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Entscheidung 10 WF 150/16


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 24.11.2016
Aktenzeichen 10 WF 150/16 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2016:1125.10WF150.16.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 1605 BGB

Leitsatz

1. Wird Unterhalt im Rahmen eines Stufenantrags geltend gemacht, ist dem Antragsteller grundsätzlich Verfahrenskostenhilfe nicht allein für die erste Stufe, sondern sogleich für das gesamte Stufenverfahren zu bewilligen. Etwas anderes gilt allerdings, wenn sich das Auskunftsbegehren dadurch erledigt hat, dass der Anspruchsgegner die geforderte Auskunft erteilt hat. Dann lässt sich die Erfolgsaussicht des Zahlungsbegehrens erst nach Bezifferung des Zahlungsantrags beurteilen.

2. Jedenfalls bei der im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung wird man zugunsten des bedürftigen Anspruchstellers annehmen müssen, dass sein ursprünglich gestellter Antrag, der sich auf sämtliche Einkünfte ohne jede Ausnahme bezieht, dahin zu verstehen ist, dass es auch um die Auskunft über die wertbildenden Faktoren des Werts des mietfreien Wohnens geht und dass, wenn der Anspruchsgegner jedenfalls über die genaue Wohnfläche nicht hinreichend informiert hat, das Auskunftsbegehren, soweit es den Wohnvorteil betrifft, noch nicht erfüllt ist.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die gem. §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Antragsgegnerin kann Verfahrenskostenhilfe für die Folgesache über den nachehelichen Unterhalt nicht aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen versagt werden.

1.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist davon auszugehen, dass die von der Antragsgegnerin anhängig gemachte Folgesache über den nachehelichen Unterhalt hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

a)

Die Antragsgegnerin macht nachehelichen Unterhalt im Rahmen eines Stufenantrags geltend. In einem solchen Fall ist, weil mit der Zustellung der Antragsschrift zugleich auch der Zahlungsantrag rechtshängig wird, grundsätzlich Verfahrenskostenhilfe nicht allein für die erste Stufe, sondern sogleich für das gesamte Stufenverfahren zu bewilligen (Senat, FamRZ 2007, 55, 56; Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rn. 180; Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 114 Rn. 37). Vor diesem Hintergrund ist regelmäßig im Rahmen eines Stufenverfahrens Verfahrenskostenhilfe insgesamt zu bewilligen, ohne dass es auf die Einzelheiten des Auskunftsantrags ankommt.

b)

Etwas anderes gilt allerdings, wenn sich das Auskunftsbegehren dadurch erledigt hat, dass der Anspruchsgegner die geforderte Auskunft erteilt hat. Dann lässt sich die Erfolgsaussicht des Zahlungsbegehrens erst nach Bezifferung des Zahlungsantrags beurteilen (Zöller/Geimer, a. a. O., § 114 Rn. 39). So liegt es hier aber nicht.

Allerdings ist das Amtsgericht im Grundsatz zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller seiner Verpflichtung, Auskunft über seine Einkünfte durch Vorlage einer systematischen Aufstellung gem. §§ 1580 Satz 2, 1605 Abs. 1 Satz 3, 260 BGB zu erteilen, nachgekommen ist. Die vom Antragsteller persönlich unterzeichnete, mit "Auskunft über mein Einkommen im Zeitraum 01.07.2015-30.06.2016" überschriebene Aufstellung (Bl. 98, 99 der Gerichtsakte) genügt den an eine solche Aufstellung zu stellenden Anforderungen grundsätzlich. Darauf, inwieweit der Anwaltsschriftsatz vom 9.9.2016 den Anforderungen genügt, worauf die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeschrift allein eingeht, kommt es nicht an. Diesem Schriftsatz war allerdings die Aufstellung vom 6.9.2016 als Anlage beigefügt.

Mit der Beschwerde hat die Antragsgegnerin aber ausdrücklich geltend gemacht, sie vermisse eine Auskunft des Antragstellers im Hinblick auf den Wohnvorteil, der dadurch besteht, dass der Antragsteller nunmehr das im Miteigentum der Beteiligten befindliche Hausgrundstück in P… allein bewohnt. Die Auskunftspflicht nach § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB erstreckt auf sämtliche Einkünfte (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 75. Aufl., § 1605 Rn. 9). Unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Einkünfte sind auch Vermögenserträge und sonstige wirtschaftliche Nutzungen, die aus einem Vermögen gezogen werden. Zu solchen Nutzungen des Vermögens zählen die Vorteile des mietfreien Wohnens im eigenen Haus; es handelt sich insoweit um Nutzungen des Grundstückseigentums i. S. v. § 100 BGB in Form von Gebrauchsvorteilen (Wendl/Gerhardt, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 1 Rn. 473). Vor diesem Hintergrund kann auch Wohnvorteil Gegenstand eines Auskunftsbegehrens sein.

Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall, in dem neben der Auskunft über Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalerträgnisse auch die Auskunft über die wertbildenden Faktoren des Werts des mietfreien Wohnens begehrt war, entschieden, Letzteres könne dahin konkretisiert werden, dass der Anspruch durch Erteilung einer Auskunft über die Wohnfläche zu erfüllen sei (BGH, NJW 2014, 3647, 3648 Rn. 23 f.). Ein solches Auskunftsverlangen sei im Hinblick darauf, dass die Wohnfläche zu den wesentlichen wertbildenden Faktoren des mietfreien Wohnens gehöre, auch dann nicht treuwidrig, wenn der Anspruchsteller Ehegatte des auf Auskunft in Anspruch genommenen Beteiligten und hälftiger Miteigentümer des Grundstücks sei, ihm aber die genaue Wohnfläche nicht bekannt sei und der Anspruchsgegner die Wohnung nunmehr allein in Besitz halte (BGH, a. a. O., Rn. 25).

Angesichts der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird man bei der im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Geimer, a. a. O., § 114 Rn. 19; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 167) zugunsten der Antragsgegnerin annehmen müssen, dass – wenn man ihr Vorbringen in der Beschwerdeschrift bezüglich des Wohnvorteils nicht ohnehin als Antragserweiterung ansehen wollte – ihr ursprünglich gestellter Antrag mit Schriftsatz vom 29.8.2016 (Bl. 67), da er sich auf sämtliche Einkünfte ohne jede Ausnahme bezieht, dahin zu verstehen ist, dass es auch um die Auskunft über die wertbildenden Faktoren des Werts des mietfreien Wohnens geht und dass sie jedenfalls über die genaue Wohnfläche nicht hinreichend informiert ist. Dann aber ist ihr Auskunftsbegehren – soweit es den Wohnvorteil betrifft – durch die Auskunft vom 6.9.2016 noch nicht erfüllt, so dass hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

2.

Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 572 Abs. 3 ZPO (vgl. auch FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 94). Denn das Amtsgericht hat ungeachtet der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe durch Beschluss vom 28.10.2015 für das Scheidungsverfahren und die zu jenem Zeitpunkt anhängigen Folgesachen noch Feststellungen zu der Frage zu treffen, ob zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Bezug auf das Begehren zum nachehelichen Unterhalt die Antragsgegnerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen weiterhin nicht in der Lage ist, die Kosten der Verfahrensführung insoweit allein aufzubringen, §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 115 ZPO.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamG, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.