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Entscheidung 9 TaBV 2765/10


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 9. Kammer Entscheidungsdatum 08.04.2011
Aktenzeichen 9 TaBV 2765/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 42 Abs 1 S 3 BetrVG, § 23 Abs 3 BetrVG

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 19.10.2010 - 1 BV 59/10 - abgeändert und der Antrag zurückgewiesen.

II. Auf den Hilfswiderantrag der Beteiligten zu 1) und 2) wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 3) nicht berechtigt ist, im Betrieb der Beteiligten zu 1) und 2) Betriebsversammlungen in Form von Vollversammlungen für alle Beschäftigten durchzuführen und hierzu einzuladen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Betriebsrat berechtigt ist, Betriebsversammlungen in Form von Vollversammlungen für alle auf zwei Flughäfen Beschäftigte durchzuführen, oder verpflichtet ist, Teilversammlungen durchzuführen.

Die Antragstellerinnen und Beteiligten zu 1) und 2) betreiben jeweils Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Bodenverkehrsdienstdienste an den Flughäfen Sch. und T. und führen zusammen einen gemeinsamen Betrieb an beiden Betriebsstätten mit ca. 2000 Mitarbeitern, wovon etwa 1400 im operativen Geschäft tätig sind. Sie erbringen insbesondere zwischen rund 70 und 85% der Vorfelddienste und zwischen rund 70 und 80% der Fluggastabfertigungen. Es wird praktisch rund um die Uhr im Drei-Schicht-System gearbeitet, wobei die Dienstzeiten extrem variieren. Sie sind als Flughafenunternehmen gesetzlich verpflichtet, eine sogenannte Betriebspflicht zu beachten, müssen also die übernommenen Dienstleistungen an den Flughäfen jederzeit ordnungsgemäß sicherstellen.

Der Beteiligte zu 3) ist der im Betrieb gewählte Betriebsrat. Er hat in der Vergangenheit überwiegend Betriebsversammlungen zeitlich versetzt in Form von Teilversammlungen an beiden Flughäfen abgehalten, wobei die Antragstellerinnen jeweils Mitarbeiter des anderen Standorts zur Aufrechterhaltung der Bodendienste einsetzten. Diese Praxis hat er nur einmal unterbrochen, indem er am 11.04.2008 anlässlich des bevorstehenden Verkaufs eines der Unternehmen zu einer gemeinsamen Betriebsversammlung (Vollversammlung) aufrief. Diese Veranstaltung fand unter tätiger Mithilfe und Beteiligung der Antragstellerinnen statt, wobei sich die hiesigen Beteiligten nicht einig sind, ob es sich um eine Betriebsversammlung oder letztlich um eine Protestveranstaltung handelte. Danach führte der Betriebsrat wieder Teilversammlungen durch.

Der Betriebsrat teilte den Antragstellerinnen am 18.06.2010 mit, dass er beabsichtige, am 21.07.2010 noch einmal eine Betriebsversammlung in Form einer Vollversammlung für alle Beschäftigten beider Flughäfen durchzuführen. Die Antragstellerinnen widersprachen dem und als der Betriebsrat bis zur gesetzten Frist nicht reagierte, beantragten sie den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung. Mit Beschluss vom 14.07.2010 erließ das Arbeitsgericht die Einstweilige Verfügung, nachdem der Betriebsrat allerdings bereits mit Schreiben vom 08.07.2010 angekündigt hatte, an dem Termin nicht festhalten zu wollen. Das Eilverfahren hat sich inzwischen durch Antragsrücknahme erledigt, aber der Betriebsrat hält weiter daran fest, in bestimmten Fällen Betriebsversammlungen in Form von Vollversammlungen durchführen zu können.

Im vorliegenden Hauptverfahren haben die Antragstellerinnen gegenüber dem Betriebsrat die Untersagung verlangt, Betriebsversammlungen für alle Beschäftigten der Betriebsstätten Tegel und Schönefeld in Form einer gemeinsamen Vollversammlung durchzuführen und dazu einzuladen.

Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf die Gründe zu I. des angefochtenen Beschlusses abgesehen.

Mit Beschluss vom 19.10.2010 hat das Arbeitsgericht dem Antrag stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Betriebsrat habe nur die Berechtigung zur Durchführung von Teilversammlungen. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer diesbezüglichen Verpflichtung lägen vor, weil die große Anzahl der Mitarbeiter, das Schichtsystem und die Gefahr einer Einschränkung des Flugbetriebs bei Durchführung einer Vollversammlung eine Eigenart des Betriebs sei, die einer Vollversammlung entgegenstehe. Denn diese hätte zur Folge, dass ein Großteil der in der Zeit einer Vollversammlung abzufertigenden Flüge gestrichen werden müsste. Auch durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern oder sonstigen Mitarbeitern könne der Betrieb nicht aufrechterhalten werden, weil auch diesen das Recht zur Teilnahme an einer Betriebsversammlung zustehe. Aus diesem Grund könne auch nicht durch eine Abfrage unter den Beschäftigten deren Einsatzbereitschaft ermittelt werden.

Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe zu II. des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Gegen den ihm am 16.11.2010 zugestellten Beschluss richtet sich die am 09.12.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und mit einem am 21.12.2010 eingegangenen Schriftsatz begründete Beschwerde des Betriebsrats.

Der Betriebsrat hält für den gegnerischen Antrag schon das Rechtsschutzbedürfnis für nicht gegeben, denn die Stattgabe dieses Antrags laufe darauf hinaus, für jede erdenklichen Fallgestaltung und für alle Zukunft ein Verbot von Vollversammlungen durchzusetzen, obwohl die Änderung der Verhältnisse schon jetzt absehbar sei. Außerdem verweist er auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.03.2010, in dem dieses das Bestehen eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs gegenüber dem Betriebsrat grundsätzlich abgelehnt habe. Ungeachtet dessen seien die konkreten Umstände zu beachten und nicht die abstrakte Gefahr schwerwiegender betrieblicher Beeinträchtigungen. Es komme auf den Einzelfall und eine Interessenabwägung in der konkreten Situation an. Dabei sei zu beachten, dass in der Vergangenheit während durchgeführter Betriebsversammlungen den Ausfällen bei den Dienstleistungen durch das Einspringen bestimmter Arbeitnehmergruppen, z.B. von Leiharbeitnehmern einer Konzerntochter oder anderen nicht an der Betriebsversammlung Interessierten, habe entgegengewirkt werden können. So habe auch die Vollversammlung am 11.04.2008 unter organisatorischer Beteiligung der Arbeitgeberinnen stattfinden können, ohne dass es zu nennenswerten Beeinträchtigungen gekommen sei.

Der Betriebsrat beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgericht Cottbus vom 19.10.2010 – 1 BV 59/10 – den Antrag der Arbeitgeberinnen zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragen,

1. die Beschwerde zurückzuweisen,

2. hilfsweise,

unter Änderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Cottbus (1 BV 59/10) vom 19. Oktober 2010 festzustellen, dass der Antragsgegner im Betrieb der Antragstellerinnen Betriebsversammlungen nicht in Form von Vollversammlungen für alle Beschäftigten durchführen und hierzu einladen darf.

Die Beteiligten zu 1) und 2) halten die Beschwerde für unbegründet. Für den Antrag als Leistungsantrag sei das Rechtsschutzbedürfnis ohne weiteres gegeben, auch handele es sich nicht um einen zu weit gefassten Globalantrag. Auch müsse es einen Unterlassungsanspruch zumindest im einstweiligen Rechtsschutz geben, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts überzeuge nicht, wie sie näher ausführen. Im Übrigen verteidigen sie den Beschluss des Arbeitsgerichts hinsichtlich dessen Argumentation zur Eigenart des Betriebs, führen noch an, dass auch die gesetzlich normierte Betriebspflicht einer Vollversammlung entgegenstehe und dass es nicht auf das Thema einer Betriebsversammlung oder die zu erwartende Teilnehmerquote ankomme, sondern einzig und allein auf die Eigenart des Betriebs. Ein „Notdienst“ sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Der Hilfsantrag sei für den Fall gestellt, dass ein Unterlassungsanspruch abgelehnt werde.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten in zweiter Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die gem. §§ 8 Abs.4, 87 Abs. 1 ArbGG an sich statthafte sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 2, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG eingelegte und begründete Beschwerde hat insoweit Erfolg, wie das auf Unterlassung gerichtete Begehren der Antragstellerinnen abzuweisen war. Auf den Hilfsantrag der Antragstellerinnen war jedoch die Feststellung einer fehlenden Berechtigung des Betriebsrats zur Durchführung von Vollversammlungen zu treffen.

1.

