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Altersversorgung der technischen Intelligenz; VEB Werk für Signal- und sicherungstechnik Berlin (WSSB); betriebliche Voraussetzung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 8. Senat Entscheidungsdatum 14.04.2011
Aktenzeichen L 8 R 1005/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 AAÜG

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. April 2008 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Im Streit ist die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech, Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage I zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG –) für Zeiten der Beschäftigung im Zeitraum vom 01. März 1975 bis 30. Juni 1990 sowie die Feststellung der in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte.

Der 1952 in Bulgarien geborene Kläger legte sein Berufsleben bis zum 02. Oktober 1990 in der DDR zurück. Im Juni 1968 schloss der Kläger den Besuch der polytechnischen Oberschule und am 03. Juli 1970 die Berufsausbildung zum Elektromonteur im VEB Werk für Signal- und Sicherungstechnik Berlin (WSSB) erfolgreich ab. Vom 01. September 1971 bis 26. Februar 1975 besuchte er die Ingenieurhochschule L und bestand am 26. Februar 1975 die staatliche Hauptprüfung und am 27. Juli 1976 die Diplomprüfung unter Verleihung des akademischen Grades Diplom-Ingenieur (Zeugnis vom 27. Juli 1976).

Seit dem 01. März 1975 war der Kläger wieder beim VEB WSSB – unterbrochen durch Wehrdienst in Bulgarien vom 03. August 1976 bis 11. Juni 1978 – als Projektingenieur, Schaltingenieur, Fachgebietsleiter Entwicklung, Fachgebietsverantwortlicher Entwicklung, Ingenieur für Mikroelektronik und Entwicklungsingenieur bis zum 30. Juni 1990 (und darüber hinaus sowie später beim Nachfolgebetrieb Siemens AG Verkehrstechnik Berlin) beschäftigt. Aus den in dieser Beschäftigung erzielten Entgelten entrichtete er Beiträge zur Sozialversicherung bis zu der in dieser geltenden Bemessungsgrenze (bis 30. Juni 1990 von monatlich 600,00 Mark). Der freiwilligen zusätzlichen Rentenversicherung (FZR) trat der Kläger nicht bei. Er gehörte während seiner Beschäftigung in der DDR bis zur Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 keinem solchen System an und hatte auch keine entsprechende Versorgungszusage erhalten oder einzelvertraglich zugesagt bekommen.

Der VEB WSSB entstand im Jahre 1953 als Zusammenschluss des VEB Signalbau Berlin mit dem VEB Fernmeldetechnik Treptow und war in der Folge der einzige Betrieb auf seinem Geschäftsfeld in der DDR. Seine Aufgaben waren nach dem Statut vom 21. August 1968 die Erforschung, Entwicklung, Produktion und der Absatz von Signal- und Sicherungsanlagen für den schienengebundenen Verkehr. Der Betrieb war Exporteur für Anlagen und Geräte der Signal- und Sicherungstechnik. Er gehörte zum VEB Kombinat Automatisierungsanlagenbau. Neben der auftragsbezogenen Arbeit (Entwicklung, Projektierung, Fertigung, Montage) gehörte auch die Herstellung von Geräten der Eisenbahn-, Signal- und Sicherungstechnik (GESS) für die Deutsche Reichsbahn (DR) zu seinen Aufgaben. Außerdem war der Betrieb im Bereich der Konsumgüterproduktion (z. B. Bügeleisen) tätig. Ferner wurden Telefonnebenstellenanlagen sowie Torschranken mit Antrieb z. B. für Krankenhäuser hergestellt.

Der Nachfolgebetrieb WSSB GmbH (später Siemens Verkehrstechnik) befasste sich nach dem Gesellschaftsvertrag nur noch mit dem eigentlichen Unternehmenszweck, der Entwicklung, Projektierung, Fertigung, Montage und dem Vertrieb kompletter Anlagen und Geräte auf dem Gebiet der Signal- und Sicherungstechnik für den spurgebundenen Fern- und Nahverkehr einschließlich übergeordneter Leit- und Betriebssysteme.

