Gericht | OLG Brandenburg 11. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 11.03.2015 | |
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Aktenzeichen | 11 U 110/14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung des Klägers gegen das am 28. Mai 2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus, Az. 6 O 337/13, wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das erstinstanzliche Urteil sowie dieses Urteil des Senats sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines durch vorangegangene Kündigung beendeten Lebensversicherungsvertrags, der nach dem sogenannten Policenmodell zustande gekommen ist.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten unter dem 06. Oktober 2004 den Abschluss einer fondsgebundenen Lebens-/Rentenversicherung mit dynamischer Anpassung. Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 21. Oktober 2004 die Versicherungspolice zur Versicherungsnummer 36687694 001. Das Policenbegleitschreiben von jenem Tag enthält in der zur Akte gelangten Reproduktion zwei Seiten, auf deren Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage BLD2, Blatt 107f. der Akte). Seite eins beinhaltet fünf kurze Absätze. In Absatz eins bedankt sich die Beklagte für den Abschluss des Vertrags. Im zweiten Absatz erläutert die Beklagte, dass der Kläger mit dem Schreiben sämtliche wichtigen Unterlagen für die Versicherung erhalten habe. In Absatz drei verweist die Beklagte auf den Versicherungsschein und informiert darüber, dass sich daraus – und aus den Versicherungsbedingungen – der Versicherungsschutz ergebe. Im Folgeabsatz bittet die Beklagte um eine ruhige Lektüre der Unterlagen und um Kontaktaufnahme mit dem persönlichen Betreuer, sollten Fragen auftreten. Im Absatz darauf verweist die Beklagte auf eine mögliche Kontaktaufnahme direkt zur Versicherung. Seite zwei des Schreibens enthält folgende Belehrung:
„Sie können dem Versicherungsvertrag innerhalb von 30 Tagen ab Zugang des Versicherungsscheins einschließlich Anlagen schriftlich widersprechen. Eine Erklärung in Textform, z.B. per Fax oder eMail mit Angabe Ihres Namens, reicht aus. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
Der Widerspruch ist an die A… AG, … zu richten. Bitte geben Sie dabei Ihre oben genannte Vertragsnummer an.
Der Widerspruch bewirkt, daß der Versicherungsvertrag nicht zustandegekommen ist.“
Die Belehrung ist in derselben Schriftform und -größe geschrieben wie der Text zuvor. Sie ist – anders als der übrige Inhalt des Schreibens – fettgedruckt.
Mit dem Versicherungsschein erhielt der Kläger auch die Allgemeinen Bedingungen für die fondsgebundene Lebensversicherung sowie die Verbraucherinformation. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Dokumente Bezug genommen (Anlage BLD2, Versicherungsschein Blatt 109f., Verbraucherinformation Blatt 111 bis 119, Allgemeine Bedingungen für die fondsgebundene Lebensversicherung Blatt 120 bis 126 der Akte) .
Ziffer 3. der Verbraucherinformation lautet wie folgt:
„Wie kommt Ihr Vertrag mit uns zustande?
Der Vertrag kommt dadurch zustande, daß wir den von Ihnen gestellten Antrag annehmen. Letzteres geschieht, indem wir Ihnen den Versicherungsschein zusenden.
Allerdings können Sie dem Versicherungsabschluss widersprechen oder Ihren Antrag widerrufen. Hierzu verweisen wir auf den fettgedruckten Hinweis am Ende des Begleitschreibens, mit dem Ihnen der Versicherungsschein und all anderen Vertragsunterlagen übersandt werden.“
Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 17. September 2008 die Kündigung der Dynamisierung des Versicherungsvertrags zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die Beklagte bestätigte die Vertragsänderung mit Schreiben vom 23. September 2008. Unter dem 12. November 2008 bat der Kläger um Beitragsfreistellung ab dem 01. Dezember 2008 für sechs Monate. Der Vertrag wurde ab dem 01. Januar 2009 beitragsfrei fortgeführt, bis der Kläger mit Schreiben vom 15. Juni 2010 die Kündigung des Vertrags erklärte. Die Beklagte bestätigte die Kündigung zum 01. Oktober 2010 unter dem 28. September. Sie ermittelte anhand der geleisteten Prämien in Gesamthöhe von 12.930,48 Euro einen Rückkaufswert in Höhe von 3.548,80 Euro, den sie dem Kläger auszahlte.
Der Kläger erklärte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 11. März 2013 den Widerspruch und vorsorglich den Widerruf des Vertrags unter Berufung auf eine ungenügende Aufklärung über das ihm zustehende Widerspruchsrecht bei Vertragsschluss. Er forderte die Beklagte auf, ihm sämtliche eingezahlten Beiträge zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Einzahlung des jeweiligen Betrags bis zum 31. März 2013 zu erstatten. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 24. Mai 2013, der erklärte Widerspruch sei verfristet.
Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei nach Erklärung des Widerspruchs gemäß § 812 Abs. 1, Satz 1, 1. Alt. BGB zur Rückzahlung sämtlicher geleisteter Prämien verpflichtet, die nach Erstattung des Rückkaufswerts noch in Höhe von 9.381,68 Euro offen seien. Die Prämien müssten verzinslich geleistet werden. Die Beklagte müsse überdies entgangene Nutzungen unter Ansatz einer Rendite von mindestens 7 % in Höhe von 5.517,17 Euro erstatten. Er habe dem Vertrag wirksam widersprechen können, weil die Beklagte ihn nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt habe. Die Widerrufsbelehrung im Antrag sei weder drucktechnisch hervorgehoben noch inhaltlich ausreichend. Es fehle an einem Hinweis darauf, dass der Widerspruch ohne Angabe von Gründen erfolgen könne und an wen der Widerruf zu senden sei.
§ 5a VVG a.F. verstoße in mehrfacher Hinsicht gegen europarechtliche Vorschriften, weshalb die Ausübung des Widerspruchsrechts unbefristet gelte. Dem Versicherungsnehmer dürften die relevanten Vertragsunterlagen nicht erst nach Vertragsschluss zugeleitet werden. Dieses Vorgehen schränke ihn unangemessen in seiner Auswahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Versicherungen ein. Das Policenmodell laufe den Grundzügen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zuwider, wonach ein Vertragsschluss die Einigung über die wesentlichen Vertragsinhalte vorsehe. Daher habe die Europäische Kommission auch eindeutig die Europarechtswidrigkeit des Policenmodells festgestellt und den deutschen Gesetzgeber zu einer Korrektur aufgefordert, die daraufhin erfolgt sei.
Schon ein vormals gegen die Bundesrepublik Deutschland geführtes Vertragsverletzungsverfahren zeige deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber von der Europarechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. überzeugt sei. Das Verfahren sei nur eingestellt worden, weil der Gesetzgeber im Versicherungsvertragsgesetz unter Abschaffung des Policenmodells neue Regelungen eingeführt habe. Sollte das Gericht nicht von einer Europarechtswidrigkeit des Policenmodells ausgehen, habe eine Vorlage gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) an den Gerichtshof der Europäischen Union zu erfolgen, nach dessen Rechtsprechung Richtlinien unmittelbar wirkten, wenn sie inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmbar seien und nicht ordnungsgemäß umgesetzt würden,. Dies gelte auch für die Richtlinie 2002/83/EG. Aus diesem Grund sei § 5a VVG a.F. richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass ein uneingeschränktes Widerspruchsrecht bestehe.
In der neuen Rechtsprechung sei anerkannt, dass es sich bei der Informationspflicht über das Widerspruchsrecht nicht nur um eine Berufsobliegenheit handele, sondern um eine Rechtspflicht, deren Verletzung Schadensersatzansprüche aus den Grundsätzen der culpa in comprahendo auslöse. Vom Schadensersatz umfasst sei auch der Anspruch auf verzinsliche Rückzahlung der Prämien. Es seien die Zinsvorteile zu ersetzen, die der Versicherungsnehmer in der Vertragslaufzeit durch eine Anlage eingezahlter Prämien hätte erzielen können.
Durch den außergerichtlichen Schriftverkehr mit der Beklagten seien Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.303,53 Euro entstanden, die ebenfalls als Schadensersatz zu erstatten seien. Die in Ansatz gebrachte Gebühr von 1,9 sei gerechtfertigt.
Der Kläger hat mit der am 18. November 2013 zugestellten Klage beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 14.895.85 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01. April 2013 zu zahlen und
an ihn außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.303,53 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Prämienzahlungen seien auf Grundlage eines wirksamen Vertrags geflossen. Das bei Vertragsschluss verwandte Policenmodell sei europarechtlich nicht zu beanstanden. Es bedürfe insoweit keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. Der Versicherungsnehmer erhalte aufgrund der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrags bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist hinreichend Gelegenheit, sich vor Vertragsschluss über das Versicherungsangebot zu informieren. Der Kläger sei ordnungsgemäß über das ihm zustehende Widerspruchsrecht belehrt worden. Die Belehrung im Policenbegleitschreiben springe dem Versicherungsnehmer durch ihre drucktechnische Gestaltung sofort ins Auge. Sie sei auch inhaltlich vollständig und gesetzeskonform.
