Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 07.03.2017 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 54/15 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2017:0307.10UF054.15.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 104 BGB |
Zur Ehegeschäftsfähigkeit und zur Geschäftsfähigkeit im Hinblick auf den Abschluss eines Ehevertrages
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 19. März 2015 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3, Der Verfahrenswert wird für die erste Instanz in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 19. März 2015 und für die zweite Instanz auf 10.128,30 € festgesetzt.
I.
Die Beteiligten, 1961 und 1960 geboren, heirateten am 26.5.2006. Beide waren bei Eheschließung nicht mehr berufstätig und bezogen Erwerbsminderungsrenten. Am 6.7.2010 schlossen sie einen notariellen Ehevertrag, mit dem sie für den Fall der Scheidung den Versorgungsausgleich ausschlossen und wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichteten. Seit Juni 2011 leben sie getrennt.
Durch Beschluss vom 19.3.2015 hat das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten geschieden und festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen (Bl. 333 ff d. A.).
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Er trägt vor:
Er sei bei der Heirat und bei Abschluss des Ehevertrages nicht geschäftsfähig gewesen, weshalb die Ehe nichtig sei, ebenso der Ehevertrag. Das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Ku… vom 28.11.2014, das zur Frage der Geschäfts- und Verfahrensfähigkeit eingeholt worden sei, und seine mündliche Erläuterung im Termin vom 19.2.2015 seien grob fehlerhaft. Folgende Mängel lägen vor:
- Der Sachverständige habe es unterlassen, seinen aktuellen altersbedingten Intelligenzquotienten (IQ) mittels eines Intelligenztests zu ermitteln.
- Der Sachverständige beziehe sich ausschließlich auf ältere Intelligenztests, die er beigezogenen Akten entnommen habe.
- Mangels Ermittlung der Intelligenz habe der Sachverständige nicht feststellen können, inwieweit eine Intelligenzminderung bei ihm, dem Antragsgegner, vorliege.
- Soweit der Sachverständige von ihm durchgeführte Leseproben der Begutachtung zugrunde lege, ergebe sich aus dem Gutachten nicht, welche Texte Gegenstand der Leseproben gewesen seien. Auch das Ergebnis der Leseproben werde nicht diskutiert.
- Der Sachverständige schließe seine Lesefähigkeit fälschlich aus der Tatsache, dass er die Fahrerlaubnisprüfung bestanden habe. Er habe aber die Fahrerlaubnisprüfung zur Vorwendezeit in Westberlin bestanden, während der Sachverständige nicht aus dem Westen stammen dürfte. Wie er den theoretischen Teil der Prüfung bestanden habe, habe er schon vorgetragen, worauf der Sachverständige aber nicht eingehe.
- Soweit er sich nach Mitteilung des Sachverständigen einer Schreibprobe entzogen haben soll, werde nicht ausgeführt, wie er das getan haben soll und welche Motive für die behauptete Verweigerung bestanden haben könnten.
- Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen zur Intelligenzminderung seien widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.
Er beantrage die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.
Der amtsgerichtliche Beschluss sei verfahrensfehlerhaft ergangen, da eine nach der mündlichen Verhandlung erfolgte telefonische Mitteilung des Sachverständigen verwertet worden sei, ohne die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, und die beantragte Vernehmung der Dipl.-Psych. Ka… als sachverständige Zeugin zu seiner Behauptung, er habe einen Gesamt-IQ von 54, der gepaart mit einer Persönlichkeitsstörung seine Geschäftsunfähigkeit zur Folge habe, unterblieben sei. Die persönliche Anhörung des Antragsgegners habe gezeigt, dass er die Bedeutung der Eheschließung nicht erfasse.
Auch unter Zugrundelegung einer nur leichten Intelligenzminderung nach ICD-10 mit einem IQ von 54 sei im Zusammenwirken mit der ebenfalls diagnostizierten depressiven Episode, seiner generalisierten Angststörung, die sich zu einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften, paranoiden und narzißtischen Anteilen ausgeweitet habe, seine Geschäftsunfähigkeit anzunehmen.
