme, indem diese vorübergehend Arbeitskräfte zur Verfügung stellten, werde daraus kein gemeinsamer Betriebszweck mit dieser Unternehmung. Es werde nur der Auftrag der Beklagten bearbeitet, aber keinerlei gemeinsames Ziel verfolgt. Es handele sich dabei lediglich um eine Personalgestellung.
Schließlich griffen die vom Kläger herangezogenen Indizien für einen Gemeinschaftsbetrieb nicht durch, was vom Arbeitsgericht Eberswalde im Einzelnen ausgeführt wird.
Wegen der weiteren konkreten Ausführungen des Arbeitsgerichts Eberswalde wird auf das Urteil vom 05.07.2016 (Bl. 111 bis 119 d. A.) verwiesen.
Gegen dieses ihm am 03.08.2016 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 18.08.2016 eingegangene und am 30.09.2016 begründete Berufung des Klägers.
Er meint, dass zwar kein Gemeinschaftsbetrieb dergestalt vorliege, dass sich selbständige Unternehmen mit ihren Betrieben zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks miteinander verbunden hätten. Hier liege der Fall vielmehr genau umgekehrt, dass nämlich die IGS I. GmbH & Co. KG eine Vielzahl von Betrieben, die alle denselben Zweck verfolgten, „einen Zusammenschluss herbeigeführt hat, sei es unter Angliederung, Ausgliederung oder Zusammenschluss, einen Verband geschaffen hat, in dem alle denselben Zweck verfolgen und die Mitarbeiter je nach Bedarf eingesetzt werden können, wobei als Nebeneffekt noch in weiten Bereichen der Kündigungsschutz vermieden werden kann. Ob der Terminus Gemeinschaftsbetrieb für diese Konstruktion richtig ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist die Rechtsfolge identisch.“ (vgl. den Schriftsatz des Klägers vom 30.09.2016, S. 6 – 7, Bl. 142 bis 143 d. A.).
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 05.07.2016 – 2 Ca 160/16 – festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 26.02.2016 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, dass kein Gemeinschaftsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung vorliege.
Wegen des weiteren konkreten Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 30.09.2016 (Bl. 137 ff. d. A.) und der Beklagten vom 04.11.2016 (Bl. 151 ff. d. A.) verwiesen.
I.
Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 c, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.
II.
In der Sache hat die Berufung des Klägers jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Eberswalde die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen, weil die Kündigung vom 26.02.2016 das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2016 beendet hat. Der Kläger genießt keinen Kündigungsschutz, weil bei neun Arbeitnehmern in seinem Betrieb in P. das Kündigungsschutzgesetz gemäß § 23 Abs. 1 KSchG nicht anwendbar ist. Neben diesen neun Arbeitnehmern sind nicht weitere Arbeitnehmer anderer Unternehmen im Konzernverbund der IGS I. hinzuzuzählen. Denn das Kündigungsschutzgesetz ist betriebs- und unternehmens-, nicht konzernbezogen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt dem Arbeitsgericht Eberswalde, sieht von einer nur wiederholenden Begründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab und weist im Hinblick auf den Vortrag des Klägers in der zweiten Instanz nur auf Folgendes hin:
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind bei der Berechnung der für die Anwendbarkeit des 1. Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes notwendigen Arbeitnehmerzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG die von anderen Arbeitgebern (Unternehmen) beschäftigten Arbeitnehmer grundsätzlich nicht mit zu berücksichtigen. Der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz ist nicht unternehmens-, das heißt arbeitgeberübergreifend ausgestaltet. Das Bundesarbeitsgericht hat die Annahme eines ausnahmsweise arbeitgeberübergreifenden Kündigungsschutzes stets davon abhängig gemacht, dass sich zwei oder mehrere Unternehmen zur gemeinsamen Führung eines Betriebes – zumindest konkludent – rechtlich verbunden haben, so dass der Kern der Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird. Das trifft nicht schon dann zu, wenn die Unternehmen zum Beispiel auf der Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen lediglich unternehmerisch zusammenarbeiten. Vielmehr muss die Vereinbarung auf eine einheitliche Leitung für die Aufgaben gerichtet sein, die vollzogen werden müssen, um die in der organisatorischen Einheit zu verfolgenden arbeitstechnischen Zwecke erfüllen zu können (vgl. nur BAG 18.06.2002 – 2 AZR 327/01 – EzA § 23 KSchG Nr. 24, zu II 1 a d. Gr. m. w. N.; BAG 10.04.2014 – 2 AZR 647/13 -, Rz. 30 bis 32 ebenfalls m. w. N.).
2. Nach diesen Grundsätzen sind nach dem eigenen Vortrag des Klägers keine weiteren Arbeitnehmer den neun Arbeitnehmern aus P. hinzuzurechnen:
a)
Nach dem eigenen Vortrag des Klägers in der im Tatbestand bezeichneten Stelle im Schriftsatz vom 30.09.2016 liegt kein Gemeinschaftsbetrieb im Sinne der genannten Rechtsprechung vor. Auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers sind allenfalls – von der Beklagten widerlegte – Indizien dafür vorhanden, dass die Beklagte personell auch mit weiteren Arbeitnehmer anderer Unternehmen zumindest für bestimmte Zwecke auf welcher Vertragsgrundlage auch immer zusammengearbeitet hat. Der Kläger hat es aber auch in der Berufungsbegründung nicht vermocht darzulegen, welche konkreten Unternehmen den Betrieb in P. einheitlich betriebsbezogen leiten, welche Unternehmen den neun Arbeitnehmern in P. und eventuell weiteren dort beschäftigten Arbeitnehmern welche Weisungen erteilen oder warum weitere andere Betriebe wie etwa in Weimar und der Betrieb in P. etwa einen gemeinsamen Betrieb bilden.
b)
Auch der weitere Vortrag des Klägers an der genannten Stelle in der Berufungsbegründung genügt nicht den Vorgaben der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Er schildert lediglich behauptete Weisungen und Anordnungen im Konzern. Dies reicht gerade nicht aus.
III.
Die Berufung des Klägers war daher auf seine Kosten bei einem Streitwert von 8.100,00 EUR (drei Monatsgehältern) in der zweiten Instanz gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
IV.
Für eine Zulassung der Revision bestand angesichts der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung kein Anlass.