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Entscheidung 9 UF 140/11


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 11.08.2011
Aktenzeichen 9 UF 140/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 20. April 2011 – Az. 22 F 98/09 – hinsichtlich der Entscheidung zum Versorgungsausgleich teilweise abgeändert und zu Ziffer II, 2. Absatz wie folgt neu gefasst:

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungskonto Nr. 08 …) zu Gunsten des Ehemannes ein Anrecht in Höhe von 0,4998 Entgeltpunkten (Ost) auf dessen Versicherungskonto Nr. 09 … bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31. Mai 2009, übertragen.

Im Übrigen bleibt es bei den unter Ziffer II. (Absätze 1, 3 bis 5) der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Regelungen zum Versorgungsausgleich.

II. Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Der Beschwerdewert wird auf 3.106,52 EUR festgesetzt.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die am … 2005 geschlossene Ehe der Beteiligten auf den am … 2009 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin hin geschieden.

Im Rahmen des Versorgungsausgleichs hat das Amtsgericht die wechselseitig erworbenen angleichungsdynamischen Anwartschaften der Eheleute in der allgemeinen Rentenversicherung jeweils durch interne Teilung ausgeglichen. Auch die von der Antragstellerin bei der weiteren Beteiligten zu 2. erworbenen Anrechte sind im Wege interner Teilung zum Ausgleich gebracht worden. Die von der Antragstellerin darüber hinaus bei den weiteren Beteiligten zu 3. und 4. erworbenen Anwartschaften hat das Amtsgericht gemäß § 18 Abs. 2 und 3 VersAusglG nicht ausgeglichen.

Gegen diese ihr am 13. Mai 2011 zugestellte Entscheidung hat die weitere Beteiligte zu 1. mit einem am 26. Mai 2011 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einer versehentlich falsch erteilten Auskunft hinsichtlich der Antragstellerin begründet. Unter dem 31. Mai 2011 erteilte die weitere Beteiligte zu 1. eine neue Auskunft für die Antragstellerin dahingehend, dass diese in der Ehezeit vom … 2005 bis zum … 2009 in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) ehezeitanteilige 0,9996 Entgeltpunkte (Ost) erworben habe (Bl. 231 ff. GA). Der Versorgungsträger hat gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 0,4998 Entgeltpunkten (Ost) zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert beträgt 2.587,83 EUR.

Der Senat hat nach Anhörung aller Beteiligten gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die übrigen Beteiligten sind dem Beschwerdevorbringen nicht entgegen getreten.

2.

Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und form- und fristgerecht gemäß §§ 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 FamFG eingelegte und begründete Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. ist zulässig. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Auch nach der aktualisierten Auskunft der weiteren Beteiligten zu 1. liegen die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 18 Abs. 1 VersAusglG in Bezug auf die von den geschiedenen Eheleuten in der allgemeinen Rentenversicherung Ost erworbenen Anrechte nicht vor.

Der Antragsgegner hat nach der inhaltlich aufrechterhaltenen Auskunft der weiteren Beteiligten zu 1. vom 8. März 2011 (Bl. 82 ff. des Sonderbandes VA) in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung in der Ehezeit angleichungsdynamische Anrechte im Umfang von 4,2037 Entgeltpunkten (Ost) erworben. Es wurde ein Ausgleichswert von 2,1019 Entgeltpunkten (Ost) vorgeschlagen, was einem korrespondierenden Kapitalwert von 10.883,05 EUR entspricht.

a)

Nach § 18 Abs. 1 VersAusglG sollen beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgeglichen werden, wenn die Differenz der Ausgleichswerte gering im Sinne von § 18 Abs. 3 Vers-AusglG ist. Die beiderseitigen Anrechte in der allgemeinen Rentenversicherung Ost sind, wie das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, gleichartig im Sinne von § 18 Abs. 1 VersAusglG. Auf der Grundlage der aktualisierten Auskunft der weiteren Beteiligten zu 1. beträgt die Differenz der insoweit maßgeblichen Kapitalwerte nunmehr 8.295,22 EUR (10.883,05 – 2.587,83 EUR). Für das Ende der Ehezeit im Jahre 2009 beträgt der Kapitalwert, der nach § 18 Abs. 3 VersAusglG die Geringfügigkeit bestimmt, 3.024 EUR (= 2.520 EUR x 120 %). Damit ist die Differenz dieser beiderseitigen Ausgleichswerte nicht gering im Sinne von § 18 Abs. 1 VersAusglG, so dass der Ausgleich nicht ausgeschlossen ist.

