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Entscheidung 7 T 214/09


Metadaten

Gericht LG Cottbus 7. Zivilkammer Entscheidungsdatum 27.01.2010
Aktenzeichen 7 T 214/09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 80 Abs 4 AufenthG, § 82 Abs 4 S 1 AufenthG, § 82 Abs 4 S 2 AufenthG

Leitsatz

1. Die Ingewahrsamnahme eines Ausländers zur Durchsetzung seines Erscheinens vor einer Behörde des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, kann auch im Zuge der Beschaffung eines Heimreisedokumentes für sein minderjähriges Kind erfolgen.

2. Die zwangsweise Durchsetzung einer Anordnung nach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG setzt voraus, dass dem Ausländer zuvor Gelegenheit gegeben worden ist, der Aufforderung zum Erscheinen vor einer Behörde des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, freiwillig nachzukommen.

Die weitere sofortige Beschwerde ist nicht eingelegt worden.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Betroffenen vom 24.06.2009 wird verworfen, soweit sie sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorläufigen Ingewahrsamnahme der Betroffenen durch den weiteren Beteiligten bzw. die Polizei bis zur Entscheidung des Amtsgerichts Cottbus vom 24.06.2009 (92 XIV 30/09) richtet.

Im Übrigen wird auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen vom 24.06.2009 der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 24.06.2009 (92 XIV 30/09) aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die im aufgehobenen Beschluss angeordnete Ingewahrsamnahme und die daraufhin durch die Betroffene erlittene Freiheitsentziehung rechtswidrig war.

Der Antragsteller hat der Betroffenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen für die erste Instanz vollumfänglich und für die 2. Instanz in Höhe von 90 % zu erstatten.

Gründe

I.

Die Betroffene reiste nach eigenen Angaben am 15.05.2001 illegal in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 01.06.2001 stellte sie unter dem Namen S und der Angabe, sudanesische Staatsangehörige zu sein, einen Asylantrag, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFL) vom 15.06.2001 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde verbunden mit der Anordnung der Abschiebung für den Fall, dass sie ihrer Ausreisepflicht nicht binnen 1 Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung nachkomme. Dieser Bescheid ist seit dem 02.12.2003 bestandskräftig.

Mangels vorhandener Heimreisedokumente wurde der Betroffenen sodann die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erteilt.

Mit Schreiben des Antragstellers vom 02.03.2005 wurde die Betroffene aufgefordert, am 14.03.2005 nach Berlin zu fahren, um bei der sudanesischen Botschaft vorzusprechen. Da die Betroffene nach dem 02.03.2005 erst wieder am 30.03.2005 im ihr zugewiesenen Heim war, nahm sie mangels Kenntnis des vorgenannten Aufforderungsschreibens nicht an der Botschaftsvorführung teil.

Am 25.11.2005 brachte die Betroffene das Kind P im Krankenhaus Forst zur Welt. Angaben zur Person des Vaters ihres Kindes machte sie nicht.

Am 27.03.2006 erkannte der nigerianische Staatsangehörige Herr F, wohnhaft V vor dem Standesamt V die Vaterschaft des Kindes der Betroffenen an.

Am 01.06.2006 übergab die Betroffene dem Antragsteller einen Pass ausgestellt auf die Personalien Frau O in B, nigerianische Staatsangehörige. Daraufhin wurde die Vaterschaftsanerkennung am 04.10.2006 berichtigt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.11.2006 teilte die Betroffene mit, dass der Kindsvater zwischenzeitlich deutscher Staatsangehöriger sei.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 27.06.2007 wurde der Asylantrag der Tochter der Betroffenen als offensichtlich unbegründet abgelehnt verbunden mit der Anordnung der Abschiebung für den Fall, dass sie ihrer Ausreisepflicht nicht binnen 1 Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung nachkomme. Hiergegen reichte die Tochter der Betroffenen mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO Klage ein.

Mangels vorhandener Heimreisedokumente der Tochter der Betroffenen wurde auch dieser die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erteilt.

Am 11.03.2008 wurde die Betroffene durch den Antragsteller aufgefordert, sich unverzüglich an die zuständige Botschaft zu wenden, um einen Pass für ihre Tochter zu beantragen.

Am 02.05.2008 erklärten die Betroffene und der Kindsvater vor dem Jugendamt der Stadt Hattingen, künftig gemeinsam die elterliche Sorge ausüben zu wollen.

Mit Schreiben des Antragsstellers vom 15.05.2008 wurde die Betroffene aufgefordert, binnen 4 Wochen einen gültigen nigerianischen Pass oder Passersatz für ihre Tochter vorzulegen bzw. ihre Tochter in ihrem Pass eintragen zu lassen.

Mit Bescheid des Antragstellers vom 23.06.2008 wurde der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Tochter der Betroffenen abgelehnt. Die hiergegen von der Betroffenen als gesetzliche Vertreterin ihrer Tochter eingelegten Widersprüche wurden mit Bescheid des Antragstellers vom 07.10.2008 zurückgewiesen.

Die Betroffene wurde mit Schreiben des Antragstellers vom 05.09.2008 nochmals zur Vorlage eines gültigen Passes oder Passersatzes für ihre Tochter aufgefordert.

Am 07.10.2008 erhielt die Betroffene zudem eine Bescheinigung zur Vorlage bei der Botschaft von Nigeria betreffend die Ausstellung eines Passes für die Tochter der Betroffenen.

Mit Schreiben des Antragstellers vom 09.10.2008 wurde die Betroffene als gesetzliche Vertreterin ihrer Tochter an die Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg (ZABH) zur Vorführung vor Vertretern der nigerianischen Botschaft gemeldet.

Den Kindsvater konnte eine Anfrage des Antragstellers zu Besuchen der Betroffenen und ihres Kindes ab Juni 2008 bei ihm nicht erreichen, da er unter der bekannten Anschrift nicht zu ermitteln und am 31.05.2008 von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet worden war.

Am 18.11.2008 verweigerte die Betroffene eine Befragung des Antragstellers zum Besitz von Personaldokumenten ihrer Tochter. Am 26.03.2009 gab die Betroffene bei einer weiteren Befragung an, dass ein Pass/Passeintrag ihrer Tochter nicht vorhanden sei.

