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Entscheidung 35 IN 748/12


Metadaten

Gericht AG Potsdam Entscheidungsdatum 08.01.2015
Aktenzeichen 35 IN 748/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

In dem Insolvenzverfahren der …

wird die Vergütung des vorläufigen Sachwalters

wie folgt festgesetzt:

28.531,52 €

Vergütung

4.565,04 €

19% Umsatzsteuer

375 € 

Auslagenpauschale

71,25 €

19% Umsatzsteuer

                

33.542,81 €

insgesamt

Gründe

Der vorläufige Sachwalter übte sein Amt in diesem Verfahren vom 13.9.2012 bis zum 13.12.2012 aus. Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2014 hat der vormalige vorläufige Sachwalter beantragt, seine Vergütung festzusetzen. Dabei hat er die Bemessungsgrundlage mit 360.549,51 € angegeben. Mit seinem Antrag begehrt er eine Vergütung in Höhe eines Bruchteils von 85 % der hieraus resultierenden Regelvergütung gem. § 2 Abs. 1 InsVV zuzüglich einer Auslagenpauschale i.H.v. 375 € sowie 19 % Umsatzsteuer i.H.v. insgesamt 5.492,24 €.

Die gesetzlichen Vertreter der Insolvenzschuldnerin wurden zu diesem Vergütungsantrag angehört. Eine Stellungnahme erfolgte durch diese nicht.

I.

Als Basisbruchteil macht der vorläufige Sachwalter einen Regelsatz von 25 % der Verwaltervergütung geltend. Daneben beantragte er die Festsetzung von Zuschlägen gemäß § 3 InsVV in Höhe von insgesamt weiteren 60 % geltend. Hierzu führt der vorläufige Sachwalter aus:

In dem Verfahren waren zahlreiche Besprechungen mit dem Vorstand, den Sanierungsberatern, verschiedenen Lieferanten und Gläubigern sowie Mitarbeitern notwendig. Der Zahlungsverkehr der Insolvenzschuldnerin war festzustellen und Rechnungen sowie Verträge, insbesondere Beraterverträge zu kontrollieren. Dies führte insgesamt zu einer überdurchschnittlich aufwändigen Prüfung der wirtschaftlichen Lage, der Überwachung der Zahlungsflüsse und der hiermit verbundenen Information der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Entsprechend begehrt der vorläufige Sachwalter hierfür einen Zuschlag von 30 %.

Die Insolvenzschuldnerin berichtete im Eröffnungsverfahren mehrfach über einen Sanierungsprozess. Konkrete Angaben über Investoren oder Verhandlungsergebnisse wurden jedoch seitens der Insolvenzschuldnerin bzw. deren Berater nicht gemacht bzw. verweigert. In diesem Rahmen kam es auch zu einer mündlichen Anhörung der Beteiligten vor dem Insolvenzgericht, welche sich angesichts der mangelhaften Informationserteilung der Insolvenzschuldnerin und ihrer Berater auf ca. 8 Stunden erstreckte. Durch den Berater der Insolvenzschuldnerin war im Rahmen der mündlichen Anhörung vorgebracht worden, es läge ein Sanierungskonzept vor. In der Folge wurden Unterlagen, die sich auf die Sanierung des Unternehmens beziehen sollten, übermittelt. Die überlassenen Unterlagen enthielten kein Sanierungskonzept, was die Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit eines Unternehmens bei Aufrechterhaltung seiner Identität bedeutet hätte. Der Vorschlag der Schuldnerin, welcher im Rahmen eines Eigenantragsverfahrens vorgebracht worden war, liefe auf eine nahezu vollständige Liquidation der Schuldnerin hinaus. Auf Fragen erklärten die Vorstände der Insolvenzschuldnerin, dass es keine Ergebnis- und Liquiditätsplanung gäbe. Hierdurch bedingt war eine aufwändige und - wegen des abgelaufenen Insolvenzgeldvorfinanzierungszeitraums - unter erheblichen Zeitdruck erfolgende Prüfung, Erörterung und Stellungnahme zum Sanierungskonzept der Schuldnerin notwendig. Für die damit verbundenen besonderen Belastungen begehrt der vorläufige Sachwalter einen weiteren Zuschlag um 30 %.

II.

Dem vorläufigen Sachwalter steht gemäß § 270a Abs. 1 S. 2, § 274 Abs. 1, § 63 InsO eine angemessene Vergütung zu.

