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Entscheidung 10 WF 229/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 28.06.2011
Aktenzeichen 10 WF 229/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 1.500 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die beteiligten Eltern streiten um die elterliche Sorge für die gemeinsame Tochter L…, geboren am ….7.2008, vorliegend im Verfahren der einstweiligen Anordnung.

Schon vor der Geburt der gemeinsamen Tochter erkannte der Antragsgegner unter dem 6.5.2008 die Vaterschaft des Kindes an. Ebenfalls unter dem 6.5.2008 gaben die Eltern gemeinsame Sorgeerklärungen ab. Nach der Geburt des Kindes lebten die Eltern mit dem Kind in dem im Eigentum des Antragsgegners befindlichen Einfamilienhaus in G….

Dem Vater wurde auf seinen Antrag hin durch Beschluss des Amtsgerichts vom 15.12.2008 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Tochter unter Hinweis auf den entsprechenden Vorschlag beider Eltern übertragen. Hiergegen legte die Mutter Beschwerde ein (10 UF 3/09), die sie unter dem 26.1.2009 wieder zurücknahm.

Unter dem 17.2.2009 beantragte die Mutter, ihr – vorweg im Wege der einstweiligen Anordnung – das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Tochter zu übertragen. Diesen Antrag nahm sie durch Erklärung vom 9.4.2009 zurück.

Unter dem 15.3.2009 ist das vorliegende Hauptsacheverfahren eingeleitet worden, indem der Vater beantragt hat, ihm die gesamte elterliche Sorge für das Kind allein zu übertragen. Die Mutter ist dem entgegengetreten und hat ihrerseits beantragt, ihr die elterliche Sorge für das Kind, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, zu übertragen.

Durch Beschluss vom 9.4.2009 (10 F 113/09 eAO-SO) hat das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung der Mutter Umgang mit dem Kind an jedem zweiten Wochenende von Samstag, 9:00 Uhr, bis Sonntag, 18:00 Uhr, einschließlich Übernachtung und an jedem Mittwoch von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr sowie während der ersten Hälfte der Schließungszeiten in der Kindertagesstätte eingeräumt.

Am 11.5.2009 hat der Antragsgegner den Erlass einer einstweiligen Anordnung unter Hinweis darauf beantragt, dass die Mutter das Kind am 10.5.2009 nicht entsprechend der Umgangsregelung vom 9.4.2009 um 18:00 Uhr zu ihm zurückgebracht habe.

Durch Beschluss vom 11.5.2009 hat das Amtsgericht – wegen Dringlichkeit ohne Anhörung der Beteiligten – die elterliche Sorge für das Kind im Wege der einstweiligen Anordnung dem Vater übertragen, ausgesprochen, dass dadurch der Beschluss des Amtsgerichts vom 15.12.2008 und die Sorgeerklärung vom 6.5.2008 vorläufig abgeändert würden und der Mutter aufgegeben, das Kind unverzüglich an den Vater herauszugeben. Durch Beschluss vom 13.5.2009 (10 F 332/09, OG) hat das Amtsgericht die Umgangsregelung vom 9.4.2009 im Wege der einstweiligen Anordnung mit sofortiger Wirkung außer Vollzug gesetzt. Auf den Antrag der Mutter, den Beschluss vom 9.4.2009 wieder in Vollzug zu setzen, hat das Amtsgericht nach Bestellung einer Verfahrenspflegerin durch Beschluss vom 30.9.2009 „die bisher zum Umgang ergangenen Beschlüsse“ dahin abgeändert, dass die Mutter das Recht hat, mit dem Kind an drei Tagen in der Woche für die Dauer von jeweils drei Stunden in Begleitung zusammen zu sein und in diesem Umfang Umgangspflegschaft unter Bestellung einer namentlich genannten Person angeordnet, welche „die Begleitung des Umgangs und die Abstimmung der konkreten Termine des Umgangs mit den Eltern“ umfasse. Die dagegen gerichtete Beschwerde (10 UF 149/09) hat der Vater schließlich zurückgenommen.

