Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 4. Senat | Entscheidungsdatum | 17.11.2011 | |
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Aktenzeichen | L 4 R 380/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 240 SGB 6 |
Ein Baufacharbeiter und Dachdecker, der keinerlei Vorkenntnisse im Verwaltungs- bzw. Bürobereich hat und dessen in der Freizeit erworbenen EDV-Kenntnuisse es ihm lediglich erlauben, im Internet zu surfen und Bewerbungen auf dem Computer zu erstellen, kann nicht auf die Tätigkeit eines Registrators oder Poststellenmitarbeiters (Vergütungsgruppe VIII BAT/Entgeltgruppe 3 TVöD) verwiesen weren, weil er diese nicht innerhalb einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten vollwertig verrichten kann.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Potsdam vom 3. März 2011 und unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 26. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2008 verpflichtet, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. Dezember 2007 zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens in voller Höhe zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt die Gewährung einer unbefristeten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. Dezember 2007.
Der 1959 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Er schloss am 15. Juli 1977 eine dreijährige Ausbildung zum Bautischler erfolgreich ab. Nachdem er bis zum 30. April 1978 als solcher tätig gewesen war, leistete er seinen Grundwehrdienst ab und arbeitete vom 1. November 1979 bis zum 30. Juni 1992 als Spezialbaufacharbeiter und anschließend vom 6. Juli 1992 bis zum 30. September 1997 als Vorarbeiter. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit absolvierte er vom 28. September 1998 bis zum 22. Juni 2000 mit Erfolg eine Umschulung zum Dachdecker. In der Folge war der Kläger vom 16. Oktober 2000 bis zum 26. Januar 2001, vom 20. Februar bis zum 23. November 2001, vom 26. November 2001 bis zum 26. Juli 2002, vom 17. September 2003 bis zum 11. Mai 2006, vom 12. Mai 2006 bis zum 31. Juli 2006 und vom 2. August bis zum 22. Dezember 2006 bei verschiedenen Arbeitgebern im In- und Ausland beschäftigt. In den dazwischen liegenden Zeiten sowie seit dem 23. Dezember 2006 war bzw. ist der Kläger arbeitsuchend.
Bei dem Kläger ist ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt.
Der Kläger litt bereits seit 2004 oder 2005 unter Nackenschmerzen, die sich im Laufe des Jahres 2006 bis Anfang 2007 deutlich verstärkten. Zu dieser Zeit bemerkte er auch vermehrt Schmerzausstrahlungen in den linken Arm und die Finger sowie eine leichte Kraftminderung in diesem Arm. Nachdem eine konservative Therapie seine durch einen Bandscheibenvorfall im Bereich C6/C7 bedingten Beschwerden nicht hatte beseitigen können, wurde der Kläger im August 2007 im Oberlinhaus Potsdam entsprechend operiert. Auf einen neuntätigen stationären Aufenthalt vom 1. bis zum 9. August 2007 und ambulante Behandlungen folgte vom 14. November bis zum 5. Dezember 2007 eine Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik H in R; der diesbezügliche Entlassungsbericht, der sich bei den Verwaltungsvorgängen der Beklagten befindet, datiert vom 5. Dezember 2007. Darin heißt es, bei dem Kläger bestünden ein chronisch rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom rechts bei Bandscheibenprotrusion und -degeneration mit Vakuumphänomen L 5/S 1, Fehlstatik und arthromuskulärer Dysfunktion, ein rezidivierendes lokales Zervikalsyndrom bei Zustand nach ventraler Spondylodese C 6/C 7 nach Smith-Robinson 2. August 2007 wegen NPP C 6/C 7 links und bei degenerativen Veränderungen, ein Muskelhartspann, eine Epicondylitis radialis links sowie eine Adipositas. Der Kläger sei aus orthopädischer Sicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne Überkopfarbeiten, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, ohne Klettern oder Steigen, ohne Absturzgefahr und ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe oder Zugluft vollschichtig einsetzbar. In seiner letzten Tätigkeit als Einschaler sowie in seinen Berufen als Baufacharbeiter und Dachdecker hingegen könne er nicht mehr arbeiten.
Am 14. Dezember 2007 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab zur Begründung an, er halte sich seit März 2007 für erwerbsgemindert und in der Belastbarkeit stark eingeschränkt. Seiner Auffassung nach könne er nur noch maximal drei Stunden täglich arbeiten. Bei der Operation an der Halswirbelsäule sei ihm ein Implantat eingesetzt worden.
Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten ein vom 20. Juni 2007 datierender Bericht über eine Magnetresonanztomographie der Halswirbelsäule am 19. Juni 2007 in der Praxis für Röntgen und Nuklearmedizin, Dr. K, J und K, der Operationsbericht des Ohauses vom 2. August 2007, Arztbriefe des Neurochirurgen Dr. S vom 25. Juni und 28. August 2007, eine Epikrise des Ohauses, Abteilung Wirbelsäulen- und Beckenchirurgie, vom 6. August 2007, ein Bericht der Radiologin Dr. H über eine am 12. Oktober 2007 durchgeführte Computertomographie der Lendenwirbelsäule sowie der bereits genannte Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik H vor. Die Beklagte holte einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Chirurgen und Unfallchirurgen H ein, der vom 20. März 2008 datiert.
Auf Veranlassung der Beklagten untersuchte die Chirurgin Dr. L den Kläger am 25. April 2008 und erstellte ein Gutachten, in welchem sie zu dem Ergebnis kam, dass er unter einem chronischen Zervikobrachial-Syndrom links bei Zustand nach ventraler Spondylodese C 6/ C 7 nach Smith-Robinson vom 2. August 2007 wegen NPP C 6/C 7 links mit deutlichen Funktionseinschränkungen, einem chronischen pseudoradikulären Lumbalsyndrom bei Bandscheibenprotrusion L 5/S 1 und Vakuumphänomen mit mäßiggradiger Spondylarthrose, einer Hyperlipoproteinämie (medikamentös behandelt) und Übergewicht leide. Sein Leistungsvermögen sei insbesondere durch die Wirbelsäulenschmerzsymptomatik deutlich vermindert. Allein aus orthopädisch/chirurgischer Sicht sollte der Kläger weder als Bautischler noch als Einschaler einsetzbar sein. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe jedoch bezüglich des positiven Leistungsbildes ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten. Vermieden werden sollten schweres Heben und Tragen, ständiges Arbeiten bei Nässe und Kälte, ständige Wirbelsäulenzwangshaltungen, ständig hockende, kniende, bückende Tätigkeiten, dauernde Ganzkörpervibrationen, dauernde Erschütterungen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Überkopfarbeiten. Von Bildschirmarbeiten sei wegen der dabei notwendigen Zwangshaltungen abzuraten; sie seien nur kurzzeitig möglich. Durch weitere intensivierte physikalische und physiotherapeutische Behandlungsmaßnahmen könne eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers erzielt werden. Dem Gutachten lagen weitere medizinische Unterlagen in Ablichtung bei.
Mit Bescheid vom 26. Juni 2008 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, er könne noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Zwar könne er mit dem vorhandenen Leistungsvermögen seinen erlernten Beruf als Baufacharbeiter nicht mehr ausüben. Unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten könne er jedoch zumutbar darauf verwiesen werden, in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich als Pförtner, Postabfertiger oder Registrator zu arbeiten.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 14. Juli 2008 Widerspruch ein und trug vor, seine gesundheitlichen Einschränkungen seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Bei einer Magnetresonanztomographie der Halswirbelsäule im Februar 2008 sei festgestellt worden, dass das implantierte Bandscheibeninterponat sich verschoben habe. Dadurch sei es zu weiteren Problemen gekommen. Bei längerem Sitzen empfinde er starke Schmerzen im Nackenbereich, bei längerem Stehen starke Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich. Diese Schmerzen führten dazu, dass er nicht nur als Baufacharbeiter und Dachdecker nicht mehr arbeiten könne, sondern auch die benannten Verweisungstätigkeiten nicht in dem beschriebenen Umfang verrichten könne. Hinsichtlich der Frage der Berufsunfähigkeit sei im Übrigen nicht nachzuvollziehen, dass die von der Beklagten genannten Verweisungsberufe unter Berücksichtigung der erlernten Berufe zumutbar sein sollten.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte zur Begründung aus, die Beurteilung des Leistungsvermögens sei schlüssig und nachvollziehbar erfolgt. Die Beiziehung zusätzlicher Unterlagen oder die Anfertigung eines weiteren Gutachtens sei nicht erforderlich gewesen. Zur Verweisbarkeit auf die in dem Ablehnungsbescheid genannten Tätigkeiten heißt es, der bisherige Beruf des Klägers sei die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Einschaler gewesen, die dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen sei. Nach den medizinischen Feststellungen könne er diese Tätigkeit nicht mehr verrichten. Nach Auffassung des Widerspruchsausschusses könne er aber noch Tätigkeiten als Postabfertiger oder Registrator ausüben. Diese Beschäftigungen seien ihm unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Leistungseinschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Er sei daher nicht berufsunfähig.
