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Asyl, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung


Metadaten

Gericht VG Cottbus 5. Kammer Entscheidungsdatum 11.07.2014
Aktenzeichen 5 L 85/14.A ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Den Antragstellern wird unter Beiordnung der zur Vertretung bereiten Frau Rechtsanwältin E. Prozesskostenhilfe für das Verfahren 5 L 85/14.A bewilligt.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Prozesskostenhilfe war zu bewilligen, weil zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife offen war, ob mit Blick auf das Verfahren von F., des jüngsten Kindes der Antragstellerin zu 1. (nunmehr Antragsteller im Verfahren 5 L 190/14.A), ein inländisches Abschiebungshindernis bestanden hat.

Der sinngemäße Antrag der Antragsteller,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 18. März 2014 (5 K 390/14.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. März 2014 anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit des Bescheides bestehen nicht. Zwar entbehrt der Bescheidtenor „Die Abschiebung Italien wird angeordnet.“ der Präposition „nach“. Der Kontext des Bescheides und seine Begründung lassen jedoch keine vernünftigen Zweifel darüber aufkommen, dass von den durch den Antragsteller in Betracht gezogenen Varianten „Abschiebung durch Italien/ in Italien/ nach Italien/ wegen Italien“ das Bundesamt nur eine Abschiebung nach Italien angeordnet hat.

Das Bundesamt hat auch nicht etwa konkludent den Selbsteintritt i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 erklärt. Eine konkludente Erklärung wäre mit der ausdrücklichen Feststellung unvereinbar, dass das Asylbegehren im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne Erfolg bleibt. Darin kommt eindeutig zum Ausdruck, dass die Bundesrepublik Deutschland sich einer Sachprüfung gerade verschließt, ohne dem Antrag die materielle Berechtigung abzusprechen. Im Übrigen tritt das Bundesamt nicht schon dann in eine Sachprüfung ein, wenn es nach einer Vorprüfung das Dublin-Verfahren ausscheidet und die Drittstaatenregelung anwendet. Insoweit bildet die Sachprüfung nicht etwa ein notwendiges Durchgangsstadium. Vielmehr verbleibt es hierbei im Vorfeld einer Sachprüfung.

Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung nach Italien erweist sich als voraussichtlich rechtmäßig. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG setzt voraus, dass der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden soll und dass feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG und BVerwGE 147, 329f. Rn. 38).

Sie ist zusammen mit ihren Kindern aus zweiter Ehe, den Antragstellern zu 2.-4. und ihrem Bruder (Antragsteller im Verfahren 5 L 84/14.A) über Lampedusa am 17. Juli 2011 nach Italien eingereist, wo sie als Flüchtlinge anerkannt wurden und Aufenthaltstitel erhielten. Im Januar 2013 reisten die Antragsteller zusammen mit dem Bruder der Antragstellerin zu 1. nach Norwegen. Wegen der Zuständigkeit Italiens wurden sie auf dem Luftwege nach Italien am 14. Juli 2013 zurückgeschoben. Von Italien reisten sie mit dem Bus nach Deutschland, wo sie am 18. Juli 2013 ankamen und am 22. Juli 2013 um Asyl nachsuchten. Die Republik Italien hat am 11. Februar 2014 bestätigt, dass die Antragstellerin zu 1. In Italien den internationalen Flüchtlingsschutz erhalten hatte und das Asylverfahren abgeschlossen worden war. Am 14. Februar 2014 brachte die Antragstellerin ein weiteres Kind zur Welt, den Antragsteller im Verfahren 5 L 190/14.A. Unter dem 7. März 2014 ordnete das Bundesamt die Abschiebung nach Italien an.