Selbst bei Annahme seiner Geschäftsfähigkeit am 6.7.2010 sei der Ehevertrag unwirksam. Der Ehevertrag sehe keine Kompensation für den durch den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, auf Versorgungsausgleich und auf Zugewinnausgleich entstandenen Nachteil vor. Er sei hoch verschuldet gewesen. Das monatliche Renteneinkommen der Antragstellerin von 1.632 € sei höher gewesen als seine Rente von insgesamt 965 €. Darüber hinaus sei die Antragstellerin Hauseigentümerin. Sie sei ihm somit bei Abschluss des Ehevertrages wirtschaftlich und im Übrigen auch intellektuell überlegen gewesen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschlusses des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 19.3.2015 abzuändern und
1. die am 26.5.2006 vor dem Standesbeamten des Standesamtes in A… zur Heiratsregister-Nr. 13 geschlossene Ehe der Beteiligten aufzuheben und
2. den Versorgungsausgleich durchzuführen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor:
Der Sachverständige sei aufgrund eigener unabhängiger Untersuchungen unter Verwertung der vorliegenden Akten und Befunde zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass der Antragsgegner nur teilweise eine verminderte Intelligenz in kognitiver Hinsicht aufweise, die seine Geschäftsfähigkeit nicht beeinträchtige. Intelligenztests seien anerkanntermaßen manipulierbar, weshalb Kritiker ihnen die Eignung absprächen, objektiv die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen zu bestimmen. Zudem sei der reine Zahlenwert wegen der verschiedenen Intelligenzformen wenig aussagekräftig. Ein Gutachten zur Geschäftsfähigkeit erfordere deshalb nicht zwingend die Durchführung eines Intelligenztestes. Im Übrigen habe der Antragsgegner den von dem Sachverständigen angebotenen Intelligenztest abgelehnt. Gerade weil der Antragsgegner - wie in dem Gutachten zutreffend festgestellt - über eine gute Lernfähigkeit verfüge und schnell erkenne, was für ihn von Vorteil sei, und weil er bereits mehrere solcher Tests in seinem Leben durchlaufen habe, sei ein solcher Test nicht sinnvoll. Widersprüche im Gutachten in Bezug auf die Klassifizierung des IQ beständen nicht, da der Sachverständige eine leichte Intelligenzminderung auf der kognitiven Ebene festgestellt habe, die die Geschäftsfähigkeit nicht beeinträchtige. Er habe auch bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens an dieser Auffassung festgehalten, nachdem er mit den anderen Werten aus dem Befund des …-Krankenhauses konfrontiert worden sei. Wegen der nachträglichen telefonischen Mitteilung allgemein zugänglicher Informationen habe die mündliche Verhandlung nicht wieder eröffnet werden müssen. Entscheidend im Hinblick auf § 104 Nr. 2 BGB sei die Feststellung des Sachverständigen, dass der Antragsgegner genau wisse, was er wolle, und sein Verhalten gegenüber anderen danach ausrichte, wie er sein Ziel erreichen könne. So sei die Betreuung auch erst im Laufe des Verfahrens auf Veranlassung des Antragsgegners eingerichtet worden, nachdem er sich gegen eine früher bestehende Betreuung erfolgreich gewandt habe. Diese sei mit Beschluss vom 29.4.2004 aufgehoben worden, weil aufgrund eines Sachverständigengutachtens vom 7.11.2002 die Geschäftsfähigkeit des Antragsgegners bejaht worden sei.
Auch die vom Amtsgericht vorgenommene persönliche Anhörung des Antragsgegners habe ergeben, dass er sich über die Bedeutung der Eheschließung im Klaren sei, zumal er bereits einmal verheiratet gewesen und geschieden worden sei, bevor er sie, die Antragstellerin, kennengelernt habe.
Der Ehevertrag sei wirksam. Der Antragsgegner habe ihn geschlossen, um die Ehe zu retten und im Haus bleiben zu dürfen. Er habe außereheliche Verhältnisse eingestehen müssen und habe ihr beweisen wollen, dass ihm die Ehe wichtig sei. Er habe aufgrund seiner ersten Ehescheidung gewusst, was ein Versorgungsausgleich ist. Die Beteiligten hätten sich hierüber ausführlich besprochen, bevor sie den Notar aufgesucht hätten. Es habe keiner Kompensationsleistung bedurft, da beide Ehegatten bereits im Rentenbezug gewesen seien und das Grundstück mit dem Wohnhaus sich schon vor der Eheschließung in ihrem Eigentum befunden habe. Zudem habe sie mehrere Reisen des Antragsgegners bezahlt und Schulden für ihn ausgeglichen.
II.
1.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff FamFG zulässig. Der Antragsgegner steht zwar unabhängig von der Frage, ob er verfahrensfähig ist oder nicht, im Hinblick darauf, dass er im vorliegenden Verfahren durch seine Betreuerin vertreten wird, gemäß § 53 ZPO einer nicht verfahrensfähigen Person gleich. § 53 ZPO ist sowohl in Ehesachen gemäß § 113 Abs. 1 FamFG (vgl. Zöller/Lorenz, ZPO, 31. Aufl., § 125 Rn. 3) als auch in der Folgesache Versorgungsausgleich gemäß § 9 Abs. 5 FamFG (Keidel/Weber, FamFG, 19. Aufl., Rn. 3; BeckOK/Nickel, FamFG, Stand: 1.12.2016, § 125 Rn. 3) anwendbar. Die Betreuerin hat die Verfahrensführung unter dem 21.3.2016 aber rückwirkend genehmigt (Bl. 464 d. A.). Diese Genehmigung ist wirksam. Denn nach seinem Eintritt kann der gesetzliche Vertreter die Verfahrenshandlungen rückwirkend genehmigen (OLG Hamm, FamRZ 1990, 166, BeckOK/Nickel, a. a. O. § 125 Rn. 6). Dies gilt auch in der Beschwerdeinstanz (MüKo/Hilbig-Lugani; FamFG, 2. Aufl., § 125 Rn. 11; BeckOK/Nickel, a. a. O. § 125 Rn. 7).
2.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht die Ehe der Beteiligten geschieden und festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Denn die Ehe ist wirksam geschlossen worden. Der Antragsgegner war bei der Eheschließung am 26.5.2006 geschäftsfähig. Hinsichtlich der Wirksamkeit des Ehevertrages vom 6.7.2010 bestehen keine Bedenken.
a)
Das Amtsgericht hat die Ehe der Beteiligten zu Recht geschieden. Denn die Voraussetzungen für die Scheidung liegen vor. Die Beteiligten leben seit dem 21.6.2011 und damit seit mehr als drei Jahren getrennt, so dass das Scheitern der Ehe unwiderruflich vermutet wird, §§ 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 2 BGB.