Während der Verordnungsgeber entsprechend § 65 InsO für die in einem Insolvenzverfahren auftretenden Amtsträger Insolvenzverwalter, vorläufige Insolvenzverwalter, Treuhänder und Sachwalter in der InsVV Regelungen für deren Vergütung vorgesehen hat, hat er bei der Einführung des vorläufigen Sachwalters in der Novellierung des § 270a InsO davon abgesehen, die InsVV durch eine Ergänzung zur Vergütung des vorläufigen Sachwalters den neuen Umständen anzupassen. Dementsprechend fehlt es an einer grundlegenden Regelung, welche ähnlich wie § 63 Abs. 3 InsO regelt, in welchem Verhältnis die Vergütung eines vorläufigen Sachwalters zu der eines Sachwalters oder Insolvenzverwalters stehen soll.

Literatur und Rechtsprechung haben versucht, diese Lücke sinnvoll zu schließen. Die dabei gefundenen Lösungsansätze sind jedoch vom Ergebnis her so unterschiedlich, dass sie in der Praxis zu extremen Differenzen in der Umsetzung führen, welche in jedem Fall erhebliche Bedenken an der Angemessenheit des jeweiligen Vergütungsergebnisses entstehen lassen. Die grundsätzliche Frage, welcher Basisbruchteil für die Tätigkeit eines vorläufigen Sachwalters angemessen erscheint, wird unterschiedlich beantwortet. Aus der Kombination der 60 % des § 12 Abs. 1 InsVV mit dem Bruchteil von 25 % des § 63 Abs. 3 S. 2 InsO wird für die Grundvergütung eines vorläufigen Sachwalters teilweise ein Basisbruchteil von 15 % befürwortet (LG Bonn v. 11.10.2013 - 6 T 184/13, ZInsO 2013, 2341 = NZI 2014, 123; AG Essen v. 03.11.2014 - 166 IN 155/13, ZInsO 2014, 2398; AG Essen v. 17.01.2014 - 164 IN 135/13, ZInsO 2014, 464 = NZI 2014, 271; AG Köln v. 13.11.2012 - 71 IN 109/12, ZInsO 2013, 741 = NZI 2013, 97; Plathner, NZI 2014, 125; Mock, ZInsO 2014, 67, 68; Kübler/Prütting/Bork/Pape, § 270a Rdnr. 26; MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 2; MünchKommInsO-Stephan, 3. Aufl. 2013, § 12 InsVV Rdnr. 21; Vallender/Undritz/Bähr: Praxis des Insolvenzrechts, Kap. 16 Rdnr. 229; zuvor noch Graeber|Graeber, InsVV, 1. Aufl. 2013, § 12 Rdnr. 13). Daneben wird auch dafür gehalten, die 25 % des § 63 Abs. 3 S. 2 InsO des vorläufigen Insolvenzverwalters unverändert auf den vorläufigen Sachwalter anzuwenden (Pape, ZInsO 2013, 2129, 2135; Zimmer, ZInsO 2013, 2305; Schur, ZIP 2014, 757; Lorenz/Klanke, InsVV, 2. Aufl. 2014, § 12 Rdnr. 27). Und über eine direkte Anwendung des § 12 Abs. 1 InsVV auf den vorläufigen Sachwalter wird auch eine Basisvergütung von 60 % für dem Grunde nach angemessen angesehen (AG Hamburg v. 20.12.2013 - 67g IN 419/12, ZInsO 2014, 569; AG Göttingen v. 28.11.2012 - 74 IN 160/12, ZInsO 2012, 2413; Graeber|Graeber, InsVV-Online 2015, § 12 Rdnr. 13).

Diese drei grundlegenden Lösungen weisen eine extreme Bandbreite auf. Es erscheint möglich, dass für ein und dieselbe Tätigkeit bei unterschiedlichen Gerichten eventuell nur eine Basisvergütung von 15 %, aber auch eine i.H.v. 60 % angesetzt wird. Ein solcher Unterschied spricht dafür, dass mindestens eins der beiden Ergebnisse sachlich unrichtig sein muss. Eine unterschiedliche Rechtsauffassung, welche entweder zu einer Vervierfachung der Grundvergütung oder eine Reduzierung der Grundvergütung auf ein Viertel führt, spricht dafür, dass die zu Grunde liegende Problematik weder abschließend erfasst noch abschließend erörtert wurde, ohne dass dies bedeuten würde, dass die verschiedenen Lösungsansätze unsachgemäß wären.

