Die Klage ist begründet.
Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung in ihren Rechten verletzt, da dieser rechtswidrig ist, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –. Unzutreffend geht die Beklagte davon aus, dass der Sohn der Klägerin im Streitzeitraum über ausreichende Mittel verfügte, um sich selbst zu unterhalten, da sie rechtsfehlerhaft die Grundsicherungsnachzahlungen bei der Berechnung der B zur Verfügung stehenden Mittel berücksichtigt hat.
Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung besteht für ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" wird im Gesetz nicht näher umschrieben. Durch die Verweisung in § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG auf § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG hat der Gesetzgeber aber klargestellt, dass der steuerrechtliche Begriff des Außerstandeseins zum Selbstunterhalt seit der Systemumstellung zum 1. Januar 1996 auch im Kindergeldrecht anzuwenden und somit eine einheitliche steuerrechtliche Auslegung geboten ist (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 43/02, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs/Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV – 2004, 191).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – BFH – ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Das ist der Fall, wenn seine Behinderung einer Erwerbstätigkeit entgegensteht und das Kind über keine anderen bedarfsdeckenden Einkünfte und Bezüge verfügt (vgl. BFH-Urteile vom 12. November 1996 III R 53/95, BFH/NV 1997, 343, und vom 14. Juni 1996 III R 13/94, BStBl II 1997, 173; Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach – HRR –, Kommentar zum EStG, Loseblattsammlung, Stand: 4/2010, § 32 EStG Rn 118).
Um die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu erfüllen, reicht es nicht, dass ein Kind körperlich, geistig oder seelisch behindert ist. Es muss vielmehr gerade wegen seiner Behinderung außerstande sein, sich selbst zu unterhalten. Ist das Kind trotz seiner Behinderung in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu. Nur diese Auslegung entspricht dem gesetzgeberischen Willen, bei hinreichender Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes kein Kindergeld zu gewähren (vgl. BFH-Urteile vom 4. November 2003 VIII R 43/02, a.a.O.; vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2000, 72).
Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein behindertes Kind dann imstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines gesamten notwendigen Lebensbedarfs ausreicht (vgl. Urteile vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BStBl II 2000, 72, und vom 15. Oktober 1999 VI R 40/98, BStBl II 2000, 75). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt misst sich danach an zwei Bezugsgrößen, nämlich dem gesamten Lebensbedarf des Kindes einerseits und seinen finanziellen Mittel andererseits.
Der gesamte existentielle Lebensbedarf des behinderten Kindes setzt sich typischerweise aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen, den gesunde Kinder nicht haben (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72; BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2001 VI B 178/01, BStBl II 2002, 486). Erbringt der Steuerpflichtige hinsichtlich des individuellen behinderungsbedingten Mehraufwandes keine Einzelnachweise, kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag aus § 33b Abs. 1 bis 3 EStG als Anhalt für den betreffenden Mehrbedarf dienen (vgl. BFH-Urteile vom 19. August 2002 VIII R 17/02, BStBl II 2003, 88; VIII R 51/01, BStBl II 2003, 91).
Die in diesem Zusammenhang anzustellende Berechnung hat nach dem Monatsprinzip zu erfolgen. Denn zum einen wird die für behinderte Kinder maßgebliche Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG von der Jahresgrenzbetragsregelung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG – anders als die Nr. 1 und 2 des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG – nicht erfasst. Zum anderen ist das Kindergeld in §§ 66 Abs. 1, 71 EStG als ein Monatsbetrag bezeichnet und wird nach § 66 Abs. 2 EStG vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen. Außerdem wird ein Kind nach § 32 Abs. 3 EStG in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt. Entfällt für ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet hat, die Berücksichtigungsfähigkeit im Laufe eines Monats, so wird es für den jeweils angebrochenen Monat voll berücksichtigt. Mithin lässt dies den Schluss zu, dass der Gesetzgeber, soweit er nicht ausdrücklich etwas anderes angeordnet hat, wie z.B. in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, das für die Einkommensteuer grundsätzlich maßgebliche Jahressteuerprinzip für das Kindergeld durchbrochen hat, so dass auf das Monatsprinzip abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 43/02, a.a.O., mit weiteren Nachweisen).
Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass B in den Monaten September und Oktober 2005 aufgrund der erfolgten Nachzahlungen im Stande war, sich selbst zu unterhalten, so dass die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für diese Monate aufgrund nachträglich eintretender wesentlicher Änderungen in den für den Anspruch auf Kindergeld maßgeblichen Verhältnissen zwingend hätte erfolgen müssen, § 70 Abs. 2 EStG.
Allerdings ist davon auszugehen, dass von der Beklagten sowohl die eigenen, für die Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehenden Mittel von B grundsätzlich zutreffend erfasst wurden wie auch der monatliche Bedarf einschließlich des behinderungsbedingten Mehrbedarfs in den Streitmonaten. Dagegen erhebt die Klägerin auch keine Einwände mit Ausnahme der Berücksichtigung der nachgezahlten Grundsicherungsbeträge.
Deren Einbeziehung erfolgte jedoch zu Unrecht.
Zwar handelt es sich bei den Grundsicherungsleistungen um Bezüge im einkommensteuerlichen Sinne. Bezüge sind alle Einnahmen des Kindes in Geld oder Geldeswert, die nicht im Rahmen der einkommensteuerlichen Einkunftsermittlung erfasst werden sowie die in § 32 Abs. 4 S. 4 EStG genannten Einkünfte (vgl. Grönke-Reimann in HRR, a.a.O., § 32 EStG Rn. 135). Dass es sich bei den Grundsicherungsleistungen um Einkommen des behinderten Kindes handelt, ergibt sich eindeutig aus § 41 SGB XII. Nach dieser Vorschrift erhalten Personen über 18 Jahre bei unter anderem dauerhafter Erwerbsminderung Leistungen der Grundsicherung, soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem Einkommen und Vermögen beschaffen können. Indes sind diese Leistungen gegenüber Unterhaltsansprüchen gegenüber sonst etwa Unterhaltsverpflichteten, wie den Kindeseltern, vorrangig (vgl. BSG-Urteil vom 8. Februar 2007 B 9b SO 5/06, Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2008, 395).
Das Gericht verkennt zudem nicht, dass grundsätzlich sämtliche Einmalzahlungen für Zeiträume außerhalb des Jahres, in welchem der Streitzeitraum liegt, regelmäßig nach dem Zuflussprinzip in dem Kalenderjahr zu berücksichtigen sind, in dem sie anfallen (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 2009 III R 95/06, BFH/NV 2009, 1614 mit weiteren Nachweisen). Davon zu trennen ist die Frage, auf welche Zeiträume innerhalb des Kalenderjahres zufließende Einkünfte und Bezüge entfallen. Hier kommt es darauf an, welchem Zeitraum sie wirtschaftlich zuzuordnen sind (vgl. BFH-Urteile vom 18. März 2009 III R 95/06, a.a.O., und III R 68/07, BFH/NV 2009, 1615, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Jedoch widerspricht die Anrechnung der Nachzahlung einerseits dem mit der Grundsicherungsleistung verfolgten Sinn und Zweck. Wie sich aus § 43 Abs. 2 SGB XII ergibt, wird Grundsicherung selbst dann gewährt, wenn Unterhaltsansprüche des Leistungsberechtigten bestehen könnten. Daraus ergibt sich, dass Grundsicherungsleistungen vorrangig gegenüber Unterhaltsansprüchen sind, also dazu dienen, etwaige Unterhaltsverpflichtete von Unterhaltszahlungen zu entlasten. Im Ergebnis bringt die Grundsicherung im Umfang ihrer Leistung eine Unterhaltspflicht der Eltern zum Erlöschen (vgl. BSG-Urteil vom 8. Februar 2007 B 9b SO 5/06 R, NJW 2008, 395). Diese gesetzgeberische Wertentscheidung ist auch bei der Auslegung und Anwendung des § 32 Abs. 4 EStG zu beachten. Insoweit ist anerkannt, dass geleisteter Unterhalt der Eltern nicht zu den Einkünften und Bezügen des Kindes im Sinne der Vorschrift rechnet (vgl. Blümich/Selder, Kommentar zum EStG, 105 Aufl., § 32 EStG Rn. 118; Schmidt/Loschelder, Kommentar zum EStG, 27. Aufl. 2008, § 32 Rn 54; Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, Loseblattsammlung, Stand: 4/2010, § 32 EStG Rn C 47; Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes – DA-FamEStG 2009 – Ziff. 63.4.2.3.1 Abs. 3 Nr. 3).
