Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 24 Qs 147/11


Metadaten

Gericht LG Potsdam 4. Große Strafkammer Entscheidungsdatum 13.12.2011
Aktenzeichen 24 Qs 147/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 07. Juli 2011 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die am 07. November 2011 erfolgte Probenentnahme für die DNA-Analyse rechtswidrig war. Die entnommenen Proben sind zu vernichten.

Die Kosten des Verfahrens sowie die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Königs Wusterhausen verurteilte den Beschwerdeführer am 16. März 2011 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Die Vollstreckung dieser Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Aufgrund dieser Verurteilung beantragte die Staatsanwaltschaft Potsdam am 14. Oktober 2010 die Anordnung einer DNA-Identitätsfeststellung, da Grund zu der Annahme bestehe, der Verurteilte werde in der Zukunft erneut eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen. Da der Verurteilte sich nicht freiwillig zur Entnahme einer Speichelprobe bereit erklärte, ordnete das Amtsgericht Königs Wusterhausen durch Beschluss vom 07. Juli 2011, nach Anhörung des Verurteilten, die Entnahme zweier Speichelproben sowie für den Fall der Weigerung, die Entnahme einer Blutprobe an. Wegen der Begründung des Beschlusses im Einzelnen wird auf Blatt 33 f. DNA-Sonderheft verwiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit anwaltlichen Schreiben vom 13. Oktober 2011 eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten, mit der zugleich die Aussetzung der Vollziehung der Entscheidung beantragt wurde (Blatt 36 DNA-Sonderheft). Begründet wurde die Beschwerde mit Schreiben vom 04. November 2011 dahingehend, dass es sich nicht um ein Verfahren mit besonderer Bedeutung handele.

Am 07. November 2011 wurde dem Beschwerdeführer in der Polizeidirektion Süd (Dezernat Ermittlungsunterstützung) eine Probe für die DNA-Analyse entnommen (Blatt 47 DNA-Sonderheft), eine Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung erfolgte nicht.

Die Beschwerde wurde über die Staatsanwaltschaft Potsdam dem Landgericht Potsdam zur Entscheidung zugeleitet, wo die Akten am 05. Dezember 2011 eingingen.

II.

1.

Gegen den die Entnahme einer DNA-Probe anordnenden Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 07. Juli 2011 ist grundsätzlich die Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO statthaft, weshalb das mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 eingelegte Rechtsmittel nach § 300 StPO als solche ausgelegt wird.

Die Beschwerde ist zulässig, auch wenn am 07. November 2011 – trotz Beschwerdeeinlegung und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 307 Abs. 2 StPO – dem Verurteilten eine Probe für die DNA-Analyse entnommen wurde. Insofern hat sich durch den Vollzug zwar die Anordnung erledigt. Allerdings sieht die Kammer nach wie vor ein Interesse des Beschwerdeführers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme, da die Entnahme der Probe dem Zweck der Datenspeicherung dient (vgl. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 54. Auflage, vor § 296 Rn. 18 f.).

2.

Die Anordnung der Entnahme der Proben für eine DNA-Analyse war rechtswidrig. Die Voraussetzungen nach § 81g StPO liegen nicht vor. Dabei kann es vorliegend dahingestellt bleiben, ob eine Verurteilung wegen unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen nach §§ 1, 3, 29, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 81g Abs. 1 StPO ist, was in der Rechtssprechung kontrovers diskutiert wird. Denn nach dieser Vorschrift muss wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Täters oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme bestehen, dass auch künftig Strafverfahren gegen den Verurteilten wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sein werden.

Insbesondere diese Einschätzung vermag die Kammer aus folgenden Gründen nicht zu teilen:

Mit Urteil vom 16. März 2011 hat das Amtsgericht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt und diese nach § 56 Abs. 2 StGB, also aufgrund besonderer Umstände, die in der Tat bzw. der Persönlichkeit des Verurteilten liegen, zur Bewährung ausgesetzt. Dabei hat das Amtsgericht nicht lediglich auf das Geständnis des Verurteilten abgestellt, sondern auch die Vorstrafen sowie den Zeitpunkt der zurückliegenden Taten gewürdigt. Insgesamt hat es festgestellt, dass der letzten Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz durch das Landgericht Cottbus am 21. Juni 2004 eine Tat vom September 1999, als 12 Jahre vorher, zugrunde lag. Dies hat das Amtsgericht dahingehend gewürdigt, dass der Verurteilte willens und in der Lage ist, entsprechende Schlussfolgerungen aus seinem Verhalten zu ziehen und danach zu handeln.