In einer solchen Situation erscheint es nicht sachgerecht, die Problematik zu Lasten des vorläufigen Sachwalters zu lösen. Angesichts der sehr großen Differenzen zwischen den extremen Lösungen und der fehlenden Fundierung der Lösung in einer Systematik der InsVV erscheint es nicht sachgerecht, einen vorläufigen Sachwalter auf eine Regelvergütung in der geringsten Höhe von 15 % zu verweisen. Nach Ansicht des Insolvenzgerichts erscheint es vielmehr sachgemäß, für die Vergütung eines vorläufigen Sachwalters grundsätzlich von der einzig verbleibenden Vergütungsnorm aus dem Bereich der Sachwaltung, dem § 12 InsVV, auszugehen und dem vorläufigen Sachwalter eine Regelgrundvergütung von 60 % der Vergütung des § 2 Abs. 1 InsVV zuzubilligen. Die Besonderheiten des Einzelfalls können auch bei einer Zugrundelegung dieses Basisbruchteils durch angemessene Zu- und Abschläge entsprechend § 3 InsVV berücksichtigt werden. Da in diesem Verfahren der vorläufige Sachwalter für seinen Vergütungsanspruch nur von einer Basisregelvergütung i.H.v. 25 % der Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV ausgeht, kann dieser Ansatz für die Vergütungsbemessung durch das Insolvenzgericht übernommen werden, so hierdurch nicht im Ergebnis der Vergütungsantrag des vorläufigen Sachwalters unterschritten wird. Dies ist nicht der Fall.

Den Wert der der vorläufige Sachwalter unterliegenden Vermögensmasse hat der vorläufige Sachwalter nachvollziehbar und sachgerecht mit 360.549,51 € angesetzt. Dieser Betrag setzt sich aus folgenden Einzelpositionen zusammen:

1. ausstehende Einlagen mit einem Wert von 1,00 €

2. Markenrechte mit einem Wert von 4.760 €

3. Altforderungen mit einem Wert von 2.835,53 €

4. nachlaufende Zahlungen aus Betriebsfortführung mit einem Wert von 15.884,12 €

5. einem Kassenbestand mit einem Wert von 104, 88 €

6. einem Bankguthaben mit einem Wert von 25.110,26 €

7. Beteiligungen mit einem Wert von 25.000,00 €

8. Ansprüche gegen den Vorstand der Insolvenzschuldnerin mit einem Wert von 1,00 €

9. weitere Erstattungen mit einem Wert von 106.852,72 €

10.     

Auf der Basis dieses Rechnungswerts im Sinne von § 1 InsVV ergibt sich eine Regelvergütung gemäß § 2 Abs. 1 InsVV von 33.566,49 €.

Entsprechend dem Antrag des vorläufigen Sachwalters diesem hiervon eine angemessene Vergütung i.H.v. 85 % zu zuerkennen. Entsprechend den Ausführungen des vorläufigen Sachwalters in seinem Vergütungsantrag als auch in seinen Zwischenberichten sowie dem Eröffnungsgutachten erscheint es unter Berücksichtigung der konkreten Besonderheiten dieses Verfahrens und den damit zusammenhängenden besonderen Belastungen des vorläufigen Sachwalters angemessen, die vom vorläufigen Sachwalter angesetzte Basisgrundvergütung von 25 % um insgesamt 60 % gemäß § 3 Abs. 1 InsVV auf insgesamt 85 % anzuheben.

Neben der hieraus resultierenden Nettovergütung von 28.531,52 € erhält der vorläufige Sachwalter entsprechend seinem Antrag einer Auslagenpauschale gemäß § 12 Abs. 3 InsVV i.V.m. § 8 Abs. 3 InsVV von ein und 125 € pro Monat, mithin in diesem Verfahren 375 €.

Gemäß § 7 InsVV ist zusätzlich zur Vergütung und zur Auslagenerstattung die vom Insolvenzverwalter zu zahlende Umsatzsteuer i.H.v. 19 % gesondert festzusetzen.

Gegen diesen Beschluss ist gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 InsO die sofortige Beschwerde gem. § 4 InsO, § 569 ZPO binnen einer Notfrist von 2 Wochen zulässig. Die Notfrist entweder beginnt 2 Tage nach der unter www.insolvenzbekanntmachungen.de erfolgten öffentlichen Bekanntmachung oder 3 Tage nachdem der Eröffnungsbeschluss durch das Insolvenzgericht zur Post gegeben wurde, § 8 Abs. 1 Satz 3 InsO. Der jeweils frühere Zeitpunkt ist maßgebend für den Beginn der Beschwerdefrist.

Die Beschwerde ist bei dem hiesigen Gericht, Amtsgericht Potsdam, Hegelallee 8, 14467 Potsdam schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.