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Entscheidung 4 C 293/13


Metadaten

Gericht AG Königs Wusterhausen Entscheidungsdatum 25.03.2014
Aktenzeichen 4 C 293/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Das gegen den Richter am Amtsgericht ... gerichtete Ablehnungsgesuch des Klägers vom 05.12.2013 wird für begründet erklärt.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten mit der am 04.02.2013 eingereichten Klage die Räumung und Herausgabe einer 2-Zimmer-Wohnung in Bestensee mit Wirkung zum 28.02.2013.

Nach Eingang des Kostenvorschusses am 28.02.2013 ordnete der Richter am 05.03.2013 das schriftliche Vorverfahren an und setzte für die Klageerwiderung eine Frist von vier Wochen. Diese Verfügung wurde dem Beklagten am 06.03.2013 zugestellt. Nach Eingang der Klageerwiderung am 12.03.2013 bestimmte der Richter am 13.03.2013 einen Haupttermin auf den 16.04.2013 um 11.00 Uhr und unterrichtete zugleich die Betreuungsabteilung von seiner Besorgnis, dass der Beklagte psychisch erkrankt sein könnte. Der Betreuungsrichter leitete daraufhin unter dem Aktenzeichen ... ein Prüfverfahren ein und teilte dies am 18.03.2013 der Zivilabteilung mit. Mit Telefax vom 18.03.2013 beantragte der Klägervertreter die zeitliche Verlegung des Termins wegen einer Terminskollision mit einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Charlottenburg und legte zugleich das dortige Ladungsschreiben vor. Der Richter verfügte am 19.03.2013 die Verlegung des Termins auf den 16.04.2013, 16.00 Uhr. Diese Ladung wurde dem Klägervertreter am 21.03.2013 zugestellt.

Im Ergebnis der Hauptverhandlung am 16.04.2013 beschloss der Richter, dass ein neuer Termin von Amts wegen bestimmt werden solle. Mit Verfügung vom 18.04.2013 teilte der Richter seine in der Hauptverhandlung über den Beklagten gewonnenen Eindrücke dem Betreuungsgericht mit. In diesem Vermerk heißt es unter anderem: "Es wäre daher zu prüfen, ob für den Beklagten ein Pfleger gemäß § 57 ZPO für den Rechtsstreit zu bestellen ist. Es soll jedoch zunächst das Betreuungsverfahren abgewartet werden, weil sich derzeit eine Gefahr im Verzug im Sinne des § 57 Abs. 1 ZPO noch nicht aufdrängt."

Mit Schriftsatz vom 28.05.2013, bei Gericht eingegangen am 29.05.2013, bat der Klägervertreter um Sachstandsmitteilung, ob für den Beklagten ein Betreuer bestellt wurde. Anderenfalls regte der an, für den Beklagten einen Verfahrenspfleger zu bestellen, um in der Sache voranzukommen. Mit richterlicher Verfügung vom 29.05.2013 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass er nun erstmals einen Antrag auf Prozesspflegerbestellung gestellt habe. Die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 ZPO seien aber gegenwärtig nicht ersichtlich. Zugleich teilte der Richter mit, dass in dem Betreuungsverfahren ein Gutachten beauftragt worden sei, welches Anfang Juli 2013 vorliegen solle. Wenn danach ein vorläufiger Betreuuer bestellt werde, könne die Sache kurzfristig terminiert werden. Nachdem sich der Richter Mitte Juli 2013 von Amts wegen nach dem Stand des Betreuungsverfahrens erkundigt hatte, schrieb er am 18.07.2013 an den Beklagten unter anderem Folgendes: "Der Beklagte wird ... darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, ihm im vorliegenden Rechtsstreit einen Prozesspfleger gemäß § 57 Abs. 1 ZPO zu bestellen ... Es ist beabsichtigt, hierzu Rechtsanwalt ... zu bestellen. Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zugang dieser Verfügung." Eine Abschrift dieser Verfügung wurde dem Klägervertreter und auch Rechtsanwalt ... übersandt.

