Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3a. Senat | Entscheidungsdatum | 28.11.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 3a B 4.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 5 Abs 1 PartG, Art 21 GG |
Ein Träger der öffentlichen Gewalt ist im Moment der Antragstellung einer politischen Partei auf Nutzung einer öffentlichen Einrichtung durch das parteienrechtliche Gleichbehandlungsgebot des § 5 Abs. 1 PartG an seine bisherige Verwaltungspraxis gebunden und darf diese erst für einen nachfolgenden Antrag abändern
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin, eine politische Partei, wendet sich gegen Beschränkungen in einem Raumüberlassungsbescheid.
Der Beklagte unterhält verschiedene Veranstaltungssäle in Berlin, u.a. den Ernst-Reuter-Saal mit einem Foyer in Berlin Reinickendorf.
Die Klägerin beantragte bei dem Beklagten mit Schreiben vom 5. Februar 2009 die Überlassung des von dem Beklagten auch unterhaltenen Fontane-Hauses am 4. und 5. April 2009 oder am 11. und 12. April 2009 zur Abhaltung ihres Bundesparteitages. Im Antrag teilte sie auch mit, dass sie zusätzlichen Raum für Stände vor dem Saal benötige sowie auf die Garderobe zugreifen müsse. Nachdem der Antrag erfolglos geblieben war, beantragte die Klägerin bei dem Beklagten am 17. Februar 2009, ihr entweder den Ernst-Reuter-Saal am 4. und 5. April 2009 oder das Fontane-Haus am 11. oder 12. April 2009 zur Verfügung zu stellen.
Am 4. März 2009 fasste das Bezirksamt Reinickendorf folgenden Beschluss: „Parteien und Wählergemeinschaften stellt das Bezirksamt seine Objekte im Rahmen der Verfügbarkeit nur für Veranstaltungen der im Bezirk gebildeten Kreisverbände oder Bezirksgruppen zur Verfügung“.
Nachdem der Beklagte im Hinblick auf diesen Beschluss auch dem Anliegen der Klägerin aus dem Schreiben vom 17. Februar 2009 zunächst nicht nachgekommen war, wandte sich die Klägerin mit der Bitte um vorläufigen Rechtsschutz an das Verwaltungsgericht Berlin. Dieses verpflichtete den Beklagten durch Beschluss vom 31. März 2009 - VG 2 L 38.09 - der Klägerin „zur Durchführung ihres Bundesparteitages am 4. und 5. April den Ernst-Reuter-Saal (…) zu den für die Vergabe von Räumen üblichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen.“ Eine Beschwerde des Beklagten beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg blieb erfolglos (Beschluss vom 3. April 2009 – OVG 3 S 36.08 – juris).
Mit Bescheid des Bezirksamtes Reinickendorf vom 3. April 2009 überließ der Beklagte der Klägerin den „Ernst-Reuter-Saal ohne Foyer“ für den 4. und 5. April 2009. Er stellte den Bescheid unter den Vorbehalt des Widerrufs unter anderen, wenn
„6. von der Nutzerin oder von Teilnehmern der Veranstaltung Gründe gesetzt werden, aufgrund derer eine Überlassung der Objekte nicht erfolgt wäre; insbesondere
- die Veranstaltung einen rassistischen, antisemitischen oder antidemokratischen Inhalt hat oder nimmt,
- durch Wort oder in Schrift oder durch angebotene Medien die Freiheit und die Würde des Menschen verächtlich gemacht und verletzt sowie
- Krieg und Gewalt verherrlicht oder
- zur Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen wird,
…
8. konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im Zusammenhang mit der Veranstaltung die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist (z.B. durch Gegenveranstaltungen).“
Zeitlich parallel zu der Beschlussfassung des Bezirksamtes vom 4. März 2009 hatte das Bezirksamt auch den Nebenbestimmungskatalog in seinen Überlassungsbescheiden geändert. Seit diesem Zeitpunkt wurden die in dem Abänderungsbescheid gegenüber der NPD verfügten Nebenbestimmungen auch allen anderen politischen Parteien gegenüber bei Raumüberlassungen verwendet, ohne dass diese neue Praxis in einer Verwaltungsvorschrift niedergelegt wurde.
Die Klägerin hat am 17. Juni 2009 beim Verwaltungsgericht Berlin Klage erhoben mit der sie sich gegen die Einschränkungen des Überlassungsbescheides in räumlicher Hinsicht und die zitierten Nebenbestimmungen wandte.
Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Es stellte fest, dass die Ablehnung der Überlassung des Foyers des Ernst-Reuter-Saales mit Bescheid des Bezirksamts Reinickendorf von Berlin vom 3. April 2009 und die Nebenbestimmungen in Ziffer 6. und 8. rechtswidrig waren. Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Überlassung des Foyers. Dieser folge aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. der Vergabepraxis des Beklagten und der dadurch eingetretenen Selbstbindung, weil diese ihren eigenen Angaben zufolge anderen Parteien bisher das Foyer überlassen habe, wenn diese solches beantragten.
Die Nebenbestimmungen in den Ziffern 6. und 8. des Überlassungsbescheides enthielten konstitutive Widerrufsvorbehalte und seien rechtswidrig. Hierin liege ein Verstoß gegen § 36 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln, weil den konstitutiven Vorbehalten die erforderliche gesetzliche Grundlage fehle. Sie sollten auch nicht sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Überlassung erfüllt werden. Denn diese Voraussetzungen lägen unabhängig von den hier angegriffenen Nebenbestimmungen vor.
Zudem verstießen die Widerrufsvorbehalte in Ziffer 6. und 8. des Überlassungsbescheides gegen höherrangiges Recht. Die den Nebenbestimmungen zugrundeliegende Änderung der Vergabepraxis sei nicht vereinbar mit dem Parteienprivileg (Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG) bzw. dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien (Art. 21 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 GG). Nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG entscheide über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei allein das Bundesverfassungsgericht. Dieses sog. Parteienprivileg schütze die Partei in ihrem Bestand, bis das Bundesverfassungsgericht ihre Verfassungswidrigkeit festgestellt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfe die Partei in ihrer politischen Tätigkeit nicht behindert werden und sich mithin so darstellen, wie es ihrem Selbstverständnis entspreche. Die danach vom Beklagten beabsichtigte Vergabepraxis, die nicht verbotene Parteien wegen der erwähnten Meinungskundgaben unterhalb der Strafbarkeitsschwelle vom Zugang zu öffentlichen Räumen auszuschließen, verletze Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG. Die in Ziffer 8. des Überlassungsbescheides zum Ausdruck kommende Einschränkung der Vergabe öffentlicher Räume an nicht gefahrgeneigte politische Veranstaltungen sei mit dem Gebot der Gleichbehandlung der Parteien nicht vereinbar. Die hierin zum Ausdruck kommende Einschränkung des Widmungszwecks auf Veranstaltungen, die keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung etwa durch Dritte hervorrufe, verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der politischen Parteien, weil der Zugangsanspruch zu öffentlichen Räumen grundsätzlich nicht dadurch ausgehöhlt werden dürfe, dass die Widmung dieser Räume auf nicht gefahrgeneigte politische Veranstaltungen beschränkt werde. Der Schutz der öffentlichen Einrichtung vor drohenden Beschädigungen und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere auch im Zusammenhang mit Gegendemonstrationen, könne nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur ausnahmsweise dann zur Verweigerung der Raumüberlassung führen, wenn eine ernste Gefahr drohe und Schäden auf andere Weise nicht abgewehrt werden könnten.
Der Beklagte hat am 27. August 2010 Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt, die er im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Feststellungsklage sei schon unzulässig, weil es der Klägerin am erforderlichen Feststellungsinteresse und Rechtsschutzbedürfnis fehle.
Zudem handele es sich bei der Entscheidung des Bezirksamts jedenfalls hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Überlassung um eine Ermessensentscheidung im Sinne von § 36 Abs. 2 VwVfG. Der Beklagte sei danach befugt, die Ausgestaltung der Überlassung im Rahmen einer Benutzungsordnung durch Nebenbestimmung zu regeln. Eine Änderung der Nutzungsbedingungen sei zulässig, da sie durch sachgerechte Erwägung gerechtfertigt sei und ein neues bindendes System schaffe. Der Beklagte sei daher berechtigt gewesen, bei Erlass des Überlassungsbescheides seine zu diesem Zeitpunkt geltenden Kriterien der Entscheidung über die Vergabe des Saales zugrunde zu legen. Die Widerrufsvorbehalte seien auch ohne eine gesetzliche Grundlage zulässig. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, dienten die Widerrufsvorbehalte aber allein der Sicherung der vom Bezirk allgemein zugrunde gelegten Vergabevoraussetzungen im Sinne von § 36 Abs. 1, 2. Alt. VwVfG. Diese Voraussetzungen seien aus allgemeinen Erwägungen erlassen worden und würden auf alle Parteien in gleicher Art und Weise angewendet. Die einschränkende Auslegung des Verwaltungsgerichts von § 36 Abs. 1 VwVfG entspreche nicht dem allgemeinen Verständnis der Norm.