Im Oktober 2006 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften bzw. die Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 01. März 1975 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. Januar 2007 ab, da die insofern erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG habe der Kläger nicht erworben. Weder habe er eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR erhalten, noch sei am 30. Juni 1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden, die – aus bundesrechtlicher Sicht – dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten aus der AVItech zuzuordnen gewesen wäre. Das AAÜG sei nicht anwendbar. Die am 30. Juni 1990 im VEB WSSB ausgeübte Beschäftigung sei nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb verrichtet worden und insoweit fehle es bereits an der betrieblichen Voraussetzung für eine Einbeziehung.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch und machte geltend, dass der Beschäftigungsbetrieb sehr wohl ein Produktionsbetrieb gewesen sei, dessen Hauptzweck auf die Entwicklung und industrielle Fertigung von Sachgütern, hier von Sicherungsanlagen, gerichtet gewesen sei. In den Produktionshallen auf den Betriebsgrundstücken des VEB WSSB seien auf großen, teilweise automatischen Fertigungsstrecken Bahnschranken, Straßenschranken, Signale und Signalanlagen usw. für den schienengebundenen Verkehr gefertigt worden. Es habe sich nicht um einen Montage- bzw. Reparaturbetrieb mit Einzelfertigung gehandelt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2007 bestätigte die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung und führte ergänzend aus, dass der Beschäftigungsbetrieb nach der Systematik der Volkswirtschafszweige nicht zu den volkseigenen Produktionsbetrieben (der Industrie und der Bauwirtschaft) gezählt habe. Er sei der Wirtschaftsgruppe 16639 (Reparatur- und Montagebetriebe der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik) zugeordnet gewesen. Dem Betrieb habe weder die industrielle Fertigung (Fabrikation, Herstellung oder Produktion) von Sachgütern das Gepräge gegeben noch sei sein Hauptzweck die Massenproduktion von Bauwerken gewesen (Hinweis auf Urteil des BSG vom 08. Juni 2004 – B 4 RA 57/03 R –).

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 22. Mai 2007 zum Sozialgericht – SG – Cottbus erhobenen Klage gewandt und sein Begehren weiterverfolgt. Zum Beleg seiner Auffassung, dass der VEB WSSB ein der AVItech unterfallender Produktionsbetrieb sei, hat er Zeitungsausschnitte aus der Firmenzeitschrift „Signal“, einen Jahresgrundmittelbericht 1989 und einen Abschlussbericht zu einer Arbeitsstufe K 10/0 für Eisenbahnsicherungs- und Industrieanlagen von 1977 vorgelegt. Außerdem hat er eine Abrechnung der Eigenerwirtschaftung der Mittel zum 30. September 1974 sowie eine vom Ministerium für Wissenschaft und Technik herausgegebene „Nomenklatur der Arbeitsstufen und Leistungen von Aufgaben des Planes, Wissenschaft und Technik“ in der Fassung vom 01. Januar 1987 vorgelegt. Schließlich hat der Kläger im Schriftsatz vom 14. September 2007 seine Tätigkeit dargestellt und dazu Kopien von Arbeits-/Änderungsverträgen vorgelegt.

Zur Akte genommen worden sind ferner ein Auszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft zum VEB WSSB (HRC 385), das Statut des VEB WSSB vom 20. Februar 1968 sowie zwei Funktionspläne für Ingenieure für Mikroelektronik „Abteilungsleiter TKR“.

Sodann ist das SG mit Urteil vom 25. April 2008 der Auffassung des Klägers gefolgt und hat die Beklagte verpflichtet, „die Zeit vom 01. März 1975 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem „zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz“ sowie entsprechende Arbeitsverdienste festzustellen“. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe gemäß § 8 AAÜG Anspruch auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 01. März 1975 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Der Kläger habe nach Maßgabe der (erweiternden) Rechtsprechung des BSG Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage aufgrund der insoweit maßgeblichen versorgungsrechtlichen Regelungen gehabt, sodass die Beklagte entsprechende Feststellungen zu treffen habe. Generell sei die AVItech eingerichtet gewesen für Personen, die berechtigt gewesen seien, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und die eine entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hätten und zwar in einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens.

Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger. Er habe die erforderlichen Qualifikationen und habe auch qualifikationsadäquate Tätigkeiten verrichtet. Der VEB WSSB sei auch ein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen.

Darunter seien nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (Hinweis auf Urteil des BSG vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –) volkseigene Betriebe zu verstehen, deren Aufgabe die industrielle (serienmäßige wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation von Sachgütern oder die Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen gewesen sei. Maßgebend sei hierbei auf den Hauptzweck abzustellen. Die genannte Produktion müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Der Hauptzweck werde dabei nicht durch die Art der Hilfsgeschäfte oder Hilfstätigkeiten geändert oder beeinflusst, die zu seiner Verwirklichung zwangsläufig mit ausgeführt werden müssten oder daneben verrichtet würden. Entscheidend sei, welches Produkt im Ergebnis erstellt werden solle, nicht aber die Hilfsgeschäfte, die im Zusammenhang mit der Erstellung dieses Produktes getätigt würden. Bestehe das Produkt nach dem Hauptzweck (Schwerpunkt) des Betriebes in einer Dienstleistung, so führten auch produkttechnische Aufgaben, die zwangsläufig, aber allenfalls nach- bzw. nebengeordnet anfielen, nicht dazu, dass ein Produktionsbetrieb vorliege.

Nach diesen Kriterien sei der VEB WSSB durch die industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung bzw. Fabrikation von Sachgütern geprägt gewesen. Die Zuordnung zu den Reparatur- und Montagebetrieben der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik nach der Systematik der Volkswirtschaftszweige habe nur indizielle Wirkung, erbringe aber nicht den Nachweis, dass es sich nicht um einen Produktionsbetrieb im Sinne der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung handele. Eine Vielzahl von Kriterien spreche dafür, dass es sich beim VEB WSSB vielmehr um einen Produktionsbetrieb gehandelt habe. Ausgehend von den vorgelegten Zeitungsausschnitten aus der Zeitschrift „Signal“ sei zunächst festzustellen, dass der Beschäftigungsbetrieb Produktion und Anlagenbau durchgeführt habe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass eine Konsumgüterfertigung stattgefunden habe, so allein von 10.000 Reglerbügeleisen im Juli 1989. Dem Jahresgrundmittelbericht 1989 sei zu entnehmen, dass ein Grundmittelbestand von Arbeits- und Werkzeugmaschinen und sonstige technologische Ausrüstung mit einem Bruttowert von 24.566.000 Mark bestanden habe. Dem Arbeitsstufenabschlussbericht vom 31. August 1977 lasse sich entnehmen, dass auch Montageleistungen zum Tätigkeitsbild des Beschäftigungsbetriebes gehörten. Dem Bericht sei jedoch auch zu entnehmen, dass die Montagetechnologien entsprechend der vorhandenen Ausrüstung erarbeitet und mit dem Fertigungsbereich jeweils abgestimmt worden seien. Das bedeute, dass es einen Fertigungsbereich gegeben haben müsse. Dem gleichen Bericht sei zu entnehmen, dass zumindest im Jahre 1977 die Produktion u. a. auf 200 Relais je Schicht ausgelegt gewesen sei. Ferner lasse sich der Abrechnung der Eigenwirtschaftung der Mittel zum 30. September 1974 u. a. entnehmen, dass allein die Reproduktionsfondsabgabe bzw. Handelsfondsabgabe aus Gewinn 8.6110,00 Mark betragen habe. Diese Zahl gewinne nur dadurch an Bedeutung, dass überwiegend produziert worden sei. Dem Statut des VEB WSSB vom 21. August 1968 sei ein betrieblicher Reproduktionsprozess zu entnehmen. Nach dem Statut habe es zumindest drei Fachdirektoren, den Direktor für Technik, den Direktor für Fertigung sowie den Dirktor für Ökonomie und Vertrieb, gegeben. Wäre nicht produziert worden, hätte es einer Fachdirektion für Fertigung nicht bedurft. Hinzu komme neben den vorgenannten Kriterien, dass der Beschäftigungsbetrieb des Klägers der einzige Betrieb seiner Art in der DDR gewesen sei. Auch wenn der Betrieb möglicherweise auch montiert und repariert habe, so folge daraus nicht, dass Montage und Reparatur die Hauptaufgabe des Beschäftigungsbetriebes gewesen seien, denn es lasse sich nur etwas montieren und es lasse sich auch nur etwas reparieren, was vorher produziert worden sei. Da jedoch der Beschäftigungsbetrieb der Einzige seiner Art in der DDR gewesen sei, folge daraus, dass die Produktion im Vordergrund gestanden habe.