Der Kindsvater zahlte keinen Unterhalt.

Die Klage der Tochter der Betroffenen gegen den sie betreffenden asylablehnenden Bescheid wurde mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 04.03.2009 abgewiesen.

Mit Bescheid vom 05.06.2009, adressiert an die Betroffene über Herrn Rechtsanwalt J, ordnete der Antragsteller an, dass diese am 25.06.2009 bei der Sammelanhörung der Botschaft der Bundesrepublik Nigeria in München-Fürstenried um 12.00 Uhr persönlich zu erscheinen habe und forderte sie auf, sich am 24.06.2009 um 13.15 Uhr bei der Ausländerbehörde einzufinden. Für den Fall, dass der Aufforderung nicht nachgekommen werde, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs, das heißt die zwangsweise Vorführung, angedroht.

Am 16.06.2009 teilte die Sozialarbeiterin im Asylbewerberheim dem Antragsteller mit, dass die Betroffene auf Nachfrage erklärt habe, allein nach München zur Vorführung fahren zu wollen; die Betreuung ihrer Tochter für diesen Zeitraum würde im Heim durch Landsleute abgesichert sein. Gegen den vorgenannten Bescheid des Antragstellers erhob die Betroffene anwaltlich vertreten Widerspruch. Daraufhin wurde der Bescheid vom 05.06.2009 aufgehoben.

Mit einem an die Betroffene als gesetzliche Vertreterin ihrer Tochter adressierten Bescheid vom 23.06.2009 ordnete der Antragsteller an, dass die Betroffene als gesetzliche Vertreterin für ihr Kind am 25.06.2009 bei der Sammelvorführung der Botschaft der Bundesrepublik Nigeria in München um 12.00 Uhr persönlich zu erscheinen habe und forderte diese auf, sich am 24.06.2009 um 13.15 Uhr bei der Ausländerbehörde einzufinden. Für den Fall, dass der Aufforderung nicht nachgekommen werde, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs, das heißt die zwangsweise Vorführung, angedroht. Ferner wurde die sofortige Vollziehung des Bescheids hinsichtlich der Anordnung des persönlichen Escheinens angeordnet. Gegen diesen, dem Verfahrensbevollmächtigten per Fax am 23.06.2009 zugegangenen Bescheid, erhob die Betroffene anwaltlich vertreten mit Schreiben vom 23.06.2009 wiederum Widerspruch und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung unter Erklärung, nicht freiwillig an der Vorführung teilzunehmen.

Hierzu teilte der Antragsteller dem Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen am 24.06.2009 um 8.29 Uhr per Fax mit, dass die Zuständigkeit für den Wiederherstellungsantrag beim Gericht der Hauptsache liege und (ausschließlich) die Vorsprache der Mutter als gesetzliche Vertreterin erforderlich sei.

Am 24.06.2009 um 9.00 Uhr sprach die Betroffene bei der Ausländerbehörde zur Verlängerung ihrer am 23.06.2009 abgelaufenen Duldung vor. Diese wurde sodann bis zum 24.06.2009, 13.00 Uhr verlängert. Am selben Tag suchten sie zwei Mitarbeiter der Ausländerbehörde im Asylbewerberheim auf. Nach Aufforderung zur Vorsprache kam sie mit den beiden Mitarbeitern in die Räume des Antragstellers. Aufgrund der Weigerung der Betroffenen zur Mitwirkung bei der Vorführung wurde sie durch Bedienstete der Landespolizei in Gewahrsam genommen und zum Amtsgericht verbracht. Die minderjährige Tochter der Betroffenen wurde durch das Jugendamt in Obhut genommen.

Am 24.06.2009 um 10.55 Uhr beantragte der weitere Beteiligte beim Amtsgericht Cottbus die Anordnung von Haft gegen die Betroffene zum Zwecke der Ingewahrsamnahme und Vorführung bei der Auslandsvertretung für die Dauer von 3 Tagen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antragsschrift Bezug genommen.

In der Anhörung des Amtsgerichts vom 24.06.2009 äußerte sich die Betroffene nicht zum Haftantrag. Zuvor hatte der Haftrichter versucht, den Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen telefonisch zu erreichen, was angesichts der Bürozeiten nicht gelang, weshalb diesem auf den Anrufbeantworter gesprochen wurde.

Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 24.06.2009, auf den verwiesen wird, wurde die Ingewahrsamnahme der Betroffenen bis zum 27.06.2009, 16.00 Uhr und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Dieser Beschluss wurde der Betroffenen vollständig übersetzt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.06.2009 beantragte die Betroffene beim Amtsgericht die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegenwärtigen Freiheitsentziehung der Betroffenen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.06.2009, beim Amtsgericht eingegangen am 25.06.2009, hat die Betroffene gegen den vorgenannten Beschluss des Amtsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt. Diese hat sie dahingehend begründet, dass im Haftantrag nichts zur Vollstreckbarkeit einer verwaltungsrechtlichen Grundverfügung ausgeführt worden sei. Die Anhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, da mit Blick auf die Geschäftszeiten des Verfahrensbevollmächtigten schriftlich auf den Anhörungstermin hätte hingewiesen werden müssen. Zudem habe dem Haftrichter offenkundig die Ausländerakte nicht vorgelegen. Für die Ausländerbehörde sei bereits am 23.06.2009 ersichtlich gewesen, dass die Betroffene einer Vorführung ohne Rechtsgrundlage nicht Folge leisten werde, so dass ein Haftantrag zur Erreichung eines vorläufigen Beschlusses vorab hätte gestellt werden müssen. Daher sei die Festnahme auf Veranlassung der Ausländerbehörde rechtswidrig. Die Ausländerbehörde wisse selbst nicht, was die Betroffene bei der Botschaft tun solle, da es hierüber bereits vier Versionen gebe. Im Übrigen fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Vorführung der Kindsmutter; § 80 Abs. 4 AufenthG verweise nicht auf § 82 Abs. 4 AufenthG, so dass die Möglichkeit der Zwangsvorführung für Eltern schlicht nicht existent sei. Zudem bestehe ein haftrechtliches Analogieverbot. Darüber hinaus sei die Haft auch unverhältnismäßig, da eine Vorführung bei der nigerianischen Botschaft in Berlin organisierbar wäre und dadurch eine Trennung von mehreren Tagen vom Kind vermieden werden könnte. Zudem könne die Vorführung ganz offensichtlich nichts bewirken, wenn es der Betroffenen mit Blick auf das gemeinsame Sorgerecht verwehrt sei, irgendwelche Angaben zu machen, die das Sorgerecht berühren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift Bezug genommen.

