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Entscheidung L 37 SF 274/12 EK AS


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 37. Senat Entscheidungsdatum 02.08.2013
Aktenzeichen L 37 SF 274/12 EK AS ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 198ff GVG, ÜberlVfRSchG

Leitsatz

Im Falle der anwaltlichen Vertretung im Ausgangsverfahren ist eine Verzögerungsrüge nur dann als unverzüglich im Sinne des Art 23 GRüGV erhoben anzusehen, wenn sie innerhalb eines Monats ab Inkrafttreten des Gesetzes bei Gericht eingeht.

Die angemessene Dauer des Ausgangsverfahrens richtet sich nach dem Einzelfall.

Hat ein Entschädigungskläger im Rahmen des Ausgangsverfahrens darauf verzichtet, um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen, kann er sich im Entschädigungsverfahren nicht darauf berufen, dass das Klageverfahren im Hinblick auf die geltend gemachten existenzsichernden Leistungen innerhalb weniger Monate hätte abgeschlossen werden müssen.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 geführten Verfahrens unangemessen war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu einem Drittel, die Klägerin zu zwei Drittel zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 4.800,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 geführten Verfahrens.

Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 17. April 2007 beantragte die Klägerin beim später beklagten Jobcenter die Bewilligung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Nachdem das Jobcenter mit Bescheid vom 25. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2007 die Gewährung unter Hinweis auf das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft und die nicht mögliche Prüfung der Hilfebedürftigkeit mangels Vorlage aktueller Einkommensnachweise des Mitbewohners abgelehnt hatte, erhob die bereits seinerzeit durch ihre jetzige Bevollmächtigte vertretene Klägerin am 03. August 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin.

Unter dem 21. August 2007 bestätigte das Sozialgericht Berlin den Eingang der unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 registrierten Klage. Am 22. Oktober 2007 ging - nach zwischenzeitlicher Erinnerung durch das Gericht - die erbetene Stellungnahme des damaligen Beklagten ein. Dieser teilte insbesondere mit, dass er bereits mit Bescheid vom 09. August 2007 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und dem klägerischen Begehren damit entsprochen habe. Mit neun Tage später eingegangenem Schriftsatz wies er schließlich darauf hin, dass sich die Hauptsache nur teilweise erledigt habe. Die Bevollmächtigte der Klägerin erklärte in einem ebenfalls am 31. Oktober 2007 eingegangenen Schriftsatz auf die gerichtliche Bitte vom 24. Oktober 2007 um Abgabe einer das Verfahren abschließenden Erklärung, dass die Klägerin weiterhin keine Leistungen erhalte. Vielmehr sei sie inzwischen erneut aufgefordert worden, ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen und Unterlagen des Mitbewohners vorzulegen. Nachdem sie dies abgelehnt hätte, habe der Beklagte am 28. August 2007 einen Versagungsbescheid erlassen, gegen den Widerspruch eingelegt werde. Nachdem das Gericht den Beklagten Anfang November 2007 gebeten hatte, den Widerspruchsbescheid zu gegebener Zeit zu übersenden, und ihm die Leistungsakten wieder zur Verfügung gestellt hatte, erklärte dieser mit am 13. Dezember 2007 eingegangenem Schriftsatz, keinen Widerspruchsbescheid erlassen zu können, da der Versagungsbescheid trotz anderslautender Rechtsbehelfsbelehrung Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei. Der Schriftsatz wurde der Bevollmächtigten Mitte Januar 2008 mit dem Hinweis übersandt, dass die Auffassung des Jobcenters wohl zutreffen würde, woraufhin diese postwendend um Terminierung der Sache bat. Das Gericht verwies daraufhin auf die Vielzahl vorrangig zu bearbeitender Verfahren, die eine Terminierung unmöglich machten, und verfristete die Sache für drei Monate.

Unter dem 27. Mai 2008 äußerte der damalige Kammervorsitzende unter Bezugnahme auf den Bericht des Prüfdienstes des Jobcenters Zweifel am Vortrag der Klägerin bzgl. des Nichtbestehens einer Bedarfsgemeinschaft und bat um Stellungnahme. Nachdem ihr Mitte Juni 2008 wunschgemäß vom Gericht der genannte Bericht übersandt worden war, trug die Bevollmächtigte Ende Juli 2008 nochmals zur Sache vor. Hierzu nahm der damalige Beklagte Mitte August 2008 Stellung, woraufhin der Kammervorsitzende die Sache schließlich in das sogenannte Entscheidungsfach verfügte.

Mitte August 2009 wurde für den 10. September 2009 ein Erörterungstermin anberaumt. Der streitgegenständliche Zeitraum wurde dort auf die Zeit vom 07. Juli 2007 bis Ende Februar 2008 eingegrenzt, da die Klägerin nach eigenem Bekunden zum 01. März 2008 eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hatte. Mit Schreiben vom 16. September 2009 forderte das Gericht umfangreiche Belege zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit an. Am 03. November 2009 wurden Unterlagen vorgelegt, auf umgehende gerichtliche Nachfrage unter dem 23. November und dem 15. Dezember 2009 ergänzende Stellungnahmen abgegeben und weitere Belege eingereicht. Mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Dezember 2009 wurde das Jobcenter um Stellungnahme gebeten, unter dem 26. Januar und 18. Februar 2010 wurde es durch das Gericht schriftlich, Ende März 2010 durch den Kammervorsitzenden telefonisch erinnert. In dem schließlich am 15. April 2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz stellte das Jobcenter diverse Rückfragen, die der Bevollmächtigten der Klägerin unter dem 26. April 2010 zur Stellungnahme zugeleitet wurden. Die Erwiderung ging am 14. Juni 2010 bei Gericht ein. Der Rechtsstreit wurde als entscheidungsreif angesehen.

