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Lehrer; berufsbegleitender Vorbereitungsdienst; vorzeitige Beendigung; Verletzung von Ausbildungs- und Dienstpflichten;Verfassungstreuepflicht; Tätowierungen; rechtsextremistische Symbolik; SS-Losung "Meine Ehre heißt Treue"; wiederholtes Zeigen der Tätowierungen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 25.02.2020
Aktenzeichen OVG 4 S 65.19 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2020:0225.OVG4S65.19.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 80 Abs 5 S 1 VwGO, § 11 Abs 2 S 1 Nr 2 LehrAPrV BB, § 3 Abs 1 S 2 TV-L

Leitsatz

Der berufsbegleitende Vorbereitungsdienst kann vorzeitig beendet werden, wenn ein Lehrer durch das Tragen und Zeigen von rechtsextremistischen Tätowierungen grob gegen seine Verfassungstreuepflicht verstößt.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27. November 2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Gemessen an dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung hat das Verwaltungsgericht die Anträge des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 13. August 2019 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. August 2019 wiederherzustellen,

hilfsweise,

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn wieder in den Vorbereitungsdienst einzugliedern und die Gelegenheit zur Ablegung der zweiten Staatsprüfung zu geben,

zu Recht abgelehnt.

1. Das Verwaltungsgericht hat in Bezug auf den Hauptantrag ausgeführt, der Antragsgegner habe den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst des Antragstellers zu Recht auf der Grundlage von § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung über die Ausbildung von Lehrkräften zur Deckung des Unterrichtsbedarfs an Schulen im Land Brandenburg und deren Staatsprüfung vom 11. Mai 2017 (GVBl. S. 1  – LAPV –) vorzeitig beendet, weil der Antragsteller seine Ausbildungs- und Dienstpflichten grob verletzt habe. Zu den Ausbildungs- und Dienstpflichten einer angestellten Lehrkraft, die an der Ausbildung im berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst teilnehme, gehöre nach § 3 Abs. 1 Satz 2 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auch, dass sie sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekenne. Diese Pflicht habe der Antragsteller dadurch grob verletzt, dass er am 3. Juli 2018 während einer schulischen Sportveranstaltung seinen unbedeckten Oberkörper mit großflächigen Tätowierungen, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen seien, gezeigt habe. Die vom Antragsteller getragenen und auf der schulischen Veranstaltung gezeigten Tätowierungen machten seine ablehnende Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes deutlich. Aus dem Tragen von Tätowierungen könnten Schlussfolgerungen auf die Einstellung des Betreffenden gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung gezogen werden, weil dieser die Tätowierungen als Kommunikationsmedium einsetze und sich durch das Einstechen der Symbole bzw. Schriftzüge in die Haut dauerhaft und in besonders intensiver Weise dazu bekenne. Die Entscheidung des Antragsgegners, das ihm gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 LAPV zustehende Ermessen in der Weise auszuüben, dass die Ausbildung des Antragstellers vorzeitig beendet werde, sei nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner habe sein Ermessen fehlerfrei dahingehend ausgeübt, dass das Recht des Antragstellers auf Beendigung seines Vorbereitungsdienstes hinter dem verfassungsrechtlichen Bildungsauftrag, dessen Umsetzung dem Antragsteller angesichts seiner rechtsextremen Tätowierungen nicht zugetraut werden könne, zurücktreten müsse, zumal ihm als Lebensmittelchemiker auch andere Berufe offen stünden.

Diese Würdigung vermag die Beschwerde nicht zu erschüttern.

Soweit der Antragsteller rügt, die nach § 28 VwVfG vor der „Entlassung“ des Antragstellers erforderliche Anhörung sei vorliegend unterblieben, trifft dies nicht zu. Vor dem Erlass des angegriffenen Bescheides vom 9. August 2019 hat der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom 1. August 2019 die Gelegenheit zur Stellungnahme zu den erhobenen Vorwürfen und der beabsichtigten Maßnahme – der vorzeitigen Beendigung des berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes – eingeräumt. Der Antragsteller hat von dieser Möglichkeit mit anwaltlichem Schreiben vom 5. August 2019 Gebrauch gemacht.

Mit seinem Einwand, bei dem Zeigen seiner Tätowierungen handele es sich um „steuerbares Verhalten“, das eine „vorherige Abmahnung erfordere, bevor eine damit verbundene Kündigung ausgesprochen“ werde, zeigt der Antragsteller nicht auf, dass die Voraussetzungen der vom Antragsgegner für den angegriffenen Bescheid herangezogenen Rechtsgrundlage nicht erfüllt wären. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LAPV und das auf der Rechtsfolgenseite der Norm eingeräumte Ermessen sind vom Antragsgegner und vom Verwaltungsgericht zutreffend zu Grunde gelegt worden. Der Antragsteller setzt sich hiermit nicht auseinander. Der Sache nach verweist der Antragsteller mit seinem Vorbringen auf die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung, über die im vorliegenden Verfahren allerdings nicht zu entscheiden ist.