Unter dem 20.5.2009 hat die Mutter beantragt, die einstweilige Anordnung vom 11.5.2009 aufzuheben und ihr die elterliche Sorge, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, zu übertragen.

Der Vater hat die erkennende Richterin am Amtsgericht vergeblich wegen Befangenheit abgelehnt. Seine diesbezügliche sofortige Beschwerde hat der Senat durch Beschluss vom 12.8.2009 (10 WF 149/09) zurückgewiesen. Nach zwei Verhandlungsterminen vom 28.8. und 11.9.2009 ist die Richterin erkrankt.

Der anschließend zuständige Richter hat durch Beschluss vom 2.12.2009 die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Gegen diesen Beschluss hat der Vater zunächst Gegenvorstellung erhoben und alsdann Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.

Den nun erkennenden Richter hat der Vater vergeblich wegen Befangenheit abgelehnt. Seine diesbezüglichen sofortigen Beschwerden sind durch Senatsbeschlüsse vom 22.6.2010 (10 WF 92/10 und 10 WF 94/10) zurückgewiesen worden. Gegen diese Beschlüsse hat der Vater Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.

Unter dem 31.8.2010 hat der erkennende Richter des Amtsgerichts Termin zur mündlichen Anhörung der Eltern bestimmt auf den 17.9.2010. Unter dem 2.9.2010 hat einer der Verfahrensbevollmächtigten des Vaters „um Mitteilung ersucht, welcher gesetzlicher Richter die Ladung verfügt habe“, da das „Befangenheitsverfahren mit Rücksicht auf die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 22.6.2010 nicht rechtskräftig abgeschlossen sei“. Unter dem 6.9.2010 hat der Vater beim Bundesverfassungsgericht beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung wegen Dringlichkeit bis zur Entscheidung über seine Verfassungsbeschwerden die Verfahren vor dem Amtsgericht 10 F 179/09 und 10 F 332/09 auszusetzen. Zur Begründung hat er insbesondere auf die Anberaumung eines Anhörungstermins für den 17.9.2010 hingewiesen.

Die Mutter hat unter dem 31.3.2010 einen „Antrag auf einstweilige Anordnung zum Umgang“ gestellt und dabei Umgang in dem Umfang, wie er sich aus dem Beschluss des Amtsgerichts vom 9.4.2009 ergeben hatte, begehrt. Dieses Verfahren ist vom Amtsgericht zunächst als eine Fortsetzung des Verfahrens 10 F 332/09 angesehen worden. Schließlich hat das Amtsgericht durch Verfügung vom 8.9.2010 deutlich gemacht, dass es im Hinblick auf die Rücknahme der Beschwerde des Vaters vor dem Oberlandesgericht (10 UF 149/09) von einem eigenständigen Umgangsverfahren aufgrund des Antrags der Mutter vom 31.3.2010 ausgeht und den im Umgangsverfahren ebenfalls auf den 17.9.2010 anberaumten Termin aufgehoben. In dem von dem daraufhin zuständigen Richter des Amtsgerichts anberaumten Anhörungstermin vom 16.11.2010 ist ein Umgangsvergleich geschlossen worden, der im Rahmen einer Stufenregelung zunächst begleiteten, dann unbegleiteten Umgang der Mutter mit dem Kind, schließlich ab 12.2.2011 auch mit Übernachtung, vorsieht. Unter dem 26.1.2011 hat der Vater beantragt, den Umgangsvergleich - wegen Eilbedürftigkeit ohne mündliche Verhandlung – außer Vollzug zu setzen und dahin abzuändern, dass ein weiterer begleiteter Umgang der Mutter mit dem Kind „nach einer weiteren Anbahnungsphase über einen Zeitraum von sechs Monaten einmal in der Woche für eine Stunde“ beginnen solle. Im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht vom 15.2.2011 hat der Vater diesen Antrag zurückgenommen. Über die Beschwerde gegen die Auferlegung der Kosten durch Beschluss des Amtsgerichts vom 15.2.2011 (10 WF 66/11) hat der Senat noch zu entscheiden.

