Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 16.06.2017 | |
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Aktenzeichen | 3 Sa 1831/16 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2017:0616.3SA1831.16.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | SokaSiG |
Das SoKaSiG ist eine wirksame Rechtsgrundlage für die Geltendmachung von Sozialkassenbeiträgen für die Jahre 2012 bis 2014. Das Gesetz ist verfassungsgemäß.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. September 2016 - 15 Ca 80853/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Juli 2012 bis Dezember 2014 in Höhe von 113.231,65 Euro und die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für Angestellte für die Monate April 2014 bis Dezember 2014 in Höhe von 2.412,00 Euro.
Der Kläger ist die gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) in der jeweils geltenden Fassung.
Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 21. Dezember 2011 wurde durch Allgemeinverbindlicherklärung vom 3. Mai 2012 rückwirkend zum 1. Januar 2012 für allgemeinverbindlich erklärt. Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 17. Dezember 2012 wurde durch Allgemeinverbindlicherklärung vom 29. Mai 2013 rückwirkend zum 1. Januar 2013 für allgemeinverbindlich erklärt. Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 wurde durch Allgemeinverbindlicherklärung vom 25. Oktober 2013 rückwirkend zum 1. Juli 2013 für allgemeinverbindlich erklärt. Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 3. Dezember 2013 wurde durch Allgemeinverbindlicherklärung vom 17. März 2014 rückwirkend zum 1. Januar 2014 für allgemeinverbindlich erklärt. Die Bekanntmachungen der Allgemeinverbindlicherklärungen wurden jeweils im Bundesanzeiger veröffentlicht. Auch vor dem 1. Januar 2012 waren die Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe in ihren jeweiligen Fassungen jedenfalls seit 2002 für allgemeinverbindlich erklärt worden.
Die Beklagte, die sowohl gewerbliche Arbeitnehmer als auch Angestellte beschäftigt, unterhält im Westteil von Berlin einen Baubetrieb, in dem zeitlich überwiegend Hochbau- und Maurerarbeiten erbracht werden. Im Handelsregister wird als Gegenstand der Beklagten die Ausführung von Maurer- und Betonarbeiten sowie Gerüstbau angegeben. Die Beklagte ist weder Mitglied des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe noch des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. Seit September 2002 nahm die Beklagte am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teil. Mit Schreiben vom 26. September 2002 (Anlage 2 des Schriftsatzes des Klägers vom 13. Februar 2017, Bl. 147 der Akte) beantragte die Beklagte die Eröffnung eines Beitragskontos für das Berliner Baugewerbe. In dem Stammblatt vom 30. Oktober 2002 (Anlage 1 zum Schriftsatz des Klägers vom 13. Februar 2017, Bl. 146 der Akte) gab die Beklagte zur ausgeübten Betriebstätigkeit an: „Bau 70%, Gerüstbau 30%“.
Seit 2003 bis einschließlich Juli 2016 gab die Beklagte Meldungen zu den Sozialkassenbeiträgen für die gewerblichen Arbeitnehmer und zu den Sozialkassenbeiträgen für Angestellte ab. Wegen der Höhe der jeweils von der Beklagten bzw. von deren beauftragten Steuerbüro gemeldeten Bruttolöhne der gewerblichen Arbeitnehmer für den Zeitraum Juli 2012 bis Dezember 2014 wird auf die Seiten 2 bis 9 des Schriftsatzes des Klägers vom 25. August 2016 (Bl. 30 bis 37 der Akte) und wegen der Angaben zu den Meldungen der Sozialkassenbeiträge für die Angestellten für April 2014 bis Dezember 2014 wird auf die Seiten 9 bis 10 des Schriftsatzes des Klägers vom 25. August 2016 (Bl. 37 bis 38 der Akte) Bezug genommen.
Der Kläger führt für die Beklagte ein Beitragskonto. Das Beitragskonto mit Stand 24. Mai 2016 sah ein Soll von 207.294,44 Euro vor. Es wird auf den von dem Kläger in Kopie eingereichten Kontoauszug über das Sozialkassen-Beitragskonto, Stand 24. Mai 2016 verwiesen (Bl. 18 bis 23 der Akte). Mit Schreiben vom 20. Mai 2016 und mit Schreiben vom 7. Juli 2016 erteilte der Kläger der Beklagten jeweils eine „Saldierungsinformation“. Wegen des Inhalts dieser Schreiben wird auf Bl. 17 und 27 der Akte Bezug genommen.
Das Bundesarbeitsgericht hat durch Beschluss vom 21. September 2016 – 10 ABR 48/15 – festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 17. März 2014 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 3. Dezember 2013 unwirksam ist. Das Bundesarbeitsgericht hat durch Beschluss vom 25. Januar 2017 – 10 ABR 43/15 – festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 3. Mai 2012 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 21. Dezember 2011 unwirksam ist. Das Bundesarbeitsgericht hat durch Beschluss vom 25. Januar 2017 – 10 ABR 34/15 – festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 29. Mai 2013 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 17. Dezember 2012 unwirksam ist. Es hat ferner festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 25. Oktober 2013 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 unwirksam ist.
Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD brachten am 13. Dezember 2016 den Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz –SoKaSiG) beim Deutschen Bundestag ein (BT-Drs. 18/10631). In diesem Gesetzentwurf war ua. vorgesehen, dass die Tarifverträge, die dem Sozialkassenverfahren zugrunde liegen, beginnend mit dem 1. Januar 2006 kraft Gesetzes mittels statischer Verweisung für alle Arbeitgeber verbindlich angeordnet werden. Der Deutsche Bundestag hat am 15. Dezember 2016 den Entwurf in erster Lesung beraten und an die Ausschüsse überwiesen. Am 26. Januar 2017 hat der Bundestag das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassen im Baugewerbe verabschiedet und am 10. Februar 2017 ist das Gesetz im Bundesrat beraten worden (BR-Drs. 54/17). Das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassen im Baugewerbe (Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz –SoKaSiG) vom 16. Mai 2017 ist am 24. Mai 2017 im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017 Teil I Nr. 29 verkündet worden.
Mit Mahnbescheid vom 23. März 2016 hat der Kläger gegenüber der Beklagten die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in Höhe von insgesamt 115.643,65 Euro gefordert, nämlich Sozialkassenbeiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Juli 2012 bis Dezember 2014 in Höhe von 113.231,65 Euro und Sozialkassenbeiträge für Angestellte für die Monate April 2014 bis Dezember 2014 in Höhe von 2.412,00 Euro. Gegen den der Beklagten am 24. März 2016 zugestellten Mahnbescheid hat diese Widerspruch eingelegt.
Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen: Die Klageforderung setze sich zusammen aus den von der Beklagten selbst gemeldeten Sozialkassenbeiträgen. Die Erstattungsleistungen der Beklagten seien nicht fällig, weil das Beitragskonto nicht beitragsfinanziert worden sei. Ein Zurückbehaltungsrecht stehe der Beklagten nicht zu.
Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen: Es sei prozessual unzulässig, wenn der Kläger Sozialkassenbeiträge in Höhe von 115.643,65 Euro geltend mache, aber hinsichtlich der Erstattungsansprüche nur allgemeine Ausführungen mache und der Kläger es nicht für nötig halte, die Erstattungsleistungen auch ziffernmäßig – nach Substantiierung der Zahlungsforderung – darzulegen. Die Angaben in den Saldierungsinformationen seien nicht in Einklang zu bringen mit dem Mahnbescheid vom 23. März 2016. Der Kläger müsse ihr Saldierungsrecht berücksichtigen. Der Tarifvertrag enthalte keine eindeutige Regelung hinsichtlich eines Aufrechnungsverbotes. Der Kläger müsse daher sein Zahlenwerk prozessual genau und nachprüfbar – auch in zeitlicher Hinsicht – vortragen und im Rahmen seines prozessualen Vorgehens ihre Erstattungsansprüche berücksichtigen. Die Klage sei daher unschlüssig. Jedenfalls stehe ihr das gesetzliche Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB zu. Solange ihr Erstattungsleistungen zustünden, sei sie berechtigt, die vermeintlich geschuldete Leistung zu verweigern, jedenfalls so lange, bis der Kläger seine vermeintlichen Beitragsforderungen dem Grunde und der Höhe nach substantiiere.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 6. September 2016 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 115.643,65 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung selbst gemeldeter Sozialkassenbeiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Juli 2012 bis Dezember 2014 in Höhe von 113.231,65 Euro sowie auf Angestelltenbeiträge für die Monate April 2014 bis Dezember 2014 in Höhe von 2.412,00 Euro. Anspruchsgrundlage seien §§ 15, 16 und 18 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV-Bau) vom 3. Mai 2013 (Anspruchszeitraum bis 30.06.2013: §§ 18, 19 und 21 Abs. 1 VTV-Bau vom 18.12.2009) in der jeweils gültigen und für allgemeinverbindlich erklärten Fassung. Die Beklagte unterhalte unstreitig einen baugewerblichen Betrieb iSv. § 1 Abs. 2 VTV-Bau. Die geltend gemachte Beitragsforderung sei sowohl dem Grunde wie auch der Höhe nach begründet. Die Beklagte habe unstreitig selbst bzw. über das von ihr beauftragte Steuerbüro Lohndata für ihre gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten Beitragsmeldungen in der geltend gemachten Höhe abgegeben. Die von der Beklagten erhobenen Einwände seien unerheblich. Der Kläger habe die geltend gemachte Beitragsforderung für die gewerblichen Arbeitnehmer einerseits und die Angestellten andererseits hinreichend substantiiert dargetan. Die Beklagte sei dem Rechenwerk in Bezug auf die Ermittlung und Berechnung der Klageforderung nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten, so dass die Klageforderung der Höhe nach als zugestanden gelte (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 10. November 2016 zugestellte Urteil hat dieser für die Beklagte mit