Die Ehe ist auch zu scheiden. Eine Aufhebung der Ehe gemäß §§ 1313, 1314 Abs. 1 i. V. m. § 1304 BGB kommt ungeachtet der fehlenden Genehmigung des Aufhebungsantrages durch das Betreuungsgericht gemäß § 125 Abs. 2 FamFG nicht in Betracht. Denn der Antragsgegner war bei Eheschließung am 26.5.2006 jedenfalls ehegeschäftsfähig. Davon ist der Senat schon aufgrund der erstinstanzlich vorgenommenen Anhörung des Antragsgegners überzeugt.
Geschäftsunfähig ist gemäß § 104 Nr. 2 BGB, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Die Anordnung der Betreuung ist auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten ohne Einfluss (Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., Einf v § 104 Rn. 2a). Trotz erheblicher Zweifel an der Geschäftsfähigkeit kann eine partielle Geschäftsfähigkeit für die Eheschließung gegeben sein (BVerfG, NJW 2003, 1383; BayObLG, Beschluss vom 24.4.1996 - 1Z BR 80/96, BeckRS 1996, 03646; Beschluss vom 14.11.2002, 1Z BR 118/02, BeckRS 2002, 30293337). Selbst bei einer partiellen Geschäftsunfähigkeit kann der Betroffene für die Eingehung einer Ehe geschäftsfähig bleiben, wenn er insoweit zu der notwendigen Einsicht und freien Willensbestimmung fähig ist (sog. Ehegeschäftsfähigkeit; BVerfG, NJW 2003, 1382; BGH, Beschluss vom 11.4.2012 - XII ZR 99/10, BeckRS 2012, 09228, Rn. 10). Für die Ehegeschäftsfähigkeit kommt es darauf an, ob der Eheschließende in der Lage ist, das Wesen der Ehe zu begreifen und insoweit eine freie Willensentscheidung zu treffen (BGH, a. a. O.). Bei der Ehegeschäftsfähigkeit geht es um ein besonderes „Rechtsgeschäft“, dessen Inhalt mehr als sonstige typische Rechtsgeschäfte von in der Gesellschaft fest verankerten Vorstellungen geprägt wird. Es muss deshalb im Einzelfall geprüft werden, ob sich die Beeinträchtigung der Geistestätigkeit auch auf die Ehe erstreckt und ob der Ehewillige insoweit die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzt und zur freien Willensentscheidung in der Lage ist, mag diese Einsichtsfähigkeit auch für andere Rechtsgeschäfte fehlen (BayObLG, Beschluss vom 24.4.1996 - 1Z BR 80/96, BeckRS 1996, 03646, Rn. 7; OLG Brandenburg, Urteil vom 7.7.2010 -13 UF 55/09, Rn. 13, juris). Nach § 104 Nr. 2 BGB sind für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit nicht so sehr die Fähigkeiten des Verstandes ausschlaggebend, als die Freiheit des Willensentschlusses (BGH, NJW 1970, 1680). Eine Person, die in der Lage ist, ihren Willen frei zu bestimmen, deren intellektuelle Fähigkeiten aber nicht ausreichen, um bestimmte schwierige rechtliche Beziehungen verstandesmäßig zu erfassen, ist deswegen noch nicht geschäftsunfähig (BGH, a. a. O.). Gemessen an diesen Anforderungen war der Antragsgegner am 26.5.2006 ehegeschäftsfähig.
Das ergibt sich bereits aus der Erklärung des Antragsgegners in seiner persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht zur Bedeutung der Ehe: „Zusammen teilen und alles machen. Wenn man krank ist, dass man füreinander da ist. Zu Behörden gehen, wenn sie krank ist. Sie war ja auf Rente und da musste ich auch zum Versorgungsamt wegen dem Schwerbehindertenausweis.“ (Bl. 314 d. A.). Dies zeigt, dass der Antragsgegner die Bedeutung der Ehe erfasst hat, was auch im Einklang mit dem Gutachten des Sachverständigen steht.
Der Sachverständige Ku… führt zwar aus, dass der Antragsgegner bei der Eheschließung am 26.5.2006 aufgrund einer leichten geistigen Behinderung eingeschränkt geschäftsfähig gewesen sei (Bl. 245 d. A.). Er geht aber gleichwohl davon aus, dass eine freie Willensbestimmung des Antragsgegners in Bezug auf die Eheschließung zu bejahen ist. Dem steht die Beurteilung des Sachverständigen Dr. S… in dem Gutachten vom 20.12.2015 im Parallelverfahren 10 UF 77/14 nicht entgegen. Denn der Sachverständige Dr. S… hat keine Feststellungen bezüglich der Geschäftsfähigkeit des Antragsgegners bei Eheschließung am 26.5.2006 getroffen.
b) Das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Denn die Beteiligten haben den Versorgungsausgleich durch notariellen Ehevertrag vom 6.7.2010 wirksam ausgeschlossen. Der Ehevertrag ist nicht gemäß §§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB nichtig. Der Antragsgegner war am 6.7.2010 nicht geschäftsunfähig. Das ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Ku…, dem sich der Senat anschließt.