Unter dem 09. September 2010 sowie dem 28. Januar 2011 wurde seitens der Klägerin um eine alsbaldige Entscheidung gebeten. Auf ihre Anfrage vom 21. Februar 2011 wurde schließlich Mitte März 2011 ein Termin für den Sommer in Aussicht gestellt. Das Schreiben musste zwei Wochen später erneut abgesandt werden, da es zuvor - aufgrund nicht deutlich angezeigter Verlegung des Kanzleisitzes - mit dem Hinweis, dass der Empfänger nicht zu ermitteln sei, zurückgelangt war.

Unter dem 20. September 2011 bat der Vorsitzende der Kammer in Vorbereitung der Sitzung um die Angabe von Anschriften verschiedener als Zeugen in Betracht kommender Personen. Weiter gab er Gelegenheit mitzuteilen, wann die Klägerin und die Zeugen nicht für einen Termin zur Verfügung stehen würden. Die Antwort ging am 05. Oktober 2011 bei Gericht ein. Anstehende Urlaube wurde nicht mitgeteilt.

Ende Dezember 2011 wurde der Rechtsstreit schließlich auf den 26. Januar 2012 terminiert. Dieser Termin wurde aufgrund einer urlaubsbedingten Verhinderung der Klägerin am 04. Januar 2012 wieder aufgehoben. Am selben Tage - einem Freitag - wurde seitens der Klägerin Verzögerungsrüge erhoben. Ende Februar 2012 erfolgte eine erneute Terminierung nunmehr auf den 22. März 2012. Dieser Termin wurde wegen Verhinderung der Bevollmächtigten der Klägerin aufgehoben. Nachdem es in der für die Bearbeitung des Verfahrens zuständigen Kammer zwischenzeitlich einen Wechsel im Vorsitz gegeben hatte, wurde Mitte Juni 2012 ein Erörterungstermin zur Beweisaufnahme auf den 04. September 2012 anberaumt. Dieser Termin wurde infolge einer Verhinderung der Klägerin aufgehoben. Im August 2012 wurde die Sache dann schließlich auf den 25. September 2012 angesetzt. Im Erörterungstermin am 25. September 2012 verwies die Kammervorsitzende darauf, dass der Versagungsbescheid vom 28. August 2007 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, allerdings rechtswidrig und aufzuheben sein und das Jobcenter den Antrag der Klägerin vom 17. April 2007 auf Gewährung von Leistungen noch zu bescheiden haben dürfte. Nachdem seitens des damaligen Beklagten eine möglichst rasche Bescheidung zugesagt worden war, haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Am 04. Dezember 2012 hat die Klägerin eine Entschädigungsklage erhoben. Zu deren Begründung macht sie geltend, dass noch im Jahre 2007 mit einer Entscheidung in der Sache hätte gerechnet werden können, da sie mittellos und auf staatliche Unterstützung angewiesen gewesen sei. Der Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II sei einfach und übersichtlich gewesen. Sie hätte alle erforderlichen Angaben gemacht. Das Sozialgericht hätte lediglich die Rechtsfrage zu entscheiden gehabt, ob die angefochtenen Bescheide nach den vorliegenden Tatsachenfeststellungen rechtswidrig gewesen seien oder nicht. Diese Frage sei erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2012 erörtert worden. Der zeitnahen Entscheidung sei erhebliche Bedeutung zugekommen. Einerseits sei sie - die Klägerin - gezwungen gewesen, sich existentielle Mittel auf andere Art zu besorgen. Andererseits habe die lange Verfahrensdauer nicht nur sie, sondern auch die Familie, von der sie sich Geld geborgt habe, belastet. Nicht zuletzt habe der Rechtsstreit auch über Jahre hinweg eine Belastung für die Gestaltung des Untermietverhältnisses bedeutet. Sie hätte damit rechnen müssen, dass der Untermieter ausziehe und sie die sichere Untermiete als Einnahmequelle verliere.

Weiter meint sie, dass ihrem Anspruch auf eine Entschädigung nicht entgegen gehalten werden könne, sie habe nicht unverzüglich Verzögerungsrüge erhoben. Soweit in diesem Zusammenhang nach § 121 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kein "schuldhaftes Zögern" erfolgt sein dürfe, bedeute dies, dass die Verzögerungsrüge innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls angemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist bei Gericht habe eingehen müssen. Diese Frist sei in ihrem Fall gewahrt. Denn es müsse die in Rechtsanwaltskanzleien übliche Fristsetzung beachtet werden. Vorliegend habe ihre Bevollmächtigte die Akte am 02. Mai 2011 - unter Berücksichtigung der Bearbeitungszeiten des Sozialgerichts - auf den 29. Dezember 2011 verfristet. Seinerzeit habe noch nicht festgestanden, dass das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) am 24. November 2011 verabschiedet würde. Eine Prüfung zum Wiedervorlagetermin habe sodann ergeben, dass eine Verzögerungsrüge angezeigt sei. Diese sei ohne schuldhaftes Zögern am 03. Januar 2013, also dem ersten Arbeitstag nach dem Jahreswechsel gefertigt und abgeschickt worden. Es sei mithin unverzüglich nach Vorlage der Akte reagiert worden. Im Übrigen sei auch in Rechnung zu stellen, dass kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes Weihnachtsfeiertage angestanden hätten. Ein Abstellen auf eine lediglich zweiwöchige Frist verbiete sich bereits im Hinblick auf den mit der verspäteten Rüge einhergehenden Rechtsverlust. Letztlich sei eine Verzögerungsrüge als unverzüglich anzusehen, sofern sie innerhalb von sechs Monaten ab Inkrafttreten des GRüGV bei Gericht eingehe.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihr wegen unangemessener Dauer ihres unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 vor dem Sozialgericht Berlin geführten Verfahrens eine angemessene Entschädigung in Höhe von mindestens 1.200,00 € für jedes Jahr der Verzögerung ab 2008 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, einem Anspruch auf Entschädigung stehe bereits entgegen, dass die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich erhoben worden sei. Die von der Klägerin geforderte Einzelfallbetrachtung könne zu einer Ausdehnung der Frist ins Unermessliche führen. Es sei vielmehr regelmäßig davon auszugehen, dass eine Verzögerungsrüge, die mehr als einen Monat nach Inkrafttreten des GRüGV erhoben wurde, als verspätet anzusehen sei. Nach Eingang der Verzögerungsrüge bei Gericht sei es nicht zu Verzögerungen gekommen, die dem Gericht anzulasten seien. Im Gegenteil stelle sich die Verzögerungsrüge, die nach Anberaumung eines Termins erhoben worden sei, als rechtsmissbräuchlich dar. Die mit der Verzögerungsrüge verbundene Warnfunktion sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu erreichen gewesen. Abgesehen davon aber sei das Verfahren auch von Besonderheiten geprägt, die seine Dauer trotz der objektiven Länge nicht als unangemessen erscheinen ließen. Die vom Sozialgericht zu entscheidende Frage habe sich in tatsächlicher sowie rechtlicher Hinsicht als schwierig dargestellt. Streitig sei im Rahmen des zuletzt für die Zeit vom 07. Juli bis zum 29. Februar 2008 geltend gemachten Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II die Frage gewesen, ob die Klägerin in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe. Weder ihre noch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mitbewohners seien geklärt gewesen. In prozessualer Hinsicht hätte sich die Frage gestellt, ob ein wegen fehlender Mitwirkung ergangener Versagensbescheid den angefochtenen und zwischenzeitlich vom Beklagten aufgehobenen Ablehnungsbescheid ändere oder ersetze. Die wirtschaftliche Bedeutung der Sache sei angesichts der ungeklärten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin im streitigen Zeitraum nicht einzuschätzen. Der konkrete Verfahrensverlauf zeige, dass eine der gerichtlichen Sphäre zuzurechnende Untätigkeit nicht vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete Klage ist zwar zulässig, jedoch lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen - geringen - Umfang begründet.