Dem Kläger stehe ohnehin kein ewiges Widerspruchsrecht zu, weil er dieses Recht verwirkt habe, indem er den Vertrag über einen langen Zeitraum durchgeführt und den Versicherungsschutz genossen habe. Er habe Gestaltungsrechte nur für die Zukunft geltend gemacht, indem er die Dynamikerhöhung gekündigt, die Beitragsfreistellung beantragt und den Vertrag sodann gekündigt habe. Dem nachträglichen Versuch, dem Vertragsschluss rückwirkend zu widersprechen, stehe der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Das Widerspruchsrecht sei spätestens nach der Kündigung des Vertrags und der damit einhergegangenen vollständigen Leistungserbringung erloschen. Auch im Falle einer Europarechtswidrigkeit des Policenmodells habe sie, die Beklagte, sich an geltendes Recht gehalten und halten müssen. Eine teleologische Reduktion der Regelungen in § 5a VVG a.F. sei contra legem, weil sie dem klaren Wortlaut der Norm widerspreche.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Sie meint, die vom Kläger geltend gemachte Zinshöhe von 7 % sei utopisch. Ein etwaiger Anspruch beschränke sich auf tatsächlich gezogene Nutzungen, die sich in der Überschussbeteiligung widerspiegelten, die der Kläger bereits erhalten habe. Nutzungen habe sie nur für diejenigen Teile der Versicherungsbeiträge ziehen können, die nicht für Kosten verwendet worden seien. Zudem seien die Vorteile zu berücksichtigten, die der Kläger in Form des Versicherungsschutzes erhalten habe. Hinsichtlich jener Beträge sei Entreicherung eingetreten. Für einen Schadensersatzanspruch sei kein Raum.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe die Versicherungsprämien mit Rechtsgrund erlangt, weshalb ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung ausscheide. Ein Schadensersatzanspruch bestehe aus keinem rechtlichen Grund.
Dem Kläger habe kein Widerspruchsrecht aus § 5a Abs. 2, Satz 4 VVG a.F. mehr zugestanden, sein Widerspruch vom 11. März 2013 habe daher keine Wirkungen entfaltet. Es sprächen Anhaltspunkte dafür, dass die von der Beklagten verwendete Belehrung im Policenmodell nicht ausreichend sei, weil es an einer drucktechnischen Hervorhebung fehle. Das Widerspruchsrecht sei jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erloschen. Es handele sich bei den Regelungen der Norm um bei Vertragsschluss geltendes nationales Recht, welches die Kammer ungeachtet von europarechtlichen Richtlinien und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu respektieren und anzuwenden habe. Es sei Aufgabe des nationalen Gesetzgebers, die Richtlinien in nationales Recht zu transformieren. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg auf die Richtlinien berufen, da sie keine Rechte und Pflichten zwischen den Parteien des Rechtsstreits begründeten. Anderenfalls sei eine beispiellose Rechtsunsicherheit unvermeidbar.
Eine Pflicht zur Verwirklichung eines Richtlinienziels im Auslegungswege finde ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten, nämlich dann, wenn eine Auslegung wegen des klaren Wortlauts der nationalen Regelung oder aus anderen Gründen nicht möglich sei. Der Wortlaut der Regelung in § 5a Abs. 2, Satz 4 VVG a.F. sei eindeutig und daher nicht auslegungsfähig. Zudem fehle es an einer erforderlichen verdeckten Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Eine Nichtanwendung der Norm auf Grundlage einer teleologischen Reduktion würde die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten. Dies gelte auch hinsichtlich des Widerrufsrechts bzw. seiner Befristung aus § 8 Abs. 4 VVG a.F.
Das Policenmodell sei richtlinienkonform. Der Versicherungsnehmer erfahre keine Nachteile, indem er das Versicherungsformular allein oder in Gegenwart eines Vermittlers ohne Kenntnis der Vertragsunterlagen unterschreibe. Bei einem Vertragsschluss im Antragsmodell bestehe dieselbe Abschlusssituation mit dem Unterschied, dass der Versicherungsnehmer die Vertragsunterlagen gleich erhalte. Es sei aber nicht anzunehmen, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer sich beim Antragsgespräch die in der Regel mehrere Seiten starken Versicherungsunterlagen durchlese.
Ein Widerrufsrecht des Klägers sei auch nach einer entsprechenden Anwendung von § 7 Abs. 2, Satz 3 VerbrKrG bzw. § 2 Abs. 1, Satz 4 HWiG nach vollständiger Leistungserbringung erloschen. Dabei sei unerheblich, dass es aufgrund der vorzeitigen Vertragskündigung nicht zur Erfüllung vereinbarter Pflichten über die gesamte Vertragslaufzeit gekommen sei, da die Vertragskündigung im Vertragsverhältnis angelegt sei. Ein Schadensersatzanspruch scheitere am mangelnden Vortrag des Klägers zu einer vertraglichen Pflichtverletzung der Beklagten.
Die Zustellung des am 28. Mai 2014 verkündeten Urteils des Landgerichts an den Kläger ist am 11. Juni 2014 erfolgt. Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, die am Montag, den 27. Juni 2014 mit der Begründung des Rechtsmittels beim Oberlandesgericht eingegangen ist.
Der Kläger verfolgt sein Begehren mit dem Rechtsmittel in vollem Umfang weiter. Er meint unter Verweis auf sein erstinstanzliches Vorbringen, das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Widerspruchsbelehrung der Beklagten fehlerhaft gewesen sei. Es sei indes aufgrund fehlerhafter Rechtswürdigung zum Ergebnis gelangt, dass eine Kündigung einen Widerspruch ausschließe.