Die Republik Italien ist ein sicherer Drittstaat. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind unmittelbar kraft Verfassungsrechts sichere Drittstaaten (BVerfGE 94, 49/88). Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG erfasst dabei den jeweils aktuellen Bestand der Mitgliedsstaaten (BVerfGE 94, 49/89). Wer aus einem sicheren Drittstaat einreist, bedarf keines asylrechtlichen Schutzes, weil er bereits dort hätte Schutz vor politischer Verfolgung finden können (BVerfGE 94, 49/95). Folgerichtig kann sich der Ausländer auch nicht auf Abschiebungsverbote oder -hindernisse berufen (BVerfGE 94, 49/95 expressis verbis zu §§ 51 und 53 AuslG). Anders als bei sicheren Herkunftsstaaten, räumt Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG den Behörden kraft Verfassungsrechts die Möglichkeit ein, den Flüchtling in den sicheren Drittstaat zurückzuschicken, ohne dass die Gerichte dies im einstweiligen Rechtsschutz verhindern dürfen. Der vergleich mit Art. 16a Abs. 3 GG macht deutlich, dass eine Prüfung der Sicherheit des Ausländers im Drittstaat im Einzelfall nicht stattfindet (BVerfGE 94, 49/96). Ein Ausländer, der in den sicheren Drittstaat zurückverbracht werden soll, kann den Schutz der Bundesrepublik nicht mit der Begründung einfordern, für ihn bestehe in dem betreffenden Drittstaat keine Sicherheit, weil dort in seinem Einzelfall – trotz normativer Vergewisserung – die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllt würden. Der Ausländer ist mithin mit einer Behauptung ausgeschlossen, in seinem Fall werde der Drittstaat Schutz verweigern. Der Ausländer kann sich nicht darauf berufen, ein – niemals völlig auszuschließendes – Fehlverhalten der Behörden im Drittstaat könne in seinem Fall zu einer Weiterschiebung in den Herkunftsstaat führen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat allerdings Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse ( ausdrücklich zu § 51 Abs. 1 oder § 53 AuslG ) durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind. So kann sich im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EMRK, wonach die Todesstrafe nicht konventionswidrig ist, ein Ausländer gegenüber einer Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat auf das Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 2 AuslG (§§ 60 Abs. 5 Satz 1, 61 Abs. 3 AuslG) berufen, wenn ihm dort die Todesstrafe drohen sollte. Weiterhin kann er einer Abschiebung in den Drittstaat § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) etwa dann entgegenhalten, wenn er eine erhebliche konkrete Gefahr dafür aufzeigt, dass er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat dort Opfer eines Verbrechens werde, welches zu verhindern nicht in der Macht des Drittstaates steht. Ferner kommt der Fall in Betracht, dass sich die für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26a Abs. 3 AsylVfG hierauf noch aussteht. Nicht umfasst vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den Drittstaat sind auch Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird (BVerfGE 94, 49/99f).

Die für die Schutzgewährung durch die Bundesrepublik Deutschland erforderliche Ausnahmesituation liegt ersichtlich nicht vor.

Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der soeben genannten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (BVerfGE 94, 49/100).

In Italien droht den Antragstellern weder die Todesstrafe noch ist zu besorgen, dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zurückweisung oder Rückverbringung nach Italien dort Opfer eines Verbrechens würden, welches zu verhindern nicht in der Macht italienischer Behörden steht. Dass den Antragstellern eine Rückschiebung in den Tschad drohe, behaupten sie selbst nicht. Das Gegenteil trifft zu, nachdem die Antragstellerin zu. 1 in Italien als Flüchtling anerkannt wurde und einen Aufenthaltstitel erhielt.

Soweit sie Mängel rügen, die dem italienischen Asylsystem anhaften sollen, ist dies vorliegend nicht entscheidungserheblich, weil die Antragstellerin kein Asylverfahren mehr zu durchlaufen hat, vielmehr als Flüchtling bereits anerkannt ist. Soweit dies hinsichtlich des Antragstellers zu 2. unterblieben sein sollte, genießt er dieselben Recht wie ein anerkannter Flüchtling, ohne dass ein Asylverfahren erforderlich ist (vgl. Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011.

Den Antragstellern droht in Italien auch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta.

Freilich trifft es zu, dass sich anerkannte Flüchtlinge in Italien selbst um eine Unterkunft kümmern müssen und keine staatlichen finanziellen Hilfeleistungen existieren. Insoweit stehen sie italienischen Staatsangehörigen gleich. Wie allen Italienern steht auch ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu kostenloser medizinischer Versorgung frei (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –Juris Rn. 47).

Dies verstößt nicht gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 – jeweils nach Juris).