Unter dem 15.9.2010 hat der Vater den erkennenden Richter erneut wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Diesen Antrag hat der erkennende Richter selbst durch Beschluss vom 17.9.2010 als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Vaters hat der Senat durch Beschluss vom 7.10.2010 (10 WF 222/10) zurückgewiesen. Nach Zurückweisung einer Gegenvorstellung hat der Vater gegen den Senatsbeschluss Beschwerde beim Verfassungsgericht des Landes Brandenburg eingelegt.

Im Termin vor dem Amtsgericht vom 17.9.2010 waren die Mutter und ihre Verfahrensbevollmächtigte, die Sachverständige und zwei Mitarbeiter des Jugendamtes anwesend. Für den Vater ist niemand erschienen. Am Ende des Anhörungstermins hat das Amtsgericht den angefochtenen Beschluss verkündet, durch den es seinen Beschluss vom 11.5.2009 aufgehoben hat. Wegen der Begründung wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Vater mit der sofortigen Beschwerde. Dabei weist er insbesondere darauf hin, dass die einstweilige Anordnung vom 11.5.2009 mit Rücksicht darauf, dass ihm die Mutter das Kind entzogen habe, gerechtfertigt gewesen sei. Zugleich rügt er die nicht ordnungsgemäße Ladung zum Termin vom 17.9.2009, aus der sich insbesondere nicht ergeben habe, dass auch zum einstweiligen Anordnungsverfahren verhandelt werde.

Die Mutter hält die Voraussetzungen dafür, dem Vater im Wege der einstweiligen Anordnung die gesamte elterliche Sorge zu übertragen, nicht für gegeben.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat die Eltern und das Kind angehört. Insoweit wird auf die Anhörungsvermerke zu den Senatsterminen vom 14.4. und 23.5.2011 verwiesen.

B.

I.

Da das Verfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist, findet das bisherige Verfahrensrecht Anwendung, Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG. Das Rechtsmittel des Vaters ist daher gemäß § 621 g ZPO a.F. i.V.m. §§ 620 c ZPO, 567 ff. ZPO zulässig. Zur Entscheidung ist der Einzelrichter des Beschwerdegerichts berufen, § 568 ZPO.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht seine einstweilige Anordnung vom 11.5.2009 aufgehoben. Die Voraussetzungen dafür, dem Vater die gesamte elterliche Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung allein zu übertragen, liegen nicht vor.

1.

Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme nur dann treffen, soweit dies nach den für das Rechtsmittel maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden, ein Regelungsbedürfnis, besteht. Dies wird in § 49 Abs. 1 FamFG ausdrücklich klargestellt. Doch auch für das bisherige Verfahrensrecht war anerkannt, dass es für den Erlass einer einstweiligen Anordnung einer materiell-rechtlichen Grundlage und eines Regelungsbedürfnisses bedarf (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 620, Rz. 5 f.; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 29. Aufl., § 620, Rz. 3, 9). Es bedarf also für den Erlass einer einstweiligen Anordnung – in Anlehnung an das Recht der einstweiligen Verfügung, §§ 936, 916 ff. ZPO (vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 199) – eines Anordnungsanspruchs und einer Anordnungsgrundes. Jedenfalls an letzterem, am Regelungsbedürfnis, fehlt es hier.

a)

Ein Regelungsbedürfnis, also ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden, § 49 Abs. 1 FamFG, ist nur gegeben, wenn ein Bedürfnis für ein sofortiges Einschreiten besteht, das ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet (Zöller/Feskorn, ZPO, 28. Aufl., § 49 FamFG, Rz. 8; Keidel/Giers, FamFG, 16. Aufl., § 49, Rz. 13). Dabei kommt es darauf an, ob ein Zuwarten bis zur Entscheidung in einer etwaigen Hauptsache nicht ohne Eintritt erheblicher Nachteile möglich wäre (Zöller/Feskorn, a.a.O.; Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtsschutz in Familiensachen, 5. Aufl., Rz. 80). Streiten Eltern über das Sorgerecht für ein gemeinsames Kind, ist ein Regelungsbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung meist allenfalls im Hinblick auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht gegeben. Die Entscheidung über die elterliche Sorge im Übrigen ist regelmäßig dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten, da insoweit bis zum Erlass der Entscheidung in der Hauptsache keine Nachteile drohen. Umstände, die vorliegend eine abweichende Betrachtung rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben. Es bleibt daher nach Anhörung der Eltern und des Kindes bei der rechtlichen Beurteilung, wie sie durch Verfügung des Senats vom 8.10.2010 zum Ausdruck gebracht worden ist.

