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Gewässerunterhaltung; Gewässerunterhaltungsbeitrag; Gewässerunterhaltungsumlage; Umlagesatzung; Umlageschuldner; Eigentümer; Nutzungsberechtigter; Teilnichtigkeit; Durchgriffsrüge; faktischer Verbandsbeirat; Heilung; rückwirkende Gesetzesänderung; Fremdvergabe; Erschwernis; Erschwernisbeiträge


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 01.06.2015
Aktenzeichen OVG 9 N 5.15 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 VwGO, § 124a VwGO, § 86 VwGO, § 139 BGB, § 80 WasG BB, § 2 KAG BB, § 2a GUVG BB

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 21. August 2014 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf bis 500 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung wendet sich der Kläger weiter gegen einen Gewässerunterhaltungsumlagebescheid für das Veranlagungsjahr 2012 und Folgejahre (Kassenzeichen 0000 2456 1952; 98,05 Euro).

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO). Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Danach ist die Berufung hier nicht zuzulassen.

1. Die Darlegungen des Klägers wecken keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen tragenden Rechtssatz und auch keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Urteils schlüssig angegriffen.

a) Der Kläger hatte erstinstanzlich gerügt, dass der Kreis der Umlageschuldner in § 3 Abs. 1 der Umlagesatzung vom 1. März 2012 (US 2012) abweichend von § 80 Abs. 2 BbgWG bestimmt sei, weil die Satzung - erstens - neben den § 80 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BbgWG genannten Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten auch Nutzungsberechtigte zu Umlageschuldnern macht und weil sie zweitens nur die Grundstückseigentümer, Erbbauberechtigten (und Nutzungsberechtigten) von Grundstücken in den Blick nimmt, die der Grundsteuerpflicht unterliegen, während § 80 BbgWG seit dem 1. Januar 2009 nicht mehr zwischen grundsteuerpflichtigen und grundsteuerbefreiten Grundstücken unterscheidet. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Einwendungen des Klägers unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles auch mit Blick auf § 139 BGB nicht zur Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides führten. Der Kläger wendet mit seinem Zulassungsantrag ein, § 139 BGB gelte nur für Rechtsgeschäfte, nicht für Satzungen; außerdem stehe § 80 Abs. 2 Satz 2 BbgWG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG der Annahme entgegen, eine Satzung über die Erhebung einer Gewässerunterhaltungsumlage könne bei Fehlern der Regelung zum Umlageschuldner nur teilnichtig sein.

Dies greift nicht. Der Rechtsgedanke des § 139 BGB gilt auch für fehlerhafte Satzungen. Diese sind im Falle eines Satzungsfehlers nur teilnichtig, wenn die Satzung ohne den fehlerhaften Teil objektiv sinnvoll bleibt und anzunehmen ist, dass der Satzungsgeber die Satzung auch ohne den fehlerhaften Teil erlassen hätte (vgl. m. w. N.: Kluge, in: Becker, u. a., KAG Bbg, Rdnr. 610 zu § 6 KAG). Dem steht auch nicht entgegen, dass eine Abgabensatzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG nur dann wirksam ist, wenn sie den Kreis der Abgabenschuldner, den Abgabentatbestand, den Abgabenmaßstab, den Abgabensatz und den Fälligkeitszeitpunkt der Abgabe wirksam regelt, was wegen § 80 Abs. 2 Satz 3 BbgWG auch für Umlagesatzungen gilt. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG schließt zwar einen Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 139 BGB aus, wenn eines der genannten Regelungselemente ganz fehlt oder insgesamt unwirksam geregelt ist; bei der Prüfung der Frage, ob eines der Regelungselemente insgesamt unwirksam geregelt ist oder nicht, gilt § 139 BGB indessen sehr wohl. Dementsprechend führt ein Fehler der Regelungen zum Abgabenschuldner auch nicht notwendigerweise dazu, dass diese Regelungen insgesamt unwirksam sind mit der Folge, dass wegen § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG auch die Satzung insgesamt unwirksam ist.

b) Dass die Gewässerunterhaltungsumlage nach § 4 Abs. 1 US 2012 nach der auf volle Quadratmeter aufgerundeten Fläche des Grundstücks bemessen wird, führt schon deshalb nicht zu einem Satzungsfehler, weil die Grundstücksfläche im Liegenschaftskataster und Grundbuch ohnehin nur in vollen Quadratmetern angegeben wird (vgl. schon OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 18. Februar 2014 - OVG 9 N 25.13 -, juris, Rdnr. 5).