Mit Schriftsatz vom 07. Januar 2015 meint der Kläger, eine Modifizierung der gesetzlich vorgesehenen Belehrung dahingehend, dass die Widerspruchsfrist erst nach Zugang des Versicherungsscheins einschließlich Anlagen beginne, sei nicht ausreichend.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 28. Mai 2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Cottbus – 6 O 337/13- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.895,85 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01. April 2013 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.303,53 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags der Ansicht, etwaige Unzulänglichkeiten bei der Belehrung könnten dahinstehen, weil der Widerspruch des Klägers erst später als ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erfolgt sei. § 5a Abs. 2, Satz 4 VVG a.F. müsse Anwendung finden. Jedenfalls sei mit dem Landgericht eine Analogie zu den Normen des Verbraucherkreditgesetzes, des Haustürwiderrufsgesetzes sowie des Fernabsatzgesetzes zu ziehen. Da gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07. Mai 2014, Az. IV ZR 76/11, eine Verfassungsbeschwerde anhängig sei, möge der Senat im Hinblick auf die Auslegungsmöglichkeiten von Gesetzen, die hinter Europarechtsrichtlinien zurückblieben, eine Aussetzung des Verfahrens in Betracht ziehen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Rechtsmittel ist trotz der vom Senat in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Bedenken noch zulässig. Der Kläger hat es gemäß § 520 Abs. 1 ZPO begründet. Er hat mit der Berufungsbegründung nach Absatz 3, Ziffer 2 der Norm Umstände bezeichnet, aus denen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben sollen. Die – wenngleich argumentativ sehr eingeschränkte – Begründung lässt ausreichend darauf schließen, dass und warum der Kläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Ob die vom Berufungsführer vorgebrachten Einwände in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind, ist ohne Bedeutung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels (vergl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003, Az. VIII ZB 133/02, zitiert nach Juris).
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1, Satz 1, 1. Alt. BGB. Diese Vorschrift setzt unter anderem eine rechtsgrundlose Leistung voraus, die nicht vorliegt. Der Kläger hat die Prämienzahlungen auf einen bis zur erklärten Kündigung wirksamen Versicherungsvertrag geleistet. Der Kläger konnte dem Versicherungsvertrag nicht wirksam widersprechen, weil die Beklagte ihn ausreichend über sein Widerrufsrecht belehrt hat und der Widerruf nach der Widerrufsfrist erfolgt ist.
§ 5a Abs. 1, Satz 1 VVG in der bei Vertragsschluss geltenden und gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG heranzuziehenden Fassung vom 01. August 2001 bis zum 07. Dezember 2004 verstößt nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht in Form der Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG (Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung).
§ 5a Abs. 1, Satz 1 VVG, besagt, dass der Vertrag auf Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen gilt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widerspricht, sofern der Versicherer dem Versicherungsnehmer nicht bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen oder die Verbraucherinformation übergeben hat. Diese Regelung begegnet keinen europarechtlichen Bedenken.
Der Senat verkennt nicht, dass insbesondere in der Literatur zur Frage der Europarechtswidrigkeit des sogenannten Policenmodells unterschiedliche Rechtsauffassungen bestehen. Auch die Generalanwältin beim Gerichtshof der Europäischen Union hat sich in ihrem Schlussantrag vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-209/12 (Vorabentscheidungsersuchen des BGH zur Europarechtskonformität des § 5a Abs. 2, Satz 4 VVG a.F.) darauf berufen, dass das nationale Recht zum Policenmodell europarechtswidrig sei. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Reihe von Parallelentscheidungen Beschlüsse der Instanzgerichte nach § 522 ZPO a.F. (u.a. der OLG Nürnberg (Beschluss BVerfG vom 03. März 2014, Az. 1 BvR 2534/10), Köln (Beschluss BVerfG vom 09. Mai 2014, Az. 1 BvR 2020/11) und des LG Dortmund (Beschluss BVerfG vom 09. Mai 2014, Az. 1 BvR 1415/11) aufgehoben und die Rechtsstreitigkeiten zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen, weil die Instanzgerichte nicht im Wege von § 522 ZPO a.F. über die Rechtstreitigkeiten hätten entscheiden dürfen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Inhalt der zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen.
Der Bundesgerichtshof und die obergerichtliche Rechtsprechung vertreten demgegenüber die Meinung, das sogenannte Policenmodell sei europarechtskonform (vergl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2014, Az. IV ZR 73/13; OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014, Az. 20 U 31/14; OLG München, Urteil vom 20. Juni 2013, Az. 14 U 103/13, sämtlichst zitiert nach Juris). Der Senat hat ebenfalls bislang die Ansicht vertreten, dass er europarechtliche Bedenken gegen das Policenmodell für unbegründet halte (vergl. Urteile vom 21. Dezember 2012, Az. 11 U 40/12, 05. November 2014, Az. 11 U 18/13, 26. November 2014, Az. 11 U 98/13, 23. Dezember 2014, Az. 11 U 107/13, vom 21. Januar 2015, Az. 11 U 74/13). Er hält an dieser Auffassung fest.