einem bei dem Landesarbeitsgericht am 14. November 2016 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem bei dem Landesarbeitsgericht am 8. Dezember 2016 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung im Wesentlichen vor: Das Arbeitsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass sie nicht tarifgebunden sei. Ihre Organisation in der Fachgemeinschaft Bau Berlin Brandenburg e.V. führe nicht zur Tarifgebundenheit im Tarifsinne. Daher scheide die vom Arbeitsgericht in seiner Entscheidung unterstellte Anspruchsgrundlage aus. Das Bundesarbeitsgericht habe mit seinen Beschlüssen vom 21. September 2016 – 10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15 – festgestellt, dass die in den Jahren 2008, 2010 und 2014 erfolgten Allgemeinverbindlicherklärungen unwirksam seien. Das erstinstanzliche Urteil sei abzuändern und aufzuheben, weil Tarifgebundenheit und wirksame Allgemeinverbindlicherklärungen nicht vorliegen würden. Die Beklagte trägt weiter vor, der Kläger bestätige in der Saldierungsinformation vom 7. Juli 2016 (Bl. 93 der Akte) Erstattungsleistungen in Höhe von 153.127,97 Euro. Hierzu erklärt die Beklagte vorsorglich die Hilfsaufrechnung mit den vom Kläger bestätigten Erstattungsleistungen mit dem erststelligen Teilbetrag in Höhe der Klageforderung gegen die Klageforderung. Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2017 trägt die Beklagte ua. vor, die in § 7 SoKaSiG „geregelte“ Rückwirkung bis zum 1. Januar 2006 sei mehr als denkwürdig und begründe die Annahme, dass sie verfassungsrechtlich keinen Bestand haben könne. Das SoKaSiG begegne erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Berlin – 15 Ca 80853/16 – vom 6. September 2016 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er ist weiter der Ansicht, dass die Klageforderungen trotz der Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts vom 21. September 2016 und 25. Januar 2017 begründet seien. Die Ansprüche würden sich auch aus dem BRTV, dem BBTV und dem TZA Bau ergeben. Die Ansprüche aus dem VTV stünden neben den Ansprüchen aus den materiellen Tarifverträgen. Jedenfalls würden die Anspruchsgrundlagen aus dem VTV wegen fort- und nachwirkender Allgemeinverbindlicherklärungen gelten. Der Kläger stützt seine Ansprüche nunmehr auch auf das SoKaSiG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.
A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft und gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, § 519 Abs. 1 und Abs. 2, § 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Die Beklagte hat sich auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. September 2016 – 10 ABR 48/15 - berufen. Sie hat darüber hinaus aber auch in ausreichender Weise aufgezeigt, weshalb die erstinstanzliche Entscheidung aus ihrer Sicht insgesamt fehlerhaft ist. Denn die Beklagte hat allgemein geltend gemacht, eine Anspruchsgrundlage für die Klageforderungen bestehe nicht, weil sie nicht tarifgebunden sei und die Allgemeinverbindlicherklärungen der VTV unwirksam seien. Da in dem angefochtenen Urteil keine Ausführungen zur Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung der VTV enthalten sind, bedurfte es keiner weitergehenden Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung ist für eine zulässige Begründung der Berufung nicht erforderlich.
B. Die Berufung ist nicht begründet. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Juli 2012 bis Dezember 2014 in Höhe von 113.231,65 Euro und auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für Angestellte für die Monate April 2014 bis Dezember 2014 in Höhe von 2.412,00 Euro.
I. Der Anspruch auf Zahlung der für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2012 geltend gemachten Sozialkassenbeiträge ergibt sich aus § 7 Abs. 6 SoKaSiG iVm. § 18 Abs. 3 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 in der Fassung vom 21. Dezember 2011 (Anlage 31 zu § 7 Abs. 6 SoKaSiG). Der Anspruch auf Zahlung der für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2013 geltend gemachten Sozialkassenbeiträge ergibt sich aus § 7 Abs. 5 SoKaSiG iVm. § 18 Abs. 3 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 in der Fassung vom 17. Dezember 2012 (Anlage 30 zu § 7 Abs. 5 SoKaSiG). Der Anspruch auf Zahlung der für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2013 geltend gemachten Sozialkassenbeiträge ergibt sich aus § 7 Abs. 4 SoKaSiG iVm. § 15 Abs. 3 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 (Anlage 29 zu § 7 Abs. 4 SoKaSiG). Der Anspruch auf Zahlung der für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014 geltend gemachten Sozialkassenbeiträge ergibt sich aus § 7 Abs. 3 SoKaSiG iVm. § 15 Abs. 3 und § 16 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 in der Fassung vom 3. Dezember 2013 (Anlage 28 zu § 7 Abs. 3 SoKaSiG).