Soweit sich der Antragsteller gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, ihm sei ein grober Verstoß gegen seine aus § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L folgenden Pflichten vorzuwerfen, führt dies nicht zu einer Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Nach der genannten Vorschrift müssen sich die Beschäftigten durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen. Damit werden auch die kraft eines Arbeitsvertrages bei einem öffentlichen Dienstherrn beschäftigten Personen zur Verfassungstreue verpflichtet. Das Maß der einem Beschäftigten des öffentlichen Dienstes obliegenden Treuepflicht ergibt sich aus seiner Stellung und dem Aufgabenkreis, der ihm laut Arbeitsvertrag übertragen ist. Dabei sind an die Verfassungstreue von Lehrern aufgrund ihrer Tätigkeit die gleichen oder zumindest ähnliche Anforderungen zu stellen wie an Beamte. Denn ein Lehrer muss den ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen glaubwürdig die Grundwerte der Verfassung vermitteln können (vgl. BAG, Urteile vom 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – juris Rn. 29, 31 und vom 31. März 1976 – 5 AZR 104/74 – juris Rn. 41, 45).

Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass der Antragsteller die ihm obliegende Verfassungstreuepflicht grob verletzt hat. Der Antragsgegner hat im Bescheid vom 9. August 2019 zutreffend ausgeführt, dass das (weitere) Tragen von Tätowierungen mit rechtsextremistischer Symbolik, darunter der großflächigen Tätowierung mit der SS-Losung „Meine Ehre heißt Treue“, das bewusste Zeigen der Tätowierungen gegenüber Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften, das Negieren der Strafbarkeit der öffentlichen Verwendung der SS-Losung sowie die bisher unterbliebene Entfernung der Tätowierungen keinen anderen Schluss zulassen, als dass der Antragsteller sich nach wie vor mit der eintätowierten Symbolik und der dahinterstehenden rechtsextremistischen Auffassung identifiziert. Eine Person, die sich Tätowierungen mit rechtsextremistischem Inhalt in die Haut hat stechen lässt und diese weiterhin trägt, dokumentiert in plakativer Weise ihr dauerhaftes Bekenntnis zu dieser Anschauung und damit ihre Abkehr von der Verfassungsordnung (vgl. zur beamtenrechtlichen Treuepflicht: BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 24 - 26). Im Fall des Antragstellers kommt hinzu, dass er die Tätowierungen nicht nur trägt, sondern sie auch wiederholt im schulischen Umfeld gegenüber Angehörigen der Schulgemeinschaft gezeigt hat.

Der Einwand des Antragstellers, er habe seine Tätowierung auf der Sportveranstaltung vom 3. Juli 2018 bei großer Hitze nur versehentlich und unbeabsichtigt gezeigt, ist nicht glaubhaft. Hiergegen spricht bereits der vom Antragsteller im Schriftsatz vom 25. September 2019 mitgeteilte Umstand, dass er schon vor dem Vorfall vom 3. Juli 2018 zu Beginn seiner Lehrertätigkeit an der A…-Schule von der Schulleiterin gebeten worden war, die Tätowierungen im schulischen Umfeld bedeckt zu halten. Auch der Umstand, dass der Antragsteller auf einer Schulfahrt im Januar 2019 gegenüber einer Kollegin erneut seinen nackten Oberkörper mit den sichtbaren Tätowierungen präsentiert hat, spricht dagegen, dass das Entblößen des Oberkörpers während der Schulveranstaltung vom  3. Juli 2018 einer bloßen Gedankenlosigkeit geschuldet gewesen sein könnte.

Dem Antragsteller gelingt es auch nicht, die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die schriftliche Erklärung vom 6. Juli 2018 lasse keine glaubhafte Distanzierung von dem Inhalt seiner Tätowierungen erkennen, in Zweifel zu ziehen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass sich die Erklärung des Antragstellers vom 6. Juli 2018 zu derjenigen Tätowierung, die am schwersten wiegt, gar nicht verhält. Dies ist die auf dem gesamten Bauchbereich bis zum Hosenbund sichtbare Losung der sog. Schutzstaffel der NSDAP „Meine Ehre heißt Treue“, die bei öffentlichem Zeigen nach § 86a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar ist. Die Beschwerdebegründung setzt sich hiermit nicht auseinander.

Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller schließlich auf eine Passage in dem bereits zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, die Anforderungen enthält, die bei der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme gegenüber einem Beamten auf Lebenszeit zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 31). Hierauf kann sich der Antragsteller nicht berufen. Er ist nicht in ein Beamtenverhältnis berufen worden. Bei der ihm gegenüber ausgesprochenen vorzeitigen Beendigung des berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes sind die für Bemessung von Disziplinarmaßnahmen gegenüber Beamten geltenden Vorgaben (vgl. § 13 Abs. 1 und 2 LDG Bbg) nicht anwendbar.

2. Den Hilfsantrag hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt, dass eine einstweilige Anordnung mit dem begehrten Inhalt nicht in Betracht komme, weil mangels Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Vorbereitungsdienst mit sofortiger Wirkung beendet sei. Hiermit setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander. Dort heißt es lediglich, dass der Hilfsantrag vorsorglich „wiederholt“ werde. Damit ist dem Darlegungserfordernis (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) nicht genügt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).