A.

Die Entschädigungsklage ist zulässig.

I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Fassung des GRüGV vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Dass das streitgegenständliche Ausgangsverfahren bei Inkrafttreten des GRüGV am 03. Dezember 2011 (vgl. Art. 24 GRüGV) bereits anhängig war, steht dem nicht entgegen. Vielmehr gilt das GRüGV nach seinem Art. 23 S. 1 auch für bei seinem Inkrafttreten bereits anhängige (und noch nicht abgeschlossene) Verfahren sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist oder noch werden kann.

II. Für die Entscheidung über die Klage ist das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig. Die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung (ZPO) das SGG tritt.

III. Richtiger Beklagter ist das Land Berlin. Nach § 200 Satz 1 GVG haftet für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, das Land. Die Übertragung der Vertretung des beklagten Bundeslandes Berlin auf die Präsidentin des Sozialgerichts Berlin (§ 29 Abs. 1 Satz 1 der Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz vom 22.10.2012, Amtsblatt Berlin 2012, S. 1979) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte diese Übertragung durch eine Verwaltungsanweisung vorgenommen werden; ein Gesetz war nicht erforderlich (so BFH, Urteil vom 17.04.2013 - X K 3/12 - zitiert nach juris, Rn. 30 ff. für die vorher geltende Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz vom 20.09.2007, Amtsblatt Berlin 2007, 2641).

IV. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Die Klägerin macht angesichts der Regelung des § 198 GVG nachvollziehbar geltend, auf die begehrte Entschädigungszahlung, die eine Leistung i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG darstellt, einen Rechtsanspruch zu haben. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 198 Abs. 5 GVG). Vielmehr lässt die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802, S. 22 zu Abs. 5 Satz 1), nach der der Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen auch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger geltend gemacht und außergerichtlich befriedigt werden kann, erkennen, dass es sich hierbei um eine Möglichkeit, nicht jedoch eine Verpflichtung handelt.

V. Auch ist die Klage formgerecht (§ 90 SGG) und unter Berücksichtigung der maßgeblichen Fristen des § 198 Abs. 5 Satz 1 und 2 GVG erhoben. Nach diesen Bestimmungen kann eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge und muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder nach einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Die Klägerin hat mit bei Gericht am 04. Januar 2012 eingegangenem Schriftsatz die Verfahrensverzögerung förmlich gerügt und nach Abschluss des Verfahrens am 25. September 2012 die Entschädigungsklage am 04. Dezember 2012 erhoben.

B.

Allerdings ist die Klage nur im Sinne der sich aus dem Tenor ergebenden Feststellung begründet.

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG). Dies gilt nach Art. 23 Satz 2 bis 5 GRüGV für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des GRüGV schon verzögert sind, mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des GRüGV erhoben werden muss. Nur in diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum.

Das vom 03. August 2007 bis zum 25. September 2012 beim Sozialgericht Berlin anhängige und damit insgesamt fünf Jahre und einen Monat dauernde Verfahren war zwar unangemessen lang (dazu im Folgenden zu I.). Weder vermochte der Senat sich jedoch davon zu überzeugen, dass die Klägerin unverzüglich Verzögerungsrüge erhoben hat (hierzu im Folgenden zu II.) noch dass es zu entschädigungsrelevanten Verzögerungen im Ausgangsverfahren nach Eingang der Verzögerungsrüge gekommen ist. Indes bestand Anlass zur Feststellung, dass die Dauer des Ausgangsverfahrens unangemessen war (dazu im Folgenden zu III.).

I. Das von der Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 geführte Verfahren weist mit fünf Jahren und einem Monat eine unangemessene Dauer auf.

Nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe. Damit erstreckt sich die Dauer des streitgegenständlichen Ausgangsverfahrens von der Klageerhebung am 03. August 2007 bis zum 25. September 2012, dem Tag, an dem die Beteiligten den Rechtsstreit im Erörterungstermin übereinstimmend für erledigt erklärt haben (vgl. zur Erledigung durch übereinstimmende Erledigungserklärung: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 125 Rn. 7 ff.).

Ob die Verfahrensdauer angemessen ist, richtet sich nicht nach starren Fristen. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber bewusst (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks 17/3802, S. 18 zu § 198 Abs. 1) von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen, weil eine abstrakt-generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist (vgl. Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 Rn. 68 m.w.N.).