1. Gemäß § 7 Abs. 6 SoKaSiG gelten für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 die Rechtsnormen des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 in der aus der Anlage 31 ersichtlichen Fassung in seinem Geltungsbereich für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Gemäß § 7 Abs. 5 SoKaSiG gelten für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2013 die Rechtsnormen des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 in der aus der Anlage 30 ersichtlichen Fassung in seinem Geltungsbereich für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Gemäß § 7 Abs. 4 SoKaSiG gelten für den Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2013 die Rechtsnormen des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 in der aus der Anlage 29 ersichtlichen Fassung in seinem Geltungsbereich für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Gemäß § 7 Abs. 3 SoKaSiG gelten für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014 die Rechtsnormen des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 in der aus der Anlage 28 ersichtlichen Fassung in seinem Geltungsbereich für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Nach § 11 SoKaSiG gelten die tarifvertraglichen Rechtsnormen unabhängig davon, ob die Tarifverträge wirksam abgeschlossen wurden. Danach sind die Rechtnormen des aus der Anlage 31 zu § 7 Abs. 6 SoKaSiG ersichtlichen Tarifvertrages (nachfolgend bezeichnet als VTV Anlage 31) bzw. die Rechtsnormen des aus der Anlage 30 zu § 7 Abs. 5 SoKaSiG ersichtlichen Tarifvertrages (nachfolgend bezeichnet als VTV Anlage 30) bzw. die Rechtsnormen des aus der Anlage 29 zu § 7 Abs. 4 SoKaSiG ersichtlichen Tarifvertrages (nachfolgend bezeichnet als VTV Anlage 29) bzw. die Rechtsnormen des aus der Anlage 28 zu § 7 Abs. 3 SoKaSiG ersichtlichen Tarifvertrages (nachfolgend bezeichnet als VTV Anlage 28) unabhängig von einem wirksamen Tarifabschluss und unabhängig von einer Tarifgebundenheit der Beklagten auf die Beklagte anzuwenden.
2. Die Beklagte fällt gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 20 und Nr. 23 VTV Anlage 31 bzw. VTV Anlage 30 bzw. VTV Anlage 29 bzw. VTV Anlage 28 unter den betrieblichen Geltungsbereich des jeweiligen VTV. Denn sie unterhielt in den Jahren 2012 bis 2014 in Westberlin einen Betrieb, in dem zeitlich überwiegend Hochbau- und Maurerarbeiten erbracht wurden.
3. Die Verpflichtung zur Zahlung der Sozialkassenbeiträge ergibt sich aus § 18 Abs. 3 VTV Anlage 31 bzw. aus § 18 Abs. 3 VTV Anlage 30 bzw. aus § 15 Abs. 3 VTV Anlage 29 bzw. aus § 15 Abs. 3 VTV Anlage 28. Der Kläger hat die Klageforderung schlüssig dargelegt und berechnet. Er hat vorgetragen, welche Bruttolohnsummen der gewerblichen Arbeitnehmer die Beklagte ihm für den streitgegenständlichen Zeitraum gemeldet hat. Die Beklagte hat nicht in erheblicher Weise bestritten, dass diese Bruttolohnsummen unzutreffend sind, insbesondere hat sie nicht vorgetragen, tatsächlich habe sie andere Bruttolohnsummen an die gewerblichen Arbeitnehmer gezahlt. Der Kläger hat ferner unter Beachtung des sich aus § 18 Abs. 3 VTV Anlage 31 bzw. aus § 18 Abs. 3 VTV Anlage 30 bzw. aus § 15 Abs. 3 VTV Anlage 29 bzw. aus § 15 Abs. 3 VTV Anlage 28 ergebenden Beitragssatzes die geschuldeten Sozialkassenbeiträge errechnet (vgl. hierzu die Angaben im Schriftsatz des Klägers vom 25. August 2016 auf den Seiten 2ff.). Auch hiergegen hat die Beklagte nichts Erhebliches vorgebracht. Eine Nachberechnung aufgrund der eigenen Beitragsmeldungen ist der Beklagten möglich und nach § 138 Abs. 1 und Abs. 4 ZPO von ihr zu verlangen. Die Verpflichtung zur Zahlung der Sozialkassenbeiträge für die Angestellten folgt aus § 16 VTV Anlage 28. Der Kläger hat auf der Grundlage der von der Beklagten gemeldeten Beiträge die Klageforderung hinsichtlich der Angestellten geltend gemacht. Auch insoweit hat die Beklagte nicht dargelegt, weshalb ihre eigenen Beitragsmeldungen unzutreffend sein sollen und in der Höhe nicht der Klageforderung entsprechen sollen. Die Fälligkeit der Beitragsforderungen folgt aus § 21 Abs. 1 VTV Anlage 31 bzw. aus § 21 Abs. 1 VTV Anlage 30 bzw. aus § 18 Abs. 1 VTV Anlage 29 bzw. aus § 18 Abs. 1 VTV Anlage 28.