Die Betroffene wurde am 25.06.2009 Vertretern der Botschaft Nigerias in München vorgeführt. Nach Rückkehr am 26.06.2009 um 21.15 Uhr ins Asylbewerberheim wurde ihr ihre Tochter um 21.45 Uhr übergeben.

Zu der Beschwerde hat der Antragsteller mit Schreiben vom 02.07.2009 Stellung genommen. Er hat ausgeführt, dass Rechtsgrundlage für die zwangsweise Botschaftsvorführung § 82 Abs. 4 AufenthG i.V.m. §§ 40, 41, 42 BPolG sei. Hinsichtlich des Einwandes der notwendigen Beteiligung des Kindsvaters an der Passbeschaffung für die Tochter der Betroffenen trägt er vor, es handle sich nur um eine sogenannte Scheinvaterschaftsanerkennung und Scheinsorgerechtserklärung, um der Betroffenen und ihrer Tochter ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu ermöglichen. Die entsprechenden Anträge seien rechtskräftig abgelehnt worden. Eine Vater-Kind-Beziehung habe nie bestanden. Der Kindsvater sei zudem seit über 13 Monaten von Amts wegen abgemeldet. Die Voraussetzungen zur Ingewahrsamnahme hätten erst am 24.06.2009 gegen 14.00 Uhr vorgelegen, so dass ein Haftbeschluss nicht zu einem früheren Zeitpunkt zu erwirken gewesen sei. Nachdem die Betroffene um 13.15 Uhr nicht bei der Ausländerbehörde erschienen sei, hätten sie zwei Mitarbeiter der Ausländerbehörde im Asylbewerberheim aufgesucht. Nach Aufforderung zur Vorsprache sei sie mit den beiden Mitarbeitern in die Räume des Antragstellers mitgekommen. Hier habe sie geäußert, ihre Tochter nicht allein in Forst zurückzulassen und dass ihr Anwalt ihr gesagt habe, sich brauche nicht nach München mitzufahren. Aufgrund der Weigerung der Betroffenen zur Mitwirkung bei der Vorführung habe der Antragsteller das Amtsgericht Cottbus telefonisch über die beabsichtigte Festnahme informiert. Ca. gegen 14.00 Uhr habe die Ausländerbehörde den Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen mittels Nachricht auf dessen Anrufbeantworter über die Stellung des Haftantrages informiert. Die Beschwerdeführerin sei um 14.10 Uhr durch Bedienstete der Landespolizei in Gewahrsam genommen und zum Amtsgericht verbracht worden. Die minderjährige Tochter der Betroffenen sei durch das Jugendamt in Obhut genommen worden. Die Zuständigkeit für die Passersatzpapierbeschaffung liege bei der Bundespolizei, die in Absprache mit den jeweiligen ausländischen Vertretungen die Termine und Orte der Botschaftsvorführungen bestimme. Im Übrigen wird auf Bl. 40 ff. d.A. verwiesen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.08.2009 hat die Betroffene beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung gegen sie insgesamt festzustellen. Mit Schriftsatz vom 12.10.2009 hat sie anwaltlich vertreten die Beschwerde dahingehend weiter begründet, dass sich die Sorgeberechtigung des Kindsvaters aus der Erklärung vom 02.05.2006 ergebe. Der Kindsvater lebe zur Zeit in London. Im Widerspruch vom 23.06.2009 habe sie erklärt, sie werde bei der Botschaft keinerlei Erklärungen abgeben, weshalb die Vorführung offenkundig zwecklos gewesen sei. Sie habe am 24.06.2009 um 13.00 Uhr bei dem Antragsteller vorsprechen wollen. Vor 12.00 Uhr sei sie durch zwei Mitarbeiter der Ausländerbehörde aus dem Heim abgeholt worden. Sodann sei sie in ein Zimmer der Ausländerbehörde geleitet worden, welches abgeschlossen worden sei. Dort hätten bereits zwei Mitarbeiter des Jugendamtes sowie zwei Polizisten gewartet. Erstmals vom Amtsgericht sei versucht worden, telefonischen Kontakt zum Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen zu suchen, was aber wegen der Geschäftszeiten nicht gelungen sei. Bei der Botschaftsvorführung habe sie keine Erklärung abgegeben. Daraufhin habe die Botschaft dann der Ausländerbehörde mitgeteilt, dass ohne Zustimmung des Vaters von dort nichts unternommen werden könne. § 62 Abs. 4 AufenthG gelte für die Vorführungshaft nicht. Für geplante Festnahmen sei ein vorheriger Haftbeschluss eines Haftgerichts erforderlich. Bereits am Vortag oder jedenfalls am Folgetag hätte ein Haftbeschluss, notfalls im Wege der einstweiligen Anordnung, beschafft werden können. Damit sei die Freiheitsentziehung bis zum Erlass des Haftbeschlusses rechtswidrig. Eine rechtswidrige Festnahme perpetuiere zudem die Rechtswidrigkeit der Haft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 51 ff. d.A. Bezug genommen.

Mit Bescheid des Antragstellers vom 21.09.2009 wurde der Widerspruch der Betroffenen vom 23.06.2009 bestandskräftig zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 09.11.2009 erwidert, dass die Tür des Sprechzimmers, in das sich die Mitarbeiter der Behörde am 24.06.2009 mit der Betroffenen begeben hatten, nicht abgeschlossen worden sei. Die Betroffene habe sich bei der Botschaftsvorführung, die nicht ergebnislos verlaufen sei, geäußert. Nach dem Festhalten sei ohne zeitliche Verzögerung die richterliche Entscheidung herbeigeführt worden (§ 40 Abs. 1 BPolG). Im Übrigen wird auf Bl. 56 ff. d.A. verwiesen.

Die ausländerbehördlichen Akten zur Person der Betroffenen und ihrer Tochter, auf welche wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, sind beigezogen worden.