b)

Ein Ausgleich unterbleibt im Streitfall auch nicht etwa deshalb, weil nach der aktualisierten Auskunft der weiteren Beteiligten zu 1. die angleichungsdynamischen Anrechte der Antragstellerin in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung isoliert betrachtet mit einem Ausgleichswert von 2.587,83 EUR die Geringfügigkeitsgrenze von 3.024 EUR nicht übersteigt.

Der Anwendungsbereich des § 18 Abs. 2 VersAusglG ist vorliegend nämlich nicht eröffnet. Nach der genannten Vorschrift soll das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen. Zwischen § 18 Abs. 1 und Abs. 2 VersAusglG besteht allerdings eine zwingend einzuhaltende Stufenfolge. Danach ist zunächst zu prüfen, ob Anrechte der Ehegatten zueinander gleichartig sind. Ist dies der Fall, kommt § 18 Abs. 1 VersAusglG zur Anwendung. Für die Frage der Geringwertigkeit kommt es dann allein auf die Wertdifferenz der Ausgleichswerte dieser beiderseitigen Anrechte gleicher Art an. Erst im Anschluss daran kann wegen weiterer nicht gleichartiger Anwartschaften der Eheleute eine Prüfung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG erfolgen. Ein einzelner Ausgleichswert unterfällt daher entweder dem Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 VersAusglG (bei Vorhandensein gleichartiger Anrechte auf Seiten des anderen Ehegatten) oder dem des § 18 Abs. 2 VersAusgl, nicht aber beiden Tatbeständen (erkennender Senat, Beschlüsse vom 11. März 2011, Az. 9 UF 19/11, und vom 6. Juni 2011, Az. 9 UF 25/11 – allerdings streitig: wie hier OLG München FamRZ 2010, 1664; OLG Hamburg, Beschluss vom 10. Januar 2011, Az. 2 UF 63/10; Ruland, Versorgungsausgleich, 2. Aufl., Rdnr. 489 Beispiele 4 und 5; Hauß, FPR 2009, 214/218 f.; Rehbein, jurisPR-FamR 3/2011 Anm. 2; anderer Ansicht: 3. Familiensenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Beschluss vom 11. April 2011, Az. 15 UF 145/10; OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. Februar 2011, Az. 15 UF 13/11; OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 979).

Es bleibt somit dabei, dass der Ausgleich der in Rede stehenden Anwartschaften der Ehegatten in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung (Ost) gemäß §§ 1, 10 VersAusglG durch interne Teilung zu erfolgen hat.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1 FamFG, der auch in der Beschwerdeinstanz bei einer erfolgreichen isolierten Anfechtung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich anzuwenden ist (OLG München, Beschluss vom 20. Dezember 2010, Az. 12 UF 1715/10 – zitiert nach juris – mit weiteren Nachweisen; Johannsen/Henrich/Markwardt, Familienrecht, § 150 FamFG Rdnr. 12 f.). Der weiteren Beteiligten zu 1. sind nicht wegen der falschen Auskunft die Kosten gemäß § 81 Abs. 2 FamFG aufzuerlegen, weil ein grobes Verschulden nicht ersichtlich ist. Aus diesem Grund wird von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren abgesehen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG).

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG (31.065,21 EUR x 1 Anrecht x 10 %).

Der Senat lässt gemäß § 70 Abs. 1 und 2 FamFG die Rechtsbeschwerde hinsichtlich der Frage zu, ob der Anwendungsbereich des § 18 Abs. 2 VersAusglG auch für solche Anrechte eröffnet ist, die bereits Gegenstand einer Prüfung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG waren. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist wegen der insoweit unterschiedlichen obergerichtlichen Rechtsprechung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Zudem hat die Rechtssache auch grundsätzliche Bedeutung, weil von einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle auszugehen ist.