4. Der Beitragsanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum ist weder erloschen noch steht der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zu.
a) Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat einen Erfüllungseinwand gemäß § 362 Abs. 1 BGB nicht dargelegt. Sie hat nicht behauptet, dass sie Zahlungen auf die geschuldeten Beiträge geleistet hat.
b) Die Beitragsforderungen sind nicht gemäß § 389 BGB erloschen. Eine Aufrechnung gegen bestehende Beitragsrückstände ist gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 VTV Anlage 31 bzw. § 18 Abs. 5 Satz 2 VTV Anlage 30 bzw. § 15 Abs. 5 Satz 2 VTV Anlage 29 bzw. § 15 Abs. 5 Satz 2 VTV Anlage 28 für den Arbeitgeber ausgeschlossen. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser gesetzlich wirkenden Norm bestehen nicht. Das Bundesarbeitsgericht ist im Übrigen auch von der Wirksamkeit einer entsprechenden Tarifnorm ausgegangen (vgl. BAG 13. Mai 2004 – 10 AZR 120/03 –, Rn. 31, juris).
c) Der Kläger ist nach den kraft Gesetz geltenden Tarifnormen des VTV Anlage 31 bzw. des VTV Anlage 30 bzw. des VTV Anlage 29 bzw. des VTV Anlage 28 auch nicht verpflichtet, Erstattungsansprüche der Beklagten mit Beitragsansprüchen zu verrechnen. Dies folgt aus § 18 Abs. 5 Satz 1 VTV Anlage 31 bzw. aus § 18 Abs. 5 Satz 1 VTV Anlage 30 bzw. aus § 15 Abs. 5 Satz 1 VTV Anlage 29 bzw. aus § 15 Abs. 5 Satz 1 VTV Anlage 28. Danach sind Erstattungsforderungen des Arbeitgebers mit der Maßgabe zweckgebunden, dass der Arbeitgeber über sie nur verfügen kann, wenn das bei der Einzugsstelle bestehende Beitragskonto keinen Debetsaldo ausweist und er seinen Meldepflichten entsprochen hat. Eine derartige Verfügungsbeschränkung ist nicht zu beanstanden (vgl. hierzu auch BAG 13. Mai 2004 – 10 AZR 120/03 –, Rn. 31, juris). Aus den Saldierungsmitteilungen folgt, dass das Beitragskonto der Beklagten ein Debetsaldo ausweist. Anderes hat die Beklagte auch nicht substantiiert dargelegt.
d) Der Beklagten steht kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB zu. Da die Beklagte über die Erstattungsansprüche gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 VTV Anlage 31 bzw. § 18 Abs. 5 Satz 1 VTV Anlage 30 bzw. § 15 Abs. 5 Satz 1 VTV Anlage 29 bzw. § 15 Abs. 5 Satz 1 VTV Anlage 28 gegenwärtig nicht verfügen kann, steht ihr bereits kein fälliger Anspruch gegenüber dem Kläger zu.
II. Das SoKaSiG stellt eine wirksame Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Beitragsforderungen dar. Das Gesetz ist verfassungsgemäß. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im SoKaSiG geregelten Bestimmungen bestehen nicht.
1. Der Bundesgesetzgeber hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz.
2. Der Gesetzgeber hat vorliegend nicht in unzulässiger Weise auf seine Rechtsetzungsbefugnisse verzichtet (vgl. hierzu auch BVerfG 14. Juni 1983 – 2 BvR 488/80 – BVerfGE 64, 208). Das SoKaSiG sieht keine dynamische Verweisung auf jeweils geltende Tarifverträge vor, sondern bestimmt, dass die Rechtnormen konkret bezeichneter Tarifverträge kraft Gesetzes gelten. Damit steht der Inhalt der tariflichen Normen, auf die die staatlichen Rechtsnormen verweisen, fest.