Der Vater ist durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 5.12.2008 alleiniger Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Dieser Beschluss ist nach Rücknahme der dagegen gerichteten Beschwerde durch die Mutter rechtskräftig. Damit hat der Vater die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens, vgl. § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Einräumung weiterer Befugnisse bedarf es jedenfalls im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht.

aa)

Das Amtsgericht hat seinen Beschluss vom 11.5.2009 auf die durch den Antragsteller glaubhaft gemachte Entziehung des Kindes durch die Mutter am 10.5.2009 gestützt und vor diesem Hintergrund seinem Antrag auf Entscheidung ohne vorherige Anhörung stattgegeben. Es ist bereits zweifelhaft, ob bei Erlass der einstweiligen Anordnung diejenige Maßnahme erforderlich war, die das Amtsgericht ergriffen hat. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung dieser einstweiligen Anordnung nicht vor. Da auch bei geregeltem Aufenthalt des Kindes die Übertragung der elterlichen Sorge, soweit sie über das Aufenthaltsbestimmungsrecht hinaus geht, auf einen Elternteil allein einen erheblichen Eingriff in das Elternrecht des anderen Elternteils nach Artikel 6 GG darstellt (vgl. BVerfG, FamRZ 2004, 1015), kann diese Maßnahme nicht aufrechterhalten bleiben. Sie ist vielmehr entsprechend dem Antrag der Mutter vom 20.5.2009 aufzuheben.

Zweifelhaft ist, wenn man mit dem Amtsgericht entsprechend der Glaubhaftmachung durch den Vater von einer auch strafrechtlich relevanten Kindesentziehung ausgeht, ob es im Wege der einstweiligen Anordnung nicht ausgereicht hätte, der Mutter die sofortige Herausgabe des Kindes an den Vater aufzugeben und womöglich, wie dann durch Beschluss vom 13.11.2009 geschehen, die bestehende Umgangsregelung auszusetzen. Denn die Übertragung der gesamten elterlichen Sorge auf den Elternteil, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohnehin schon allein ausübt, schützt letztlich nicht wirksam vor Missbrauch durch den anderen Elternteil, wenn dieser es tatsächlich darauf anlegt. Das kann aber auf sich beruhen. Denn jedenfalls jetzt liegen die Voraussetzungen dafür, bereits im Wege der einstweiligen Anordnung in das Elternrecht der Mutter einzugreifen, soweit dieses nicht schon durch den rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts vom 5.12.2008 eingeschränkt ist, einzugreifen.

Allein der Umstand, dass die Mutter das Kind nicht, wie es nach der Umgangsregelung vom 9.4.2009 vorgesehen war, zum Vater zurückgebracht hat, rechtfertigt die Aufrechterhaltung der einstweiligen Anordnung nicht. Das einstweilige Anordnungsverfahren dient nicht dazu, etwaiges Fehlverhalten eines Elternteils zu sanktionieren (vgl. BVerfG, FamRZ 2007, 1626).

