Gericht | ArbG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 01.07.2014 | |
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Aktenzeichen | 3 BV 6/14 | ECLI | ECLI:DE:ARBGPOT:2014:0701.3BV6.14.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 99 Abs 4 BetrVG, § 100 Abs 2 BetrVG, § 83a Abs 2 ArbGG, § 91a ZPO, § 256 ZPO |
1. Ist der Gegenstand eines ursprünglichen Zustimmungsersetzungsverfahrens vor Anhängigkeit eines Antrages des Betriebsrates gemäß §§ 99 Abs. 4, 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG einseitig durch den Arbeitgeber für erledigt erklärt worden, ist dass dennoch eingeleitete Verfahren gemäß § 83 a Abs. 2 ArbGG einzustellen.
2. Auch ein Widerfeststellungsantrag hinsichtlich eines erledigten Verfahrensgegenstandes erfordert ein Feststellungsinteresse. Ein solches fehlt, wenn der Verfahrensgegenstand erledigt ist (hier abgeschlossene eintägige personelle Maßnahme einer eintägigen Einstellung von Leiharbeitnehmern.
1. Der Widerantrag wird zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
I.
Die Beteiligten streiten noch über die Frage, ob das ursprüngliche Verfahren zwischen ihnen einzustellen ist und ob der beteiligte Betriebsrat mit Erfolg einen Widerfeststellungsantrag geltend machen kann.
Mit einem dem Beteiligten zu 2) (im Weiteren: Betriebsrat) am 17.02.2014 zugegangenen Schreiben der Beteiligten zu 1) (im Weiteren: Arbeitgeberin) vom selben Tag begehrte die Arbeitgeberin gem. § 99 BetrVG die Zustimmung u.a. zur Einstellung einer Frau B. im „Zeitraum 17.02.2014“ und stellte zugleich den Antrag nach §100 BetrVG (vgl.: Bl. 16 d.A.); die Anträge wurden der Arbeitgeberin am 26.02.2014 zugestellt. Beide Anträge wurden mit der Arbeitgeberin am 19.02.2014 zugegangenem Betriebsratsbeschluss vom 19.02.2014 abgelehnt (Bl. 17, 18 d.A.). Unstrittig ist im Laufe des am 21.02.2014 von der Arbeitgeberin anhängig gemachten Zustimmungsersetzungs- und Feststellungsverfahrens geworden, dass der Einsatz von Frau B. lediglich am 17.02.2014 stattfinden sollte. Mit Schriftsatz vom 16.04.2014 erklärte die Arbeitgeberin das Beschlussverfahren für erledigt (vgl.: Bl. 75 d.A.). Der Erledigung hat sich der Betriebsrat ausdrücklich nicht angeschlossen. Er trägt eine Widerholungsgefahr von mitbestimmungswidrigem Vorgehen der Arbeitgeberin vor, da trotz Verweigerung von weiteren Zustimmungen zu Einstellungen von Leiharbeitnehmern diese dennoch ohne Einleitung entsprechender Zustimmungsersetzungsverfahren vorgenommen worden seien. Der Betriebsrat stellt deshalb den
Widerantrag
festzustellen, dass die durch die Beteiligte zu 1) durchgeführte personelle Maßnahme in Form der Einstellung der Frau B. ab 17.02.2014 und die vorläufige Durchführung der Maßnahme den Beteiligten zu 2) in seinem Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 BetrVG verletzt.
Die Arbeitgeberin meint, es fehle für das Begehren des Betriebsrates bereits an einem Feststellungsinteresse.
Wegen der weiteren Darstellungen der Beteiligten im Verfahren wird auf den Inhalt der zur Akte gereichten Schriftsätze und ihrer Anlagen sowie der Sitzungsprotokolle vom 19.03.2014 und 01.07.2014 verwiesen.
II.