II.

Die sofortige Beschwerde der Betroffenen vom 24.06.2009 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 24.06.2009 - gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der richterlich angeordneten und vollzogenen Ingewahrsamnahme der Betroffenen - ist gem. §§ 106 Abs. 2 AufenthG (a.F.); 7 Abs. 1 und 2, 3 S. 2 FEVG; 22 Abs. 1 S. 1 FGG i.V.m. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG statthaft und zulässig.

Insoweit besteht auf Seiten der Betroffenen auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Umstand, dass die Ingewahrsamnahme bereits vollzogen worden und beendet ist, ließ das Rechtsschutzbedürfnis für eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung nicht entfallen. Denn ein Freiheitsverlust durch Ingewahrsamnahme indiziert ein Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen, das ein von Art. 19 Abs. 4 GG umfasstes Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch dann begründet, wenn die Maßnahme erledigt ist. Die Gewährung von Rechtsschutz kann hier weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon abhängen, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Ingewahrsamnahme erlangt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001, Az.: 2 BvR 527/99 und Beschluss vom 15.05.2002, Az.: 2 BvR 2292/00). Insoweit hat die Betroffene auch ausdrücklich eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung mit dem Ziel der Feststellung, dass diese rechtswidrig war, begehrt.

Soweit sie darüber hinaus auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer vorläufigen Ingewahrsamnahme durch den weiteren Beteiligten bzw. die Polizei bis zur Entscheidung des Amtsgerichts Cottbus vom 24.06.2009 (92 XIV 30/09) begehrt, ist ihre sofortige Beschwerde bereits unzulässig. Denn die sofortige Beschwerde findet nur gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts statt (§ 7 Abs. 1 FEVG). Der hier allein ergangene und den Beschwerdegegenstand bildende Beschluss des Amtsgerichts vom 24.06.2009 verhält sich aber ausschließlich über die Ingewahrsamnahme der Betroffenen seit dem Zeitpunkt des Erlasses dieses Beschlusses bis zum 27.06.2009, 16.00 Uhr bzw. bis zur vorzeiten Entlassung der Betroffenen aus dem Gewahrsam. Über die vorläufige Ingewahrsamnahme der Betroffenen durch den Antragsteller bzw. die Polizei bis zum Erlass des vorgenannten Beschlusses hingegen ist durch das Amtsgericht Cottbus (noch) keine Entscheidung ergangen. Über die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Ingewahrsamnahme der Betroffenen durch den Antragsteller hat zunächst das Amtsgericht auf einen entsprechenden Antrag hin zu entscheiden (§ 13 Abs. 2 FEVG). Eine solche Feststellung hatte die Betroffene ursprünglich auch mit anwaltlichem Schreiben vom 24.06.2009 beim Amtsgericht beantragt (Bl. 22 d.A.). Hierüber hat das Amtsgericht, sofern diese Antragstellung nicht durch den mit Schreiben der Betroffenen vom 28.08.2009 beim Landgericht gestellten Antrag, mit dem Inhalt der Feststellung, dass die Freiheitsentziehung gegen die Betroffene insgesamt rechtswidrig gewesen sei (Bl. 48 d.A.), als zurückgenommen anzusehen ist, noch zu entscheiden.

Das Rechtsmittel der Betroffenen, soweit es zulässig ist, hat auch in der Sache Erfolg.

Auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen vom 24.06.2009 war der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 24.06.2009 (92 XIV 30/09) aufzuheben und festzustellen, dass die im aufgehobenen Beschluss angeordnete Ingewahrsamnahme und daraufhin erlittene Freiheitsentziehung der Betroffenen rechtswidrig war.

Entgegen der Auffassung der Betroffenen stellt sich der Beschluss des Amtsgerichts nicht schon deshalb als rechtswidrig dar, weil es keine Rechtsgrundlage für die Anordnung der Ingewahrsamnahme gibt. Vielmehr durfte das Amtsgericht insoweit auf § 82 Abs. 4 AufenthG i.V.m. §§ 40 ff. BPolG (a.F.) zurückgreifen.

Gem. § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen hat, soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist. Kommt der Ausländer einer solchen Anordnung nicht nach, kann sie zwangsweise durchgesetzt werden (§ 82 Abs. 4 S. 2 AufenthG). Hierfür gelten die allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsrechts (vgl. KG InfAuslR 2009, 25 ff. m.w.N; Hailbronner, AuslR, 63. Aktualisierung April 2009, § 82 AufenthG, Rdnr.: 61/71). Darüber hinaus finden §§ 40 Abs. 1 und 2, 41, 42 Abs. 1 S. 1 und 3 BPolG (a.F.) entsprechende Anwendung, § 82 Abs. 4 S. 3 AufenthG. Die Voraussetzungen des § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG waren hier auch gegeben.

Es lag hier eine Anordnung i.S.v. § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG gegenüber der Betroffenen als gesetzliche Vertreterin ihrer Tochter durch den Bescheid des Antragstellers vom 23.06.2009 vor. Diese Anordnung stellt einen Verwaltungsakt dar, der auf dem Verwaltungsrechtsweg anzugreifen bzw. zu überprüfen ist (vgl. Hailbronner a.a.O., § 82, Rdnr.: 82 m.w.N.) und damit der Prüfungskompetenz des Haftrichters entzogen ist. Die Betroffene hatte gegen den vorgenannten Bescheid zwar Widerspruch eingelegt, dieser hatte aber keine aufschiebende Wirkung und ist nunmehr auch bestandskräftig zurückgewiesen worden. Hieran ist die Kammer gebunden.