c) Auch die "Durchgriffsrügen" des Klägers gegen die Festlegung des von der Gemeinde an den Wasser- und Bodenverband zu zahlenden Gewässerunterhaltungsbeitrages greifen nicht.

aa) Soweit an der Aufstellung des Gewässerunterhaltungsplans für 2012 und an der Festlegung des Gewässerunterhaltungsbeitrages für 2012 mangels Regelung in der Verbandssatzung nur ein "faktischer" Verbandsbeirat mitgewirkt hat, ist dieser Fehler wegen § 2a Abs. 5 GUVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 3 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bildung von Gewässerunterhaltungsverbänden vom 5. Dezember 2013 (GVBl. I Nr. 39) nunmehr unbeachtlich. Die Vorschrift wirkt auf den 1. Januar 2009 zurück (Artikel 2 Abs. 2 des Ersten Änderungsgesetzes). Sie führt eben wegen dieser Rückwirkung in allen noch offenen Fällen betreffend die Festsetzung der Gewässerunterhaltungsumlage dazu, dass die Rüge der fehlenden Beteiligung eines - auf satzungsmäßiger Grundlage tätigen - Verbandsbeirats nicht mehr erhoben werden kann. Der Gesetzgeber hat die Anforderungen des § 2a GUVG insoweit gleichsam rückwirkend abgesenkt mit der Folge, dass Umlagesatzungen, die vor Bekanntmachung des Ersten Änderungsgesetzes mit dem Argument einer fehlerhaften Beiratsbeteiligung als nichtig anzusehen gewesen sind, nunmehr mit diesem Argument nicht mehr angegriffen werden können. Der Erlass einer neuen Umlagesatzung zur Fehlerheilung ist insoweit nicht notwendig. Aus dem vom Zulassungsantrag angesprochenen Urteil des VG Potsdam vom 30. Mai 2013 - VG 6 K 1638/12 - folgt nichts anderes, weil es vor Bekanntgabe des Ersten Änderungsgesetzes ergangen ist. Auch aus dem Beschluss des erkennenden Senats vom 16. September 2014 - OVG 9 N 53.13 -, juris, Rdnr. 22, folgt nichts anderes; in dem betreffenden Verfahren ist § 2a Abs. 5 GUVG wegen des fristgebundenen Darlegungserfordernisses des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht berücksichtigungsfähig (vgl. a. a. O., Rdnr. 15).

bb) Soweit der Kläger meint, der von der Gemeinde zu zahlende Gewässerunterhaltungsbeitrag sei überhöht, weil der Wasser- und Bodenverband einen erheblichen Teil seiner Aufgaben nicht durch eigenes Personal und Material erfüllen lasse, sondern insoweit Fremdvergaben an Unternehmen vornehme, ist diese Rüge unsubstantiiert. Auch wenn die Wasser- und Bodenverbände - wie alle Körperschaften des öffentlichen Rechts - der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung verpflichtet sind, steht ihnen hinsichtlich des Umfangs und der Durchführung der Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung im Einzelnen ein Ermessen zu. Dem entspricht es, die Beitrags- und die Umlagefähigkeit von Unterhaltungskosten unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten gerichtlich nur auf die Einhaltung der äußersten Vertretbarkeitsgrenze hin zu untersuchen; eine - auch nur stellenweise - weitergehende Prüfung würde der Aufgabenverteilung zwischen Verwaltung und Gerichten nicht gerecht (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 25. Februar 2014 - OVG 9 N 50.13 -, juris, Rdnr. 12). Dafür, dass die danach auch hier maßgebliche äußerste Vertretbarkeitsgrenze überschritten ist, gibt das Zulassungsvorbringen indessen nichts her. Fremdvergaben mögen den Nachteil haben, dass das insoweit zu zahlende Entgelt eine Gewinnmarge des beauftragten Unternehmers einschließt und dass auf das Entgelt auch Umsatzsteuer zu leisten ist. Das bedeutet indessen nicht, dass die Aufgabenerledigung im Wege der Fremdvergabe schlechterdings unvertretbar wäre; sie muss nicht um die Gewinnmarge des beauftragten Unternehmens und die Umsatzsteuer teurer sein als eine Aufgabenerledigung mit eigenen Kräften und eigenem Material, weil der beauftragte Unternehmer möglicherweise Einsparpotentiale hat, die dem Wasser- und Bodenverband nicht offen stehen. Zudem entgeht der Wasser- und Bodenverband durch die Fremdvergaben möglicherweise auch bestimmten Ausfallrisiken im Personal- und Materialbereich. Die Dinge können insoweit nicht nur unter Herausgreifen einzelner Gesichtspunkte bewertet werden. Angesichts dessen genügt es für eine substantiierte Behauptung einer Verletzung der äußersten kostenmäßigen Vertretbarkeit auch nicht, plakativ nur einzelne Gesichtspunkte zu einem angeblich unwirtschaftlichen Verhalten vorzubringen (vgl. auch hierzu OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 25. Februar 2014 - OVG 9 N 50.13 -, juris, Rdnr. 12). Dass die Wasser- und Bodenverbände nicht gehalten sind, bestimmte personelle und technische Mittel allein für die Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung und andere Mittel allein für andere Aufgaben einzusetzen, hat der Senat bereits entschieden (vgl. a. a. O., Rdnr. 13).