Gegen das der Beklagten am 23. Mai 2008 zugestellte Urteil hat sich diese mit ihrer am 05. Juni 2008 eingelegten Berufung gewandt. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass eine Einbeziehung des Klägers in die AVItech aufgrund der erweiterten Anwendung des AAÜG nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Betracht komme. Die dafür u. a. erforderliche betriebliche Voraussetzung erfülle der Kläger nicht, da der Beschäftigungsbetrieb am 30. Juni 1990 nicht in den Anwendungsbereich der AVItech falle. Entgegen der Auffassung des Klägers und des SG sei die Zuordnung nach der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR durchaus ein sachgerechtes Kriterium zur Bestimmung des Hauptzweckes eines Betriebes. Diese Einstufung sei nicht nur eine eher zufällige, sondern beruhe auf sachlichen Erwägungen. Das ergebe sich auch aus dem Vorwort der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR für das Jahr 1985, wie das Sächsische Landessozialgericht u. a. in seinem Urteil vom 20. Oktober 2005 (L 4 RA 389/04) überzeugend dargelegt habe. Die statistische Zuordnung sei daher die reale Wiedergabe des betrieblichen Hauptzweckes eines Betriebes. Hinzu komme, dass nach dem Gesellschaftsvertrag der nachfolgenden Kapitalgesellschaft eine industrielle Produktion nicht den Hauptzweck dieser Gesellschaft darstelle und seitens des Klägers vorgetragen worden sei, dass sich der Betriebszweck nach der Privatisierung nicht geändert habe. Zur Bestätigung ihrer Auffassung, dass der Beschäftigungsbetrieb kein Produktionsbetrieb gewesen sei, hat die Beklagte ergänzend Niederschriften zu den im Verfahren L 21 R 1667/07 vor dem LSG Berlin-Brandenburg getätigten Zeugenaussagen von P N und MA vom 12. Juni 2009 sowie das die Auffassung der Beklagten anschließend bestätigende Urteil vom 19. November 2009 vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. April 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, das SG habe eine zutreffende Würdigung des Sachverhaltes vorgenommen. Das strukturelle Erscheinungsbild belege, dass die Massenproduktion dem VEB WSSB das Gepräge gegeben habe. Es habe die Bereiche Zuschnitt, Vorfertigung, Werkzeugbau, Tischlerei, Lackiererei, Galvanik, F+E und Relais und MSN-Montage gegeben. Schon die erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen belegten z. B. eine industrielle Serienproduktion von Reglerbügeleisen. Aber auch der Abschlussbericht zur Arbeitsstufe K10/0 Bauform III-Relais mit der darin bestätigten Serienreife und anschließend vorgesehenen Serienproduktion belege, dass der Beschäftigungsbetrieb nach seinem Hauptzweck ein volkseigener Betrieb im Bereich der industriellen Massenproduktion gewesen sei. Der Kläger hat dazu Kopie eines Artikels aus der Firmenzeitschrift Signal von 1987 über den „Eigenbau von Ratiomitteln“, eine Aufstellung vom 06. September 1985 über Arbeitskräftekennziffern, einen Auszug aus dem Volkswirtschaftsplan 1983 Ziffer 0501 vom 19. August 1982, eine undatierte Anlage 3 zur Gliederung der Planteile des Planentwurfs 1986 sowie Kopie einer Aufstellung des VEB WSSB vom 12. Juli 1989 zu materiellen Führungsgrößen für ausgewählte Kostenträger 1990 vorgelegt.