3. Die Zuständigkeit zur Rechtsetzung des Bundesgesetzgebers ist nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG beschränkt. In die grundgesetzlich durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit wird durch das SoKaSiG nicht in unzulässiger Weise eingegriffen.
a) Art 9 Abs 3 GG gewährleistet eine Ordnung des Arbeitslebens und Wirtschaftslebens, bei der der Staat seine Zuständigkeit zur Rechtsetzung weit zurückgenommen und die Bestimmung über die regelungsbedürftigen Einzelheiten des Arbeitsvertrags grundsätzlich den Koalitionen überlassen hat (vgl. BVerfG 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 – BVerfGE 44, 322). Den frei gebildeten Koalitionen ist durch Art 9 Abs. 3 GG die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe zugewiesen und in einem Kernbereich garantiert, insbesondere Löhne und sonstige materielle Arbeitsbedingungen in einem von staatlicher Rechtsetzung frei gelassenen Raum in eigener Verantwortung und im Wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme durch unabdingbare Gesamtvereinbarungen sinnvoll zu ordnen (vgl. BVerfG 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 –, aaO mwN). Die "Normsetzungsprärogative" der Koalitionen gilt aber nicht schrankenlos. Art. 9 Abs. 3 GG verleiht den Tarifvertragsparteien in diesem Bereich zwar ein Normsetzungsrecht, aber kein Normsetzungsmonopol (BVerfG 24. April 1996 – 1 BvR 712/86 -). Daher verbleibt jedenfalls eine subsidiäre Regelungszuständigkeit des Staates, die immer dann eintritt, wenn die Koalitionen die ihnen übertragene Aufgabe, das Arbeitsleben durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen, im Einzelfall nicht allein erfüllen können und die soziale Schutzbedürftigkeit einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen oder ein sonstiges öffentliches Interesse ein Eingreifen des Staates erforderlich macht (vgl. BVerfG 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 –, aaO mwN zur Verfassungsgemäßheit von § 5 TVG aF). Diese Regelungszuständigkeit kann über die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages ausgeübt werden. Sie kann aber auch durch ein formales Gesetz ausgeübt werden, in dem dieses bestimmt, dass die Tarifvertragsnormen eines bestimmten Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten. Wenn der Gesetzgeber nämlich die Verwaltung ermächtigen kann, einen Tarifvertrag über eine Allgemeinverbindlicherklärung oder über eine Rechtsverordnung für verbindlich zu erklären, kann er auch den Inhalt des Tarifvertrages als Gesetzeswortlaut übernehmen oder auf einen speziellen Tarifvertrag verweisen und diesen als Anlage beifügen (vgl. Berndt DStrR 2017, 1166, 1170; Engels NZA 2017, 680, 683).
b) Für das SoKaSiG besteht die dargestellte Regelungszuständigkeit des Gesetzgebers. Die im SoKaSiG normierte Anordnung der Geltung von Tarifnormen bezieht sich nur auf solche Tarifverträge, für die die Tarifvertragsparteien jeweils einen Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung gestellt hatten und damit gerade das Ziel erreichen wollten, dass diese Tarifnormen auch auf die Außenseiter anzuwenden sind. Die Normen über Gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien bedürfen zudem zur Erhaltung ihrer Funktionsfähigkeit einer Erstreckung auf mittels § 3 TVG nicht erfasste Außenseiterverhältnisse. Bezogen auf die angeordnete gesetzliche Geltung von noch nicht beendeten Tarifverträgen stellt das SoKaSiG ferner sicher, dass diese nur solange gelten, bis der Tarifvertrag gekündigt, aufgehoben, geändert oder durch einen anderen Tarifvertrag ganz oder teilweise abgelöst wird (§ 9 Abs. 1 SoKaSiG). Damit wird verhindert, dass die tariflichen Normen kraft Gesetzes länger anzuwenden sind, als die Tarifverträge kraft normativer Wirkung. Der zukünftige tarifautonome Handlungsspielraum der Koalitionen bleibt so voll eröffnet. Auch die Verbände, die nicht Parteien der betreffenden Tarifverträge waren, werden in ihrer Koalitionsfreiheit nicht stärker beschränkt, als sie es durch eine Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG wären (vgl. hierzu insgesamt Biedermann BB 2017, 1333, 1337f.).
c) Durch das SoKaSiG wird die sogenannte negative Koalitionsfreiheit nicht tangiert. Die Freiheit, sich einer anderen als der vertragschließenden oder keiner Koalition anzuschließen, wird durch das Gesetz nicht beeinträchtigt, Zwang oder Druck in Richtung auf eine Mitgliedschaft wird nicht ausgeübt (vgl. auch BVerfG 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 – BVerfGE 44, 322 zur Frage, ob ein Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit, sofern es sich aus Art 9 Abs. 3 GG ergeben sollte, einer gesetzlichen Regelung über die Allgemeinverbindlicherklärung von tariflichen Inhaltsnormen entgegensteht).
