Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 21.01.2011 | |
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Aktenzeichen | L 7 KA 80/10 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 86b SGG, § 32 BVerfG |
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. August 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 85.000 € festgesetzt.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. August 2010 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber un-begründet. Das Sozialgericht hat rechtsfehlerfrei den Antrag der Antragstellerin abgelehnt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufzugeben, für das Quartal III/10 Leistungen aus Überweisungsfällen, die sich ausschließlich auf Probenuntersuchungen beziehen, außerhalb des Regelleistungsvolumens zu vergüten.
1.) Das Sozialgericht hat es zu Recht offen gelassen, ob ein Anordnungsanspruch besteht, weil die Antragstellerin jedenfalls keinen Anordnungsgrund gemäß § 86b Abs. 2 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) mit der für die im vorliegenden Fall begehrte Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht hat. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass die die wirtschaftliche Existenzgrundlage bildende ärztliche Tätigkeit der Antragstellerin durch die Bestimmung des Regelleistungsvolumens in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. Juni 2010 nachhaltig gefährdet wird.
a) Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass die von ihr beanstandete Bestimmung des Regelleistungsvolumens durch die Antragsgegnerin bei ihr zu Verlusten von insgesamt 16.000 € pro Quartal führe. Zur Glaubhaftmachung hat sie ein Schreiben ihres Steuerberaters vom 5. Oktober 2010 vorgelegt, aus dessen Berechnungen sich dieser Betrag ergibt. Die vom Steuerberater angestellten Berechnungen sind jedoch nicht geeignet, die behauptete „Unterdeckung“ der ärztlichen Tätigkeit der Antragstellerin zu belegen.
aa) Zunächst berücksichtigen sie bei den Einnahmen der Antragstellerin aus ihrer ärztlichen Tätigkeit nur das ihr zugebilligte Regelleistungsvolumen i.H.v. ca. 111.000 € pro Quartal und weder die außerbudgetär zu entgeltenden vertragsärztlichen Leistungen der Antragstellerin noch die durch die Behandlung der Versicherten anderer Sozialleistungsträger sowie Privatversicherter erzielten Entgelte. Legt man für die sonstigen Kostenträger entsprechend dem im Quartal III/09 erzielten Honorar auch im streitigen Quartal III/10 5.138,67 € zugrunde und berücksichtigt die von der Antragstellerin für das Quartal III/10 angegebenen Einnahmen aus der privatärztlichen Behandlung i.H.v. 2.746,00 €, würden sich die Einnahmen um 7.884,67 € erhöhen, so dass der Antragstellerin im Quartal knapp 119.000 € zur Verfügung stünden.
bb) Die Angaben der Antragstellerin sind jedoch nicht nur auf der „Einnahmeseite“ unvollständig, sondern auch auf der Ausgabenseite implausibel. So enthält die Aufstellung ihrer Ausgaben u.a. den Posten „Beratung“ mit einem Ausgabenvolumen von 20.000 € pro Jahr, einen Posten Werbung/Internet i.H.v. 3.000 € pro Jahr sowie eine Position „sonstige Büro- und Verwaltungskosten“ in Höhe von 32.000 € pro Jahr. Die „sonstigen Büro- und Verwaltungskosten“ sind im Jahr deutlich höher als die „Raumkosten“ (28.000 €). Sie machen zusammen mit den Beratungskosten und den Kosten für „Werbung/Internet“ einen Betrag i.H.v. 55.000 € pro Jahr aus, der nahezu genau so hoch ist wie der für „Labormaterialien“ (56.000 €) und mehr als die Hälfte der für Fremdleistungen verursachten Ausgaben (94.000 €) und mehr als ein Viertel des größten Ausgabenpostens der Personalkosten (198.000 €) ausmacht. Dies hat den Senat veranlasst, die Antragstellerin aufzufordern, die Kosten für die Posten Beratung, Werbung und sonstige Büro- und Verwaltungskosten näher darzulegen. Dieser Aufforderung ist die Antragstellerin jedoch nicht nachgekommen. Es ist deshalb nicht zu erkennen, welche Ausgaben sich hinter diesen Positionen verbergen, so dass insbesondere im Hinblick auf ihre Höhe auch nicht glaubhaft gemacht ist, dass sie - ausschließlich - für die ärztliche Tätigkeit der Antragstellerin entstanden und für diese erforderlich sind.
b) Darüber hinaus hat der Senat die Antragstellerin aufgefordert mitzuteilen, ob ihr kurzfristig einsetzbares Vermögen zur Verfügung steht, und falls dies der Fall sein sollte, welcher Art und Höhe dieses Vermögen ist. Auch hierauf hat die Antragstellerin keine Angaben gemacht. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin - derzeit ohnehin nicht glaubhafte - Verluste aus ihrer Tätigkeit als Ärztin in der Zeit bis zur Durchführung des Hauptsacheverfahrens aus ihrem Vermögen decken könnte, zumal sie in der Vergangenheit im Jahre 2009 bis zum Quartal II/10 nach dem dem Senat vorliegenden Honorarbescheid für das Quartal III/09 sowie ihren eigenen Angaben Gewinne von mindestens 170.000 € vor Steuern pro Quartal gemacht hat (ca. 300.000 € Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit stehen Ausgaben von behaupteten 127.000 € gegenüber).
2.) Im Ergebnis lässt sich deshalb nicht feststellen, dass die für das Quartal III/10 vorgenommene Neuberechnung des Regelleistungsvolumens der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin zu einer nachhaltigen Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage führen würde, so dass es an einem Anordnungsgrund fehlt und ihr Rechtsschutzbegehren keinen Erfolg haben kann. Zu diesem Ergebnis käme man auch dann, wenn man in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz eine Folgenabwägung vornähme, bei der die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen wird, regelmäßig außer Betracht zu bleiben hätte. Abzuwägen wären stattdessen die Folgen, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge, sich der angefochtene Verwaltungsakt aber als rechtswidrig erweisen sollte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte Anordnung erlassen würde, obwohl die angegriffene Maßnahme rechtmäßig wäre (vgl. Beschluss des Senats vom 31. Januar 2006, L 7 B 1046/05 KA ER m.w.N.). Denn bei dieser Betrachtung wögen die Folgen einer stattgebenden Entscheidung für die von der Antragsgegnerin vertretenen Vertragsärzte schwerer als die unklaren wirtschaftlichen Auswirkungen für die Antragstellerin im Falle der Ablehnung ihres Rechtsschutzbegehrens. Im Hinblick auf die der Antragsgegnerin nur in Höhe der Gesamtvergütung zustehenden Mittel zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen würde eine Erhöhung der Vergütung der Antragstellerin (und ihrer Facharztkollegen) zwingend zu einer Verminderung der den anderen Vertragsärzten für die Entgeltung ihrer Leistungen zur Verfügung stehenden Mittel führen und zur Notwendigkeit der Reduzierung ihrer Honorare führen, obwohl sich nicht feststellen lässt, dass die Antragstellerin auch nur vorübergehend auf diese Mittel zur Fortsetzung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit angewiesen wäre. Auch eine solche Betrachtung gebietet es also nicht, das Regelleistungsvolumen bis zur Entscheidung in der Hauptsache abweichend von der Festsetzung durch die Antragsgegnerin nach den Vorstellungen der Antragstellerin neu festzusetzen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung, §§ 53 Abs. 3 Nr. 4 und 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes. Es entspricht insoweit ständiger Rechtsprechung des Senates, den Wert des Verfahrensgegenstandes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf die Hälfte des Streitwertes der Hauptsache festzusetzen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).