Der Senat hat aus dem Verfahren L 22 R 432/07 vor dem LSG Berlin-Brandenburg, in dem der Prozessbevollmächtigte auch den dortigen Kläger vertreten hat, zum Verfahren eingereichte, den VEB WSSB betreffende Unterlagen und insbesondere die schriftliche Auskunft und die Niederschrift über die Befragung des Zeugen U R in Kopie zur Akte genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Vers.-Nr. 53 230452 N 007), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten nach dem AAÜG für die Zeit vom 01. März 1975 bis 30. Juni 1990. Das AAÜG ist auf den Kläger nicht anwendbar (§ 1 Abs. 1 AAÜG). Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat der zuständige Versorgungsträger gleich einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VI - die Daten festzustellen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistung aus der Rentenversicherung erforderlich sind, und diese dem für die Feststellung der Leistung zuständigen Rentenversicherungsträger mitzuteilen. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat der Versorgungsträger den Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben. Eine solche Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger besteht vorliegend nicht.

Zwar war dem Kläger zu keinem Zeitpunkt in der DDR durch eine Einzelfallregelung (Versorgungszusage, Einzelentscheidung, Einzelvertrag) bei Eintritt des Versorgungsfalles die Gewährung von Leistungen aus einem Zusatzversorgungssystem zuerkannt worden. Doch wären die Vorschriften des AAÜG auf ihn auch anzuwenden, wenn ihm aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR, dass heißt nach den insoweit vom Einigungsvertrag noch partiell übernommenen Regelungen der Versorgungssysteme, wären diese unter Beachtung des Gleichheitsgebotes umgesetzt wurden, eine Anwartschaft auf eine Versorgung am 30. Juni 1990 hätte eingeräumt werden müssen, er also, wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten, zum 01. Juli 1990 im (jetzt) rechtstaatlichen Umfeld Leistungen aus dem Versorgungssystem hätte beanspruchen können. Dies wäre der Fall gewesen, wenn er nach den Regelungen des Versorgungssystems „obligatorisch im Sinne einer gebundenen Verwaltung“ – ohne Ermessensspielraum des Versorgungsträgers – in den Kreis der Versorgungsberechtigten hätte einbezogen werden müssen, weil die abstrakt–generellen Voraussetzungen hierfür insoweit am 30. Juni 1990 erfüllt waren. Daran fehlt es jedoch.

Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. z. B. Urteil vom 29. Juli 2004 – B 4 RA 4/04 R – in SozR 4 – 8570 § 1 Nr. 4) findet die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech vom 17. August 1950, GBl. I, Seite 844 i. V. m. § 1 der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) zur AVItech vom 24. Mai 1951, GBl. I, Seite 487) nur dann Anwendung, wenn zum Stichtag am 30. Juni 1990 (Zeitpunkt der Schließung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme) sowie in den geltend gemachten Zeiten die persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen der Versorgungsregelungen erfüllt waren. Danach waren erforderlich

1. die Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und

2. die Ausführung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung) und zwar

3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesen im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Mit der Beschäftigung im VEB WSSB am 30. Juni 1990 erfüllte der Kläger nicht die betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech.