Der Sachverständige kommt nachvollziehbar und überzeugend zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegner bei Abschluss des Ehevertrages in der Lage gewesen ist, den Inhalt und die Tragweite des Ehevertrages zu erfassen. Er hat festgestellt, dass der Antragsgegner eine leichte Intelligenzminderung mit einer ausreichend entwickelten kristallinen Intelligenz (akkumuliertes Wissen/Erfahrung) und minimal abweichender fluider Intelligenz (= geistige Beweglichkeit) besitzt. Die Lesefähigkeit lasse sich aus klinischen und anamnestischen Angaben als ausreichend entwickelt bestätigen. Die Schreibfähigkeit habe er mangels ausreichender Kooperativiät des Antragsgegner nicht ausreichend untersuchen können (Bl. 244 d. A.). Der Sachverständige hat die Beiakten 6 F 211/12, 6 F 27/12 und 6 F 485/12 verwertet, den Antragsgegner persönlich exploriert und untersucht sowie fünf Aktenordner mit ca. 300 Seiten ausgewertet, die ihm der Antragsgegner übergeben hat. Der Sachverständige hat unter Auswertung dieser Unterlagen folgende Feststellungen getroffen, die nachvollziehbar und überzeugend seine Schlussfolgerung stützen, dass der Antragsgegner bei Abschluss des Ehevertrages geschäftsfähig war:
- Der Sachverständige hat aufgezeigt, dass die Auswertung der familiengerichtlichen Akte betreffend ein Sorgerechtsverfahren, das der Antragsgegner mit seiner ersten Ehefrau geführt hat, dessen damaliges Bestreben belegt, den zum vorliegenden Verfahren gegenteiligen Eindruck zu erwecken, nicht betreuungsbedürftig zu sein. Ausweislich des psychiatrisch-familienpsychologischen Gutachtens der Dipl.-Psych. Sc… vom 19.8.2003, das das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg anlässlich eines zwischen dem Antragsgegner und seiner ersten Ehefrau geführten Sorgerechtsverfahrens - 156 F 2949/02 - eingeholt hat, habe der Antragsgegner angegeben, er habe Probleme mit dem Lesen und Schreiben gehabt (Bl. 222 d. A.); seine Betreuung sei für das Vermögen da. Auf Einzelheiten im Bereich seiner Betreuung sei er nicht ansprechbar gewesen, da er sich sofort ereifert und gefürchtet habe, die Tatsache der Betreuung könne nachteilig für ihn ausgelegt werden (Bl. 223). Der HAWIE-R-Intelligenztest nach Wechsler und SPM nach Raven habe nur eine leichte Intelligenzminderung ergeben. Insbesondere verfüge der Antragsgegner über eine recht gute Lernfähigkeit, was das relativ gute Abschneiden im Wortschatztest gezeigt habe, sowie eine relativ gute Fähigkeit, zwischen wichtigen und unwichtigen Dingen zu unterscheiden. Schlechte Ergebnisse habe er hingegen bei der psychomotorischen Geschwindigkeit, dem Konzentrationsvermögen und der Fähigkeit zum problemlösenden Denken erzielt (Bl. 225 d. A.). Im Zusammenhang mit der Trennung und Scheidung habe er seiner ersten Ehefrau Fehlverhaltensweisen vorgeworfen und damit gedroht, einen Vaterschaftstest machen zu lassen, dessen Ergebnis dann dem Kind S… mitgeteilt werden müsse. Das Ergebnis, dass er nicht der Vater sei, würde bei S… bestimmt einen Schock auslösen. Außerdem drohte er - falls die erste Ehefrau an der Trennung festhalten solle - damit, sie zu verfolgen (Bl. 226 d. A.). Zusätzlich zu der leichten Intelligenzminderung bestehe wahrscheinlich eine Lese-/Schreibschwäche im Sinne einer Teilleistungsstörung mit der Folge eines bestehenden Analphabetismus (Bl. 226 d. A.). Die Intelligenzminderung sei nur leichten Grades und stelle in sich noch keine Einschränkung der Erziehungsfähigkeit dar (Bl. 228 d. A.).
- Der Sachverständige hat auch Feststellungen zur Lese- und Schreibfähigkeit des Antragsgegners anhand der vorliegenden Schulzeugnisse getroffen. Im Zeugnis für das 9. Schuljahr der …-Schule für geistig Behinderte vom 23.6.1976 ist vermerkt, dass R… sämtliche Druckbuchstaben kenne und Lesebuchtexte lesen könne (Bl. 229 d. A.). Im Schulzeugnis vom 15.6.1977 wird ausgeführt, dass sein sprachlicher Ausdruck gut und differenziert sei. Besondere Fortschritte habe er im Lesen von Lesebuchtexten gemacht (Bl. 229 d. A.). Im Bericht der Erziehungsleiterin vom 2.7.1975 ist festgehalten, dass seine Lesefertigkeit im letzten Jahr erkennbare Fortschritte gemacht habe (Bl. 229 d. A.). Nachdem der Sachverständige Ku… den Antragsgegner mit seinen Schulzeugnissen konfrontiert hat, hat der Antragsgegner nach kurzem Schweigen erwidert, er könne lesen, außerdem könne er mittlerweile auch schreiben. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, der Antragsgegner habe keine kooperativen Auskünfte dazu gegeben, inwieweit er dies beherrsche (Bl. 236 d. A.). Der Antragsgegner habe dazu lediglich bemerkt, es gehe nicht darum, inwieweit er lesen und schreiben könne, sondern dass er das Unterschriebene zur damaligen Zeit nicht habe verstehen können (Bl. 236 d. A.).
- Während der Exploration zur Lebensgeschichte und den Arbeitsumständen fiel dem Sachverständigen auf, wie rasch sich der Antragsgegner in seinen gut strukturierten Aktenordnern mit Arbeitsverträgen, Briefen und Anträgen orientiert hat (Bl. 235). Beim Zweiten Explorationstermin habe er noch drei Aktenordner mit medizinischen und Arbeitsunterlagen beigebracht, in denen er sich genauso schnell wie in seinen anderen Unterlagen habe zurecht finden können. Er habe erstaunlich schnell das passende Schriftstück und sogar die Textpassage mit dem gesuchten Inhalt zeigen können (Bl. 236).
