Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 24.10.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 M 23.09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 166 VwGO, § 114 ZPO |
Prozesskostenhilfe ist nicht zu gewähren, wenn die Klage mutwillig erscheint, weil sie möglicherweise vermeidbar gewesen wäre, wenn der Kläger nicht bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens maßgebliche Umstände verschleiert, sondern der Widerspruchsbehörde eine Überprüfung des Erstbescheides unter allen maßgeblichen Gesichtspunkten ermöglicht hätte.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem die Bescheide über die Bewilligung von Ausbildungsförderung für die Zeiträume von Dezember 1998 bis September 1999 und von Oktober 1999 bis September 2000 zurückgenommen und die ihm in diesen Zeiträumen gewährte Ausbildungsförderung in Höhe von 8.164,34 Euro zurückgefordert wurde.
Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 ZPO biete, erscheint allerdings fraglich. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe nicht darlegen können, dass es sich bei dem Guthaben der auf seinen Namen laufenden Konten nicht um sein Vermögen gehandelt habe, sondern dass tatsächlich ein Treuhandverhältnis mit seinen Eltern bestanden habe. Zwar ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die äußerlich erkennbaren Beweisanzeichen gegen das Vorliegen einer solchen Abrede sprechen, weil der Kläger ein Treuhandverhältnis gegenüber der Bank nicht offengelegt, weder Zeitpunkt noch Inhalt der von ihm behaupteten Abreden substantiiert dargelegt, keine schriftlichen Verträge vorgelegt und keinen plausiblen Grund für das behauptete Treuhandverhältnis im Hinblick auf die bei der SEB-Bank angelegten Vermögenswerte angegeben hat. Gleichwohl hätte es hinreichende Erfolgsaussichten nicht verneinen dürfen. Der Kläger hat für seine Angaben Beweis durch Vernehmung seiner Eltern als Zeugen angeboten. Im Prozesskostenhilfeverfahren darf grundsätzlich die im Zuge des Hauptsacheverfahrens durchzuführende Beweiswürdigung nicht vorweggenommen werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine in Betracht kommende Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Prozesskostenhilfe beantragenden Partei ausgeht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1997 - 1 BvR 296/94 -, NJW 1997, 2745). Dass die Vernehmung der Eltern des Klägers und die ggf. erforderliche Heranziehung weiterer Unterlagen, etwa Kontoauszüge von Konten seiner Mutter, die Behauptungen des Klägers voraussichtlich nicht zur Überzeugung des Gerichts bestätigen werden, kann aber auch angesichts der vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Bedenken nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
Prozesskostenhilfe ist aber deshalb nicht zu bewilligen, weil die Klage im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO mutwillig ist. Mutwilligkeit ist anzunehmen, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (OVG Bautzen, Beschluss vom 26. April 2010 - 3 D 183/09 -, Juris Rn. 3). In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Rechtsverfolgung mutwillig ist, wenn ein Rechtsmittel nur auf Grund neuen Vorbringens erfolgreich sein kann, das schon in der Vorinstanz hätte eingeführt werden können, weil die zweite Instanz bei sorgfältiger Prozessführung hätte vermieden werden können (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 1998 - 2 WF 146/97 -, FamRZ 1999, 712). Im verwaltungsrechtlichen Verfahren kann nichts anderes gelten, wenn eine Klage möglicherweise hätte vermieden werden können, indem der Kläger ihm schon früher bekannte, erstmals mit der Klage vorgetragene Umstände spätestens im Widerspruchsverfahren vorgebracht und so die Widerspruchsbehörde in die Lage versetzt hätte, den angefochtenen Verwaltungsakt unter allen maßgeblichen Gesichtspunkten zu überprüfen.
So liegt der Fall hier. Der Kläger hat bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens Angaben über das zum 9. Dezember 1998 und 25. August 1999 auf seinen Namen laufende Konto bei der BfG-Bank, die später in der SEB AG aufgegangen ist, verweigert und somit eine umfassende Prüfung der Frage verhindert, ob das auf diesem Konto befindliche erhebliche Vermögen ihm zuzurechnen ist bzw. ob diesem Vermögen Schulden in gleicher Höhe entgegenstehen.