Entscheidend ist, ob im Hinblick auf das Verhalten der Mutter am 10.5.2009 die gesamte elterliche Sorge schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens beim Vater verbleiben muss. Dies ist zu verneinen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter das Kind dem Vater nochmals entziehen könnte, sind nicht gegeben. Die vom Amtsgericht im angefochtenen Beschluss vom 11.5.2009 geäußerte Befürchtung, die Mutter könne das Kind dem Vater dauerhaft entziehen, indem sie es an einem anderen Ort anmelde oder sich mit dem Kind anderweitig absetze, hat sich nicht bestätigt. Die Mutter, die für das Amtsgericht zur Zeit des Erlasses des Beschlusses unbekannten Aufenthaltes war, ist nicht etwa „untergetaucht“. Vielmehr hat sie – aus welchen Gründen auch immer – mit dem Kind das Frauenhaus in P… aufgesucht. Sie hat sich also in einem quasi öffentlichen Raum aufgehalten. Das spricht dafür, dass es ihr nicht darum ging, das Kind dem Vater dauerhaft vorzuenthalten.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Eltern am 16.11.2010 einen Umgangsvergleich geschlossen haben, der nach einer ersten Phase begleiteten Umgangs nun unbegleiteten Umgang vorsieht. Ein solcher Umgang hat, wie den Angaben der Eltern im Anhörungstermin vor dem Senat vom 14.4.2011 zu entnehmen ist, stattgefunden. Demnach hegt der Vater offensichtlich selbst nicht mehr die Befürchtung, die Mutter könne ihm das Kind entziehen.

bb)

Soweit der Vater in der Beschwerdebegründung vom 28.2.2011 ausführt, weder unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität noch der Erziehungsfähigkeit oder Bindungstoleranz sei die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter gerechtfertigt, bedarf dies keiner weiteren Erörterungen. Denn im vorliegenden einstweiligen Anordnungsverfahren geht es nicht um das Aufenthaltsbestimmungsrecht, sondern um die elterliche Sorge darüber hinaus. Allerdings kann schon nach dem Akteninhalt festgestellt werden, dass es dem Kind beim Vater offenbar gut geht. Auch hat sich in der Anhörung des Kindes im Beschwerdeverfahren bestätigt, dass das Kind altersgerecht entwickelt und fröhlich ist. Dies wie auch der Kontinuitätsgrundsatz hat Bedeutung im Hauptsacheverfahren, soweit die Mutter dort begehrt, ihr die elterliche Sorge, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, zu übertragen. Für das vorliegende Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz hingegen kommt es darauf wegen des tatsächlichen Aufenthalts des Kindes beim Vater aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts vom 5.12.2008 nicht an.

cc)

Die in der Beschwerdebegründung ebenfalls angesprochene Frage, ob hinsichtlich des Begehrens des Vaters in der Hauptsache, die gesamte elterliche Sorge allein übertragen zu erhalten, ebenso wie für den entgegengesetzten Antrag der Mutter die Voraussetzungen nach § 1696 BGB gegeben sein müssen, oder ob der Vater, der bereits Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist, insoweit allein einen ergänzenden Antrag nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB stellen muss, braucht ebenfalls nicht entschieden zu werden. Offen bleiben kann ferner die Frage, ob das Amtsgericht in der Hauptsache zu Recht die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet hat. Gegen eine solche Zwischenentscheidung ist ein Rechtsmittel ohnehin nicht gegeben. Vielmehr ist ein etwa zu Unrecht ergangener Beweisbeschluss mit dem Rechtsmittel gegen die Hauptsache zu rügen (vgl. Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19, Rz. 9, 24 sowie zum neuen Verfahrensrecht Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf-/Weidemann, 2. Aufl, § 2, Rz. 261; Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FamFG, § 58, Rz. 75).

dd)

Einer Auseinandersetzung mit den anhängigen Strafverfahren gegen die Eltern bedarf es entgegen der Auffassung des Vaters nicht. Diese Verfahren haben zwar offensichtlich ihren Ursprung in der (gerichtlichen) Auseinandersetzung der Eltern über ihre Rechte in Bezug auf das Kind. Das Kindeswohl ist dennoch nicht unmittelbar berührt.

Zudem ist eine Aufklärung der strafrechtlich relevanten Vorwürfe im summarischen einstweiligen Anordnungsverfahren ohnehin kaum denkbar. Vor Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen lassen sich angesichts der Vielzahl der erhobenen Vorwürfe und des streitigen Sachvortrags keine Erkenntnisse darüber gewinnen, welcher Elternteil im vorliegenden Verfahren etwa bewusst die Unwahrheit gesagt hat.