- Der Antragsgegner habe im Gespräch seinen differenzierten Wortschatz und sein gutes logisches Denkvermögen offenbart (Bl. 237). Er habe einen Einzelfallbetreuer, dessen Hilfe aber kaum in Anspruch genommen (Bl. 237).
- Es sei der Eindruck entstanden, dass der Antragsgegner über jede Frage nachdenke und seine Antworten bedacht und sehr dosiert seien. Es sei nie der Eindruck entstanden, dass der Antragsgegner etwas nicht verstanden habe oder die Zusammenhänge nicht habe nachvollziehen können (Bl. 237 d. A.).
- Bezüglich der Lese-/Schreibentwicklung und des Abschlusses des Ehevertrages sei der Antragsgegner mit nebensächlichen Informationen ausgewichen (Bl. 237/238 d. A.).
- Die vor mehreren Jahren gestellte Diagnose „Mikroenzephalie“ bringe nicht zwangsweise eine unkorrigierbare kognitive Beeinträchtigung mit sich, zumal die Diagnose mittels eines modernen bildgebenden Verfahrens nicht überprüft und bestätigt worden sei (Bl. 238 d. A.).
- Die bestandene (mündliche) Fahrerlaubnisprüfung belege, dass der Antragsgegner eine ausreichend fluide und kristalline Intelligenz besitze (Bl. 242 d. A.).
- Der Antragsgegner manipuliere mit großem Geschick seine Informationen. Er könne den Blickwinkel ändern und schnell erfassen, ob etwas gut oder nachteilig für ihn sei. Meist gebe er nur bestimmte Dinge preis, um sich günstig darzustellen. Mal stelle er sich als Opfer bzw. als Behinderter dar und dann agiere er wieder als gesunder intelligenter Mensch (Bl. 242 d. A.).
- Der Antragsgegner habe eine skrupulöse und strukturierte Natur, weshalb er ohne vorherige Erklärung von Sinn und Zweck keine Erklärung unterschreiben würde (Bl. 243/244 d. A.).
All dies zeige, so der Sachverständige, dass der Antragsgegner bei Abschluss des Ehevertrages in der Lage gewesen sei, dessen Inhalt und die Tragweite zu erfassen.
Dem steht das von dem Sachverständigen Dr. S… im Parallelverfahren 10 UF 77/14 erstellte Gutachten vom 20.12.2015, wonach der Antragsgegner weder verfahrensfähig noch geschäftsfähig sei (Bl. 671, 10 UF 77/14), nicht entgegen. Der Sachverständige Dr. S… hat sein Gutachten nämlich ohne Auswertung der vorgenannten Akten und somit aufgrund einer deutlich geringeren Erkenntnisgrundlage erstellt, als sie dem Sachverständigen Ku… zur Verfügung stand. Der Sachverständige Ku… hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5.1.2017 zu Recht darauf hingewiesen, dass die fachärztliche Stellungnahme des Dr. S… spekulativ sei, da sie sich ausschließlich auf subjektive Angaben des Antragsgegners stütze, der zudem wechselhafte Angaben gemacht hat (Bl. 585 d. A.). Zudem räumt der Sachverständige Dr. S… selbst ein, dass eine Diskrepanz zwischen der von ihm festgestellten Beeinträchtigung der Geschäftsfähigkeit und der Tatsache, dass der Antragsgegner im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, bestehe (Bl. 679, 10 UF 77/14). Der Sachverständige Dr. S… hat auch selbst, insoweit in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Ku…, die Ansicht geäußert, dass der Antragsgegner in der Lage sei, mit einer zur Schau getragenen Fassade sich so zu verhalten, dass er hierdurch für ihn wesentliche Vorteile erlange (Bl. 671, 10 UF 77/14). Im Übrigen hat auch der Betreuer des Antragsgegners das Gutachten des Sachverständigen S… scharf kritisiert und mitgeteilt, seiner Auffassung nach sei der Antragsgegner sehr wohl geschäftsfähig und auch zu einer vernünftigen freien Willensentscheidung in der Lage (Bl. 698, 10 UF 77/14). Diese Einschätzung stimmt auch mit der Einschätzung des Gutachters Dr. med. R… B… überein, der am 9.12.2014 ein Gutachten im Betreuungsverfahren erstattet hat. Sie bestätigt die Beurteilung des Sachverständige Ku….
Dem von den Sachverständigen Ku… und Dr. B… festgestellten IQ des Antragsgegners kommt keine maßgebliche Bedeutung zu. Nach dem Gutachten des SV Dr. B… vom 9.12.2014 hat der Antragsgegner einen IQ von 79 (S. 9 des Gutachtens) und ist voll geschäftsfähig (S. 13 des Gutachtens). Der Sachverständige Ku… schätzt den IQ des Antragsgegners ebenfalls auf 70 bis 80 (Bl. 316 d. A.). Der Antragsgegner beruft sich hingegen auf einen im Evangelischen Krankenhaus … am 11.10.2013 durchgeführten Test, wonach er einen IQ von 54 und damit eine leichte geistige Behinderung habe.
Eine schematische Beurteilung nach dem IQ kommt im vorliegenden Fall jedoch ebenso wenig in Betracht wie die Erforderlichkeit eines neuen IQ-Tests.