cc) Ebenfalls unsubstantiiert ist die Rüge, der Wasser- und Bodenverband habe den Gewässerunterhaltungsbeitrag für 2012 zu hoch bemessen, weil er sich unter Verstoß gegen § 80 Abs. 1 Satz 2 BbgWG nicht hinreichend um die Erhebung von Erschwernisbeiträgen gekümmert habe oder im Jahr 2012 habe perspektivisch kümmern wollen. Nach den Angaben des Klägers hat der Verband in 2012 Erschwernisbeiträge von insgesamt über 37.000 Euro erhoben. Der Kläger meint, das sei in Ansehung des § 80 Abs. 1 Satz 2 BbgWG noch zu wenig gewesen. Er beruft sich insoweit auf Rechtsprechung, wonach die Erschwerniskosten "regelmäßig" etwa 10 % des Beitragsaufkommens erreichen (so u. a. VG Magdeburg, Urteil vom 2. Februar 2012 - 9 A 106/10 - juris, Rdnr. 43), sowie darauf, dass im Jahr 2013 Erschwerniskosten von insgesamt über 53.000 Euro erhoben worden seien. Auch das sind indessen nur plakative Gesichtspunkte, aus denen sich nicht ergibt, welche Unterhaltungserschwernisse im Zeitpunkt der Beitragsfestlegung für das Jahr 2012 in Ansehung der geplanten Unterhaltungsarbeiten absehbar waren, welche bezifferbaren Mehrkosten insoweit absehbar waren und als mit vertretbarem Aufwand eintreibbar erschienen.

2. Der Rechtssache kommt mit Blick auf die Darlegungen des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wenn für die erstinstanzliche Entscheidung eine bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung gewesen ist, die auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre und deren Klärung in einem Berufungsverfahren im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Eine solche Frage zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.

Die vom Zulassungsantrag angesprochene Frage, ob und inwieweit § 2a Abs. 5 GUVG unmittelbar zur "Heilung" einer fehlerhaften Beiratsbeteiligung und der nichtigen Umlagesatzung führe, lässt sich - wie oben geschehen - auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres dahin beantworten, dass die Beteiligung eines faktischen Verbandsbeirats wegen der rückwirkenden Einfügung des § 2a Abs. 5 GUVG aus heutiger Sicht ausgereicht hat, um die Festlegung des Verbandsbeitrages unter dem Blickwinkel der Beiratsbeteiligung als rechtmäßig erscheinen zu lassen mit der Folge, dass die betreffende Rüge auch in Bezug auf "alte" Umlagesatzungen nicht mehr greift.

3. Aus den Darlegungen des Rechtsmittelführers ergibt sich nicht, dass ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Unbeschadet der Frage, ob sich der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts in Ansehung eines Urteils der 6. Kammer überhaupt eine Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) hinsichtlich der Beiratsbeteiligung hätte aufdrängen müssen, ist nicht ersichtlich, dass ein Aufklärungsmangel insoweit ergebnisrelevant gewesen wäre; dem steht die rückwirkende Geltung des § 2a Abs. 5 GUVG entgegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).