Allerdings ist bei der Frage, ob die gemeinsame elterlichen Sorge aufrecht erhalten bleiben kann oder die Alleinsorge eines Elternteils zu begründen ist, die objektive Kooperationsfähigkeit und die subjektive Kooperationsbereitschaft der Eltern von großer Bedeutung (Senat, FamRZ 1998, 1047, 1048; KG, FamRZ 2000, 504). Eingeschränkte Kommunikation unter den Eltern rechtfertigt aber noch nicht die Annahme der Einigungsunfähigkeit. Vielmehr können sie, solange ihnen die Konsensfindung, dies ist die Herbeiführung von Übereinstimmung und Gemeinsamkeit, zum Wohle des Kindes zumutbar ist, nicht aus der Verpflichtung dazu entlassen werden (Senat, FamRZ 2003, 1952, 1953). Ebenso führen erhebliche Streitigkeiten zwischen den Eltern nicht notwendig zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Die Einigungsunfähigkeit muss gerade in Bezug auf das Kind vorliegen, d. h. die Eltern dürfen in grundsätzlichen Erziehungsfragen bzw. in allen Angelegenheiten des Kindes von erheblicher Bedeutung zu einer einvernehmlichen Regelung nicht in der Lage sein (vgl. BVerfG, FuR 2004, 405, 407; KG, FamRZ 2000, 504).

Die wechselseitigen Anzeigen deuten allerdings auf eine eingeschränkte Kommunikation der Eltern hin. Dies bedarf der Würdigung im Hauptsacheverfahren. Dass diese Kommunikationsstörungen gegenwärtig unmittelbare Auswirkungen auf das Kind haben, lässt sich jedoch nicht feststellen. Ein Regelungsbedürfnis allein im Hinblick auf die Strafverfahren ist daher nicht gegeben.

ee)

Zu Unrecht geht der Vater in der Beschwerdebegründung von einer herabgesetzten Eingriffschwelle für den Erlass einer einstweiligen Anordnung unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 20.8.2010 (10 WF 187/10, NJW 2010, 3245; Anmerkung Rixe, FamFR 2010, 426) aus.

In jenem Beschluss hat der Senat ausgeführt, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung zugunsten des nichtehelichen Vaters im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.7.2010 (1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403) außerhalb der Eingriffschwelle von § 1666 BGB möglich sei. Dies ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass der Vater eines nichtehelichen Kindes bis zum Erlass jenes Beschlusses vom 21.7.2010 der Mutter, wenn es zu einer Sorgeklärung nach § 1626 a BGB nicht gekommen war, das Sorgerecht nur streitig machen konnte, wenn die Voraussetzungen für einen Entzug der elterlichen Sorge nach § 1666 BGB gegeben waren. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

Der Antragsteller, der zunächst aufgrund einer Sorgeerklärung das Sorgerecht mit der Mutter gemeinsam innehatte, ist aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts vom 5.12.2008 alleiniger Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Einer Heranziehung des Beschlusses vom Bundesverfassungsgericht vom 21.7.2010 bedarf es nicht. Ein Regelungsbedürfnis hat der Senat in seinem Beschluss vom 20.8.2010 im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Einschulung eines Kindes gesehen. Deshalb hat er im Wege der einstweiligen Anordnung das Recht, über den Besuch der Schule bzw. des Kindergartens zu bestimmen, einstweilen einem Elternteil, hier dem Vater, übertragen. Eine vergleichbare Dringlichkeit ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

ff)

Der Umstand, dass die Mutter, wie der Vater meint, die vom Amtsgericht erlassene Umgangsregelung vom 30.9.2009 nicht befolgt hat, berührt die hier zu treffende Entscheidung nicht. Jene Umgangsregelung war ohnehin rechtlich zweifelhaft, da hier, ohne dass Gründe dafür erkennbar waren, eine Einschränkung des Umgangsrechts durch Anordnung begleiteten Umgangs, § 1684 Abs. 4 S. 3 BGB, mit einer Einschränkung der Rechte des Obhutselternteils, nämlich der Anordnung einer Umgangspflegschaft, § 1684 Abs. 3 S. 3 BGB, verknüpft worden ist. Entsprechend hat der Vater selbst zunächst Beschwerde gegen jenen Beschluss eingelegt.