Das Policenmodell erfüllt die Vorgaben der inhaltlich maßgeblichen Richtlinien des Rates 90/619/EWG und 92/96/EWG, Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung, zur Klarstellung neugefasst in der Richtlinie 2002/83/EG vom 05. November 2002. Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG sind dem Versicherungsnehmer im Anhang genannte Angaben vor Abschluss des Versicherungsvertrags mitzuteilen. Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG verhält sich zu Rücktrittsmöglichkeiten eines Versicherungsnehmers binnen einer Frist zwischen 14 bzw. 30 Tagen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, das der Vertrag geschlossen ist. Grundlage der Richtlinie ist nach den angegebenen Erwägungsgründen – insbesondere Nr. (23), dass der Verbraucher in die Lage versetzt werden soll, einen seinen Bedürfnissen entsprechenden Vertrag auszuwählen.
Aus diesen Richtlinien wie auch aus den Erwägungsgründen lässt sich indes nicht die Auffassung des Klägers herleiten, die Übergabe aller maßgeblichen Unterlagen wie auch die Belehrung über das Widerspruchsrecht müsse erfolgen, bevor der Versicherungsnehmer eine – potentiell – bindende Willenserklärung abgegeben hat. Derartige vertragsregulierende Inhalte ergeben sich aus den Richtlinien nicht.
Vielmehr sollte nach Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 92/96/EWG eine Harmonisierung der gegenseitigen Anerkennung der Zulassungen und der Aufsichtssysteme erzielt werden. Regelungen für eine Neufassung materiellen nationalen Rechts ergeben sich aus den Richtlinien nicht. Dies folgt auch aus Erwägungsgrund 19 zur Richtlinie 92/96/EWG, nach dessen Inhalt die den Mitgliedsstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, eine hinreichende Sicherung für Versicherungsnehmer darstellen soll, die Versicherungsnehmer Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen.
Die Regelung in § 5a Abs. 1, Satz 1 VVG a.F. geht mit dem Wortlaut der Richtlinien und den zugrundeliegenden Erwägungsgründen konform. Maßgeblich ist danach, dass der Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrags die erforderlichen Informationen erhält und er von dem Zeitpunkt an, zu dem er von dem Vertragsschluss in Kenntnis gesetzt wird, über die ihm eröffnete Widerspruchsmöglichkeit belehrt wird. Diese Voraussetzungen waren nach dem damals geltenden Recht gegeben.
Die normierte Widerspruchsfrist ermöglichte es dem Versicherungsnehmer, durch Ausübung des Widerspruchsrechts ein Wirksamwerden des Vertrags zu verhindern. Vor Ablauf der Widerspruchsfrist konnte bei erfolgter Belehrung kein wirksamer Vertrag zustande kommen, weil der Vertrag schwebend unwirksam war und erst dann als geschlossen galt, wenn der Versicherungsnehmer sein Widerspruchsrecht gerade nicht ausübte. Die Wendung „vor Abschluss des Versicherungsvertrags“ ist einer Auslegung zugänglich. Die Auslegung, dass damit im Gefüge der bei Vertragsschluss geltenden materiellen Rechtslage des nationalen Rechts eine Information und Belehrung bereits bei Abgabe einer ersten Willenserklärung des Versicherungsnehmers zu verstehen ist, vermag der Senat nicht zu teilen.
Auch die Formulierung „dass der Vertrag geschlossen ist“ in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG beinhaltet dem Wortlaut nach lediglich die Mitteilung, dass der Vertrag für den Versicherungsgeber geschlossen ist, dieser sich also nicht mehr einseitig davon lösen kann. Anderenfalls würde die Regelung in Art. 15 der Richtlinie 90/619/EWG dem Versicherungsnehmer ein Widerspruchsrecht nach dem bindenden Abschluss des Vertrags einräumen. Diese Möglichkeit, sich von einem Vertrag lösen zu können, entspricht eher der rechtlichen Konstruktion einer Anfechtung oder eines Rücktritts, die in diesen Fällen nicht eingreifen und vom nationalen Gesetzgeber für gänzlich abweichende Fallkonstellationen normiert sind. Der Versicherungsnehmer ist mit der damaligen Regelung des § 5a Abs. 1, Satz 1 VVG a.F. auch keineswegs rechtlos gestellt und in seinen Rechten beeinträchtigt, da er das Zustandekommen des Vertrags durch Ausübung des Widerspruchsrechts verhindern kann.
Die dem Versicherungsnehmer damit auferlegte Widerspruchslast obliegt ihm auch unter der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung, nur dass sich der Widerspruch in jenem Fall gegen einen bindend geschlossenen Vertrag richten würde. Die Normierung einer Widerspruchsmöglichkeit ist dabei gerade zum Schutz des Verbrauchers Bestandteil des materiellen Rechts und keineswegs selten anzutreffen. Sie entspricht unter anderem den Voraussetzungen, die Art. 15 der Richtlinie 60/619/EWG aufstellt und legt dem Versicherungsnehmer keine grundlegenden Nachteile auf. Er wird vielmehr in die Lage versetzt, nach Vorlage sämtlicher Informationen ausgiebig zu prüfen, ob er sich an seiner Willenserklärung festhalten lassen möchte oder nicht. Allein die Ausübung des Widerspruchsrechts stellt eine marginale Verpflichtung dar, die hinter der erforderlichen und zu sichernden Informationsbeschaffung zurücktritt.