Vielmehr regelt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich, dass es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten ankommt. Lediglich beispielhaft und ohne abschließenden Charakter werden damit - in Anknüpfung an die vom Bundesverfassungsgericht sowie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Zusammenhang mit der Frage überlanger gerichtlicher Verfahren entwickelten Maßstäbe - Umstände benannt, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind. Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer ist danach - so die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks 17/3802, S. 18 f. zu § 198 Abs. 1) - unter dem Aspekt einer möglichen Mitverursachung zunächst die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat. Außerdem sind insbesondere die Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falles sowie die Bedeutung des Rechtsstreits zu berücksichtigen. Hier ist nicht nur die Bedeutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit. Relevant ist ferner das Verhalten sonstiger Verfahrensbeteiligter sowie das Verhalten Dritter. Wird eine Verzögerung durch das Verhalten Dritter ausgelöst, kommt es darauf an, inwieweit dies dem Gericht zugerechnet werden kann. Nicht hingegen kann sich der Staat zur Rechtfertigung der überlangen Dauer eines Verfahrens auf Umstände innerhalb des staatlichen Verantwortungsbereichs berufen; vielmehr muss er alle notwendigen Maßnahmen treffen, damit Gerichtsverfahren innerhalb einer angemessenen Frist beendet werden können. Deshalb kann bei der Frage der angemessenen Verfahrensdauer nicht auf die chronische Überlastung eines Gerichts, länger bestehende Rückstände oder eine allgemein angespannte Personalsituation abgestellt werden.

Allerdings reichen die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Umstände nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteile vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 und 2/12 KL -, zitiert nach juris, jeweils Rn. 25 ff. und m.w.N.), der der Senat sich anschließt, zur Ausfüllung des Begriffs der unangemessenen Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht aus. Vielmehr sind diese Umstände in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen. So verdeutlicht bereits die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit, dass es auf eine Beeinträchtigung eines Grund- und Menschenrechts durch die Länge des Gerichtsverfahrens ankommt. Es wird damit von vornherein eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt, sodass nicht jede Abweichung vom Optimum ausreicht, vielmehr eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen muss. Weiter verbietet sich das Ziehen einer engen zeitlichen Grenze bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer zum einen im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG), zum anderen unter Berücksichtigung des Ziels einer inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen. Schließlich muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat, sodass ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten ist.

Die objektiv lange Dauer des hier streitgegenständlichen Verfahrens ist - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht in vollem Umfang durch die konkreten Umstände des Einzelfalles zu erklären.

Das Ausgangsverfahren ist zur Überzeugung des Senats von durchschnittlicher Schwierigkeit gewesen. Entgegen der Ansicht der Klägerin waren die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Probleme indes weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht einfach. Das Gegenteil folgt insbesondere nicht aus der von ihrer Bevollmächtigten aufgestellten Behauptung, das Sozialgericht hätte nur die Rechtsfrage zu entscheiden gehabt, ob die angefochtenen Bescheide nach den vorliegenden Tatsachenfeststellungen rechtswidrig gewesen seien oder nicht. Es ist die ureigenste Aufgabe der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über die Rechtmäßigkeit angefochtener Bescheide auf dem Gebiet der Sozialversicherung und der Grundsicherung zu entscheiden, damit aber ist noch nichts über die Schwierigkeit des konkreten Falles gesagt.

Bezogen auf das hiesige Ausgangsverfahren ist zu beachten, dass der Verfahrensablauf aufgrund der Bescheidlage eher ungewöhnlich war, der damalige Beklagte nach ursprünglicher Leistungsablehnung und späterer Aufhebung dieses Ablehnungsbescheides nämlich einen Versagungsbescheid erlassen hat. Es knüpfte sich daran zum einen die - soweit ersichtlich bis heute höchstrichterlich nicht abschließend geklärte - Frage an, ob dieser Bescheid Gegenstand des Verfahrens geworden war. Zum anderen gingen damit erforderliche Ermittlungen zum Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft sowie zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen einher. Dass das Verfahren letztlich im September 2012 auf die Erklärung des damaligen Beklagten, er werde sich bemühen, zeitnah über den sich noch auf den Zeitraum vom 07. Juli 2007 bis zum 29. Februar 2008 beziehenden Leistungsantrag der Klägerin vom 17. April 2007 zu entscheiden, durch übereinstimmende Erledigungserklärung zum Abschluss gebracht wurde, ist nicht geeignet, die angeblich fehlende Komplexität des Verfahrens zu belegen. Im Gegenteil war bei dieser Form der Verfahrenserledigung über das eigentliche, im August 2007 an das Gericht herangetragene Begehren der Klägerin, nämlich für den vorgenannten Zeitraum Leistungen zur Grundsicherung zugesprochen zu bekommen, noch immer nicht entschieden.

Der Senat hat im hiesigen Entschädigungsverfahren schon im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit nicht zu überprüfen, ob die Rechtsauffassung des ursprünglichen oder aber die der zuletzt tätigen Kammervorsitzenden zutreffend war. Vielmehr sind richterliche Überzeugungen, zumindest solange sie sich nicht als geradezu willkürlich aufdrängen, zu akzeptieren und ist der weitere Ablauf des Verfahrens daran zu messen, wie das Verfahren unter Zugrundelegung der zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung betrieben wurde. Dies mag im Einzelfall durchaus auch einmal damit einhergehen, dass ursprünglich für erforderlich erachtete Ermittlungen letztlich als nicht relevant angesehen werden. Ausgehend jedenfalls von der Rechtsauffassung des ursprünglichen Kammervorsitzenden war nicht nur die Rechtmäßigkeit der Leistungsversagung, sondern auch das Bestehen eines Leistungsanspruchs zu prüfen, was Ermittlungen erforderte.