4. Das SoKaSiG entfaltet keine unzulässige gesetzliche Rückwirkung. Das SoKaSiG verstößt nicht gegen das vornehmlich im Rechtsstaatsprinzip verankerte Rückwirkungsverbot (Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 12 Abs. 1 GG iVm. Art. 20 Abs. 3 GG). Es liegt hier der Fall einer ausnahmsweise zulässigen echten Rückwirkung vor.
a) Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte (BVerfG 27. Februar 2007 – 1 BvR 3140/06 – Rn. 28, juris mwN). Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen“) (BVerfG 17. Dezember 2013 – 1 BvL 5/08 –, Rn. 41, juris; BVerfG 7. Juli 2010 – 2 BvL 14/02 –, Rn. 56, BVerfGE 127, 1). Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor (BVerfG 7. Juli 2010 – 2 BvL 14/02 –, Rn. 57, BVerfGE 127, 1).
b) Die Anordnung einer belastenden Rechtsfolge schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum, also die „echte“ Rückwirkung, ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Der von einem Gesetz Betroffene muss grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der Verkündung einer Neuregelung darauf vertrauen können, dass er nicht nachträglich einer bisher nicht geltenden Belastung unterworfen wird (vgl. auch BAG 21. Juni 2006 – 7 AZR 234/05 – Rn. 38 mwN, BAGE 118, 290). Das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, tritt jedoch zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (BVerfG 27. Februar 2007 – 1 BvR 3140/06 – Rn. 29 mwN). Ferner kommt ein Vertrauensschutz nicht in Betracht, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung von Normen erfordern (BVerfG 27. Februar 2007 – 1 BvR 3140/06 – Rn. 29 mwN). Als Rechtfertigungsgründe für eine ausnahmsweise zulässige echte Rückwirkung kommen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verschiedene Fallkonstellationen in Betracht. Als einen denkbaren Rechtfertigungsgrund hat das Bundesverfassungsgericht dabei den Fall einer unklaren oder verworrenen Rechtslage angesehen (BVerfG 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200). Als möglichen Rechtfertigungsgrund hat das Bundesverfassungsgericht weiter den Fall anerkannt, in dem eine Norm, deren formelle Wirksamkeit in Frage gestellt wurde, durch eine andere, formell unbedenkliche Norm ersetzt wird (BVerfG 27. Februar 2007 – 1 BvR 3140/06 -). In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, der Grundsatz, das Vertrauen des Bürgers in den Bestand des geltenden Rechts sei "erst von dem Zeitpunkt ab" nicht mehr schutzwürdig, "in dem der Bundestag ein rückwirkendes Gesetz beschlossen hat", beziehe sich auf die Konstellation, dass die angegriffene Belastung erstmals geregelt wird. Anders sei der Fall zu beurteilen, dass eine formell in Frage gestellte Norm durch eine unbedenkliche Norm gleichen Inhalts ersetzt werde (BVerfG 27. Februar 2007 – 1 BvR 3140/06 -).
c) Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt, dass die Fallgruppen, die eine echte Rückwirkung zulassen, nicht abschließend definiert sind. Entscheidend ist vielmehr, ob sich ein schützenswertes Vertrauen bilden konnte. Wenn sich kein schützenswertes Vertrauen bilden konnte, tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund ja im Vertrauensschutz hat, zurück (vgl. BVerfG 27. Februar 2007 – 1 BvR 3140/06 -, vgl. auch BAG 21. Juni 2006 – 7 AZR 234/05 – Rn. 39 mwN, BAGE 118, 290).
d) Das SoKaSiG gilt rückwirkend zum 1. Januar 2006 und greift damit nachträglich ändernd in abgeschlossene Sachverhalte ein. Damit liegt ein Fall der sogenannten echten Rückwirkung vor. Diese ist aber zulässig, weil sich bis zum Inkrafttreten des SoKaSiG kein schützenswertes Vertrauen bilden konnte, nicht entsprechend der im SoKaSiG geregelten Normen in Anspruch genommen zu werden (so auch Berndt DStR 2017, 1166, 1169; Biedermann BB 2017, 1333, 1338; Engels NZA 2017, 680, 683f.; verfassungsrechtliche Bedenken äußert Thüsing in NZA-Beilage 2017, 3).