Die streitgegenständlichen Nebenbestimmungen in Ziffer 6. und Ziffer 8. des Überlassungsbescheides verstießen auch nicht gegen das Parteienprivileg bzw. den Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien. Es sei sachlich gerechtfertigt, dass der Beklagte die Nutzung der Räumlichkeiten unter anderem davon abhängig mache, ob der Nutzer sich im Rahmen der geltenden Gesetze verhalte. Mit den Nebenbestimmungen erfülle der Beklagte als staatliche Stelle ihre sich aus Art. 20 Abs. 3 GG ergebende Verfassungs- und Gesetzesbindung. Die Nebenbestimmung verletze nicht § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i.V.m. Art. 21 GG. Die Klägerin habe keinen unbeschränkten Anspruch auf zu Zugang öffentlicher Einrichtungen, da § 5 PartG keine Anspruchsgrundlage für den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen darstelle. Die Nebenbestimmungen verletzten auch nicht das Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts, weil das Parteienprivileg die Parteien nur insoweit schütze, wie sie sich allgemein erlaubter Mittel bedienten. Dies schließe es nicht aus, Mitglieder oder Anhänger einer politischen Partei wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Gesetze zu belangen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit der Parteien liege nicht vor. Die Klägerin werde durch die Nebenbestimmung nicht in ihrer Chancengleichheit beeinträchtigt, denn die Regelung gelte für alle Nutzer und damit für alle Parteien gleichermaßen. Nach allem könne von einem „bösen Schein“ nicht die Rede sein. Die Nebenbestimmungen hätten objektiv nicht den Zweck, einen der Behörde „unangenehmen“ Benutzungsantrag abzulehnen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. Juli 2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil. Die streitige Überlassungsentscheidung habe nicht im Ermessen des Beklagten gestanden. Auf die Überlassung der Räume habe nach § 5 PartG ein Anspruch bestanden. Der Beklagte habe seine Überlassungspraxis zudem ad hoc allein anlässlich des Antrags der Klägerin geändert und diese damit in ihrem Gleichbehandlungsanspruch verletzt. Weiterhin verstoße das Handeln des Beklagten gegen Art. 21 Abs. 2 GG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsstreitakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Die genannten Akten lagen in der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats vor und sind zum Gegenstand der Entscheidungsbildung gemacht worden.
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, da die im Bescheid vom 3. April 2009 verfügte und bereits vor Klageerhebung erledigte Ablehnung der Überlassung des Foyers und die im Bescheid aufgeführten Nebenbestimmungen in Form von Widerrufsvorbehalten in Ziffer 6. und 8. rechtswidrig gewesen sind und sie die Klägerin in ihren Rechten verletzt haben (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
Die Klägerin verfügt für die zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage über das erforderliche Feststellungsinteresse (I.). Die Klage der Klägerin ist auch begründet. Der an sie adressierte Bescheid ist sowohl hinsichtlich der Überlassungsbeschränkung als auch hinsichtlich der Widerrufsvorbehalte rechtswidrig gewesen und hat die Klägerin in ihren Rechten verletzt (II.).
I. Die Klägerin verfügt über das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Ein solches Feststellungsinteresse kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts u.a. aus einem Rehabilitierungsinteresse und dem Interesse der Wiederholung gleichartiger Verwaltungsentscheidungen vorzubeugen gegeben sein (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1983, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 129 m.w.N.). Nach dem Vorbringen der Klägerin zur Begründung ihres Feststellungsantrags liegt ein Wiederholungsvorbeugungsinteresse vor. Ein solches Interesse setzt das Bestehen konkreter Anhaltspunkte dahingehend voraus, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin in naher Zukunft auf einen gleichartigen Antrag hin eine gleichartige Verwaltungsentscheidung treffen wird. Dies ist hier der Fall. Das Vorbringen der Klägerin, dass sie sich im Rahmen der künftigen Verwaltungspraxis des Bezirks, also durch ihre in Reinickendorf befindlichen Gliederungen, weiterhin um die Überlassung öffentlicher Einrichtungen bemühen wird, ist glaubhaft. In diesem Zusammenhang wird sich sowohl die Frage nach einer Beschränkung des beantragten Raumangebots, als auch die nach der Zulässigkeit der Widerrufsvorbehalte in Ziffer 6. und 8. des Bescheides stellen. Hinsichtlich der abgelehnten Überlassung des Foyers hat die Klägerin zudem ein Rehabilitationsinteresse. Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 6 f.) wird insoweit Bezug genommen.