Vor dem Hintergrund dieser positiven Prognose vermag die Kammer nicht ohne weiteres nachzuvollziehen, mit welcher Begründung das Amtsgericht nunmehr zu der Überzeugung gelangt, dass gerade nicht zu erwarten ist, dass gegen den Verurteilten auch in Zukunft solche Strafverfahren zu führen sein werden. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Prognoseentscheidungen nach § 56 StGB und § 81g StPO nicht zwangsläufig deckungsgleich sein müssen und daher eine Strafaussetzung zur Bewährung einer Anordnung nach § 81g StPO nicht entgegenstehen muss (so zuletzt bereits der Beschluss der Kammer vom 03. November 2011, Az.: 24 Qs 226/19; vgl. hierzu auch Meyer-Goßner, a.a.O., § 81g, Rn. 8 mwN.). Allerdings besteht in einem solchen Fall ein erhöhter Begründungsbedarf, denn die erfolgte Strafaussetzung zur Bewährung begründet zumindest ein Indiz dafür, dass es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit für eine erneute Straffälligkeit fehlt (vgl. BVerfG in NStZ 2001, 330; BVerfG in StV 2009, 1 f.). Insofern bedarf es weiterer Tatsachen und Erkenntnisse, die einzelfallbezogen die Annahme der Wiederholungsgefahr begründen (vgl. OLG Köln, NJW 2005, 521 mwN.).

Diesen Anforderungen wird die amtsgerichtliche Entscheidung nach Auffassung der Kammer nicht gerecht. Der staatsanwaltschaftlichen Stellungnahme vom 27. Juni 2006 folgend, stellt das Erstgericht zur Begründung der Wiederholungsgefahr lediglich auf die Vorstrafen des Verurteilten ab. Allein die Bezugnahme auf die Eintragungen im Bundeszentralregister und darauf aufbauende Feststellungen genügen jedoch in der Regel nicht, um eine Wiederholungsgefahr zu begründen (LG Berlin, Beschluss vom 29.08.2003, Az.: 507 Qs 39/03 – zitiert nach juris). Wenn – wie im vorliegenden Fall – bereits dieser Umstand im Rahmen der Sozialprognose positiv gewürdigt wurde, bedarf es – um verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen – der Darlegung weiterer Umstände sowie einer eingehenden Abwägung, um nunmehr einen Grund für die Annahme der Begehung künftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung tragfähig zu begründen.

Hieran fehlt es vorliegend. So wurde weder der lange Zeitraum der Vortat (1999) bis zur jetzigen Anlasstat berücksichtigt, noch die Umstände, die zur Anlasstat führten oder das Verhalten des Verurteilten nach der Tat und nach der Verurteilung oder seine jetzigen Lebensumstände (vgl. hierzu Meyer-Goßner, a.a.O., § 81g, Rn. 10a). Die erforderliche sog. Negativprognose wurde nicht den Anforderungen des § 81g Abs. 3 Satz 5 StPO entsprechend begründet. Ein Abwägungsvorgang zwischen den jeweiligen Umständen und dem Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 81g, Rn. 19) ist nicht erfolgt. Da die Kammer der Strafakte keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen kann, dass die ursprüngliche Einschätzung des Amtsgerichts, die Eingang in das Urteil vom 16. März 2011 gefunden hat, nicht tragfähig ist und auch sonst keine Erkenntnisse vorliegen, die nunmehr eine Negativprognose rechtfertigen, ist die Anordnung der Entnahme von Körperzellen zur DNA-Identitätsfeststellung rechtswidrig und der angefochtene Beschluss aufzuheben.

3.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Probe für die DNA-Analyse bereits genommen wurden, obwohl bereits mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt wurde, über den vom Amtsgericht nicht entschieden wurde und über den die Kammer, nachdem die Beschwerde am Landgericht erst am 5. Dezember 2011 einging, wegen prozessualer Überholung nicht mehr zu entscheiden war, konnte die Kammer nur noch feststellen, dass die angeordnete und vollzogene Maßnahme rechtwidrig war. Folge hiervon ist, dass die genommenen Proben zu vernichten sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.

……….. ……….. ………….