Mit Telefax vom 28.08.2013 bat der Klägervertreter um Sachstandsmitteilung, ob zwischenzeitlich ein Prozesspfleger bestellt sei. Mit richterlicher Verfügung vom 04.09.2013 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass von dem Amtsgericht derzeit nichts zu veranlassen sei, nachdem der Kläger die Voraussetzungen für die Bestellung eines Prozesspflegers bisher nicht glaubhaft gemacht habe. Eine Abschrift dieser Verfügung wurde dem Beklagten und auch Rechtsanwalt ... übersandt. Mit Schriftsatz vom 10.09.2013 fragte der Klägervertreter unter Bezugnahme auf die richterliche Verfügung vom 18.07.2013 irritiert nach, legte seine abweichende Ansicht zur Prozessfähigkeit des Beklagten dar, erhob die Verzögerungsrüge nach dem GVG, wies auf die Beschleunigungsverpflichtung für Räumungsverfahren gemäß § 272 Abs. 4 ZPO hin und bat um eine rechtsmittelfähige Entscheidung. Mit Verfügung vom 16.09.2013 forderte der Richter den Klägervertreter zur Mäßigung auf und empfahl ihm den Einblick in die Kommentarliteratur. Mit Beschluss vom 23.09.2013 lehnte das Betreuungsgericht die Bestellung eines Betreuers für den Beklagten wegen seines entgegenstehenden Willens ab und teilte dies am 25.09.2013 zu der Zivilakte mit. Mit Telefax vom 26.09.2013 verzichtete der Klägervertreter im Interesse des Fortgangs des Verfahrens auf die Stellung eines aus seiner Sicht gebotenen Befangenheitsantrags und forderte das Gericht auf, das Verfahren weiterzubetreiben.

Mit richterlicher Verfügung vom 01.10.2013 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass für den Beklagten weiterhin ein Prozesspfleger zu bestellen sei. Allerdings fehle es weiterhin an der Glaubhaftmachung durch den Kläger, dass in der Sache im Sinne des § 57 ZPO "Gefahr im Verzuge" sei. Daraufhin legte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 09.10.2013 zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Erklärung des Klägers vor und bat erneut um den Erlass einer rechtsmittelfähigen Entscheidung. Die Akte wurde dem Richter am 10.10.2013 zur weiteren Bearbeitung vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 14.11.2013 bat der Klägervertreter um eine Sachstandsmitteilung. Am 04.12.2013 um 16.55 Uhr ging sodann per Telefax ein Befangenheitsantrag des Klägervertreters gegen den Richter am Amtsgericht ... ein (Bl. 96 d. A.). Dieser wurde mit einer Verletzung der Verfahrensförderungspflicht unter Hinweis auf § 272 Abs. 4 ZPO begründet.

Der abgelehnte Richter fertigte daraufhin am 06.01.2014 eine dienstliche Stellungnahme (Bl. 103 d. A.). Die dienstliche Äußerung ist den Parteien mit Verfügung des Unterzeichners vom 09.01.2014 zugeleitet worden. Der Klägervertreter hat hierzu mit Schriftsatz vom 15.01.2014 Stellung genommen und an seinem Antrag festgehalten. Der Beklagte hat keine Stellung genommen.

II.

Das Befangenheitsgesuch ist gemäß §§ 43, 44 ZPO formgerecht angebracht und zugleich begründet.

1. Nach § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Nach einhelliger Auffassung braucht ein Richter hierbei objektiv nicht befangen zu sein; es genügen Gründe, die vom Standpunkt einer vernünftigen Partei die Annahme rechtfertigen, der abgelehnte Richter nehme dem Ablehnenden gegenüber eine innere Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könne. Wenn es danach bei der Prüfung der Ablehnungsfrage auch auf den Standpunkt des Ablehnenden ankommt, so bedeutet das doch nicht, dass etwa nur seine eigene Einstellung maßgebend sei. Der Ablehnende muss vielmehr vernünftige Gründe für sein Ablehnungsgesuch vorbringen, die jedem unbeteiligten Dritten einleuchten.