Ungeachtet der in der Intelligenzforschung geübten Kritik an Intelligenztests werden zwar teilweise Rückschlüsse aus einem bestimmten IQ gezogen. So soll bei einem IQ von über 60 nicht ohne Weiteres ein Ausschluss der freien Willensbestimmung anzunehmen sein, bei einem IQ unter 49 hingegen in der Regel schon (OLG Düsseldorf, VersR 1996, 1493; BeckOK/Wendtland, BGB, Stand: 1.8.2016, § 104 Rn. 10 m. w. N.; Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 104 Rn. 5).
Der Sachverständige, der sich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5.1.2017 umfangreich mit dem Begriff der Intelligenzminderung (zur Definition siehe Bl. 586 d. A.), der Schweregradeinteilung (Bl. 588 ff d. A.), dem Zusammenhang von Intelligenz und sozialer Kompetenz (Bl. 590 ff d. A.) sowie IQ-Tests (Bl. 594 ff d. A.) auseinandersetzt, hat überzeugend dargelegt, dass der IQ-Wert allein zur Beurteilung der Intelligenz eines Menschen nicht ausreicht, sondern lediglich ein Hilfsmittel zur Abschätzung darstellt (Bl. 589 d. A.). Dies wird besonders deutlich bei der Betrachtung eines zentralen Elements in der Argumentation des Sachverständigen, der Tatsache, dass der Antragsgegner die Fahrerlaubnis erlangt hat. Der Sachverständige hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5.1.2017 die Voraussetzungen für die Erlangung der Fahrerlaubnis erläutert, wozu er Erkundigungen bei einem verkehrspsychologischen Gutachter und der Leiterin der Begutachtungsstelle A… eingeholt hat (Bl. 594 d. A). Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrteignung hat er beigefügt (Bl. 598 f d. A.). Er legt überzeugend dar, dass der Antragsgegner die Fahrerlaubnis nicht hätte erlangen können, wenn er tatsächlich so sehr in seiner Intelligenz gemindert wäre, wie er behauptet. Auch nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrteignung kommt es nicht entscheidend auf das Ergebnis eines IQ-Tests an, sondern es ist eine ganzheitliche Betrachtung der Persönlichkeit unter Einbeziehung medizinischer, neurologischer und psychiatrischer Befunde vorzunehmen (Bl. 621 d. A.). Eine solche ganzheitliche Betrachtung hat der Sachverständige hier unter Einbeziehung der Schulzeugnisse, der familiengerichtlichen Akte betreffend das Sorgerechtsverfahren und einer Exploration des Antragsgegners vorgenommen.
Das von dem Antragsgegner vorgelegte ärztliche Attest des Evangelischen Krankenhauses … gGmbH vom 19.1.2015 (Bl. 297 d. A.), wonach ausreichende Hinweise auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit zwangshaften, paranoiden und narzisstischen Anteilen vorlägen, ist kein Beleg für seine Geschäftsunfähigkeit. Eine diagnostizierte Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften, paranoiden und narzißtischen Anteilen schließt die Geschäftsfähigkeit nicht aus. Dies hat der Sachverständige Ku… plausibel dargelegt und ausgeführt. Er halte es für spekulativ, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung nur aufgrund eines Persönlichkeitstests und anamnestischer Angaben des Patienten ohne jegliche Fremdanamnese anzunehmen. Nach der Einschätzung des Sachverständigen, die, wie bereits ausgeführt, auf einer umfassenden Datengrundlage basiert, liegt bei dem Antragsgegner allenfalls eine Persönlichkeitsakzentuierung und eine affektive Disregulation vor. Dass der Antragsgegner unter einer Depression und Angststörung leidet, zieht der Sachverständige angesichts seiner Simulationsneigung (Bl. 585 d. A., zur Definition einer Persönlichkeitsstörung vgl. Bl. 586 d. A.) nachvollziehbar in Zweifel. Jedenfalls verhält sich das vorgelegte ärztliche Attest nicht zu dem Zustand des Antragsgegners zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages.
Der Hinweis des Antragsgegner auf die vermeintliche Fragwürdigkeit des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV), dessen Kriterien der Sachverständige Ku… in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5.1.2017 erörtert, greift nicht durch. Soweit der Antragsgegner behauptet, das DSM-IV sei in der Psychiatrie äußerst streitig und werde überwiegend abgelehnt (Bl. 653 d. A.), beruft er sich ausschließlich auf einen Autor. Es handelt sich bei dem DSM jedoch um ein in der Psychiatrie verwendetes Klassifikationssystem, das eine zentrale Rolle bei der Definition und Diagnostik von psychischen Erkrankungen spielt und in vielen Kliniken und Instituten gebräuchlich ist (Wikipedia unter „Diagnostic and Statistical Manual of mental Disorders“). Das DSM dient der Klassifikation und Vereinheitlichung der Nomenklatur psychischer Störungen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl., unter „DSM“). Im Übrigen hat der Sachverständige nicht nur Definitionen aus dem DSM-IV (aus dem Jahr 1994) zur Persönlichkeitsstörung (Bl. 586 d. A.) und DSM –V (aus dem Jahr 2013) zur Intelligenzminderung (Bl. 586 d. A.) verwendet, um seine Auffassung zu erläutern, wonach der Antragsgegner weder an einer die Geschäftsfähigkeit berührenden Persönlichkeitsstörung noch an einer die Geschäftsfähigkeit beeinträchtigenden Intelligenzminderung leidet, sondern auch die Definitionen aus dem ICD-10, dem anderen in Forschung und Praxis verwendeten Klassifikationssystem. Inwiefern hier ein Fehler des Gutachtens vorliegen soll, ist nicht ersichtlich.