Der Kläger geht auch in seiner Auffassung fehl, der Versicherungsnehmer erhalte keine ausreichende Informationsmöglichkeit, wenn ihm die erforderlichen Versicherungsunterlagen erst mit der Übersendung der Annahmeerklärung des Versicherers zukommen. Der Versicherungsnehmer hat – jedenfalls seit Bestehen des Internets und auch zuvor etwa durch Broschüren oder Beratungsgespräche – ohne weiteres die Möglichkeit, sich bei verschiedenen Versicherungsunternehmen nach Inhalten, Konditionen und Voraussetzungen eines Versicherungsabschlusses zu informieren, um das für ihn interessanteste Angebot vorläufig auszuwählen. Auch beim Policenmodell ist kein verständiger Versicherungsnehmer dazu gezwungen, sogleich den ersten ihm vorgelegten Versicherungsantrag zu unterschreiben, ohne sich zuvor über das Versicherungsangebot informiert zu haben. Nach einer Vorinformation kann er gegebenenfalls mehrere Vertragserklärungen in einer angemessenen Frist abgleichen, um sich – eine ordnungsgemäße Belehrung vorausgesetzt – für oder gegen einen Widerspruch seiner Erklärung zu entscheiden.
Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Argumentation der Generalanwältin in ihrem Schlussantrag vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-209/12. Sie hat dargelegt, dass der Versicherungsnehmer vor der Wahl eines bestimmten Versicherers und eines bestimmten Vertrags entsprechend informiert werden müsse, um ihm eine fundierte Entscheidung zu ermöglichen. Diese Informationen müssten auch die Modalitäten des Rücktritts vom Vertrag umfassen. Es liege auf der Hand, dass kein Rücktritt von einem Vertrag möglich sei, der noch nicht geschlossen sei, weil kein Angebot und keine Annahme vorlägen, die zu einer Vereinbarung der Parteien mit bindenden Vertragsbedingungen führten. Nationale Regelungen, die dem Erfordernis der Informationsgebung vor Abschluss des Vertrags nicht Rechnung trügen und einer Widerspruchsmöglichkeit nach Abschluss desselben nicht vorsähen, seien daher nach den Richtlinien unzulässig, da sie den Zweck der Belehrungspflichten verfehlten. Die im nationalen Recht genannten Widerspruchsfristen stellten daher keine Rücktrittsfristen im Sinne des Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung dar, sodass das Recht nicht zum Tragen komme.
Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Sie wiederholt letztlich die Inhalte der Richtlinien und die daraus zu ziehenden Rechtsfolgen. Die Ansicht setzt sich aber nicht mit dem nationalen Recht und dem rechtlichen Konstrukt eines schwebend unwirksamen Vertrags auseinander, das für den Versicherer aufgrund seiner bindenden Willenserklärung dieselbe Wirkung hat, wie ein bereits bindend zustande gekommener Vertrag. Für den zum Zeitpunkt der Belehrung ausreichend informieren Versicherungsnehmer ergeben sich keinerlei Änderungen zu der von der Generalanwältin geforderten Rechtskonstruktion. In beiden Fällen genießt der mit allen Informationen bedachte und belehrte Verbraucher das Recht, sich von einem – entweder bindend geschlossenen oder schwebend unwirksamen – Vertrag loszusagen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen zitierten Entscheidungen keine abschließende Aussage zur Richtlinienkonformität des Policenmodells getroffen. Es hat ausgesprochen, dass bereits mit der sich voraussichtlich – nicht zwingend - in einem künftigen Revisionsverfahren ergebenden Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ergebe, weshalb eine Zurückweisung von Berufungen in entsprechenden Rechtsstreitigkeiten nicht im Beschlusswege erfolgen könne, weil gegen Beschlüsse gemäß § 522 Abs. 2 ZPO a.F. kein weiteres Rechtsmittel statthaft war.
Das Policenmodell läuft nicht den Grundzügen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zuwider. Dem Kläger ist in seiner Auffassung beizupflichten, dass ein Vertragsschluss die Einigung über wesentliche Vertragsinhalte voraussetzt. Auch ein Vertragsschluss nach dem Policenmodell erfordert und gewährleistet eine solche Einigung, die nach dem Wirksamwerden der Willenserklärung des Antragstellers, also nach Ablauf der Widerspruchsfrist erfolgt. Die verwendete Konstruktion eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts ist im nationalen Recht vorgesehen und anerkannt. Der Versicherungsnehmer erfährt durch das ihm eingeräumte Widerspruchsrecht einen besonderen Schutz, der es ihm ermöglicht, die Vertragskonditionen bis zum Ablauf der Widerspruchsrecht zu prüfen, ohne aus dem Vertrag verpflichtet zu werden.
Das vom Kläger angeführte Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2005/5046 führt nicht dazu, eine Europarechtswidrigkeit des Policenmodells anzunehmen, weil es gerade nicht zu einer Entscheidung geführt hat, sondern es eingestellt worden ist. Insbesondere zeigt das geführte Vertragsverletzungsverfahren nicht, dass auch der deutsche Gesetzgeber von einer Europarechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. ausging. Die später erfolgte Gesetzesänderung lässt keine tragfähigen Rückschlüsse auf eine solche Annahme zu.