II. Die im Bescheid vom 3. April 2009 verfügte Ablehnung der Überlassung des Foyers und die Widerrufsvorbehalte in Ziffer 6. und 8. waren rechtswidrig und haben die Klägerin in ihren Rechten verletzt.
1. § 5 Abs. 1 PartG garantiert politischen Parteien die Gleichbehandlung durch Träger öffentlicher Gewalt. Haben sich diese dazu entschieden, politischen Parteien öffentliche Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, sind sie grundsätzlich auch anderen Parteien gegenüber an die Maßstäbe dieser Entscheidung gebunden. Das bedeutet, dass die Klägerin, sofern nicht eine sachlich begründete Ausnahme in Betracht kommt, ebenso wie andere Parteien, zur Nutzung der in Betracht kommenden Räume zuzulassen ist, soweit andere Parteien zur Nutzung zugelassen wurden. Das Recht auf Chancengleichheit der Parteien ist verletzt, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung einer Partei verweigert oder durch Nebenbestimmungen beschränkt, obwohl er sie unbeschränkt anderen Parteien einräumt oder eingeräumt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2007 - 2 BvR 447/07 -, BVerfGK 10, 363 = juris Rn. 3; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 23. November 2011 - OVG 3 S 141.11 -, juris). Grundsätzlich steht es einem Träger öffentlicher Gewalt die Entscheidung frei, ob er öffentliche Einrichtungen politischen Parteien gegenüber öffnet oder sie durch eine beschränkende Bestimmung ihres widmungsmäßigen Zwecks ausschließt (zu Beschränkungen der Raumvergabe vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 23. November 2011 - OVG 3 S 141.11 -, juris). Solange den Parteien nicht gänzlich die Möglichkeit genommen wird, öffentliche Veranstaltungen durchzuführen, ist es unter dem Gleichbehandlungsgesichtspunkt unbedenklich, wenn eine öffentliche Einrichtung Parteien oder bestimmten parteispezifischen Veranstaltungen nicht zur Verfügung steht (Kersten/Rixen, PartG, § 5 Rn. 93 m.w.N.). Aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG folgt kein selbstständiger Anspruch politischer Parteien zur Nutzung öffentlicher Einrichtungen. Ob und unter welchen Bedingungen § 5 Abs. 1 ParteiG einen Anspruch auf Nutzung bestimmter Räume haben, hängt damit von der Verwaltungspraxis des Trägers der öffentlichen Gewalt ab.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 28. März 1969 - VII C 49.67 -, BVerwGE 31, 368) und des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (vgl. u.a. Beschluss vom 28. Juni 2010 – OVG 3 S 40.10 -, NVwZ-RR 2010, 765 m.w.N.), der sich auch der erkennende Senat anschließt, ist für die Anwendung des parteienrechtlichen Gleichheitssatzes die Vergabepraxis im Zeitpunkt der Antragstellung der Parteien maßgeblich. Dabei steht es dem Träger der öffentlichen Gewalt grundsätzlich frei, diese Praxis aus wichtigem Grund zu ändern. Ändert er diese aber, nachdem ein Antrag auf Überlassung bereits vorliegt, so setzt er sich dem naheliegenden Verdacht aus, dass diese Änderung nicht aus einem sachlichen Grund erfolgte, sondern nur, um den Antrag ablehnen zu können. Ein solches Vorgehen ist mit der Pflicht des Trägers der öffentlichen Gewalt zur Gleichbehandlung der politischen Parteien nicht zu vereinbaren. Vielmehr muss der bereits gestellte Antrag noch nach den bisher geltenden Grundsätzen beschieden werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 1969 - VII C 49.67 -, BVerwGE 31, 368). Dass Änderungen der Vergabepraxis zu einem Zeitpunkt, in dem eine Partei die Überlassung von Räumlichkeiten bereits beantragt hat, unberücksichtigt bleiben, findet seine Rechtfertigung im formalen Charakter des Gleichbehandlungsgebots des § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG und dem ihn stützenden aus Art. 21 Abs. 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit der politischen Parteien im demokratischen Wettbewerb. So soll der Eindruck vermieden werden, dass die Verwaltung, die ihrerseits in einem demokratischen Verfahren unter Beteiligung politischer Parteien legitimiert ist, den Antrag einer bestimmten Partei zum Anlass nimmt, ihre Verwaltungspraxis anzupassen, die antragstellende Partei dadurch zu diskriminieren und den demokratischen Wettbewerb zu verzerren. Schon um den allein aus der zeitlichen Geschehensabfolge naheliegenden Verdacht einer Änderung der Vergabepraxis ohne sachlichen Grund und damit jeglichen „bösen Schein“ einer politisch motivierten Einflussnahme auszuschließen, ist es geboten, einen bereits gestellten Überlassungsantrag nach den bisher geltenden Grundsätzen zu bescheiden. Insoweit handelt es sich um eine Sondersituation, die es rechtfertigt, maßgeblich auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Vergabeantrags abzustellen (vgl. u.a. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 28. Juni 2010 – OVG 3 S 40.10 -, NVwZ-RR 2010, 765 m.w.N.). Die Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 16. September 2008 - 2 EO 490/08 -) steht dieser Bewertung nicht entgegen. In dieser Entscheidung erstreckt das Thüringer Oberverwaltungsgericht die o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht auf solche Fälle, in denen eine ausdrücklich in einer förmlichen Satzung geregelte Praxis durch eine förmliche Satzungsänderung angepasst werden soll. Es kann offenbleiben, ob diese Unterscheidung in der Sache trägt, denn im vorliegenden Fall geht es genau wie im o.g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und anders als in der Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgericht um eine Verwaltungspraxis der Beklagten, für die eine solche förmliche, verschriftlichte normative Grundlage im Zeitpunkt der Antragstellung nicht bestand.