Die Grundrechtscharta gebietet nicht, dass die Italienische Republik ein Netz der öffentlichen Fürsorge vorhalten muss (EGMR, Urteil vom 2. April 2013, Nr. 27.725/10 - Mohammed Hussein ./. Niederlande und Italien, Rn. 70f.). Zwar enthält die Grundrechtscharta in Art. 34 eine spezielle Bestimmung über die „Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung“. Abgesehen vom Diskriminierungsverbot des Art. 34 Abs. 2 EU-GR-Charta, schafft diese Bestimmung indes keine Ansprüche oder Rechte. Vielmehr steht die Gewährung sozialer Vergünstigungen ausdrücklich unter der Maßgabe des Unionsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten. Dies gilt nach Art. 34 Abs. 3 EU-GR-Charta auch für die Bekämpfung der Armut und der Obdachlosigkeit (vgl. Ross in Schwarze, EU-Komm. 2. Aufl. Art. 34 Rn. 2 und 11).

Art. 15 EU-GR-Charta (Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten) begründet keinen Anspruch auf Schaffung von Arbeitsplätzen (Schwarze in Schwarze, EU-Komm. 2. Aufl. Art. 15 Rn. 4).

Aus Art. 4 EU-GR-Charta, wonach Folter, unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung unzulässig sind, lässt sich ebenso wenig ein Anspruch auf eine allgemeine öffentliche Fürsorge für die Zeit nach Abschluss des Asylverfahrens ableiten. Gleiches gilt für die wörtlich übereinstimmende Regelung des Art. 3 EMRK. Die zu Art. 3 EMRK ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist auf Art. 4 EU-GR-Charta übertragbar. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Situation materieller Armut gegen die EMRK verstößt, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stets hervorgehoben, dass die Konventionsstaaten nicht dazu verpflichtet sind, allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen das Recht auf eine Unterkunft zu gewähren; ob ein Staat entsprechende Mittel zur Verfügung stellt, ist letztlich eine politische, keine rechtliche Frage. Aus Art. 3 EMRK ergibt sich daher auch keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen. Auch können Ausländer aus der Konvention kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat ableiten, um dort weitere medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe wie etwa schwerwiegende Erkrankungen zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. EGMR, Urteil vom 2. April 2013, Nr. 27.725/10 - Mohammed Hussein ./. Niederlande und Italien, Rn. 70; Urteil vom 21. Januar 2011, Nr. 30.696/09 - M.S.S ./. Belgien und Griechenland, EUGRZ 2011, 243ff = InfAuslR 2011, 221/222 unter Hinweis auf die Urteile vom 18. Januar 2001, Nr. 27238/95, Ziff. 99 - Chapman ./. Vereinigtes Königreich, ECHR 2001-I, und vom 26. April 2005, Nr. 53566/99, Ziff. 86 - Müslim ./. Türkei; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, InfAuslR 2013, 241ff. m.w.N.; Beschluss vom 25. Oktober 2012- 10 B 16.12 -, InfAuslR 2013, 45, juris Rn. 8.; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 – 6 K 7204/12.A –, juris). Solche Gründe sind im Falle der Antragsteller sind nicht gegeben. Zur medizinischen Versorgung vgl. weiter unten.

Ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta kommt allerdings dann in Betracht, wenn das positive Recht - etwa in Gestalt unionsrechtlichen Sekundärrechts - vorsieht, dass Ausländern während und/oder nach Abschluss ihres Asylverfahrens Unterkunft und angemessene materielle Bedingungen gewährt werden müssen, und wenn der Betroffene vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist (zu Griechenland wegen Untätigkeit entgegen der Verpflichtungen aus der Richtlinie 2003/9 vom 27. Januar 2003 (Aufnahmerichtlinie Urteil vom 21. Januar 2011, Nr. 30696/09 - M.S.S ./. Belgien und Griechenland, EUGRZ 2011, 243/244 = InfAuslR 2011, 221/222; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 – 6 K 7204/12.A –, juris).

Die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedsstaaten trifft zwar Regelungen zur Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern. Wird der Ausländer aber – wie hier - als Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter anerkannt, greifen die Regelungen der Richtlinie 2011/95/EU als lex specialis ein.