Nachdem das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 17.03.2010 mit überzeugenden Ausführungen das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat im Grundsatz abgelehnt hat, war diesem auch im vorliegenden Verfahren der Erfolg zu versagen.

a) Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 17.03.2010 – 7 ABR 95/08 – NZA 2010, 1133) begründet die Verletzung des parteipolitischen Neutralitätsgebots durch den Betriebsrat keinen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Vorschriften des § 74 Abs. 2 S. 2 und 3 BetrVG zwar ein Unterlassungsgebot zu betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflichten und zur parteipolitischen Betätigung enthielten, aber weder bestimmten, dass bei Verstößen gegen diese Verpflichtung Unterlassung verlangt werden könne, noch sich ihnen entnehmen lasse, wer Inhaber des Unterlassungsanspruch sein könnte. Damit unterscheide sich die Vorschrift von anderen Bestimmungen, die Unterlassungsansprüche normierten und hierzu den Anspruchsinhaber ausdrücklich nennten. Gegen einen Unterlassungsanspruch sprächen vor allem der systematische Gesamtzusammenhang und die Konzeption, die § 23 BetrVG für die Verletzung gesetzlicher Pflichten durch die Betriebsparteien vorsähen. Während § 23 Abs. 3 BetrVG bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats und der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften normiere, regele die Vorschrift einen entsprechenden Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers bei groben Pflichtverletzungen durch den Betriebsrat gerade nicht. Derartige Pflichtverletzungen begründeten vielmehr nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG u.a. für den Arbeitgeber das Recht, die Auflösung des Betriebsrats zu beantragen. Die bei Pflichtverletzungen der beiden Betriebsparteien verschiedenen Rechtsfolgen entsprächen den unterschiedlichen rechtlichen Eigenschaften von Arbeitgeber und Betriebsrat. Die für den Betriebsrat in § 23 Abs. 3 S. 1 BetrVG vorgesehene Auflösung – mit anschließender Neuwahl – komme für den Arbeitgeber nicht in Betracht. Demgegenüber sei der in § 23 Abs. 3 S. 1 BetrVG normierte Unterlassungsanspruch des Betriebsrats verbunden mit der in § 23 Abs. 3 S. 2 bis 5 BetrVG geregelten Vollstreckung die sachgerechte Lösung. Ein gegen den Betriebsrat gerichteter Unterlassungsanspruch ergebe auch vollstreckungsrechtlich keinen Sinn. Da der Betriebsrat vermögenslos sei, komme ihm gegenüber eine Androhung, Festsetzung und Vollstreckung von Ordnungsgeld nicht in Betracht. Das Gesetzeskonzept des § 23 BetrVG sehe deshalb einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nicht vor. Anders als ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers entspreche der – weitere – Unterlassungsanspruch des Betriebsrats dem strukturellen Konzept des § 23 BetrVG.

Auch Sinn und Zweck des §§ 74 Abs. 2 S. 3 BetrVG geböten keinen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat. Die Einhaltung des parteipolitischen Neutralitätsgebots würde durch den Betriebsrat durch einen Unterlassungsanspruch nicht gewährleistet, da ein Unterlassungstitel gegen dessen Vermögenslosigkeit nicht vollstreckbar wäre. Die Rechte des Arbeitgebers würden hierdurch nicht verkürzt. Bei groben Verstößen des Betriebsrats gegen seine Pflichten zur parteipolitischen Neutralität könne der Arbeitgeber gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG dessen Auflösung beantragen. Im Übrigen habe er bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer bestimmten Betätigung des Betriebsrats die Möglichkeit, deren Zulässigkeit unter den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO im Wege eines Feststellungsantrags klären zu lassen.

b) Diese Rechtsprechung, der die Beschwerdekammer folgt, ist auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Dabei geht es zwar nicht um eine parteipolitische Betätigung des Betriebsrats, sondern um die Art und Weise der Durchführung von Betriebsversammlungen. Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze gelten aber auch hier. Angesichts des vom Bundesarbeitsgericht dargestellten strukturellen Konzepts des § 23 Abs. 3 BetrVG, das nur Unterlassungsansprüche des Betriebsrats bzw. der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft bei Verstößen des Arbeitgebers gegen das Betriebsverfassungsgesetz vorsieht, ergeben sich keine ausreichenden Umstände, für den vorliegenden Fall davon abzuweichen. Die gesetzliche Formulierung in § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist nicht einmal als Unterlassungsgebot formuliert, sondern gibt dem Betriebsrat die Verpflichtung auf, Teilversammlungen durchzuführen, wenn wegen der Eigenart des Betriebs eine Versammlung aller Arbeitnehmer zum gleichen Zeitpunkt nicht stattfinden kann. Ein Verstoß hiergegen kann daher ohne weiteres mit einem Feststellungsantrag geklärt werden. Anderes mag in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gelten, was aber hier nicht zur Entscheidung anstand.

c) Hiernach ist der Unterlassungsantrag gegen den Betriebsrat unbegründet, was zur Zurückweisung des Antrags im Tenor zu I. geführt hat.

2.