Wird jedoch, wie unstreitig im Streitfall, rechtswidrig die Grundsicherung nicht vollständig zeitgerecht ausgezahlt, ist die beim behinderten Kind entstehende Lücke durch andere Leistungen, hier durch Zahlungen der Klägerin in Form von Unterhalt, §§ 1601 ff Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –, zu schließen. Es ist nämlich typisierend davon auszugehen, dass den Eltern Unterhaltsaufwendungen für das Kind entstehen, wenn dessen eigene finanzielle Mittel nicht seinen gesamten Lebensbedarf abdecken (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 2009 III R 37/07, BStBl II 2009, 928). Wird nun bei Nachzahlung des rechtswidrig vorenthaltenen Grundsicherungsbetrages dieser in der im Streitfall erfolgten Weise angerechnet, führt dies im Ergebnis dazu, dass doch wieder diejenige entgegen der gesetzlichen Intention des § 43 Abs. 2 SBG XII zumindest teilweise den Kindesunterhalt endgültig tragen muss, die davon bei rechtmäßigem Verhalten des Sozialleistungsträgers freigestellt gewesen wäre.
Hinzu kommt andererseits, dass die Anrechnung der Nachzahlungen auch im Rahmen des § 32 Abs. 4 EStG selbst zu Wertungswidersprüchen führt, da, wie oben ausgeführt, elterliche Unterhaltsleistungen im Übrigen gerade nicht als Einkommen oder Bezug berücksichtigt werden. Dies geschieht jedoch, wenn die Nachzahlungen isoliert als dem Zuflussprinzip unterliegende Geldbeträge betrachtet werden, mit denen B seinen Lebensunterhalt jedenfalls in den Zuflussmonaten, wie dies die Beklagte angenommen hat, bestreiten könnte. Rechtsfehlerhaft blendet die Beklagte dabei aus, dass während des Zeitraums der Kürzung der Grundsicherungsleistungen der Unterhalt von B lediglich durch Leistungen der Klägerin abgedeckt werden konnte, die jedoch, ginge es um aktuelle Zeiträume, im Rahmen entsprechender Lebensbedarfs- und Leistungsfähigkeitsberechnungen nicht zur Annahme führen würden, B sei finanziell in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Durch die Verlagerung der rechtswidrig dem Kind vorenthaltenen Leistungen soll dies nach Auffassung der Beklagten nun anders sein, indem zumindest für zwei Monate eine überschießende Leistungsfähigkeit von B gegeben sein soll. Dafür vermag das Gericht keinen rechtlich tragfähigen Grund zu erkennen.
Durften die Nachzahlungen nicht in der geschehenen Weise angerechnet werden, ist die streitgegenständliche Aufhebung der Kindergeldfestsetzung rechtswidrig.
Es kann deshalb auch offen bleiben, ob die Nachzahlungen nicht ganz oder teilweise gleichmäßig auf sämtliche Monate des Jahres 2005 zu verteilen gewesen wären.
Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wird die Revision zur Rechtsfortbildung zugelassen, da die Frage im Raume steht, ob die vorliegende Fallgestaltung eine Abweichung von Zuflussprinzip erfordert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.