Die Rechtsstellung anerkannter Flüchtlinge oder von Flüchtlingen mit subsidiärem Schutzstatus behandelt die Richtlinie 2011/95/EU über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes. Unter Kapitel VII regelt diese Richtlinie ausführlich den Inhalt des internationalen Schutzes. Art. 26 Richtlinie 2011/95/EU (Zugang zur Beschäftigung) schreibt vor, dass der Mitgliedsstaat die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unter den allgemein geltenden Vorschriften gestattet. Dies ist im Falle des Antragstellers auch geschehen. Art. 29 Abs. 1 Richtlinie 2011/95/EU bestimmt, dass anerkannte Asylbewerber in dem Mitgliedsstaat, der die jeweilige Rechtsstellung gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedsstaats erhalten. Aus der Bezugnahme auf die Rechtsstellung der jeweiligen Staatsangehörigen folgt ein Diskriminierungsverbot, aber kein Privilegierungsgebot zu Gunsten der Flüchtlinge, so dass ein Antragsteller nicht beanspruchen kann, besser gestellt zu werden als italienische Staatsbürger, denen keine öffentliche Fürsorge offensteht. Vergleichbares bestimmt Art. 32 Richtlinie 2011/95/EU zum „Zugang zu Wohnraum“. Danach ist den anerkannten Asylbewerbern der Zugang zu Wohnraum unter Bedingungen zu gewähren, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten. Auch insoweit ist eine Benachteiligung durch die Italienische Republik vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich. Ebenfalls ein Diskriminierungsverbot statuiert Art. 30 Richtlinie 2011/95/EU hinsichtlich der medizinischen Versorgung. Die über ein Abschiebungsverbot und ein Aufenthaltsrecht weit hinausgehenden und die soziale Lage von anerkannten Flüchtlingen umfassen behandelnden Bestimmungen der Richtlinie 2011/95/EU legen nahe, dass damit das Rechtsregime der Richtlinie 2033/9/EG für diese Personengruppe vollständig abgelöst werden soll.

Schließlich verstößt die Italienische Republik nicht gegen die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Soweit die Flüchtlingskonvention für den Zeitraum nach einer Asylanerkennung Wohlfahrtsregelungen enthält (Art. 20 ff. GFK), die vom anerkennenden Drittstaat zu beachten und vom Konzept der normativen Vergewisserung mit umfasst sind, gehen diese im Wesentlichen über Diskriminierungsverbote bzw. Gebote zur Inländergleichbehandlung nicht hinaus. Namentlich im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verpflichtet die Flüchtlingskonvention den Drittstaat zur Inländergleichbehandlung (vgl. Art. 23, 24 GFK). Letztere ist aber nach den aktuellen Erkenntnissen in Italien, wo einem anerkannten Asylbewerber hinsichtlich Aufenthalt, Freizügigkeit, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung dieselben Rechte wie italienischen Staatsangehörigen zustehen, gegeben (VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 – 6 K 7204/12.A –, juris).

Die Gesundheitsfürsorge wird in Italien grundsätzlich für alle Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, gewährleistet. Allerdings ist eine Anmeldung beim Servizio Sanitario Nazionale obligatorisch. Diese berechtigt dann zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und bei Spezialisten oder zur Aufnahme in ein Krankenhaus. Alle Ausländer sollten sich beim Servizio Sanitario Nazionale melden und registrieren lassen. Dafür benötigen sie ihren Aufenthaltstitel, ihre Steuernummer, die sie bei der Agenzia delle Entrate erhalten, sowie eine feste Adresse. Selbst wenn kein fester Wohnsitz besteht, kann über Sammeladressen bei der Caritas eine entsprechende Anmeldung erreicht werden. Mit der Registrierung haben alle Zugang zu einem Allgemeinarzt und kostenloser Behandlung. Überweisungen an Spezialisten bzw. Fachärzte werden kostenlos übernommen. Eine ärztliche Versorgung ist im Allgemeinen auch gewährleistet, soweit es um die Behandlung von psychischen bzw. traumatischen Erkrankungen geht. Eine kostenlose medizinische Versorgung steht auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13 – Juris Rn. 52).