Daraufhin hat der Kläger am 8. Januar 2009 Klage zum Sozialgericht Potsdam erhoben, um sein Begehren weiter zu verfolgen. Er hat vorgetragen, die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten könne er mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen nicht ausüben. Im Übrigen bezweifle er, dass sie von der tariflichen Bewertung bzw. Einordnung her als Verweisungstätigkeiten herangezogen werden könnten. Ggf. sei insoweit ein berufskundliches Gutachten einzuholen.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt und zwar einen Bericht des Chirurgen und Unfallchirurgen H vom 23. September 2009, dem Ablichtungen weiterer medizinischer Unterlagen beigefügt waren, einen undatierten Bericht der Fachärztin für Anästhesiologie und innere Medizin Dr. D, welchem Epikrisen des JKrankenhauses im F, Klinik für internistische Rheumatologie und Osteologie, Rheumaorthopädie und Schmerztherapie, vom 9. Februar und 28. Mai 2009 beigefügt waren, einen Bericht des Orthopäden S vom 13. Oktober 2009, ebenfalls mit Anlagen, einen Bericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin B vom 13. Oktober 2009, einen Bericht des Neurochirurgen Dr. B vom 19. Oktober 2009, ebenfalls mit anliegenden Ablichtungen, den Bericht des Facharztes für Orthopädie Dr. S vom 18. März 2010, wiederum mit weiteren Unterlagen, und den Bericht des Facharztes für physikalische und rehabilitative Medizin F vom 22. März 2010.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat der Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. T den Kläger am 18. Oktober 2010 untersucht und unter dem 25. Oktober 2010 ein Sachverständigengutachten erstellt. Darin heißt es, bei dem Kläger bestünden leichte Funktionsstörungen der Halswirbelsäule bei Zustand nach ventraler Spondylodese C 6/C 7 nach Smith-Robinson bei Bandscheibenvorfall am 2. August 2007, ein pseudoradikuläres LWS-Syndrom bei muskulärer Dysbalance, kernspintomographisch gesicherter Bandscheibenprotrusion L 4/L 5 und klinisch leichten Funktionsstörungen, ein lokales BWS-Syndrom bei muskulärer Dysbalance, deutlichen degenerativen Veränderungen und leichten Funktionsstörungen, leichte Funktionsstörungen des rechten Hüftgelenks bei Coxa vara, belastungsinduzierte Epikondylopathia humeri radialis bds. ohne nennenswerte Funktionsstörungen, ein Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung sowie Herzrhythmusstörungen, ein Tinnitus bds. und Adipositas. Das Leistungsvermögen sei aufgrund dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen zwar qualitativ, nicht aber quantitativ eingeschränkt. Leichte körperliche Arbeiten könne der Kläger vollschichtig, das heißt acht Stunden täglich, verrichten, körperlich mittelschwere Tätigkeiten nur gelegentlich. Zu bevorzugen seien Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, in geschlossenen Räumen und ohne wirbelsäulenbelastende Einflüsse. Betriebsunübliche Pausen benötige der Kläger nicht, auch sei die Wegefähigkeit erhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Besserung durch intensive aktive Anwendungen erzielt werden könne, sei durchaus gegeben. Sinnvoll wäre im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme eine psychologische Begleitbetreuung.
Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger eine erneute stationäre Rehabilitationsmaßnahme, die vom 27. Oktober bis zum 17. November 2010 wiederum in der Rehaklinik H in R durchgeführt wurde. In dem vom 30. November 2010 datierenden Entlassungsbericht der Klinik heißt es, der Kläger sei depressiv und nicht belastbar gewesen. Das Ziel der Rehabilitationsmaßnahme habe nicht erreicht werden können. Das Leistungsvermögen sei als hinreichend für die vollschichtige Verrichtung körperlich leichter bis gelegentlich mittelschwerer Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen, Sitzen in allen Schichten einzuschätzen, wobei häufige Bück- und Wirbelsäulenzwangshaltungen sowie das Heben, Tragen und Bewegen von schweren Lasten gering gehalten werden müssten. Arbeiten über Kopf sollten vermieden werden. Eine psychologische Betreuung des Klägers werde empfohlen.