gg)

Auch die übrigen Umstände, die den vorliegenden Fall, wie bereits im Senatstermin vom 14.4.2011 erörtert, als besonders ungewöhnlich erscheinen lassen, sprechen nicht dafür, die gesamte elterliche Sorge bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren beim Vater allein zu belassen. Dies gilt etwa sowohl für die Vorwürfe der Mutter, der Vater habe sich das Aufenthaltsbestimmungsrecht durch Manipulation wie gefälschte bzw. Blankounterschriften erschlichen und er würde sie zu nächtlichen Besuchen drängen sowie um ihre Rückkehr werben, als auch umgekehrt für die Vorwürfe des Vaters, die Mutter habe im Dezember 2009 eine Körperverletzung zu seinen Lasten begangen, Telefonmitschnitte, die manipuliert seien bzw. nicht von ihm stammten, in das gerichtliche Verfahren eingeführt und den Zeugen G… zur falschen Aussage verleitet.

Diese Vorwürfe zeugen von eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit der Eltern, die im Hauptsacheverfahren Beachtung finden wird. Unmittelbare Auswirkungen auf das Kind, die die Aufrechterhaltung der einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnten, sind aber, wie bereits ausgeführt, nicht ersichtlich.

Gleiches gilt für den ergänzenden Sachvortrag der Eltern nach den Anhörungsterminen. Der Vater hat vorgetragen, ihm sei zweimal das Auto zerkratzt worden, auch sei er zweimal Opfer einer Körperverletzung geworden. Diese schlimmen Vorfälle, die der Vater wegen der Nennung des Namens „J…“ durch die Täter im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren sieht, haben keine unmittelbare Auswirkung auf die Sorgerechtsituation. Gleiches gilt, soweit die Mutter vorträgt, ihr neuer Partner sei von Unbekannten angeschrien bzw. angesprochen worden, wobei Beschuldigungen gegen die Mutter vorgebracht worden seien; ferner habe auch der Vater ihren Partner angesprochen, dabei Beschuldigungen gegen sie erhoben und Konsequenzen angedroht.

hh)

Für die Entscheidung allein ausschlaggebend ist, dass unabhängig von den Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern kein Grund dafür ersichtlich ist, über die gesamte elterliche Sorge schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu entscheiden. Das Kind ist beim Vater, wie bereits ausgeführt, gut aufgehoben. Dieser hat als alleiniger Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens, § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB. Ein darüber hinausgehender Eingriff in das Elternrecht der Mutter ist allein aufgrund summarischer Prüfungen im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht gerechtfertigt.

Bei der Entscheidung darüber, ob die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben ist, kann auch von Bedeutung sein, ob in absehbarer Zeit sorgerechtsrelevante Entscheidungen gemeinsam zu treffen sind (Vgl. Senat, FamRZ 2003, 1952, 1953; OLG Brandenburg, 3. Senat für Familiensachen - FamRZ 2002, 567 f.). Dieser Gesichtspunkt ist im Verfahren der einstweiligen Anordnung besonders zu beachten. Wenn gegenwärtig keine wichtigen Entscheidungen für das Kind zu treffen sind, bei denen sich Meinungsstreitigkeiten der Eltern auswirken könnten, spricht dies für die (vorläufige) Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge.

Der angefochtene Beschluss ist mit seiner Bekanntgabe wirksam geworden. Seither üben die Eltern die elterliche Sorge wieder gemeinsam aus. Ein Konfliktpunkt hat sich insoweit nur ergeben, als die Mutter der vom Vater eingeleiteten Teilnahme des Kindes an einer Psychotherapie widersprochen hat. Dieser Umstand allein aber kann ein Regelungsbedürfnis nicht begründen.