Schließlich kann dem Gutachten des Sachverständigen Ku… auch nicht deshalb nicht gefolgt werden, weil er dem Antragsgegner gegenüber voreingenommen wäre.
Der Antragsgegner bringt vor, der Sachverständige sei befangen, weil er die Einschätzung der Antragstellerin kritiklos übernehme, wonach er, der Antragsgegner, impulsiv, aggressiv und bedrohlich, insbesondere gegenüber Frauen und auch seinen eigenen Kindern sei, und weil der Sachverständige ihn unzutreffend als bedrohlich, betrügerisch und manipulativ beschreibe. Dieser Vortrag ist nicht als Ablehnungsgesuch nach § 113 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 406 ZPO zu werten. Der Antrag muss zwar nicht ausdrücklich als Ablehnungsersuchen bezeichnet werden, wenn hinreichend deutlich wird, dass eine Ablehnung gewollt ist, was durch Auslegung zu ermitteln ist (BeckOK/Vossler, ZPO, Stand: 1.12.2016, § 44 Rn. 8; Musielak/Voith, ZPO, 13. Aufl,, § 44 Rn. 4). Zweifel gehen aber zu Lasten des Beteiligten (MüKo/Stackmann, ZPO, 5. Aufl., § 44 Rn. 5), zumal von dem hier anwaltlich vertretenen Antragsgegner eine ausdrückliches Erklärung erwartet werden kann. Bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung mehrerer gleichzeitiger Erklärungen (Zöller/Greger, a. a. O., vor § 128 Rn. 25) ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Obergutachtens beantragt hat (Bl. 655 d. A.), was nur einen Sinn ergibt, wenn das Gutachten des Sachverständigen Ku… verwertbar ist. Wäre es infolge einer erfolgreichen Ablehnung unverwertbar, müsste zwar ein neues Gutachten eingeholt werden. Dies wäre aber kein Obergutachten. Die Einschätzung des Antragsgegners, der Sachverständige sei ihm gegenüber befangen, ist somit als bloßer inhaltlicher Einwand gegen die Richtigkeit des Gutachtens zu behandeln.
Eine tendenziöse, voreingenommene Haltung des Sachverständigen, die zu einer Verfälschung des Gutachtenergebnisses führt, ist nicht erkennbar. Ausweislich des psychiatrisch-familienpsychologischen Gutachtens der Dipl.-Psych. Sc… vom 19.8.2003 hat der Antragsgegner seiner ersten Ehefrau gedroht, sie zu verfolgen, falls sie an der Trennung festhalte (Bl. 226 d. A.). Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat dem Antragsgegner durch Beschluss vom 17.5.2012 ein Näherungsverbot gemäß GewSchG erteilt (Bl. 220/221 d. A.). Die geschiedene erste Ehefrau des Antragsgegners hat der psychologischen Sachverständigen berichtet, dass der Antragsgegner den gemeinsamen Sohn D… geschlagen habe, fremdgegangen sei, alle Versicherungsverträge gekündigt und das Geld gemeinsam mit seiner außerehelichen Freundin ausgegeben habe (Bl. 224 d. A.). Ausweislich der beigezogenen Akte 6 F 27/12 hat das Amtsgericht Bernau bei Berlin auf Antrag der Antragstellerin gegen den Antragsgegner ebenfalls eine Anordnung nach GewSchG aufgrund von Nachstellungen erlassen (Beschluss vom 27.2.2012, Bl. 69 f BA). Der Sachverständige Ku… hat in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, aus den vorgelegten Berichten lasse sich schließen, dass der Antragsgegner bereits während seiner ersten Ehe aufgrund seiner chaotischen Frauenbeziehungen sich selbst und seine Familie in eine finanzielle und soziale Notlage gebracht habe (Bl. 584/585 d. A.). Aus den in den Akten befindlichen Berichten seiner Ex-Frau und seiner Ehefrau lasse sich ein impulsiv-aggressives und oft bedrohliches Verhalten gegenüber Frauen und zum Teil gegenüber den eigenen Kinder erkennen. Ebenso chaotisch erscheine das Verhalten des Antragsgegners im Umgang mit Geld, das durch Verschuldungen und die betrügerische Erpressung von Geld von seiner zweiten Ehefrau geprägt sei (Bl. 585 d. A.). Schließlich hat der Sachverständige ein selektives Auftreten und zielgerichtetes charmantes Verhalten des Antragsgegners zum einen erkannt sowie ein aggressiv-impulsives, bedrohliches, betrügerisches, manipulatives Verhalten zum anderen den Akten entnommen (Bl. 585). Die Antragstellerin hat erstinstanzlich vorgetragen, dass der Antragsgegner immer wieder unter verschiedenen Vorwänden und erfundenen Geschichten Bargeldbeträge von ihr erschlichen habe (wegen der Einzelheiten siehe Bl. 61 f d. A.). Der Antragsgegner hat lediglich bestritten, außereheliche Verhältnisse gehabt sowie sich als Beamter der Kriminalpolizei ausgegeben zu haben (Bl. 74 f d. A.). Den übrigen Vortrag der Antragstellerin hat der Antragsgegner lediglich in dem Parallelverfahren 10 UF 77/14 bestritten, das dem Sachverständigen nicht vorlag. Insofern konnte der Sachverständige den Vortrag der Antragstellerin zum Erschleichen von Geldbeträgen als unstreitig ansehen und zugrunde legen. Überdies ist der Sachverständige kein Jurist, so dass der Begriff „betrügerisch“ nicht im Sinne einer strafrechtlichen Wertung zu verstehen ist.