Entgegen der Auffassung des Klägers entfalten Richtlinien der Europäischen Union keine unmittelbare Wirkung auf das nationale Recht. Nach Art. 288 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist eine Richtlinie für jeden Mitgliedsstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Umsetzung hinsichtlich der Form und der Mittel. Danach ist die Umsetzung einer Richtlinie zunächst Sache des Mitgliedsstaats. Nur wenn keine fristgemäße Umsetzung erfolgt, kann eine Richtlinie unmittelbare Wirkung entfalten. Dies aber nur, sofern sie ausreichend deutlich gefasst ist. Schon daran fehlt es bei den streitgegenständlichen Richtlinien neben dem Umstand, dass ein Richtlinienverstoß zu verneinen ist.
Danach ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein Erfordernis der klägerseits beantragten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union oder eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zu einer Entscheidung über die Gemeinschaftsrechtkonformität des Policenmodells. Richtig ist, dass der Gerichtshof der Europäischen Union bislang nicht entschieden hat, ob das Policenmodell gegen europäische Richtlinien verstößt. Diese Frage allein führt aber nicht zu einer Vorlagepflicht.
Ungeachtet der europarechtlichen Unbedenklichkeit des Policenmodells kann sich der Kläger auch deshalb nicht mit Erfolg auf den geltend gemachten Anspruch berufen, weil es ihm nach dem in § 242 BGB normierten Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Versicherungsvertrags mit Erfolg auf dessen Unwirksamkeit zu berufen.
Der Senat teilt die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 16. Juli 2014, Az. IV ZR 73/13, vertretene Ansicht, nach der sich ein Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung nach jahrelanger Durchführung des Vertrags nicht mehr auf dessen angebliche Unwirksamkeit stützen kann, um daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt hat. Diese Voraussetzungen sind auch hier gegeben.
Zwar kann man dem Kläger nicht vorhalten, dass ihm bei Vertragsschluss eine erst in den letzten Jahren diskutierte etwaige Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells nicht bekannt war, denn er hat den Widerspruch des Vertrags nach Kenntniserlangung nicht herausgezögert. Auf diese Erwägung kommt es indes auch nicht an, da für eine Rechtsausübung entgegen Treu und Glauben ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Es muss objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegen, weil das frühere Verhalten mit dem späteren unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig sind. Dabei ist es nicht erforderlich, dass einer Partei ein Verschulden zur Last fällt (vergl. nur BGH, Urteil vom 16. Juli 2014, Az. IV ZR 73/13, zitiert nach Juris; Palandt-Grüneberg, 73. Aufl., Rn. 55 zu § 242 BGB). Diese Voraussetzungen sind zu bejahen.
Die Beklagte hat den Kläger im Policenbegleitschreiben vom 21. Oktober 2004 ausreichend über sein Widerspruchsrecht belehrt.
§ 5a Abs. 2, Satz 1 VVG a.F. besagt, dass der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt werden muss. Die Beklagte ist diesen gesetzlichen Anforderungen gerecht geworden.
Zunächst ist unerheblich, dass die Belehrung nicht im Versicherungsschein selbst, sondern im Policenbegleitschreiben erfolgt ist, da es nach dem Wortlaut des Gesetzes wie auch nach dem Sinn der Belehrung nicht erforderlich ist, dass die Versicherungspolice selbst eine Belehrung enthalten muss. § 5 Abs. 2, Satz 1 VVG a.F. spricht nur davon, dass der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich belehrt ist. Entscheidend sind also nur der Zeitpunkt der Belehrung und die Nähe zum Versicherungsschein, um eine unmittelbare Kenntnisnahmemöglichkeit des Versicherungsnehmers zu schaffen.