Dabei ist zu beachten, dass die Mutter nach ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 12.10.2010 bis zur Vorlage von Stellungnahmen des Psychotherapeuten im gerichtlichen Verfahren von der Behandlung nichts wusste. Wenn diese Stellungnahmen sich auch mit der Mutter auseinandersetzen, obwohl diese dem Psychotherapeuten nicht bekannt war, ist es nachvollziehbar, dass die Mutter Vorbehalte im Hinblick auf eine vermeintliche Voreingenommenheit des Psychotherapeuten hat und deshalb auch ihre Zustimmung zur Fortsetzung der therapeutischen Behandlung verweigert hat. Es handelt sich um die häufig zu beobachtende Situation, dass ein Beteiligter in einem Gerichtsverfahren eine von ihm privat eingeholte Stellungnahme eines Sachverständigen einführt und diese von der Gegenseite regelmäßig zurückgewiesen wird, ohne dass dieses Verhalten zu beanstanden wäre. Daher kommt es hier wegen des entstandenen Eindrucks der Voreingenommenheit auf die Frage, inwieweit den Stellungnahmen des Psychotherapeuten inhaltlich zufolgen ist, nicht an.

Letztlich ist, was die Situation des Kindes angeht, kein entscheidender Unterschied festzustellen zwischen der Phase von Mai 2009 bis September 2010, in der der Vater die elterliche Sorge allein innehatte und der Zeit nach Erlass des angefochtenen Beschlusses mit der wieder aufgelebten gemeinsamen elterlichen Sorge. Das zeigt sich auch daran, dass der Vater bei seiner Anhörung vor dem Senat nochmals den Vorschlag unterbreitet hat, es könne ein gemeinsames Sorgerecht geben, wenn die Mutter nicht mehr darauf beharre, dass das Kind bei ihr leben solle.

b)

Ob die vom Amtsgericht durch Beschluss vom 11.5.2011 ergriffene Maßnahme nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften, hier nach § 1671 BGB, gerechtfertigt war, kann dahinstehen. Die maßgeblichen Gesichtpunkte sind wegen der Wechselwirkungen mit dem Regelungsbedürfnis unter a) bereits angesprochen worden, bedürfen aber, weil es am Regelungsbedürfnis fehlt, keiner Entscheidung.

2.

Auf die Frage, ob der Vater im Hinblick auf die Ladung des Amtsgerichts zum Termin vom 17.9.2010 damit rechnen musste, dass auch über die bestehende einstweilige Anordnung verhandelt wird, kommt es nicht an. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in der Verfügung des Senats vom 8.10.2010. Der Antragsgegner hatte ausreichend Gelegenheit, seinen Standpunkt im Beschwerdeverfahren darzulegen. Im Hinblick darauf, dass er - unabhängig von den Gründen – vom Amtsgericht nicht persönlich angehört worden ist, ist wegen der gesetzlichen Wertung von § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG seine persönliche Anhörung im Beschwerdeverfahren nachgeholt worden.

Einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob der erkennende Richter am Amtsgericht im Hinblick auf das Ablehnungsgesuch die Anhörung, weil es sich nicht um eine unaufschiebbare Handlung im Sinne von § 47 ZPO handelt, hätte unterlassen müssen, bedarf es nicht. Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang nur, dass es entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung keine diesbezügliche vom Senat am Telefon geäußerte Rechtsauffassung gibt. Der Verfügung des Amtsgerichts vom 11.8.2009 (Bl. 232 d. A. 10 F 179/09 eAO-SO) lässt sich, wie im Senatstermin vom 14.4.2011 erörtert, nichts Gegenteiliges entnehmen, da sich allein die Ausführungen des Richters unter a) auf ein Telefonat beziehen. Unter b) hat der Amtsrichter seine eigene Rechtsauffassung wiedergegeben.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert wird in Anwendung von § 24 RVG a.F. mit Rücksicht auf den Umfang des Verfahrens auf 1.500 € festgesetzt.