Darüber hinaus ist es - entgegen der Ansicht der Betroffenen - auch nicht zu beanstanden, dass diese im Zuge der Beschaffung eines Heimreisedokuments für ihre Tochter zum persönlichen Erscheinen bei der nigerianischen Botschaft aufgefordert worden ist. Denn § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG ermächtigt dazu, das persönliche Erscheinen des Ausländers zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen anzuordnen. Oftmals kann sich die zuständige Behörde des vermutlichen Heimatlandes nur durch das Vorstelligwerden des Ausländers ein genaues Bild von der Sachlage machen; dazu dient die umfassende Ermächtigung des Abs. 4, die eine weitergehende Mitwirkungspflicht i.S.d. § 26 Abs. 2 S. 3 VwVfG begründet (vgl. Hailbronner a.a.O., § 82, Rdnr.: 59). Durch die Einbestellungsmöglichkeit soll die oftmals schwierige Passbeschaffung erleichtert werden. Die Verpflichtung zur Vorsprache soll die Durchführung der Ausreisepflicht ermöglichen. Ein zulässiger Gesichtspunkt ist daher die Anordnung, bei der Heimatvertretung vorzusprechen mit dem Ziel, Heimreisedokumente zu beschaffen (vgl. Hailbronner a.a.O., § 82, Rdnr.: 60/63). Unter Beachtung dieser Intention ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Betroffenen als gesetzliche Vertreterin ihrer Tochter nicht zu beanstanden. Denn die Tochter der Betroffenen besitzt keinen Pass oder Passersatz, weshalb sie gem. § 48 Abs. 3 AufenthG verpflichtet ist, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken. Da die Tochter der Betroffenen noch minderjährig ist, sind deren gesetzliche Vertreter verpflichtet, für diese die erforderlichen Anträge auf Erteilung des Passes, des Passersatzes und des Ausweisersatzes zu stellen (§ 80 Abs. 4 AufenthG). Dieser Verpflichtung ist die Betroffene trotz mehrfacher Aufforderung durch den Antragsteller nicht nachgekommen. Um aber ein Heimreisedokument für die Tochter der Betroffenen zu erlangen, blieb noch die Möglichkeit der Botschaftsvorführung. Da die Tochter der Betroffenen zum Vorführungszeitpunkt erst 3 ½ Jahre alt war und es zur Erlangung eines Heimreisedokuments für sie entscheidend auf Angaben zu ihrem Vater ankam, die nur die Betroffene erteilen kann, ist allein die Vorführung der Betroffenen sachdienlich, wie sie auch von den Vertretern der nigerianischen Botschaft gefordert worden ist. Zudem bestehen die Mitwirkungspflicht der Tochter der Betroffenen und die der gesetzlichen Vertreter nebeneinander und verdrängen sich nicht (vgl. VG Sigmaringen, Beschluss vom 20.04.2006, Az.: 2 K 363/06 - juris -). Dem steht entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch nicht entgegen, dass § 80 Abs. 4 AufenthG nicht auf § 82 Abs. 4 AufenthG verweist. Denn bei § 82 Abs. 4 AufenthG handelt es sich um eine allgemeine Bestimmung, die keiner Verweisung bedarf. Sie ermöglicht die Anordnung des Erscheinens vor den Behörden des vermutlichen Heimatlandes zur Durchsetzung der Beschaffung eines Heimreisedokuments als ausländerbehördliche Maßnahme. Da nach § 80 Abs. 4 AufenthG die Verpflichtung zur Beschaffung von Heimreisedokumenten bei Ausländern unter 16 Jahren auch die gesetzlichen Vertreter trifft, können die Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Verpflichtung auch ihnen gegenüber ergriffen werden. Die Intention des § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG umfasst somit auch die Vorführung von gesetzlichen Vertretern (s.o.).

Soweit es in dem Bescheid des Antragstellers vom 23.06.2009 in der Begründung heißt - „Das persönliche Erscheinen Ihrer Tochter wird seitens der Botschaftsmitarbeiter für notwendig erachtet.“ - handelt es sich um ein offensichtliches Versehen. Denn in den Anordnungen des Bescheides selbst ist nie die Rede vom persönlichen Erscheinen der Tochter der Betroffenen. Dies hat der Antragsteller auf den Widerspruch der Betroffenen hin auch mit Schreiben vom 24.06.2009 gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen klargestellt (Bl. 363 d.BA.). Im Übrigen würde selbst das Vorhaben einer Anordnung des Erscheinens gegenüber der Tochter der Betroffenen nichts an der - daneben bestehenden - Verpflichtung der Betroffenen als gesetzliche Vertreterin ändern.

Der Erfolg der Beschwerde gründet hier aber auf dem Umstand, dass die Voraussetzungen des § 82 Abs. 4 S. 2 AufenthG nicht vorgelegen haben. Danach ist es erforderlich, dass die Betroffene der vorgenannten Anordnung zum persönlichen Erscheinen vor der nigerianischen Botschaft nicht nachgekommen ist. Erst bei Vorliegen dieser Voraussetzung kann eine Vollstreckung erfolgen, bei der auch die allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsrechts, insbesondere §§ 15 ff. BbgVwVG beachtet werden müssen. Auch wenn die zuletzt genannten Vorschriften durch den Antragsteller beachtet worden sein dürften, war hier eine Zuwiderhandlung der Betroffenen gegen die Anordnung ihres persönlichen Erscheinens nicht zu verzeichnen.

Um beurteilen zu können, ob die Betroffene der Anordnung des persönlichen Erscheinens bei der Sammelanhörung der Botschaft der Bundesrepublik Nigeria in München am 25.06.2009 um 12.00 Uhr ohne hinreichenden Grund keine Folge leistet, mithin gegen dieses Anordnung zuwiderhandelt (vgl. Hailbronner a.a.O., § 82, Rdnr.: 71 m.w.N.), musste erst einmal abgewartet werden, ob die Betroffene zu diesem Termin erscheint. Dies hat der Antragsteller hier aber nicht getan, sondern zeitlich zu früh angesetzt, nämlich beim Nichterscheinen der Betroffenen am 24.06.2009 um 13.15 Uhr in der Ausländerbehörde, um anschließend zur ZABH und von dort gegen ihren Willen mittels eines Sammeltransports zum Ort der Anhörung und zurück befördert zu werden. Für eine solche Anordnung bietet § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG aber keine Ermächtigungsgrundlage. Ebensowenig ist von § 82 Abs. 4 S. 2 AufenthG die zwangsweise Zuführung zum Botschaftstermin im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Aufforderung zum Einfinden bei der Ausländerbehörde erfasst. Der streitgegenständliche Bescheid des Antragstellers vom 23.06.2009 droht aber gerade unmittelbaren Zwang für den Fall an, dass die Betroffene der Aufforderung nicht nachkommt, zum festgesetzten Termin am oben genannten Ort vorzusprechen. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass damit die Aufforderung zum Erscheinen bei der Ausländerbehörde am 24.06.2009 um 13.15 Uhr gemeint ist. Denn nur diesbezüglich liegt eine Aufforderung vor. Betreffend den Termin bei der Botschaft hingegen liegt eine Anordnung vor und auch nur zum persönlichen Erscheinen, nicht aber zur Vorsprache. § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG bezieht sich aber nur auf das persönliche Erscheinen des Ausländers bei der zuständigen Behörde bzw. der Botschaft. Wie er dort hinkommt, ist ihm selbst überlassen und kann ihm nicht aufgezwungen werden. Er kann zwar auch an dem Sammeltransport teilnehmen, dies muss aber auf seinem freien Willensentschluss beruhen und kann nicht erzwungen werden. Erst wenn der Ausländer bei der Botschaft zum festgesetzten Termin nicht erschienen ist und sein Nichterscheinen auch nicht hinreichend entschuldigt hat, kann er mit den Mitteln des Verwaltungszwangs zum Erscheinen angehalten werden, was dann auch den zwangsweisen Transport zu diesem Termin beinhaltet.