2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt, dass die Klägerin gegen den Beklagten nach seiner Verwaltungspraxis im Zeitpunkt der Antragstellung auch einen Anspruch auf Überlassung auch des Foyers hatte. Der Anspruch auf Nutzung des in Rede stehenden Foyers folgt aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i.V.m. mit der damaligen Verwaltungspraxis des Beklagten.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Beklagte politischen Parteien auch auf Bundesebene vor dem Beschluss des Bezirksamtes Reinickendorf von Berlin vom 4. März 2009 auf deren Antrag hin auch die Vorräume und das Foyer des Ernst-Reuter-Saals überlassen hat. Durch diese Praxis hat sich der Beklagte in rechtserheblicher Weise selbst gebunden. Die Klägerin kann beanspruchen, ebenso wie die anderen Parteien behandelt zu werden. Sie hatte, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, auch um Überlassung des Foyers gebeten. Dies folgt aus ihrem Schreiben vom 17. Februar 2009, das auf das Schreiben vom 5. Februar 2009 Bezug nahm. Im Schreiben vom 5. Februar 2009 war ausdrücklich aufgeführt worden, dass „vor dem Eingangsbereich des Saales Platz für die Aufstellung verschiedener Präsentationsstände“ und damit eine Nutzung des Foyers benötigt werde.
Damit ist für eine rechtliche Beurteilung der von der Klägerin gerügten Beschränkungen die vor dem 4. März 2009 geltende Verwaltungspraxis maßgeblich. Unbestritten hat der Beklagte vor diesem Zeitpunkt, den Anträgen auf öffentlicher Veranstaltungsräume durch politische Parteien, soweit diese zur Verfügung standen, uneingeschränkt stattgegeben und im Fall des Ernst-Reuter-Saales die Vergabe an eine politische Partei auch nicht auf den Hauptraum beschränkt, sondern auch die Benutzung des Foyers und der Garderoben zugelassen. Ebenso unbestritten hat der Beklagte vor dem 4. März 2009 die Anträge politischer Parteien auf die Überlassung öffentlicher Räume auch nicht mit solchen Nebenbestimmungen versehen, wie sie im Ausgangsbescheid unter den Ziffern 6. und 8. vorgesehen waren, sondern eine Vergabe ohne solche Nebenbestimmungen zugelassen. Mit diesen Abweichungen von der maßgeblichen Verwaltungspraxis hat die Beklagte gegen das Gleichheitsgebot des § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG verstoßen.
3. Da die Änderung der Verwaltungspraxis alle von der Klägerin gerügten Beschränkungen des Bewilligungsbescheides umfasst, begründet sich aus dieser auch die Rechtswidrigkeit aller dieser Beschränkungen. Damit können die weiteren im Verfahren aufgeworfenen rechtlichen Fragen, inwieweit die von dem Beklagten vorgenommenen räumlichen Vergabebeschränkungen gegenüber dem Antrag der Klägerin wie auch die in den Ziffern 6. und 8. des Ausgangsbescheids des Beklagten aufgegebenen Verhaltensbeschränkungen rechtwidrig sind, insbesondere gegen die verwaltungsrechtlichen Vorgaben des § 36 Abs. 1 VwVfG und gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 21 Abs. 2 GG verstoßen, für die Entscheidung des vorliegenden Falles offen bleiben.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung.