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gesetzliche Krankenversicherung - Zusatzbeitrag - Hinweispflicht der Krankenkasse


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 20.01.2012
Aktenzeichen L 1 KR 221/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juli 2011 geändert und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Im Streit ist der von der Beklagten ab dem 01. Februar 2010 erhobene Zusatzbeitrag von 8,00 Euro monatlich.

Die verheirateten Kläger sind seit dem 01. September 1990 bzw. seit dem 16. April 2004 bei der Beklagten versichert. Die Beklagte führte mit Wirkung vom 01. Februar 2010 für ihre Versicherten einen Zusatzbeitrag von monatlich 8,00 Euro ein. Grundlage hierfür war § 242 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Entsprechend der Ermächtigungsgrundlage des § 242 Abs. 1 Satz 1 SGB V änderte die Beklagte § 14 ihrer Satzung dahingehend, dass ein solcher Zusatzbeitrag erhoben wird (Beschluss des Verwaltungsrates der Beklagten vom 28. Januar 2010). Diese Satzungsänderung wurde vom Bundesversicherungsamt genehmigt und am 03. Februar 2010 im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Im Februar 2010 wandte sich die Beklagte diesbezüglich an ihre Mitglieder und teilte den Klägern mit, dass diese ab 01. Februar 2010 den Zusatzbeitrag in Höhe von 8,00 Euro monatlich zu ihrer Krankenversicherung zu entrichten hätten. Die Rückseite dieses Schreibens enthielt unter der Überschrift „Weitere allgemeine Hinweise“ unter dem Gliederungspunkt „Rechtsgrundlagen“ den Wortlaut von § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V, wonach die Mitgliedschaft bei der Krankenkasse bis zur erstmaligen Fälligkeit des Zusatzbeitrages gekündigt werden kann. Mit Bescheiden vom 23. Februar 2010 legte die Beklagte den Zusatzbeitrag entsprechend ihrer Satzung fest. Ihren Widerspruch hiergegen begründeten die Kläger damit, sie seien von der Zuzahlungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung befreit und finanziell außerstande, den Zusatzbeitrag zu zahlen.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 01. September 2010 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Diese seien von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt und die Kläger hätten von ihrem Sonderkündigungsrecht keinen Gebraucht gemacht.

Mit der am 21. September 2010 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage tragen die Kläger erneut vor, sie seien wegen ihren geringen Einkommens (zusammen zirka 1.350,00 Euro Renten) nicht in der Lage, 16,00 Euro monatlich zu zahlen.

Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegengetreten.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 14. Juli 2010 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger seien nicht wirksam auf ihr Sonderkündigungsrecht hingewiesen worden, da die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts über dieses Recht in deutlich kleinerer Schriftgröße als im sonstigen Inhalt des Schreiben hierfür nicht ausreiche.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 09. August 2011, zu deren Begründung vorgetragen wird, zum einen sei der Hinweis ausreichend gewesen. Er sei in dem Schreiben von Anfang Februar 2010 enthalten gewesen. Zum einen sei sowohl in der Mitgliederzeitschrift der Beklagten (Ausgabe 2/2010) als auch auf deren Internetseite ausführlich auf das Sonderkündigungsrecht hingewiesen worden. Zum anderen folge aus einem fehlerhaften Hinweis nicht zwingend, dass der Zusatzbeitrag nicht erhoben werden könne, da nach § 175 Abs. 4 Satz 7 SGB V ein verspäteter Hinweis lediglich dazu führe, dass sich die Erhebung des Zusatzbeitrages und die Frist für das Sonderkündigungsrecht entsprechend verschiebe. Daraus folge, dass das Sonderkündigungsrecht wahrgenommen werden müsse. Wer nicht kündige, habe den Zusatzbeitrag zu zahlen. Die Kläger hätten nicht gekündigt. Auch könnten sie aufgrund ihrer langjährigen Mitgliedschaft ohnehin gemäß § 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V jederzeit zum Ablauf des übernächsten Kalendermonates kündigen. Insgesamt sei somit ursächlich für die Pflicht zur Zahlung des Zusatzbeitrages die nicht erfolgte Kündigung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juli 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweisen erneut darauf, dass ihre finanzielle Situation die Zahlung des Zusatzbeitrages ausschließe.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

Über die zulässige Berufung konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, so dass das entgegenstehende Urteil des Sozialgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen war.

Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Zusatzbeitrages ist § 14 der Satzung der Beklagten der ab 01. Februar 2010 geltenden Fassung, die entsprechend der Ermächtigungsgrundlage des § 242 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch den Verwaltungsrat der Beklagten beschlossen und vom Bundesversicherungsamt genehmigt wurde.

Diesem grundsätzlich begründeten Anspruch der Beklagten steht § 175 Abs. 4 SGB V nicht entgegen:

Selbst wenn die Auffassung des Sozialgerichts zuträfe, das Schreiben der Beklagten vom Februar hätte keinen wirksamen Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht enthalten, wäre festzustellen, dass spätestens ab dem 03. September 2010, dem Tag des Zugangs des Widerspruchsbescheides vom 01. September 2010, den Kläger bekannt war, dass ein Kündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Sätze 5 und 6 SGB V besteht. Dort ist diese Regelung nämlich nicht, wie vom Sozialgericht beanstandet, auf der Rückseite unter Hinweisen und in kleinerer Schrift dargelegt, sondern in den Fließtext des Widerspruchsbescheides unmissverständlich integriert. Die Kläger hätten spätestens dann ihr Sonderkündigungsrecht wahrnehmen müssen, wenn sie von dem Zusatzbeitrag befreit werden wollen und das Sozialgericht hätte der Klage, seine Auffassung als zutreffend unterstellt, nur bis zu diesem Zeitpunkt stattgeben dürfen.

Zur Überzeugung des Senats jedoch ist der Hinweis in dem Schreiben vom Februar 2010 ausreichend, um auf das Sonderkündigungsrecht hinzuweisen. Wer Informationen seiner Krankenversicherung erhält, ist gehalten, diese vollständig zu lesen, auch Punkte, die, wie hier, als allgemeine Hinweise bezeichnet werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn solche Hinweise so versteckt sind, dass ein durchschnittlicher Versicherter nicht in der Lage ist, diese zur Kenntnis zu nehmen. Dies ist zur Überzeugung des Senats hier nicht der Fall. Vielmehr wird einem durchschnittlichen Versicherten, der das Schreiben der Beklagten vom Februar 2010 liest, deutlich, dass er wegen der Erhebung des Zusatzbeitrages die Mitgliedschaft kündigen kann. Es ist auch darauf hingewiesen, dass die erstmalige Fälligkeit des Zusatzbeitrages am 15. März 2010 erfolgen werde und die Kündigung bis zu diesem Datum zu erfolgen habe. Die Monatsfrist des § 175 Abs. 4 Satz 6 SGB V ist gewahrt, weil das Schreiben der Beklagten jedenfalls bis zum 12. Dezember 2010 bei den Klägern eingegangen war (vgl. Schreiben des Klägers zu 1 vom 12. März 2010). Auch danach ist keine Kündigung erfolgt.

Offensichtlich ist es nicht Absicht der Kläger, die Krankenkasse zu wechseln, da sie auch nach den Hinweisen im gerichtlichen Verfahren auf ein weiter bestehendes Kündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V hiervon keinen Gebrauch gemacht haben. Vielmehr sind diese offenbar der rechtsirrigen Auffassung, dass eine Befreiung von der Zuzahlungspflicht auch von der Zahlung eines Zusatzbeitrages befreie und dass darüber hinaus, wenn die finanzielle Situation eines Mitglieds angespannt sei, dies dazu führe, dass ein Zusatzbeitrag nicht erhoben werden könne.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Für die Zulassung der Revision liegt keiner der in § 160 Abs. 2 SGG dargelegten Gründe vor.