Von der Versorgungsordnung waren, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nur volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie oder des Bauwesens (oder diesen gleichgestellte Betriebe) erfasst (siehe etwa BSG, Urteil vom 09. April 2002, B 4 RA 41/01 R, in SozR 3-8750 § 1 Nr. 6). Volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie waren nur solche, die (neben etwaigen anderen Aufgaben) durch eine stark standardisierte Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen im Sinne des fordistischen Produktionsmodells ihr Gepräge erhalten haben (BSG SozR 4 – 8570 § 1 Nr. 16 unter Hinweis auf BSG SozR 3 – 8570 § 1 Nr. 6).

Hauptzweck musste, wie das SG ebenfalls zutreffend unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgeführt hat, die industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation von Sachgütern bzw. die Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen gewesen sein. Abzustellen ist dabei nicht nur auf die Abgrenzung zu Handelsbetrieben, Betrieben auf dem Gebiet der Dienstleistungen und der Landwirtschaft und Betrieben in anderen Bereichen der Volkswirtschaft, wie sie z. B. in der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Betriebe, Kombinate und Vereinigungen volkseigener Betriebe (VVB) vom 28. März 1973 (GVBL I, Seite 129) und der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 08. November 1979 (GBl. I, Seite 355) zum Ausdruck kommt. Denn die Zielsetzung der AVItech macht deutlich, dass mit dieser Versorgungsordnung nur ausgewählte Beschäftigte in besonderen Bereichen der Industrie privilegiert werden sollten. Diesem Verständnis der Versorgungsordnung entspricht es, dass ein Produktionsbetrieb nur in deren Anwendungsbereich fällt, wenn diesem eine industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation von Sachgütern das Gepräge gegeben hat; gefördert werden sollte entsprechend dem fordistischen Produktionsmodell der Massenausstoß standardisierter Produkte (vgl. auch das von der Beklagten zur Akte gereichte (rechtskräftige) Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. November 2009 – L 21 R 1667/07 – mit ausführlichen Hinweisen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat sich nicht erweisen lassen, dass der VEB WSSB ein dem Anwendungsbereich der AVItech unterfallender volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens am 30. Juni 1990 war (so auch das LSG Berlin-Brandenburg im zuvor genannten Urteil vom 19. November 2009 und im Urteil vom 9. Juni 2010 – L 22 R 432/07 -).

Gegen die klägerische Auffassung spricht zunächst schon die von der Beklagten angeführte Zuordnung zur Wirtschaftsgruppe 16639 (Reparatur- und Montagebetriebe der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik) im System der Volkswirtschaftszweige der DDR. Das SG weist insoweit zutreffend darauf hin, dass dieser Zuordnung zwar indizielle Bedeutung zukommt, andererseits im Zweifel nicht davon entbindet, Hinweisen auf eine abweichende tatsächliche Ausrichtung eines Betriebes nachzugehen. Die weiteren Ermittlungen und beigezogenen Unterlagen rechtfertigen aber entgegen den Ausführungen des SG nicht den Schluss, der Beschäftigungsbetrieb des Klägers sei am 30. Juni 1990 ein Produktionsbetrieb im Sinne der AVItech gewesen.