Schon vor diesem Hintergrund kann der Auffassung der Bevollmächtigten, es hätte noch im Jahre 2007 mit einer Entscheidung über die im August 2007 erhobene Klage gerechnet werden können, offensichtlich nicht gefolgt werden. Nichts anderes kann unter Berücksichtigung ihrer für diese Auffassung angebotenen Begründung, dass die Klägerin mittellos und auf staatliche Unterstützung angewiesen gewesen sei, gelten. Im Gegenteil muss sich die Klägerin diesbezüglich entgegenhalten lassen, von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen, keinen Gebrauch gemacht zu haben. Das Versäumnis, das gesetzlich vorgesehene und sich gerade im Bereich der Grundsicherung aufdrängende Eilverfahren nicht in die Wege geleitet zu haben, kann nicht im Nachhinein dadurch geheilt werden, dass im Entschädigungsverfahren für das zugrunde liegende Ausgangsverfahren im Hinblick auf dessen angebliche besondere Eilbedürftigkeit eine besonders zügige Bearbeitungsweise eingefordert wird. Andernfalls würde nicht nur dem nicht erwünschten "Dulde und liquidiere", sondern weitergehend einem "Schöpfe die gesetzlich vorgesehenen Mittel, eine schnelle gerichtliche Klärung zu erreichen, selbst nicht aus, aber liquidiere dann" Vorschub geleistet.

Umgekehrt ist zu beachten, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Sache für die Klägerin, auch wenn es um Grundsicherungsleistungen ging, letztlich nur begrenzt war. Dies folgt insbesondere schon daraus, dass sich der Zeitraum, für den zuletzt noch Leistungen begehrt wurden, nach Aufnahme einer den Bedarf deckenden selbständigen Tätigkeit im März 2008 auf die Zeit bis Februar 2008 beschränkte. Dass das Gericht hiervon - mangels entsprechender Information seitens der Klägerin - erst im Erörterungstermin im September 2009 erfahren hat, ändert nichts daran, dass es letztlich für die Klägerin ab März 2008 nur noch um die Frage ging, ob sie für einen zurückliegenden, etwa acht Monate umfassenden Zeitraum einen Leistungsanspruch hatte. Vor diesem Hintergrund ist der Einwand der Klägerin, durch die lange Verfahrensdauer sei das Untermietverhältnis belastet gewesen, da sie damit hätte rechnen müssen, der Untermieter werde ausziehen, nicht nachvollziehbar.

Mit Blick auf den Verfahrensverlauf ist im Übrigen festzustellen, dass die Sache vom Eingang der Klage im August 2007 bis zum August 2008 sachgerecht betrieben wurde. Dass es in dieser Zeit einmal zu einer dreimonatigen Verfristung kam, ist nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, dass ein Kläger - wie oben ausgeführt - keinen Anspruch auf eine optimale, allein an seinen Bedürfnissen ausgerichtete Verfahrensführung hat, muss einem Gericht durchaus auch mal eine Frist zur Meinungsbildung eingeräumt werden, in der es über die Sach- und Rechtslage nachdenkt und das weitere Vorgehen erwägt.

Zu einer etwa einjährigen Untätigkeit ist es erstmals zwischen August 2008 und August 2009 gekommen, bis für den September 2009 ein Erörterungstermin anberaumt wurde. In dessen Nachgang wurde das Verfahren ordnungsgemäß betrieben. Dass zwischen Mitte Dezember 2009 und Mitte April 2010 eine Stellungnahme des damaligen Beklagten fehlte, ist nicht dem Gericht anzulasten. Der damalige Kammervorsitzende hat in dieser Zeitspanne zweimal schriftlich gemahnt und letztlich den telefonischen Kontakt zum Jobcenter gesucht und damit alle sachgerechten Mittel ausgeschöpft.

Zu einer weiteren fünfzehnmonatigen Verzögerung ist es dann allerdings zwischen Mitte Juni 2010 und Mitte September 2011 gekommen. Erst im Folgenden wurde die schließlich erstmals Ende Dezember 2011 erfolgende Terminierung des Rechtsstreits in die Wege geleitet. Soweit der für Januar 2012 anberaumte Termin und mehrere weitere Termine wieder aufgehoben werden mussten, ist dies nicht als entschädigungsrelevante, in den Verantwortungsbereich des Gerichts fallende Verzögerung zu bewerten. Im Gegenteil war dies jeweils Verhinderungen der Klägerin oder ihrer Bevollmächtigten geschuldet. Die Kammervorsitzenden haben sich nach den antragsgemäßen Aufhebungen jeweils sachgerecht um eine zügige Neuansetzung der Sache gekümmert. Dass dies nicht immer umgehend zu gewährleisten war, führt, auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass mit zunehmender Dauer des Verfahrens die an die Angemessenheit zu stellenden Anforderungen steigen (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 20.07.2000 - 1 BvR 352/00 - zitiert nach juris, Rn. 11 sowie vom 02.12.2011 - 1 BvR 314/11 -, zitiert nach juris, Rn. 7), nicht zur Annahme einer dem Gericht anzulastenden Verzögerung. Abgesehen davon, dass bis zum Eingang der Verhinderungsanzeige typischerweise für die folgenden Verhandlungstermine die Sachen schon angesetzt sind, steht es dem Kammervorsitzenden auch frei, im Interesse einer sachgerechten Zusammensetzung der Sitzungstage eine Auswahl zwischen den zur Terminierung anstehenden Verfahren vorzunehmen.