2. Solche Gründe sind mit dem Befangenheitsgesuch des Klägers vom 05.12.2013 vorgetragen.

a) Es ist allgemein anerkannt, dass unter Umständen auch eine ungebührliche Verfahrensverzögerung Zweifel daran aufkommen lassen kann, ob der Richter der Sache unvoreingenommen gegenübersteht (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Auflage, § 42, Rn. 24 m. w. N.). So kann ein Ablehnungsgrund darin liegen, dass das Gericht die Entscheidung über einen Antrag der Partei verzögert und auch Erinnerungen oder Sachstandsanfragen der Partei unbeantwortet lässt (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1999, 444 f.; auch OLG Oldenburg, FamRZ 1992, 192 f.). Hierbei kommt es darauf an, ob im konkreten Einzelfall eine verständige Partei aufgrund der Nichtbeachtung des gestellten Antrags die Befürchtung haben konnte, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber oder ob über die Untätigkeit des Richters hinaus Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit gegeben waren.

b) Aus der oben geschilderten Prozesshistorie ergibt sich, dass der zunächst von dem abgelehnten Richter sehr zügig betriebene Räumungsprozess nach der Hauptverhandlung im April 2013 im Hinblick auf das durch den Richter veranlasste Betreuungsverfahren gegen den Beklagten ins Stocken geraten ist und sodann Anfang Oktober 2013 nach dem Abschluss des Betreuungsverfahrens ganz zum Erliegen kommt. Weder auf den Antrag des Klägers vom 09.10.2013 noch auf seine Sachstandsanfrage vom 14.11.2013 erfolgte eine Reaktion des abgelehnten Richters auf den bereits im Mai 2013 gestellten Antrag nach § 57 Abs. 1 ZPO. Diese Untätigkeit muss für den Klägervertreter - auch vor dem Hintergrund der besonderen Verfahrensförderungspflicht des Gerichts gemäß § 272 Abs. 4 ZPO - umso irritierender gewesen sein, da der Richter zuvor stets sehr zeitnah, oft sogar schon am gleichen Tag, reagiert hatte. Eine ungebührliche Verfahrensverzögerung, die im Weiteren trotz zweifacher Erinnerung durch die Partei nicht beendet wurde, ist daher jedenfalls ab Anfang Oktober 2013 festzustellen.

c) Für sich allein würde die dargestellte Verfahrensverzögerung - sie dauerte zum Zeitpunkt des Befangenheitsantrags erst knapp zwei Monate an - und die hierin liegenden Behinderung der Parteirechte noch nicht die Besorgnis der Befangenheit des Richters rechtfertigen. Es treten im vorliegenden Fall jedoch besondere, verstärkende Umstände hinzu, die dieser Untätigkeit ein Gepräge geben, das einen Befangenheitsantrag auch schon in diesem frühen Stadium der Verfahrensverzögerung begründet. Zum einen lag der Anfang Dezember 2013 gestellte Befangenheitsantrag mehr als einen Monat unbearbeitet auf dem Schreibtisch des abgelehnten Richters, bevor er diesen mit einer dienstlichen Stellungnahme im Januar 2014 dem für die Entscheidung zuständigen Richter vorlegte. Damit beachtete der abgelehnte Richter die ihm auch nach dem Ablehnungsantrag obliegende Verfahrensförderungspflicht zum Nachteil des Klägers nicht ausreichend. Zum anderen hatte der abgelehnte Richter bereits im Juli 2013 die von dem Kläger beantragte Bestellung eines Prozesspflegers offensichtlich positiv geprüft und diese dem Beklagten unter Fristsetzung konkret angekündigt. In seiner weiteren Bearbeitung des Falles kam er hierauf nicht mehr zurück. Diese nicht aufgeklärte Widersprüchlichkeit des richterlichen Verhaltens berechtigt den Kläger durchaus dazu, an einer unparteiischen Prozessführung durch den Richter zu zweifeln. Wenn zu all dem noch hinzutritt, dass der Richter auch in seiner dienstlichen Äußerung ohne jede Begründung an einem mit dem Wortlaut des § 272 Abs. 4 ZPO nicht im Einklang stehenden Gesetzesverständnis festhält und von ihm auch kein Bemühen entfaltet wurde, dem Kläger durch eine rechtsmittelfähige Entscheidung die Überprüfung der geäußerten Rechtsauffassungen zu ermöglichen, genügen diese Umstände jedenfalls in ihrer Gesamtheit dafür, dass die Partei zur Ablehnung des Richters berechtigt ist.