Hauptzweck des 1953 als Zusammenschluss des VEB Signalbau Berlin und des VEB Fernmeldewerk Treptow gegründeten VEB WSSB war, wie auch der Kläger mit seinem Vorbringen einräumt, die Erforschung, Entwicklung, Fertigung und der Vertrieb von Signal- und Sicherungsanlagen für Eisenbahnunternehmen bzw. den schienengebundenen Verkehr. Informativ ist insofern der Artikel von Karschunke in Elektropraktiker (1987), der die Entstehung und Entwicklung des Betriebes aufzeigt und ihn abschließend als einen bedeutenden Produktionsbetrieb für Signal-, Sicherungs- und Steueranlagen beschreibt. Die Anlagen, die aus mehreren Komponenten gebildet wurden, wurden im wesentlichen auftragsbezogen entwickelt und projektiert, auch wenn die verwendeten Teile aufgrund der von den Zeugen dargestellten Fertigungstiefe zu einem großen Teil im Betrieb entwickelt und wie die angeführten Relais in Serienfertigung produziert wurden. Die nach den jeweiligen Anforderungen hergestellten Anlagen montierte bzw. baute der Betrieb – z. T. als Generalunternehmer (GAN) – ein. Auch mussten die für den Anlagenbau erforderlichen Werkzeuge selbst entwickelt und gefertigt werden. Darüber hinaus wurden die Produkte (GESS) auch dem Hauptauftraggeber, der Deutschen Reichsbahn, direkt überlassen, da diese eine eigene Montage- und Bauabteilung hatte, die den Einbau teilweise selbst vornahm. Die auf die komplette Anlage als Endprodukt ausgerichtete Komponentenherstellung hatte daher nur dienende Funktion; sie hatte nicht das Ziel eines massenhaften Ausstoßes eines industriellen Produkts im Sinne des fordistischen Produktionsmodells. Diese Auftragsbezogenheit gilt aber nicht nur für Großanlagen, sondern auch für kleinere Aufträge, die nach Vorgaben des Auftraggebers bestückt und gefertigt wurden, wie den Bekundungen des Zeugen N entnommen werden kann. Denn selbst wohl eher standardmäßig fertig montierte Produkte waren noch auftragsbezogen gestaltet, so dass bei der Stornierung eines Auftrages Probleme entstanden, die Ware anderweitig zu verwenden.

Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die vom Kläger angeführte weitere Produktion – im wesentlichen von Konsumgütern, hier also hauptsächlich Bügeleisen und Kfz-Handleuchten – das Gepräge des VEB WSSB so wesentlich in dieses Tätigkeitsfeld und damit hin zu einem Betrieb der Massenproduktion verändert hat. Unabhängig davon, dass diese Produktion in das dem Senat bereits aus anderen Verfahren bekannte Bild passt, wonach Großbetrieben regelmäßig nebenher auch ein Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung und insofern auch eine Beteiligung an der (Konsumgüter-)Versorgung auferlegt wurde, machen das Vorbringen des Klägers und das vorliegende Informationsmaterial nicht deutlich, dass der eigentliche und in der DDR einmalige Betriebszweck damit in einer Weise zurückgedrängt worden sein könnte, dass nunmehr der industrielle Massenausstoß von standardisierten Sachgütern dem Betrieb das Gepräge gegeben haben könnte. Die zur Akte genommenen Informationsunterlagen belegen ein breit gefächertes Spektrum von Aufgaben und Produkten, das von sehr umfänglichen Anlagen (wie z. B. großen Stellwerken) bis zu kleinen lokalen Einrichtungen reichte. Sie zeigen eine ersichtlich auch große internationale Bedeutung des Unternehmens, die in der Weiterführung des Betriebes und der Übernahme durch Siemens deutlich wird. Ebenso wenig lassen die aus den Unterlagen ersichtlichen Zahlen erkennen, dass jedenfalls zum 30. Juni 1990 die streitige Massenproduktion bestimmend gewesen sein könnte. Der Senat verweist daher insofern auf die Darlegungen in den rechtskräftigen, in das Verfahren eingeführten Entscheidungen des LSG Berlin-Brandenburg vom 19. November 2009 – L 21 R 1667/07 – und vom 9. Juni 2010 – L 22 R 432/07 - , die überzeugend dargelegt haben, dass sich der Nachweis nicht hat erbringen lassen, dass der VEB WSSB nach seinem Gepräge ein Produktionsbetrieb war. Das Vorbringen des Klägers gibt nichts dafür her, dass nunmehr abweichend von den in den angeführten Urteilen getroffenen Feststellungen der Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebes in der streitigen Weise zu charakterisieren wäre. Da der Beschäftigungsbetrieb darüber hinaus auch kein gleichgestellter Betrieb i. S. d. § 1 Abs. 2 der 2. DB ist, da er dort nicht erwähnt wird, kann das betriebliche Erfordernis auch nicht über diesen Weg bejaht werden. Auch wenn die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist die Anwendbarkeit des AAÜG mithin ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.

Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).