Nach alledem ist das Verfahren zur Überzeugung des Senats jedenfalls im Hinblick auf die zwischen Mitte Juni 2010 und Mitte September 2011 nicht mehr erfolgende Betreibung als unangemessen lang anzusehen. Denn bereits zu Beginn dieser Zeitspanne war es bereits seit fast drei Jahren anhängig und hätte daher einer zügigen Erledigung zugeführt werden müssen (vgl. BSG, Beschluss vom 13.12.2005 - B 4 RA 220/04 B - zitiert nach juris, Rn. 51 ff., wonach bei einer Verfahrensdauer von mehr als drei Jahren je Instanz die Vermutung gerechtfertigt ist, die Grenze des Tolerablen werde überschritten, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, die ein solches Überschreiten rechtfertigen; ähnlich: Söhngen, NZS 2012, 493, 494; kritisch: Scholz SGb 2012, 19 ff., 21, vgl. auch Roller, DRiZ 2012, Beilage Juni 2012, 1 ff., 7, der die Grenze des Angemessenen etwa in der Nähe des Zeitpunktes suchen möchte, zu dem etwa 90-95 % aller Gerichtsverfahren beendet sind). Ob damit hier von einer unangemessenen Verfahrensdauer im Umfang von 15 Monaten oder einigen Monaten mehr oder weniger auszugehen ist, kann allerdings dahinstehen. Denn der von der Klägerin wegen der unangemessenen Verfahrensdauer geltend gemachte Entschädigungsanspruch scheitert daran, dass sie die Verfahrensverzögerung nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des GRüGV förmlich gerügt hat.

II. Nach vorstehenden Ausführungen war das streitgegenständliche Ausgangsverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GRüGV am 03. Dezember 2011 beim Sozialgericht Berlin bereits unangemessen lange anhängig. Die Klägerin könnte daher Ansprüche aus der unangemessenen Dauer nur dann herleiten, wenn sie unverzüglich Verzögerungsrüge erhoben hätte. Dies hat sie jedoch mit der am 04. Januar 2012 bei Gericht eingegangenen Verzögerungsrüge nicht getan. Denn zur Überzeugung des Senats ist - zumindest im Falle der anwaltlichen Vertretung bereits im Ausgangsverfahren - eine Verzögerungsrüge nur dann als unverzüglich anzusehen, wenn sie innerhalb eines Monats ab Inkrafttreten des GRüGV am 03. Dezember 2011, mithin bis zum 03. Januar 2012 bei Gericht eingegangen ist.

Art. 23 Satz 2 GRüGV fordert ausdrücklich, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des GRüGV erhoben werden muss. Unverzüglich bedeutet bereits nach dem allgemeinen Sprachverständnis "umgehend und ohne Zeitverzug erfolgend" (vgl. Die Zeit, Das Lexikon in 20 Bänden, Deutsches Wörterbuch, 2005). Allein aus der Wortwahl ergibt sich damit – selbst für einen Laien - die Pflicht zu einem sehr schnellen Handeln. Erst recht aber muss sich für einen Juristen aufdrängen, dass der Gesetzgeber hier auf den in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB als "ohne schuldhaftes Zögern" legaldefinierten Begriff abgestellt hat. Dementsprechend heißt es in der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf mit Blick auf die Regelung, die sich inzwischen in Art. 23 Satz 2 und 3 GRüGV findet, auch, dass bei solchen Verfahren, bei denen eine rügepflichtige Situation bereits eingetreten ist, die Rüge grundsätzlich unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, nach Inkrafttreten der Regelung erhoben werden muss (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 31 zu Artikel 22). Anhaltspunkte dafür, dass für das sozialgerichtliche Verfahren anderes gelten könnte, ergeben sich nicht, zumal anerkannt ist, dass die in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltene gesetzliche Definition für das gesamte private und öffentliche Recht gilt (BSG, Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - zitiert nach juris, Rn. 18).

Fristbeginn ist damit nach dem eindeutigen Wortlaut sowohl des Gesetzes wie auch der Begründung das Inkrafttreten des GRüGV, nicht hingegen - wie die Bevollmächtigte der Klägerin meint - der Zeitpunkt, zu dem einem Rechtsanwalt der zuvor verfristete Vorgang wieder vorgelegt wird.

Die ab Inkrafttreten des GRüGV laufende Frist, innerhalb derer noch nicht von einem schuldhaften Zögern ausgegangen werden muss, ist unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Zwecks so zu bemessen, dass es den Betroffenen nach den Umständen des Einzelfalles möglich ist, die Frage, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung vorliegen könnte, zügig zu prüfen und die Einleitung der erforderlichen Schritte zu erwägen.

Soweit die Bevollmächtigte der Klägerin letztlich meint, diese Frist sei grundsätzlich erst nach einem halben Jahr ab Inkrafttreten des GRüGV überschritten, folgt der Senat ihr nicht. Dass eine derart lange Frist in diesem Zusammenhang nicht gemeint sein kann, folgt zu seiner Überzeugung schon daraus, dass gerade der die Verzögerungsrüge im Allgemeinen regelnde und in diesem Zusammenhang eine Sechsmonatsfrist normierende § 198 Abs. 3 GVG für die bei Inkrafttreten des GRüGV bereits anhängigen Verfahren durch Art. 23 Satz 2 GRüGV modifiziert wird. Im Übrigen sieht der Gesetzgeber für bei Inkrafttreten des GRüGV bereits abgeschlossene Verfahren, deren Dauer zu diesem Zeitpunkt noch Gegenstand einer Beschwerde beim EGMR werden kann, als letzten Tag, an dem eine Entschädigungsklage erhoben werden kann, den 03. Juni 2012 (Art. 23 Satz 1 und 6 GRüGV) vor und stellt damit faktisch auf eine Sechsmonatsfrist ab. Hätte diese Frist auch für die Erhebung der Verzögerungsrüge gelten sollen, wäre es auch nicht ansatzweise nachvollziehbar, warum eine "unverzügliche" Einlegung gefordert wird.