Das Gutachten des Sachverständigen Ku… ist somit überzeugend. Der Senat folgt dem Gutachten des Sachverständigen Ku… ungeachtet dessen, dass der Sachverständige Dr. S… in seinem Gutachten zu einem abweichenden Ergebnis kommt. Denn dieser Widerspruch ist damit erklärbar, dass dem letztgenannten Sachverständigen nur eine eingeschränkte Tatsachengrundlage zur Verfügung stand. Der Einholung eines Obergutachtens bedarf es daher nicht (vgl. Musielak/Voit, 13. Aufl., ZPO, § 412 Rn. 4).
bb)
Die Vereinbarung im Ehevertrag vom 6.7.2010 dahin, dass der Versorgungsausgleichs ausgeschlossen wird, ist wirksam. Sie hält einer Inhalts- und Ausübungskontrolle im Sinne von § 8 Abs. 1 VersAusglG stand.
Im Rahmen der Inhaltskontrolle ist zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten, § 138 Abs. 1 BGB. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Abschluss der Vereinbarung abstellt (BGH, FamRZ 2008, 2011 Rn. 10). Auch wenn der Versorgungsausgleich zum Kernbereich der Scheidungsfolgen zählt, reicht auch eine etwaige Unausgewogenheit des Vertragsinhalts für die Annahme der Sittenwidrigkeit nicht aus (BGH, FamRZ 2013, 195 Rn. 24). Sittenwidrig ist die Vereinbarung erst dann, wenn sie erkennbar einseitig auf die Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (BGH, FamRZ 2013, 195 Rn. 22). Bei der Annahme, dass eine offenkundig einseitige Lastenverteilung vorliegt, ist Zurückhaltung geboten, weil die privatautonome Gestaltung der Ehegatten grundsätzlich zu respektieren ist (Kemper, Versorgungsausgleich in der Praxis, 2011, Kap. VII Rn. 127).
Soweit ein Vertrag der Inhaltskontrolle standhält, hat sodann grundsätzlich eine Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu erfolgen. Dafür sind nicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages maßgebend. Entscheidend ist vielmehr, ob sich nunmehr – im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft – aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten unzumutbar ist (BGH, FamRZ 2008, 2011 Rn. 11).
Die Inhaltskontrolle ergibt vorliegend keine Unwirksamkeit im Hinblick auf die Ausnutzung einer etwaigen Machtposition der Antragstellerin. Der Ehevertrag wurde nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin im Rahmen einer Ehekrise geschlossen. Sie hatte die Fortführung der Ehe von dem Abschluss des Ehevertrages abhängig gemacht, was nicht als sittenwidrige Ausnutzung einer Machtposition anzusehen ist (vgl. OLG Hamm, NJOZ 2005, 4392). Auch die Ausübungskontrolle führt, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse seit dem Abschluss des Ehevertrages nicht geändert haben, zu keiner Unwirksamkeit.
Allerdings ergibt sich aus den von den Versorgungsträgern in ihren Auskünften mitgeteilten Anrechten, dass die Antragstellerin in der Ehezeit gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG vom 1.6.2006 bis zum 30.9.2012 insgesamt die höheren Anrechte erworben hat (siehe Bl. 344 ff d. A.). Somit führt der Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu einem Nachteil eher auf Seiten des Antragsgegners. Dies allein rechtfertigt aber nach den vorstehenden Ausführungen einen Eingriff in die Privatautonomie nicht.
Beide Beteiligte waren bereits bei Eheschließung nicht mehr berufstätig. Beide bezogen Erwerbsminderungsrenten. Der Antragsgegner ist durch die Gestaltung der Ehe nicht an der Schaffung einer angemessenen Altersversorgung gehindert worden. Jedenfalls ist in einem solchen Fall von der Wirksamkeit des Verzichts auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs auszugehen (BGH, NZFam 2014, 1132). Ob etwaige ehebedingte Defizite beim Vorsorgevermögen im Güterrecht oder Unterhalt auszugleichen sind, ist hier nicht zu entscheiden (vgl. hierzu BGH, a. a. O.).
Da beide Ehegatten schon Rentner waren und seit der Eheschließung Renten in einer das Existenzminimum übersteigenden Höhe beziehen, kann vorliegend auch nicht angenommen werden, der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei etwa deshalb sittenwidrig, weil er in Kenntnis des Umstands vereinbart worden ist, der andere Teil werde nicht in der Lage sein, eine eigene Altersversorgung aufzubauen, und demgemäß Gefahr besteht, dass er später zum Sozialfall wird (vgl. dazu BGH, NJW 1997, 126, 127; Bachmann u. a., Versorgungsausgleich in der gesetzlichen Rentenversicherung, hrsg. von der Deutschen Rentenversicherung Bund, 12. Aufl., § 8 VersAusglG Anm. 2.1, S. 188).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Beschwerdewertes auf §§ 40, 43, 50 FamGKG. Für die erste Instanz ist der Verfahrenswert gemäß 55 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamGKG in Abänderung des Beschlusses vom 19.3.2015 auf insgesamt 10.128,30 € festzusetzen, da sich ausgehend von dem erstinstanzlich angenommenen Verfahrenswert für die Scheidung in Höhe von 7.791 € der Verfahrenswert für den Versorgungsausgleich (drei Anrechte) gemäß § 50 FamGKG auf 2.337,30 € beläuft.