Ob das Ergebnis des Botschaftstermins nicht abgewartet werden muss, wenn bereits vorher mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass der Ausländer bei der Botschaft nicht erscheinen wird, etwa im Falle einer eindeutigen und beharrlichen Weigerung, kann dahinstehen. Denn eine solche Weigerung der Betroffenen war hier nicht zu bejahen.

Noch am 16.06.2009 hatte die Betroffene gegenüber der Sozialarbeiterin im Asylbewerberheim erklärt, allein nach München zur Botschaft fahren zu wollen; die Betreuung ihrer Tochter für diesen Zeitraum würde im Heim durch Landsleute abgesichert sein. Soweit sie im schriftlichen Widerspruch vom 23.06.2009 kundgetan hat, nicht freiwillig an der Botschaftsvorführung teilzunehmen, ergibt sich daraus keine eindeutige und beharrliche Weigerung im vorgenannten Sinn. Denn zum einen darf der Betroffenen die Art der Reise zur Botschaft nach München und auch die Rückfahrt nicht aufgezwungen werden, da es ihr freier Willensentschluss bleiben muss, wie sie dort hin und auch wieder zurück kommt, so dass sie zum Zwecke des Transportes bei der Ausländerbehörde nicht erscheinen sowie sich auch nicht zur ZABH und sodann mittels Sammeltransport nach München und wieder zurück verbringen lassen musste (s.o.). Insoweit war sie vielmehr berechtigt, dies zu verweigern. Zum anderen ist es nicht ausgeschlossen, dass sie dennoch selbständig nach München fährt. Auch der Antragsteller selbst hat hierzu mit Schreiben vom 02.07.2009 erklärt, dass die Voraussetzungen für die (wirksame) Stellung des Haftantrages erst mit der Äußerung der Betroffenen am Nachmittag des 24.06.2009 gegenüber Mitarbeitern der Ausländerbehörde zur Versagung ihrer Mitwirkung zur Teilnahme an der Botschaftsvorführung vorgelegen hätten. Daher hatte auch der Antragsteller hier noch Klärungsbedarf gesehen und die Betroffene befragt, ob sie der Aufforderung zur Teilnahme inklusive Zuführung freiwillig Folge leisten wird. Daraufhin soll sie - gemäß den Angaben des Antragstellers - geäußert haben, dass ihr Rechtsanwalt ihr gesagt habe, dass sie nicht nach München mitfahren müsse. Außerdem lasse sie ihre Tochter nicht allein in Forst zurück. Diese Angaben schließen aber wiederum nicht aus, dass die Betroffene eventuell mit ihrer Tochter selbständig nach München gefahren wäre. Denn der von der Ausländerbehörde vorgesehenen Zuführung musste sie keine Folge leisten (s.o.), so dass sie diese zu Recht verweigert hat. In der Gesamtschau ergibt sich weder aus den ausländerbehördlichen Akten noch aus dem Vorbringen der Verfahrensbeteiligten eine eindeutige und ernsthafte Erklärung der Betroffenen, nicht bei dem Botschaftstermin zu erscheinen.

Die Anordnung des Gewahrsams und die tatsächlich erlittene Freiheitsentziehung für den Zeitraum nach der Beendigung des Termins bei der nigerianischen Botschaft erweisen sich darüber hinaus wegen des Fehlens einer Rechtsgrundlage als rechtswidrig. Mittels Freiheitsentziehung erzwungen werden kann ausschließlich das Erscheinen vor der ausländischen Vertretung, nicht die Teilnahme an der Rückfahrt von dort.

Nach dem Ende des Termins bei der Botschaft war auch im vorliegenden Fall der mit § 82 Abs. 4 S. 2 AufenthG verfolgte Sicherungszweck entfallen. Zudem hat die Rückführung bis zum 26.06.2009 um 21.15 Uhr gedauert, obwohl der Botschaftstermin bereits am 25.06.2009 um 12.00 Uhr war. Im Falle einer selbständigen Heimreise der Betroffenen wäre eine Rückkehr noch am 25.06.2009 möglich gewesen, was auch das Getrenntsein von ihrer Tochter erheblich verringert hätte. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Betroffene freiwillig vom Sammelrücktransport Gebrauch gemacht hätte, was hier aber nicht ersichtlich ist.

Es bestehen auch Bedenken des Beschwerdegerichts in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung. Diese ergeben sich allerdings nicht bereits – wie von der Betroffenen vertreten - aus der mangelnden Erforderlichkeit der Botschaftsvorführung. Denn aufgrund der mangelnden Mitwirkung der Betroffenen bei der Pass(-ersatz)beschaffung für ihre Tochter war hier die Botschaftsvorführung zur Erlangung eines Heimreisedokuments erforderlich. Eine solche Botschaftsvorführung war auch nicht von vornherein aussichtslos. Denn auch wenn die Betroffene vorab schriftlich durch ihren Verfahrensbevollmächtigten angegeben hatte, sie werde schon unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Sorgerechts des Vaters ihrer Tochter keine Angaben vor den Vertretern der nigerianischen Botschaft machen, war es nicht ausgeschlossen, dass sie dennoch, wie auch geschehen, Angaben tätigen würde.