Im Gegenteil ist zur Überzeugung des Senats – jedenfalls den im Ausgangsverfahren bereits anwaltlich vertretenen Betroffenen – für die Prüfung, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung vorliegen könnte, und für die Einleitung der erforderlichen Schritte, also insbesondere die Erhebung der Verzögerungsrüge bei Gericht, eine Frist von einem Monat, aber auch nicht mehr, einzuräumen (vgl. Wenner, SoSi 2012, 32 ff. 35). Bei der Monatsfrist handelt es sich um eine im gesamten deutschen Rechtssystem für die Einlegung von Rechtsmitteln typische Frist (vgl. z.B. §§ 87 Abs. 1 Satz 1, 151 Abs. 1, 160a Abs. 1 Satz 2, 164 Abs. 1 Satz 1 SGG, §§ 124a Abs. 2 Satz 1, 134 Abs. 1 Satz 2, 139 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 116 Abs. 2 Satz 1, 120 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung, §§ 517, 544 Abs. 1 Satz 2, 548 ZPO und §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 72a Abs. 2 Satz 1, 74 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz). Soweit beispielsweise im Strafprozess abweichende Fristen vorgesehen sind, sind diese regelmäßig kürzer, nicht jedoch länger. Es wird mithin allgemein - und dies auch in Monaten mit mehreren Feiertagen - von den Verfahrensbeteiligten und ihren Bevollmächtigten erwartet, innerhalb eines Monats zum einen zu prüfen, ob ein Rechtsmittel eingelegt wird, und zum anderen die untereinander erforderliche Abstimmung zu erreichen. Dass es Gründe geben könnte, diese Frist für die Erhebung einer Verzögerungsrüge als nicht ausreichend anzusehen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Im Gegenteil ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Erhebung der Verzögerungsrüge weder einer Begründung bedarf noch dem Verfahrensbeteiligten selbst oder seinem Prozessbevollmächtigten eine Einarbeitung in einen neuen Sachverhalt abverlangt, vielmehr ggf. im Rahmen eines bereits anhängigen und damit bekannten Verfahrens erfolgt. Anderes kann auch nicht unter Kostenaspekten gelten. Unabhängig davon, ob die Einlegung der Verzögerungsrüge für Kläger überhaupt mit Kosten verbunden ist, rechtfertigte dies jedenfalls nicht die Annahme, dass deshalb für die Erhebung der Verzögerungsrüge eine längere Frist als für die Erhebung einer Klage oder die Einlegung einer Berufung oder Revision gelten müsse.

Auch ist die Einräumung einer längeren Frist nicht unter dem seitens der Klägerin geltend gemachten Aspekt des mit der Versäumung der Frist einhergehenden Rechtsverlusts geboten. Insbesondere folgt aus der Notwendigkeit, innerhalb eines Monats Verzögerungsrüge zu erheben, um Entschädigungsansprüche für die Vergangenheit zu wahren, kein Widerspruch zur Rechtsprechung des EGMR. Denn dieser hat der Bundesrepublik Deutschland zu keinem Zeitpunkt aufgegeben, Regelungen zu schaffen, die Betroffenen überlanger Verfahrensdauer möglichst weitgehende Entschädigungsansprüche sichern. Vielmehr hat er stets beklagt, dass diesen kein Rechtsbehelf zur Verfügung stehe, um auf die Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken. Gerade eine solche Möglichkeit aber ist mit der Verzögerungsrüge nun erstmals zur Verfügung gestellt. Der Gesetzgeber hat hiermit ein Instrumentarium geschaffen, mittels dessen auf eine zügige Verfahrensbeendigung hingewirkt werden kann. Erst wenn dies nicht fruchtet, soll nach sechs Monaten eine Entschädigungsklage möglich sein. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, dass von Klägern, deren Verfahren bereits verzögert sind, erwartet wird, dass sie – im eigenen Interesse der nunmehr schnellen Verfahrenserledigung – zügig Verzögerungsrüge erheben. Dass der Gesetzgeber diese Unverzüglichkeit der Verzögerungsrüge mit der Möglichkeit, Entschädigungsansprüche für die Vergangenheit zu wahren, verknüpft hat, ist nicht zu beanstanden.

Der Senat sieht sich mit dieser Auslegung des Begriffs der Unverzüglichkeit im Rahmen des Art. 23 GRüGV im Einklang mit der bisher zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung, in der einerseits am 22. Dezember 2011 erhobene Verzögerungsrügen als rechtzeitig eingegangen angesehen (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteile vom 26.02.2013 - OVG 3 A 6.12, 11.12 und 15.12 - zitiert nach juris, Rn. 18 bzw. 21, 18), hingegen am 23. Januar 2012 (Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 04.07.2013 - 1 SchH 10/12 (EntV) - zitiert nach juris, Rn. 18), am 16. März 2012 (Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 03.05.2013 - 23 SchH 1/13 EntV, 23 SchH 1/13 - zitiert nach juris, Rn. 11) sowie am 22. März 2012 (Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 20.02.2013 – 1 SchH 9/12 (EntV) - zitiert nach juris, Rn. 11 ff.) erhobene Verzögerungsrügen als verspätet bewertet wurden.

Nicht allerdings überzeugt es ihn, soweit im Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17. April 2013 (X K 3/12, zitiert nach juris, Rn. 70 f.) anklingt, dass unter Berücksichtigung anderweitiger gesetzlicher Wertungen, z.B. der für die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz zur Verfügung stehenden einjährigen Frist (§ 93 Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz) und der für Beschwerden zum EGMR einzuhaltenden sechsmonatigen Frist (Art. 35 Abs. 1 EMRK), sowie der Rechtsprechung des EGMR eine Verzögerungsrüge noch (deutlich) länger als unverzüglich anzusehen sein könnte. Wie ausgeführt hat der Gesetzgeber selbst ausdrücklich auf die Unverzüglichkeit ab Inkrafttreten des GRüGV abgestellt und in der Begründung an die Regelung des § 121 BGB angeknüpft. An anderer Stelle hat er Sechsmonatsfristen festgelegt, sodass bereits Wortlaut und Gesetzesbegründung belegen, dass hier eine deutlich unter sechs Monaten anzusetzende Frist gelten soll. Im Übrigen besteht zwischen der - nicht einmal zu begründenden - Erhebung einer Verzögerungsrüge und z.B. der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz keinerlei Vergleichbarkeit. Soweit der Bundesfinanzhof weiter darauf verweist, dass es darum gehen müsse, mittels der Auslegung des GRüGV eine den Erfordernissen der EMRK entsprechende Rechtsprechung zu etablieren, bedeutet dies nicht, dass bzgl. der "Unverzüglichkeit" eine von den sonstigen Grundsätzen abweichende Regelung gefunden werden müsste. Aus den Bestimmungen der EMRK lässt sich nicht ableiten, dass es dem nationalen Gesetzgeber verwehrt wäre, die Gewährung einer Entschädigung bei Verletzung des Rechts aus Art. 6 EMRK von der rechtzeitigen Geltendmachung des Rechts abhängig zu machen. Anderes lässt sich auch der Rechtsprechung des EGMR, des Bundesverfassungsgerichts oder anderer Gerichte nicht entnehmen.