Nachdem eine Anfrage zur Feststellung von Kapitalerträgen für die Jahre 2000 und 2001 ergeben hatte, dass der Kläger in diesen Jahren unter anderem Freistellungsbeträge für ein Depot bei der SEB AG in Anspruch genommen hatte, hatte der Kläger auf die Bitte des Beklagten um Mitteilung über die Höhe seines Vermögens zum 1. Oktober 2001 und 1. Oktober 2002 mit Schreiben vom 24. September 2002 hinsichtlich seiner Geschäftsverbindung zur SEB AG mitgeteilt, der Geldmarktfond laufe zwar auf seinen Namen, das darauf befindliche Guthaben gehöre aber seinen Eltern. Einem Kontoauszug vom 23. September 2002 ist zu entnehmen, dass das Depot zum 27. Juni 2000 eröffnet worden war. Da eine weitere Abfrage ergeben hatte, dass der Kläger für das Jahr 1999 unter anderem für eine Kontoverbindung bei der SEB AG einen Freistellungsbetrag in Höhe von 3.221,00 DM in Anspruch genommen hatte, forderte der Beklagte eine detaillierte Saldenaufstellung sämtlicher Konten und Depots auf den Namen des Klägers zum 9. Dezember 1998, 25. August 1999, 13. September 2000, 27. August 2001 und 6. September 2002. Der Kläger legte daraufhin im Hinblick auf die SEB AG lediglich Jahresauszüge zum 31. Dezember 2001 und zum 31. Dezember 2002 für das im Jahr 2000 eröffnete Depot vor, die erhebliche Guthaben ausweisen, und teilte nochmals mit, das dort bestehende Vermögen gehöre seinen Eltern. Nachdem er darauf hingewiesen worden war, dass der Vermögensstand zum 9. Dezember 1998 und 25. August 1999 völlig unklar sei, und ihm mit Bescheid vom 18. Juli 2003 ein Zwangsgeld für den Fall angedroht worden war, dass er nicht bis 8. August 2003 umfassend Auskunft unter anderem über seine Vermögensverhältnisse bei der SEB AG für die Jahre 1998 bis 2002 erteile und Kontoeröffnungsunterlagen vorlege, erwiderte der Kläger im Hinblick auf die hier interessierenden Zeitpunkte, dass Saldenbestätigungen der SEB AG für den 9. Dezember 1998 und 25. August 1999 nicht vorgelegt werden könnten, weil zu den genannten Zeitpunkten dort keine Konten auf seinen Namen existiert hätten. Mit Bescheid vom 30. März 2004 hob der Beklagte die Bescheide über die Bewilligung von Ausbildungsförderung für die Bewilligungszeiträume von Dezember 1998 bis September 2000 auf und forderte einen Betrag in Höhe von insgesamt 8.165,34 Euro zurück. In dem Bescheid wird unter anderem ausgeführt, ein auf den Namen des Klägers bei der SEB AG geführtes Depot habe zum 9. Dezember 1998 ein Guthaben in Höhe von 47.938,73 Euro und zum 25. August 1999 einen Bestand von 49.482,09 Euro aufgewiesen. Diese Informationen hat der Beklagte, wie den entsprechenden Vermerken in einer dem Bescheid vorgehefteten Aufstellung zu entnehmen ist, den Akten des im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens entnommen. In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch hat der Kläger hinsichtlich des Guthabens bei der SEB AG jedoch ausgeführt, der aufgeführte Betrag sei ihm nicht bekannt, zu den maßgeblichen Zeitpunkten habe eine derartige Bank nicht existiert. Erst in der Klagebegründung hat der Kläger erklärt, das auf dem Depot bei der SEB AG angelegte Vermögen stamme von aufgelösten SEB-Sparbüchern und das dortige Guthaben wiederum von einem aufgelösten Sparbuch seiner Mutter; die Aufteilung auf zwei Sparbücher sei erfolgt, um für die beabsichtigte Ersteigerung eines Wohnhauses den doppelten Betrag ohne Vorfälligkeitszinsen zur Verfügung zu haben. Mit der Beschwerde gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss hat der Kläger darüber hinaus erstmals dargelegt, seine Mutter habe am 30. März 1998 ein auf ihren Namen laufendes Sparbuch bei der Sparkasse Magdeburg aufgelöst, einen Betrag von 47.938,73 Euro auf ein auf seinen Namen laufendes Sparkonto bei der BfG-Bank überwiesen und einen Betrag von 54.827,00 DM auf ein weiteres, auf ihren Namen laufendes Sparbuch bei der BfG-Bank eingezahlt; beide Sparbücher seien im Juni 2000 aufgelöst und die Guthaben auf das unter dem Namen des Klägers eröffnete Depot überwiesen worden.
Dem Vorwurf, dass er die für eine sachgerechte Entscheidung über die Rücknahme der Bewilligungsbescheide erforderlichen Umstände bis zur Klageerhebung verschleiert hat, kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass er zu den maßgeblichen Zeitpunkten tatsächlich kein Konto bei der SEB AG gehabt hat. Zum Einen war ihm als Kunden der damaligen BfG-Bank bekannt, dass diese in der SEB AG aufgegangen ist und dass der vom Beklagten für das Jahr 1999 ermittelte Freistellungsbetrag sich nur auf dieses Konto beziehen konnte, zum Anderen wäre er selbst dann, wenn ihm dieser Zusammenhang nicht deutlich gewesen wäre, zur Angabe dieses auf seinen Namen geführten Kontos verpflichtet gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 188 Satz 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).