Auch der Umstand der eventuellen Beteiligung des Kindsvaters stand einer erfolgreichen Botschaftsvorführung nicht entgegen. Denn zum einen ist dem Antragsteller der konkrete Aufenthalt des Kindsvaters nicht bekannt und hat sich dieser – soweit ersichtlich - noch nie um seine Tochter gekümmert, geschweige denn eine Tochter-Vater-Beziehung gelebt, die es gilt zu schützen. In Anbetracht dessen ist der Antragsteller auch von einer Scheinvaterschaftsanerkennung und Scheinsorgerechtserklärung ausgegangen. Darüber hinaus zeigt das Ergebnis der Botschaftsvorführung am 25.06.2009, dass auch im Falle des Nichtgelingens der Aufenthaltsermittlung des Kindsvaters durch die Betroffene deren Tochter in ihren Pass eingetragen werden kann.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Anordnung des Erscheinens einer Botschaftsvorführung in München getroffen worden war. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugestehen, dass eine Botschaftsvorführung in Berlin unter Beachtung des zeitlichen Moments und des Getrenntseins von der Tochter eine weniger einschneidende Maßnahme bedeuten würde. Jedoch kann allein dieser Umstand es nicht rechtfertigen, eine Sammelvorführung in Berlin abzuwarten. Denn zum einen hat der Antragsteller die Koordination dieser Sammelvorführungen nicht selbst in der Hand, da diese zentral durch die Bundespolizei in Koblenz erfolgt; zum anderen ist der Zeitpunkt einer Sammelvorführung in Berlin ungewiss und hätte noch sehr viel Zeit andauern können, in der Abschiebungsmaßnahmen bezüglich der Betroffenen und ihrer Tochter nicht vorangekommen wären, was wiederum einen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz und das Interesse des Staates an der Abschiebung der Betroffenen und ihrer Tochter bedeutet hätte.

Bedenken an der Verhältnismäßigkeit bestehen aber im Lichte des Art. 6 GG.

Denn zum einen waren die Fristen im Bescheid des Antragstellers vom 23.06.2009 so kurz bemessen, dass sich die Betroffene um eine selbständige Reise nach München und die Sicherstellung der Betreuung ihres Kindes nicht ausreichend kümmern konnte. Zum anderen darf die Trennung vom Kind, wenn nicht sichergestellt werden kann, dass dieses mitreisen kann, nur so kurz wie möglich erfolgen, so dass notfalls ein gesonderter Transport, der unmittelbar vor und unter Umständen auch unmittelbar nach dem Botschaftstermin stattzufinden hat, erfolgen muss. Es ist zudem nicht ersichtlich, ob die Betroffene in die Organisation der Betreuung ihres Kindes in möglichst vertrauter Umgebung einbezogen wurde.

Da die sofortige Beschwerde der Betroffenen bezüglich der Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer Freiheitsentziehung bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses bereits unzulässig ist und die Kammer diesbezüglich keine Prüfungskompetenz hat (s.o.), bedarf es keiner Ausführungen dazu, ob unter Beachtung der für die Durchführung, Dauer und Überprüfung der Zulässigkeit der Freiheitsentziehung im Rahmen der zwangsweisen Vorführung gem. § 82 Abs. 4 S. 3 AufenthG angeordneten entsprechenden Anwendung der §§ 40 Abs. 1 und 2, 41, 42 Abs. 1 S. 1 und 3 BPolG das Verfahren des Antragstellers vom Zeitpunkt der vorläufigen Ingewahrsamnahme der Betroffenen bis zur Erlangung der richterlichen Entscheidung Bedenken begegnet.

Die Kammer weist insoweit aber darauf hin, dass es sich hier um eine Freiheitsentziehung und nicht nur um eine Freiheitsbeschränkung handelt (vgl. hierzu Hailbronner a.a.O., § 82, Rdnr.: 74/76) und - im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG - § 40 Abs. 1 BPolG dahingehend auszulegen ist, dass die Freiheitsentziehung grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung - unter Umständen auch eine einstweilige Freiheitsentziehung gem. §§ 82 Abs. 4 S. 3 AufenthG, 40 Abs. 2 S. 2 BPolG (a.F.), 11 Abs. 1 FEVG - voraussetzt und nur in Eilfällen eine unverzüglich einzuholende nachträgliche Entscheidung des Richters zulässig ist (vgl. KG a.a.O. m.w.N.; Hailbronner a.a.O., § 82 , Rdnr.: 75 m.w.N.).

Die weiteren von der Betroffenen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

Die Kammer vertritt nicht die Ansicht, dass ein etwaiger Makel der fehlerhaften behördlichen Freiheitsentziehung auch auf den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts fortwirkt (bejahend: LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 25.04.2008, Az. 15 T 51/08, im Falle der Abschiebungshaft in Anlehnung an die Rechtsprechung zur unterlassenen Anhörung und des Verfassungsrangs des beeinträchtigten Freiheitsrechts). Denn zum einen ist hier zu beachten, dass etwaige Fehler im behördlichen Verfahren durchaus geheilt werden können. Zum anderen muss für jeden Verfahrensabschnitt gesondert das Vorliegen der Voraussetzungen für die Freiheitsentziehung geprüft werden, die sich durchaus ändern können. Die von der Betroffenen insoweit ebenfalls zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 06.09.1984, Az. 6 U 49/84, befasst sich mit einer Wettbewerbsstreitigkeit und ist folglich nicht auf den hiesigen Fall anzuwenden.