Schließlich wird auch die Vermutung nicht entkräftet, dass die Republik Italien den besonderen Maßgaben des Art. 20 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU zu Gunsten von schutzbedürftigen Personen gerecht wird. Zu den schutzbedürftigen Personen gehören namentlich Minderjährige und Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern (vgl. Art. 20 Abs. 3 der Richtlinie), also auch die Antragsteller. Ein-Eltern-Familien zählen in Italien zur Gruppe der verletzlichen Personen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien – Aufnahmebedingungen – Oktober 2013 S. 53). Es ist offenbar in Italien allgemein anerkannt, dass jedes Kind untergebracht werden muss. Dies folgt aus dem allgemeinen Kindesschutzrecht. Soweit von Wartezeiten auf Gemeindeunterkünfte in Rom berichtet wird, gilt dies für Familien (Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O. S. 54). Familien als solche gelten in Italien indes nicht als besonders verletzliche Personengruppen (Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O. S. 53). Von Wartezeiten für allein erziehende Mütter mit Kind wird nicht berichtet. Für Mailand findet sich vielmehr die gegenteilige Aussage, dass Frauen und Kinder dort einen Gemeindeplatz ohne Wartezeit erhalten. Weiter bieten kirchliche Einrichtungen Plätze für allein erziehende Mütter mit Kindern (Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O. S. 55). Laut SPAR ist es noch nie vorgekommen, dass eine Familie SPAR verlassen musste und dann keine Unterkunft hatte. Soweit dieser Aussage von Ansprechpartnern der Schweizerischen Flüchtlingshilfe in Abrede gestellt wird, gilt dies wiederum nur für Familien. Soweit dennoch im Zusammenhang mit dem Besuch eines besetzten Hauses in Rom davon berichtet wird, dass allein erziehende Mütter mit Kindern oft keinen Platz in Gemeinde-Unterkünften erhalten, ist schon nicht eindeutig, ob dies auch für diejenigen gilt, die um solche Unterkünfte bei italienischen Behörden nachgesucht haben. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet selbst davon, dass manche Mütter aus Sorge vor Trennung von den Kindern es unterlassen, sich um einen Platz zu bewerben (Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O. S. 54). Im Übrigen wird ausdrücklich festgestellt, dass die Familien nicht auf der Straße belassen würden, wenngleich eine dauerhafte Lösung schwierig ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe a.a.O. S. 55). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, den der Bruder der Antragstellerin zu 1. gestellt hat, mit Beschluss vom gleichen Tage abgelehnt wurde, so dass mit einer gemeinsamen Abschiebung zu rechnen ist, weshalb die Antragsteller auf seinen Beistand zählen können.

Aktuelle gesundheitsbedingte Abschiebungshindernisse bestehen nicht. Insbesondere ist für eine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1. nichts mehr ersichtlich, nachdem seit der Niederkunft nahezu fünf Monate vergangen sind. (Zur Reisefähigkeit des Antragstellers im Verfahren 5 L 190/14.A vgl. den Beschluss vom gleichen Tage zum dortigen Aktenzeichen).

Entscheidungen anderer Stellen, etwa dänischer Behörden, entbinden das Gericht nicht von der Pflicht zur eigenständigen Prüfung.

Es besteht schließlich kein Anlass, an der Bereitschaft der Republik Italien zur Wiederaufnahme der Antragsteller zu zweifeln. In Fällen von anerkannten Flüchtlingen weist zwar das ersuchte Ministerio dell`Interno, Unità Dublino, regelmäßig darauf hin, dass diese Überstellung in den Geschäftsbereich der Polizei fällt, weil das Asylverfahren mit Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgeschlossen wurde. Damit wird indes nicht die Übernahmebereitschaft Italiens bestritten, sondern auf die innerstaatliche Zuständigkeit einer anderen Behörde hingewiesen. Die Verpflichtung der Republik Italien, solche Antragsteller wiederaufzunehmen, ergibt sich indes aus Art. 19 Abs. 1 VO (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zieht die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach sich (vgl. Art. 24 Abs. 1 Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011). Dass die Republik Italien diese Regelungen des Unionsrechts achtet, ist zu vermuten. Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Für die Antragsteller zu 2.-4., die minderjährigen Kinder, folgt die Zuständigkeit Italiens aus Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 343/2003, falls ihnen bislang kein eigener Aufenthaltstitel erteilt worden sein sollte.

Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).