Die von der Beklagten mit dem Policenbegleitschreiben übermittelte Widerspruchsbelehrung befindet sich mit ihrer Platzierung in dem direkt an den Kläger adressierten Schreiben in hervorgehobener Stellung. Ein verständiger Versicherungsnehmer wird zunächst das Begleitschreiben studieren, bevor er sich mit den weiteren übersandten Unterlagen befasst. Der Text des Schreibens ist kurz und einfach verständlich. Der Versicherungsnehmer erfährt auf einer halben Seite, dass er nunmehr alle wichtigen Versicherungsunterlagen erhalten hat, der Versicherungsschein von besonderer Bedeutung ist und er sich die Unterlagen in Ruhe durchsehen möge. Zudem erläutert die Beklagte ihre Erreichbarkeit im Falle auftretender Fragen. Diesen Ausführungen folgt in erkennbarem Fettdruck die Belehrung, in der die Beklagte auf die Widerspruchsfrist von 30 Tagen ab Zugang des Versicherungsscheins einschließlich der zuvor erwähnten Unterlagen hinweist sowie auf die Erforderlichkeit der Schriftlichkeit des Widerspruchs. Der Versicherungsnehmer erfährt, dass er eine Erklärung in Textform abgeben muss, für die auch eine Übersendung eines Faxes oder einer E-Mail mit Angabe des Namens genüge. Ferner, das zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs ausreicht. Der Empfänger der Erklärung ist aus der Belehrung klar erkennbar und mit Anschrift, Telefonnummer, Telefaxnummer sowie E-Mail-Adresse angegeben. Neben diesen Kontaktdaten bittet die Beklagte den Versicherungsnehmer aus Zuordnungsgründen um die Angabe der Vertragsnummer. Schließlich erläutert sie überobligatorisch die Wirkung des Widerspruchs. Über diese verständlichen Angaben hinaus sind den gesetzlichen Vorgaben keine weiteren Anforderungen zu entnehmen. Zwar verweist die Belehrung nicht ausdrücklich darauf, dass der Widerruf auch ohne eine Begründung erfolgen kann. Diese Information ist aber vor dem Hintergrund entbehrlich, dass sich im Gesetz kein Erfordernis für sie findet und aus der Belehrung gerade nicht hervorgeht, dass der Versicherungsnehmer Gründe für einen Widerruf angeben müsste. Nur Gegenteiliges hätte einer Beschreibung in der Belehrung bedurft.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte auch keine – von ihm nicht näher dargelegte - Modifikation der gesetzlich vorgesehenen Belehrung zu seinem Nachteil vorgenommen. Sie verdeutlicht dem Versicherungsnehmer in ausreichender und gesetzeskonformer Weise den Fristbeginn und die Dauer der Widerspruchsfrist.
Aus der Tatsache, dass § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der heute in Kraft befindlichen Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes strengere Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung stellt, lassen sich keinerlei Rückschlüsse für die Vergangenheit ziehen; erst recht scheidet eine rückwirkende Anwendung dieser Vorschrift aus, die gesetzlich nicht vorgesehen ist (Art. 1 EGVVG). Die Frage, ob, mit welchem Inhalt und unter welchen Umständen im Jahre 2004 ein Vertrag zustande gekommen ist, betrifft einen – in der Vergangenheit liegenden – abgeschlossenen Vorgang, der nicht anhand von Rechtsnormen beurteilt werden kann, die am 01. Januar 2008 überhaupt erst in Kraft getreten sind.
Der damit ordnungsgemäß belehrte Kläger hat sich mit der Erklärung des Widerspruchs nach Durchführung des Versicherungsvertrags über einen Zeitraum von fast zehn Jahren, der Entgegennahme des Rückkaufswerts nach Vertragskündigung und einem weiteren Abwarten von fünf Jahren vor Erklärung des Widerspruchs objektiv widersprüchlich verhalten.
Er hat den Versicherungsvertrag in eigenem Interesse initiiert und daran festgehalten, obgleich die Beklagte ihn ordnungsgemäß darüber belehrt hat, dass er sich durch Erklärung des Widerspruchs vom Vertrag lossagen kann. Er hat den Vertrag fast zehn Jahre lang erfüllt und während der Vertragsdauer den vollen Versicherungsschutz genossen. In dieser Zeit hat er der Beklagten mehrfach durch sein Verhalten zu verstehen gegeben, dass er an dem Vertrag festhalten möchte, indem er im September 2008 die Dynamisierung des Versicherungsvertrags kündigte und den Vertrag ab Dezember 2008 beitragsfrei führte. Sodann hat der Kläger den Vertrag nach Erklärung der Kündigung bedenkenlos abgewickelt. Dass die zugesagte Leistung bei Eintritt des Versicherungsfalls in Anspruch genommen worden wäre, erscheint nach dem von den Prozessparteien unterbreiteten Sachverhalt ganz unzweifelhaft. Bei dieser Fallgestaltung ist die Beklagte – auch als Sachwalter der Versichertengemeinschaft – die vorrangig schutzwürdige Partei. Sie liefe anderenfalls stets das Risiko, ihre gesamte Kalkulation anpassen zu müssen, obgleich sie ihre vertragliche Leistung in jeder Hinsicht erbracht hat.
Auf die Frage, welche rechtlichen Konsequenzen die europarichtlinienwidrige Fassung des § 5a Abs. 2, Satz 4 VVG a.F. für Versicherungsverträge hat, die keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung enthalten (vergl. insoweit Urteil des EuGH vom 19. Dezember 2013, Az. C-209/12; Urteil des BGH vom 07. Mai 2014, Az. IV ZR 76/11), kommt es nach allem nicht an. Gleiches gilt für den Einwand der Beklagten, die erklärte Kündigung und Abwicklung des Vertragsverhältnisses schließe einen späteren Widerspruch aus.
Der Kläger kann die Klageforderung nicht mit Erfolg als Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB geltend machen, da eine Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten seitens der Beklagten nach dem Vorgesagten nicht ersichtlich ist.
Da es bereits an einem Hauptanspruch fehlt, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung von Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Streitwert wird auf bis zu 16.000 Euro festgesetzt.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht. Die Europarechtskonformität des Policenmodells wie auch die Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5 Abs. 2, Satz 4 VVG a.F. sind Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung gewesen. Überdies ist die Europarechtskonformität des Policenmodells nicht entscheidungserheblich. Die Zulassung der Revision ist nach der ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.