Darüber hinaus ist die Anordnung der zwangsweisen Durchsetzung der Botschaftsvorführung durch das Wort „kann“ in das pflichtgemäße Ermessen der Behörde und des Gerichts gestellt. Diese Ermessensausübung hat unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebots im Hinblick auf den Eingriff in die persönliche Freiheit des Betroffenen unter Abwägung mit dem Zweck der gesetzlichen Vorschrift zu erfolgen (vgl. OLG Köln InfAuslR 2006, 414 f.; OLG Hamm InfAuslR 2007, 159 ff.; OLG München NVwZ-RR 2007, 65). Die tatrichterliche Entscheidung muss die für die Ermessensausübung maßgeblichen Umstände erkennen lassen (vgl. OLG Hamm a.a.O.; OLG München a.a.O.). Gemessen an den vorstehenden Maßstäben liegt ein Rechtsfehler vor, wenn der Tatrichter ein Ermessen überhaupt nicht ausgeübt oder die Notwendigkeit dazu verkannt hat (vgl. a.a.O.) oder wenn von unzureichenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen worden ist bzw. wesentliche Umstände unerörtert geblieben sind (vgl. OLG Köln a.a.O.). Dies ist hier aber nicht gegeben.

Denn es lag hier eine Ermessensreduzierung auf Null vor, wie sie auch das Amtsgericht ausweislich seiner Kennzeichnung der Freiheitsentziehung es „unerlässlich“ angenommen hat, da - im Falle der Weigerung bzw. Zuwiderhandlung der Betroffenen - ohne eine solche zwangsweise Botschaftsvorführung der Betroffenen die Erlangung eines Heimreisedokuments für die Tochter der Betroffenen aussichtslos ist (s. o.).

Es sind hier - entgegen der Ansicht der Betroffenen – auch keine Verfahrensfehler ersichtlich, die zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der gerichtlich angeordneten Ingewahrsamnahme führen könnten.

Soweit die Betroffene rügt, dass die Anhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, kann sie nicht mit Erfolg durchdringen. Zuzustimmen ist ihr, dass dem Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen Gelegenheit hätte gegeben werden müssen, an der Anhörung teilzunehmen und dass im Falle des Unterbleibens die Anhörung fehlerhaft ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, OLGR Schleswig 2007, 495 ff.; OLG Celle InfAuslR 2008, 136 ff.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

Denn der Haftrichter hatte vor der Anhörung versucht, den Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen telefonisch zu erreichen, was ihm angesichts der Bürozeiten nicht gelungen war, weshalb er auf den Anrufbeantworter gesprochen hatte. Damit hat er den Versuch unternommen, mit dem Verfahrensbevollmächtigten telefonisch in Verbindung zu treten, was ausreichend ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG a.a.O.). Darüber hinaus kann hier nicht gefordert werden, dass auch der Versuch des Inverbindungtretens per Fax hätte erfolgen müssen. Denn auch dieser Versuch wäre angesichts der Bürozeiten nicht unbedingt mit mehr Aussicht auf Erfolg verbunden gewesen. Selbst wenn der Verfahrensbevollmächtigte zu dieser Zeit im Büro gewesen wäre, steht nicht fest, dass er jedes eingehende Fax sofort registriert hätte. Im Übrigen hätte er in diesem Fall auch den Anrufbeantworter abhören können, so dass nicht ersichtlich ist, dass der Versuch per Fax gegenüber dem Versuch per Telefon geeigneter gewesen wäre. Ob der Antragsteller den Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen zeitlich eher hätte informieren können, kann dahinstehen, da es sich hier um eine gerichtliche Anhörung handelt; es mithin nur auf etwaige Versäumnisse des Haftrichters ankommt.

Es kann auch dahinstehen, ob die Ausführungen im Haftantrag vom 24.06.2009 zur Vollstreckbarkeit des Verwaltungsgrundaktes ausreichend sind und der Haftrichter die ausländerbehördliche Akte hätte beiziehen müssen. Denn dies wären keine so schwerwiegenden Verfahrensfehler, dass sie zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung führen würden.

Die Kammer hat von der Durchführung einer mündlichen Anhörung der Betroffenen im Beschwerdeverfahren, die auch noch im Verfahren über den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung geboten sein kann, abgesehen, da keine neuen Erkenntnisse für die Sachverhaltsaufklärung zu erwarten sind und auch ein persönlicher Eindruck nicht erforderlich ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG a.a.O.) Zudem war die Anhörung vor dem Amtsgericht auch nicht fehlerhaft (s.o.), so dass diese auch nicht zwingend durch das Beschwerdegericht nachzuholen war (vgl. a.a.O.).

Im Hinblick auf den überwiegenden Erfolg der sofortigen Beschwerde der Betroffenen waren dem Antragsteller die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen im Umfang des Erfolgs ihrer Beschwerde aufzuerlegen.

Gerichtskosten sind gem. § 15 Abs. 2 FEVG nicht zu erheben.

Wegen der außergerichtlichen Kosten der Betroffenen war infolge der rechtswidrigen Freiheitsentziehung eine Erstattungsanordnung zu treffen, wobei es offen bleiben kann, ob diese aus einer entsprechenden Anwendung des § 16 FEVG i.V.m. §§ 82 Abs. 4 S. 3, 106 Abs. 2 AufenthG (a.F.), 40 Abs. 2 S. 2 BPolG (a.F.), Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG oder aus § 13 Abs. 1 S. 1 FGG i.V.m. §§ 82 Abs. 4 S. 3, 106 Abs. 2 AufenthG (a.F.), 40 Abs. 2 S. 2 BPolG (a.F.), § 3 S. 2 FEVG, Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG folgt.

Im Rahmen der Prüfung des § 16 FEVG kommt es darauf an, ob ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrages vorlag. Dies ist hier nicht gegeben.

Denn auch zum Zeitpunkt der Antragstellung hatten die Voraussetzungen des § 82 Abs. 4 S. 2 AufenthG nicht vorgelegen und war die Freiheitsentziehung zudem unverhältnismäßig, was sich auch dem Antragsteller hätte erschließen müssen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen zur Begründetheit der sofortigen Beschwerde verwiesen.

Die angeordnete Kostenerstattung entspricht zudem auch der Billigkeit i.S.d. § 13 Abs. 1 S. 1 FGG.

Soweit die sofortige Beschwerde der Betroffenen verworfen worden ist, war keine Auslagenerstattung anzuordnen. Dies betrifft aber nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen in der Beschwerdeinstanz und zudem nur einen sehr geringen Anteil davon, da die vorläufige behördliche Ingewahrsamnahme der Betroffenen bis zur angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts gemessen am gesamten Umfang der erlittenen Freiheitsentziehung der Betroffenen nur einen sehr geringen Umfang ausmacht, der hier mit 10 % bewertet wird.