aa) Die Tarifverträge, deren Rechtsnormen nach dem SoKaSiG jetzt rückwirkend in ihrem Geltungsbereich für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber gelten, waren mit demselben Inhalt in der Vergangenheit jeweils für allgemeinverbindlich erklärt worden. Der gesetzliche Anwendungsbereich entspricht dem Anwendungsbereich der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge (§ 10 SoKaSiG). Die Allgemeinverbindlicherklärungen waren im Bundesanzeiger bekannt gegeben worden. Auf der Grundlage der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge hat der Kläger seit dem 1. Januar 2006 die Sozialkassenbeiträge eingezogen. Das in den VTV geregelte Sozialkassenverfahren wurde jahrelang und auch seit dem 1. Januar 2006 praktiziert. Vor dem 21. September 2016 hat das Bundesarbeitsgericht in seinen Entscheidungen über Sozialkassenbeiträge die jeweiligen VTV in ihren jeweiligen Fassungen angewandt und die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung nicht in Frage gestellt. Zwar wurde vereinzelt die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen geltend gemacht wurde. Trotz geäußerter Zweifel gab es aber bis zum 21. September 2016 keine höchstrichterliche Rechtsprechung, die von der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen der Tarifverträge ausging, die jetzt nach dem SoKaSiG kraft Gesetzes gelten. In den Beschlussverfahren zur Feststellung der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV für die Jahre 2012 bis 2014 ging das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (2 BVL 5001/14, 2 BVL 5002/14, 3 BVL 5003/14, 4 BVL 5005/14, 4 BVL 5005/14 und 6 BVL 5006/14) zudem noch von der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen aus. Demnach konnte sich bei den Arbeitgebern, die unter den Geltungsbereich der für allgemeinverbindlich erklärten VTV fielen, seit dem 1. Januar 2006 kein schützenswertes Vertrauen bilden, nicht zu einer Zahlung von Sozialkassenbeiträgen herangezogen zu werden. Die Arbeitgeber mussten sich vielmehr darauf einstellen und damit rechnen, dass sie die in den für allgemeinverbindlich erklärten VTV geregelten Pflichten vollständig erfüllen müssen. Ein schützenswertes Vertrauen in die Unwirksamkeit einer Rechtsnorm kann im Übrigen grundsätzlich nicht entstehen, solange sie nicht rechtsverbindlich festgestellt ist (Biedermann BB 2017, 1333, 1338).
bb) Aber auch seit dem 21. September 2016 konnte kein schützenswertes Vertrauen entstehen, dass die Regelungen aus den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen nicht mehr angewandt werden. Ein verständiger Arbeitgeber konnte allein aufgrund der Verkündung der beiden Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts am 21. September 2016 zu den Aktenzeichen 10 ABR 48/15 und 10 ABR 33/15 noch keine Dispositionen treffen und davon ausgehen, dass ihn keine Verpflichtungen entsprechend der Rechtnormen der Tarifverträge mehr treffen könnten. Die Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts vom 21. September 2016 wurden erst im Bundesanzeiger am 16. Dezember 2016 bekannt gegeben. Nach den Angaben im Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Januar 2017 – 10 ABR 81/16 (F) wurde der Beschluss vom 21. September 2016 – 10 ABR 48/15 – in vollständiger Fassung jedenfalls einigen Beteiligten am 20. Dezember 2016 bzw. 22. Dezember 2016 zugestellt. Es musste grundsätzlich auch damit gerechnet werden, dass gegen die Beschlüsse eine Anhörungsrüge gemäß § 78a ArbGG und eine Verfassungsbeschwerde eingelegt wird. Aufgrund der Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts bestand ferner erkennbar ein Regelungsbedarf für das Sozialkassenverfahren. Bereits am 13. Dezember 2016 war der Gesetzentwurf zum SoKaSiG in den Bundestag eingebracht worden. Von diesem Zeitpunkt an musste ein verständiger Arbeitgeber zudem davon ausgehen, dass die Rechtsnormen der Tarifverträge rückwirkend kraft Gesetzes zur Anwendung kommen.
5. Es handelt sich bei dem SoKaSiG nicht um ein nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG unzulässiges Einzelfallgesetz.
a) Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG bestimmt, dass ein Gesetz, soweit nach dem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten muss. Das schließt die Regelung eines Einzelfalls nicht aus, wenn der Sachverhalt so beschaffen ist, dass es nur einen Fall dieser Art gibt und die Regelung dieses singulären Sachverhalts von sachlichen Gründen getragen wird. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG enthält letztlich eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes; danach ist es dem Gesetzgeber verboten, aus einer Reihe gleichgelagerter Sachverhalte einen Fall herauszugreifen und zum Gegenstand einer Sonderregel zu machen (BVerfG 6. Dezember 2016 – 1 BvR 2821/11 – Rn. 394).
b) Gemessen hieran verstößt das SoKaSiG nicht gegen das Verbot grundrechtseinschränkender Einzelfallgesetze. Das Gesetz greift nicht aus einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle einen einzelnen Fall oder eine bestimmte Gruppe heraus, sondern betrifft alle Arbeitgeber, die unter den Geltungsbereich der im SoKaSiG genannten Tarifverträge fallen. Die Willkür einer gesetzlichen Einzelfallregelung, vor der Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG schützen will, ist hier nicht gegeben.
6. Das SoKaSiG berührt auch nicht die Kompetenz der Rechtsprechung und steht damit der Gewaltenteilung nicht entgegen.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
D. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, auf das es entscheidungserheblich ankommt, kann eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sein.