Der Hilfsantrag der Antragstellerinnen ist hingegen zulässig und begründet.

a) Über den Antrag konnte ohne Anschlussbeschwerdeschrift entschieden werden. Denn durch den von den Beteiligten zu 1) und 2) erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Antrag wurde kein anderer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt. Beim Übergang von einem Leistungsantrag zum Feststellungsantrag handelt es sich der Sache nach um eine im Rahmen der Beschwerde mögliche Reduzierung des Antrags iSv. § 264 Nr. 2 ZPO. Nach dieser Bestimmung ist es nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt wird. Es wurde nicht ein weiterer prozessualer Anspruch eingeführt oder der bisherige Anspruch durch einen anderen ersetzt, sondern der bereits anhängige Anspruch in der Hauptsache qualitativ beschränkt.

b) Das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag ist gegeben. Das folgt schon aus der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, aber auch aus der Ankündigung und dem Wunsch des Betriebsrats, Betriebsversammlungen künftig auch als Vollversammlungen durchführen zu können.

c) Der Antrag ist auch begründet.

Dazu kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen werden, das zu Recht ausschließlich auf die Eigenart des Betriebs abgestellt hat und daraus hergeleitet hat, dass diese die Durchführung von Teilversammlungen gebiete. Das Beschwerdegericht teilt auch die ablehnenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zur angeblichen Möglichkeit, teilnahmeberechtigte Mitarbeiter zum Dienst zu verpflichten.

Auf die Einwände des Betriebsrats sei ergänzend angeführt, dass es zwar dem Beurteilungsspielraum des Betriebsrats unterliegt, ob Vollversammlungen oder Teilversammlungen durchzuführen sind, dafür aber ausschließlich die Gesetzesvorschrift des § 42 BetrVG maßgeblich ist. Danach findet keine Güter- oder Interessenabwägung statt, es ist auch nicht auf Inhalte und Anlässe einzelner Betriebsversammlungen abzustellen, sondern ausschließlich auf die organisatorisch-technischen Besonderheiten des betroffenen Betriebs. Dafür kennzeichnend sind hier – neben den vom Arbeitsgericht schon angeführten Merkmalen der großen Anzahl der Mitarbeiter und des durchgängigen Schicht-Systems – vor allem die gesetzliche Betriebspflicht, die es den Arbeitgeberinnen unmöglich macht, wesentliche Einschränkungen im Betriebsablauf hinzunehmen und auf große Teile ihrer Mitarbeiter während der Betriebsversammlung zu verzichten.

Soweit der Betriebsrat dagegen einwendet, es komme auf eine „konkrete“ Betrachtungsweise an, hat er insofern Recht, als auf die konkrete Eigenart des Betriebs abzustellen ist. Nicht gehört werden kann er aber damit, dass einkalkuliert werden müsse, dass in der Vergangenheit immer nur Teile der Belegschaft an den Versammlungen teilgenommen hätten, die Gefahr, dass schwerwiegende Beeinträchtigungen bei Vollversammlungen einträten, also nur „abstrakt“ seien. Es ist dem Arbeitgeber nämlich verwehrt, einzelnen berechtigten Arbeitnehmern die Teilnahme durch Einteilung zum Dienst unmöglich zu machen. Er kann sich auch nicht auf eine Bereitschaft zur Diensteinteilung verlassen. Gerade wenn der Betriebsrat betont, dass er nur im Ausnahmefall von der Möglichkeit einer Vollversammlung Gebrauch machen wolle, nämlich wenn es um „brisante“ Themen geht, wird das Interesse der Beschäftigten eher zunehmen und die Verlässlichkeit von Zusagen zur Diensteinteilung in Frage stellen. Die Antragstellerinnen weisen allerdings in dem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass gemäß § 42 BetrVG die Betriebsversammlung aus allen Arbeitnehmern des Betriebs besteht und dass es darauf ankommt, ob wegen der Eigenart des Betriebs eine Versammlung aller Arbeitnehmer zum gleichen Zeitpunkt nicht stattfinden kann. Aus Sicht der Beschwerdekammer ist der hier zu beurteilende Betrieb daher geradezu ein Musterbeispiel dafür, dass seine Eigenart Teilversammlungen gebietet.

Schließlich ist auch der Einwand des Betriebsrats, es handele sich um einen (unbegründeten) Globalantrag, der es in allen künftigen Fallgestaltungen ausschließe, Vollversammlungen durchzuführen, ebenfalls nicht berechtigt. Grundlage der Entscheidung ist die im vorstehenden Teil I der Gründe beschriebene Tatsachenfeststellung. Sollte sich daran etwas ändern, kann dieselbe Frage wie hier zum Gegenstand eines weiteren Verfahrens gemacht werden.

d) Aus diesen Gründen war die von den Arbeitgeberinnen begehrte Feststellung im Tenor zu II. zu treffen

III.

Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, weil in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren keine Gerichtskosten erhoben werden (§ 2 Abs. 2 GKG).

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 92 Abs. 1 iVm. 72 Abs. 2 ArbGG lagen nicht vor.