Das von der Arbeitgeberin ursprünglich eingeleitete Zustimmungsersetzungs- und Feststellungsverfahren nach §§ 99 Abs. 4, 100 Abs. 2 BetrVG hat sich erledigt und war deshalb einzustellen (2). Der hilfsweise für diesen Fall gestellte Widerantrag war bereits wegen fehlenden Feststellungsinteresses zurückzuweisen (1).
1.
Vorliegend ist das ursprünglich von der Arbeitgeberin eingeleitete Zustimmungsersetzungs- und Feststellungsverfahren nach §§ 99 Abs.4, 100 Abs. 2 BetrVG erledigt; die Arbeitgeberin hat eine entsprechende Erklärung dazu abgeben. Eine solche Erledigungserklärung ist als Antrag dahingehend aufzufassen, das Gericht möge das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 83a Abs. 2 ArbGG einstellen (vgl. dazu: BAG vom 15.02.2012 BeckRS, 2012, 67612). Nach nunmehr geltender Rechtsprechung hat das Gericht im Falle einer einseitigen Erledigungserklärung im Beschlussverfahren nicht zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis tatsächlich eingetreten ist (vgl. dazu: BAG vom 08.12.2010, NZA-RR 2011, S. 315; BAG vom 28.02.2006, NZA 2006, S. 1178). Es ist – anders als im Urteilsverfahren – nicht von Bedeutung, ob der Antrag/ die Anträge ursprünglich zulässig und begründet war(en) (vgl. nur z.B:: BAG vom 23.01.2008, AP ArbGG 1979 § 83a Nr. 10).
Der zur Gegenstandslosigkeit der ursprünglichen Anträge führende Ablauf des - unstrittig einzigen – Beschäftigungstages lag hier nicht nur nicht nach Rechtshängigkeit und auch nicht zwischen Rechts- und Anhängigkeit der ursprünglichen Anträge, sondern vor Anhängigkeit der Antragsschrift am 21.02.2014. Die von der Rechtsprechung für den Fall der Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit eines Antrages im arbeitgerichtlichen Beschlussverfahren gegebene Begründung für die gleichwohl eingetretene Verfahrenserledigung (vgl.: BAG vom 23.01.2008, a.a.O.) muss nach Auffassung der Kammer auch dann Geltung haben, wenn der Gegenstand des ursprünglichen Zustimmungsersetzungsverfahrens vor Anhängigkeit beendet worden ist. Sie liegt im Wesentlichen in der Besonderheit des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens: In der genannten Entscheidung wird hervorgehoben, dass die Formulierungsunterschiede in § 91a ZPO und § 83 a ArbGG – einmal Erledigung der „Hauptsache“ und andererseits Erledigung des „Verfahrens“ – darauf hinweisen, dass es im Beschlussverfahren bereits mit Antragseingang ein Verfahren gibt, das sich erledigen kann und nicht das zivilprozessrechtliche Abstellen auf ein erst mit Klagezustellung entstehendes Prozessrechtverhältnis zwischen Parteien kennzeichnend für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren ist. Weder gibt es im Beschlussverfahren ein kontradiktorisches Prozessrechtsverhältnis noch förmliche Antragsgegner (ebenda, Rdz. 19 m.w.N.). Auch kostenrechtliche Wertungswidersprüche seien im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht ausgeschlossen – nicht nur weil sich die gerichtliche Prüfung im Falle einer einseitigen Erledigungserklärung nicht darauf erstreckt, ob der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war, sondern auch, weil im Beschlussverfahren jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt und im Beschlussverfahren keine Kostenentscheidung ergeht und selbst im Falle von aus materiellen Gründen bestehenden Erstattungsansprüchen diese regelmäßig unabhängig von der Frage sind, wie erfolgversprechend das ursprüngliche Sachbegehren war (wiederum: ebenda, Rdz. 20 m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung auf Grund des an ihn herangetragenen Sachverhalts lediglich die Frage für die Konstellation erörtert, dass die Erledigung nach Anhängigkeit und vor Rechtshängigkeit eingetreten ist. Darauf weist die Formulierung in Rdz. 15 der Entscheidung hin, wonach „zur Gegenstandslosigkeit führende Umstände auch dann erledigende Wirkung, wenn sie vor Rechtshängigkeit eintreten“ und „dies … jedenfalls dann (gilt), wenn der Antrag zu diesem Zeitpunkt bei Gericht anhängig war“. Auch der abschließende Satz der Gründe, „es fehlte stets der Anlass für eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein erledigendes Ereignis schon in die Zeit zwischen bloßer Anhängigkeit und Rechtshängigkeit fallen könnte“ (vgl.: Rdz. 21), weist darauf hin. An keine Stelle der Entscheidung wird die nicht vom maßgeblichen Sachverhalt getragene Variante der Erledigung bereits vor Anhängigkeit erörtert, aber auch nicht ausgeschlossen. Die Kammer ist der Auffassung, dass sämtliche Argumente, die für die Möglichkeit eines erledigenden Ereignisses bereits zwischen An- und Rechtshängigkeit sprechen auch für Fälle wie den vorliegenden gelten müssen, in denen der Gegenstand des Antrages bereits vor Anhängigkeit des Zustimmungsersetzungs- und Feststellungsantrages durch Ablauf der z.B. Einstellung weggefallen ist. Es ist zu berücksichtigen, dass ein Antragsteller im Beschlussverfahren in der ersten Instanz jederzeit und ohne rechtfertigende Gründe seinen Antrag zurücknehmen kann – ohne, dass die anderen Beteiligten dazu ihr Einverständnis gegen müssten (§ 81 Abs. 2 ArbGG) und damit auch, um ggf. nachteiligen Entscheidungen zuvor zu kommen. Wegen der genannten Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens kann auch eine Erledigung vor Anhängigkeit des Antrags nicht anders behandelt werden als eine Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit, die mit der in § 83 a Abs. 2 Satz 1 ArbGG bestimmten und auf einseitige Erledigungserklärungen entsprechend anzuwendenden Einstellung des Verfahrens durch das Gericht dieselbe Konsequenz hat, wie eine Antragsrücknahme (§ 81 Abs. 2 Satz 2 ArbGG).
2.
Dem hilfsweise für den Fall, dass das Gericht von der Erledigung des ursprünglichen Verfahrens ausgeht, vom Betriebsrat gestellte Widerfeststellungsantrag fehlt es bereits an einem Feststellungsinteresse in entsprechender Anwendung des § 256 ZPO:
Auch Feststellungsanträge im Beschlussverfahren setzen voraus, dass der Antragsteller ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen entsprechenden gerichtlichen Entscheidung hat.
Nach ständiger Rechtsprechung ist zwischen einem Antrag, der auf eine konkrete Maßnahme gerichtet ist und einem Antrag, der – losgelöst von einem konkreten Streitfall – eine unter den Beteiligten streitige Rechtsfrage zur Entscheidung stellt, zu unterscheiden. Ist ein Antrag lediglich auf eine konkrete Maßnahme gerichtet, so entfällt für eine Feststellungsantrag das erforderliche Feststellungsinteresse, wenn diese Maßnahme abgeschlossen ist (vgl.: BAG vom 26.04.1990, NZA 1990, S.822, 824). Ein bereits abgeschlossener Vorgang, der zum Zeitpunkt der Entscheidung keine Rechtswirkungen für die Zukunft mehr entfalten wird, kann kein Feststellungsinteresse für einen entsprechenden Antrag begründen, da andernfalls gerichtliche Rechtsgutachten erstellt würden (so auch: Koch in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14.A.,§ 81 ArbGG Rdz 8 m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Vorliegend hat der Betriebsrat mit seinem Widerantrag die konkrete Maßnahme hinsichtlich der eintägigen Einstellung der Mitarbeiterin B. zum Gegenstand gemacht. Der Antrag ist auch angesichts der Begründung nicht anders auszulegen, als dass der Betriebsrat über den Weg der nunmehr begehrten Feststellung der Mitbestimmungswidrigkeit dieser konkreten Maßnahme nicht nur den Gegenstand des erledigten Verfahrens(teils) spiegelbildlich entschieden haben will, sondern zugleich nach dem Antragsumfang sich die Folgen aus der beantragten Entscheidung auf einen vergangenen Zeitraum beziehen und damit ein Feststellungsinteresse nicht begründen können. Wenn im Falle der Erledigung eines Verfahrens(teils) und einseitiger Erledigungserklärung nicht mehr zu prüfen ist, ob die ursprünglichen Anträge zulässig und begründet gewesen sind, steht dem der Erledigungserklärung widersprechenden Betriebsrat auch keine Feststellungsinteresse zur Seite, in der Sache dennoch eine Entscheidung herbeizuführen – was im Übrigen auch dem entsprechend auf Wideranträge im Beschlussverfahren anzuwendenden § 33 ZPO widerspräche. Die in der gegebenen Antragsbegründung behaupteten weiteren mitbestimmungswidrigen und sämtlich mehr als einen Monat vor Eingang des Widerantrags liegenden Einstellungen von Leiharbeitnehmern sind nicht Gegenstand des im vorliegenden Verfahren gestellten Widerantrages. Der Betriebsrat hat sich zwar an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.07.1985 (vgl.: AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 21) angelehnt, aber übersehen, dass das dortige Entscheidungsergebnis zunächst eine Auslegung des dort gestellten Feststellungsantrages geboten hatte. Auch in dieser Entscheidung ist nach Erledigung der ursprünglichen Begehren und vergleichbarem Antrag davon ausgegangen worden, dass die Frage, ob die Einstellung eines konkreten Arbeitnehmers unter Verstoß gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates erfolgte, für die Rechtsbeziehungen der Beteiligten keine Rolle mehr spielt und lediglich eine Rechtsauffassung dazu wiedergegeben werden könnte. Die im herangezogenen Verfahren vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Antragsauslegung hatte zur Grundlage, dass zwischen den Beteiligten die eigentlich zu klärenden Fragen folgende waren – die, ob die Zustimmungsverweigerung mit unzulässiger Befristung begründet werden kann und die, ob der Arbeitgeber bei so begründeter Zustimmungsverweigerung überhaupt ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchführen muss (vgl.: ebenda, Punkt I.2.b der Gründe). Nach Auslegung des Feststellungsantrages hat der dortige Betriebsrat die zweite der beiden Fragen in dem Verfahren zur Entscheidung vorlegen wollen. Ein solcher Antrag hatte nach der Entscheidung das über den bereits abgeschlossenen Einzelfall hinausgehende Interesse an der Entscheidung der unter den Beteiligten strittigen Rechtsfrage zum Inhalt, so dass das Feststellungsinteresse bejaht worden war.
Der vorliegende Widerantrag bezieht sich im Unterschied zum Sachverhalt der genannten Entscheidung ausschließlich auf die bereits abgeschlossene Maßnahme der eintägigen Einstellung der Leiharbeitnehmerin B.. Keine in die Zukunft weisende Rechtsfrage ist zwischen den Beteiligten als strittig dargestellt worden. Hinzu kommt, dass vorliegend die Arbeitgeberin - anders als in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall – sehr wohl von der Mitbestimmungspflichtigkeit der Einstellung von Frau B. ausgegangen ist und fristgerecht die gesetzlich angeordneten Anträge anhängig gemacht hatte, nachdem der Betriebsrat sowohl seine Zustimmung verweigert als auch die Dringlichkeit des Einsatzes von Frau B. bestritten hatte.
Bereits deshalb war der Widerantrag zurückzuweisen und das Verfahren im Hinblick auf die ursprünglich gestellten Anträge in entsprechender Anwendung des § 83 a Abs. 2 ArbGG einzustellen.