Die am 04. Januar 2012 bei Gericht eingegangene Verzögerungsrüge der Klägerin ist außerhalb der Monatsfrist und damit nicht ohne schuldhaftes Zögern erhoben worden. Auch besteht hier kein Anlass, ausnahmsweise von dem Vorwurf, es handele sich um schuldhaftes Zögern, abzusehen. Zwar ist bei der Anwendung des - die Frist für die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts regelnden - § 121 BGB im Zivilrecht hinsichtlich des Merkmals "unverzüglich" anerkannt, dass ein Rechtsirrtum über die Anfechtungsbedürftigkeit eines Rechtsgeschäfts den Vorwurf ausschließt, es handele sich um schuldhaftes Zögern. Allerdings werden an die Entschuldbarkeit des Irrtums hohe Anforderungen gestellt, die nur erfüllt sind, wenn sich der Anfechtungsberechtigte seine Rechtsansicht aufgrund einer sorgfältigen Prüfung der Rechtslage gebildet hat. Insbesondere scheidet eine Entlastung für denjenigen aus, der das Risiko eines Verbotsirrtums bewusst eingegangen ist (BSG, Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - zitiert nach juris, Rn. 19). Gemessen daran ist vorliegend ein etwaiger Irrtum über den Zeitpunkt, zu dem die Verzögerungsrüge bei Gericht eingegangen sein muss, nicht entschuldbar. So ist – jedenfalls bei anwaltlich vertretenen Klägern – zu beachten, dass der eindeutige Gesetzeswortlaut mit Verkündung des – zum einen lange erwarteten und zum anderen nicht nur in Fachpublikationen, sondern auch in der allgemeinen Berichterstattung thematisierten - Gesetzes bekannt gewesen sein muss. Weiter konnte diese Personengruppe bei sorgfältiger Prüfung schon mit Blick auf den Gesetzeswortlaut nicht darauf vertrauen, dass die Frist, innerhalb derer ohne schuldhaftes Zögern Verzögerungsrüge erhoben werden muss, erst ab Vorlage eines gerade verfristeten Vorganges laufen würde. Zu Recht weist der Beklagte insoweit darauf hin, dass andernfalls die Frist geradezu ins Unermessliche ausgedehnt werden könnte. Im Gegenteil war hier jedenfalls von Rechtsanwälten zu fordern, das (anstehende) Inkrafttreten des GRüGV zum Anlass für eine Prüfung zu nehmen, in welchen Verfahren eine unverzügliche Verzögerungsrüge erforderlich sein könnte. Schließlich besteht auch kein Grund zur Annahme, dass diese Personengruppe bei vernünftiger Überlegung angesichts der vom Gesetzgeber geforderten "Unverzüglichkeit" davon habe ausgehen können, für die Erhebung der Verzögerungsrüge stünde eine längere Frist als für die Einlegung eines Rechtsmittels zur Verfügung.

Anderes folgt schließlich auch nicht draus, dass die Klägerin bereits vor dem 04. Januar 2012 die Verfahrensdauer letztlich beanstandet hat, indem sie wiederholt auf baldige Terminierung drängte. Denn dies steht einer Verzögerungsrüge nicht gleich. Bereits der Gesetzeswortlaut fordert eine unverzüglich nach Inkrafttreten des GRüGV erhobene Verzögerungsrüge (OLG Celle, Beschluss vom 15.02.2012 - 23 SchH 1/12 - zitiert nach juris, Rn. 2, Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 20.02.2013 - 1 SchH 9/12 (EntV) - zitiert nach juris, Rn. 17).

Die Gewährung einer Entschädigung für die Dauer des Verfahrens bis zum 03. Januar 2012 scheidet damit aus.

III. Auch für die Zeit ab Erhebung der Verzögerungsrüge am 04. Januar 2012 bis zur Verfahrenserledigung am 25. September 2012 kommt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung nicht in Betracht. Denn in diesem Zeitraum ist es - wie bereits die obigen Ausführungen zeigen - nicht zu einer Verzögerung gekommen, die dem Beklagten anzulasten wäre. Im Gegenteil waren die - nach im Dezember 2011 erfolgter Terminierung des Rechtsstreits für Januar 2012 - wiederholten Terminsaufhebungen allein auf Verhinderungen der Klägerin und ihrer Bevollmächtigten zurückzuführen, während sich das Gericht immer wieder um eine zügige Ansetzung des Verfahrens bemüht hat. Hervorzuheben ist insoweit auch, dass der ursprüngliche Kammervorsitzende noch im Oktober 2011 ausdrücklich angefragt hatte, ob Urlaube anstünden, insbesondere aber der Urlaub der Klägerin im Januar 2012 weder auf diese Anfrage hin noch im Folgenden rechtzeitig angekündigt wurde.

Allerdings sah der Senat Anlass zu der nach § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG möglichen und gemäß Satz 2 nicht an einen entsprechenden Antrag gebundenen Feststellung, dass das Verfahren unangemessen lange gedauert hat. Diese Vorschrift gilt insbesondere auch dann, wenn es an der nach Art. 23 GRüGV erforderlichen unverzüglich erhobenen Verzögerungsrüge fehlt (vgl. BFH, Urteil vom 17.04.2013 - X K 3/12 - zitiert nach juris, Rn. 72).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 202 SGG, 201 Abs. 4 GVG.

Die Revision war nach §§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Die Streitwertentscheidung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und Abs. 3GKG.