Durch Urteil vom 3. März 2011 hat das Sozialgericht der Klage insoweit stattgegeben, als es die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2008 verpflichtet hat, dem Kläger ausgehend von einem Leistungsfall am 14. Dezember 2007 beginnend am 1. Juli 2008 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zum 30. Juni 2011 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, der Kläger könne aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen seine bisherige Tätigkeit, die Facharbeiterniveau gehabt habe, nicht mehr ausüben. Eine zumutbare Verweisungstätigkeit könne ihm nach Überzeugung des Gerichts nicht benannt werden. Die von der Beklagten benannten Tätigkeiten erreichten die Ebene, auf welche der Kläger als Facharbeiter verwiesen werden könne, nicht. In die Tätigkeit eines Registrators oder Poststellenmitarbeiters nach BAT VIII/Entgeltgruppe 3 TVöD könne sich der Kläger nach Überzeugung des Gerichts nicht innerhalb einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten einarbeiten, denn er könne die hierfür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht innerhalb einer solchen Zeit erwerben. Soweit die vorgenannten Tätigkeiten den genannten Vergütungsgruppen zugeordnet würden, handele es sich um hervorgehobene Tätigkeiten, die bei Personen ohne spezifische Vorkenntnisse eine längere Einarbeitungszeit erforderten. Dies folge schon daraus, dass es sich nach den Tätigkeitsbeschreibungen um schwierigere Tätigkeiten handele. Schwierigere Tätigkeiten lägen gegenüber einfacheren Tätigkeiten dann vor, wenn die Tätigkeiten im Vergleich zu den einfacheren Arbeiten den Einsatz qualifizierter Fähigkeiten der Angestellten, gleich in welcher Hinsicht, verlangten. Die schwierigere Tätigkeit liege damit im Schwierigkeitsgrad deutlich erkennbar über den Anforderungen der reinen Postabfertigung bzw. bloßer Bürohilfstätigkeit. Der Kläger besitze jedoch weder eine einschlägige Berufsausbildung, etwa zum Verwaltungsfachangestellten, noch verfüge er über eine betriebliche Ausbildung für die Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter oder Registrator. Dass die vom Kläger bis 1977 in der DDR abgeschlossene Bautischlerausbildung bzw. die bis 2000 abgeschlossene Dachdeckerumschulung heute noch verwertbare Fähigkeiten für die Verrichtung höherwertigerer Bürotätigkeiten vermittelt hätten, sei nicht festzustellen. Der Kläger habe auch nach seinen überzeugenden Ausführungen im Termin nie in einem Verwaltungsbereich gearbeitet. Seine Vertretungstätigkeit für den Polier habe sich lediglich auf die Tätigkeit auf den Baustellen bezogen. Soweit die Beklagte Rechtsprechung der Landessozialgerichte Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zitiert habe, um ihre Auffassung zu stützen, vermöge die Kammer diesen Entscheidungen nicht zu folgen; sie beziehe sich auf einschlägige Entscheidungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg. Die Rentenleistung sei auf drei Jahre zu befristen gewesen, da nach den überzeugenden Feststellungen des Gutachters eine Besserungswahrscheinlichkeit durchaus gegeben sei. Hinsichtlich des Leistungsfalls sei die Kammer vom Tag der Rentenantragstellung ausgegangen.
Gegen das ihr am 25. März 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. April 2011 Berufung eingelegt. Sie meint, die von ihr benannten Verweisungstätigkeiten seien dem Kläger sowohl gesundheitlich als auch sozial zumutbar. Der Kläger verfüge durchaus über verwertbare Vorkenntnisse. So habe er in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass er einen Computer habe, mit welchem er im Internet surfe und Bewerbungen schreibe. Die Beklagte hat verschiedene Urteile benannt, die ihrer Auffassung nach ihre Rechtsansicht bestätigen.
Der Kläger, dem das Urteil des Sozialgerichts am 24. März 2011 zugestellt worden war, hat bei der Beklagten die Weitergewährung der Rente beantragt und auf deren Anraten hin am 13. Mai 2011 Anschlussberufung eingelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 3. März 2011 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Potsdam vom 3. März 2011 und unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 26. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2008 zu verpflichten, ihm ab dem 1. Dezember 2007 unbefristet Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte hat eine Epikrise des Rehaklinikums H F im Ohaus, B B, vom 16. September 2011 zu den Akten gereicht. Dort wurde vom 14. Juni bis zum 5. Juli 2011 erneut eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt, nachdem am 25. Mai 2011 in der Oberlinklinik Peine arthroskopische Offsetkorrektur am ventrolateralen, ventralen und ventromedialen Kopf-Halsübergang durchgeführt worden war. In dem Entlassungsbericht heißt es, nach dreiwöchiger intensiver krankengymnastischer und balneophysikalischer Therapie hätten die Ziele der Rehabilitationsmaßnahme nicht erreicht werden können. Es werde eingeschätzt, dass der weiterhin arbeitsunfähige Kläger in absehbarer Zeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, unter Vermeidung von Heben und Tragen schwerer Lasten, Überkopfarbeiten, Arbeiten in kniender und hockender Körperhaltung, ohne Arbeiten auf unebenem Gelände und rutschigem Untergrund, häufiges Treppensteigen sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sei. Er könne somit seiner letzten Berufstätigkeit als Einschaler nicht weiter nachgehen. Der Kläger selbst halte sich inzwischen auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für nicht mehr einsetzbar.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (VSNR ) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 1 SGG) Berufung der Beklagten ist zulässig. Ebenso zulässig ist die nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegte und mithin unselbständige Anschlussberufung des Klägers, die sich im Rahmen des Streitgegenstands der Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hält.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet und die Anschlussberufung des Klägers begründet, denn der Kläger hat seit dem 1. Dezember 2007 Anspruch auf eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Beklagte hätte den Antrag des Klägers nicht ablehnen und den Widerspruch nicht zurückweisen dürfen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit erfüllt der Kläger. Anspruch auf eine derartige Rente besteht nach § 240 Abs. 1 i.V.m. § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) für Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie
1. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben,
2. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben,
3. vor dem 2. Januar 1961 geboren und
4. berufsunfähig sind.
Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger die für die Rentengewährung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Er ist auch vor dem Stichtag 2. Januar 1961, nämlich im Februar 1959, geboren. Der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch berufsunfähig.
Gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf, das heißt die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Wertigkeit des bisherigen Berufs ist die Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20. Juli 2007 - B 13 RJ 19/04 R, zitiert nach juris). Hauptberuf des Klägers ist danach seine vom Herbst 2000 bis zum Ende des Jahres 2006 bei verschiedenen Arbeitgebern und mit Unterbrechungen ausgeübte Tätigkeit als Einschaler. Davon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
Seinen Hauptberuf kann der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Aufgrund degenerativer Veränderungen insbesondere der Wirbelsäule der daraus resultierenden Schmerzen, Belastungs- und Bewegungseinschränkungen sind ihm die mit seinem Beruf verbundenen körperlich belastenden Arbeiten nicht mehr zuzumuten. Insoweit kann auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. L und Dr. T in ihren Gutachten und auch die Leistungsbeurteilungen in den Entlassungsberichten der Rehabilitationskliniken verwiesen werden. Diese unterscheiden sich hinsichtlich der Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers nur graduell und gehen übereinstimmend davon aus, dass der Kläger weder seine erlernten Berufe des Bautischlers und des Dachdeckers noch den bisherigen Beruf des Einschalers noch ausüben kann. Dass der Kläger nicht mehr im Baubereich handwerklich arbeiten kann, ist im Übrigen zwischen den Beteiligten bereits seit dem Verwaltungsverfahren unstreitig und auch in dem erstinstanzlichen Urteil zutreffend ausgeführt.
Nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente aber dann nicht gegeben, wenn zwar die Ausübung des bisherigen Berufs bzw. des Hauptberufs aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist, der Kläger aber zumutbar auf eine andere Erwerbstätigkeit verwiesen werden kann. Zur Feststellung der Wertigkeit des bisherigen Berufs und der Möglichkeiten der Verweisung auf andere Tätigkeiten sind in der Rechtsprechung des BSG die Arbeiter- und die Angestelltenberufe in Gruppen eingeteilt worden (Mehrstufenschema, vgl. BSG, Urteil vom 14. Januar 1986 - 5a Kn 1/85, BSGE 59, 249 [259] zu den Angestelltenberufen, Urteil vom 14. Mai 1991 - 5 RJ 82/89, BSGE 68, 277 [279] zu den Arbeiterberufen). Bei der Einordnung in die einzelnen Gruppen und bei der Stufenbildung wird grundsätzlich im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten beruflichen Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zugrunde gelegt. Danach werden bei Arbeitern die Berufsgruppen von der Gruppe mit dem höchsten Ausbildungsgrad beginnend nach unten durch folgende Leitberufe charakterisiert:
1. Stufe
Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion,
2. Stufe
Facharbeiter (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren),
3. Stufe
angelernte Arbeiter (sonstiger Beruf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren oder betrieblicher Anlernzeit von mindestens drei Monaten),
4. Stufe
ungelernte Arbeiter.
Ausschlaggebend für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einer Gruppe des Mehrstufenschemas ist allein die Wertigkeit der verrichteten Arbeit, das heißt der aus einer Mehrheit von Faktoren zu ermittelnde qualitative Wert der Arbeit für den Betrieb, wie er sich durch Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und die Anforderungen des Berufs ergibt (vgl. zum Mehrstufenschema sowie zur Verweisbarkeit: BSG, Urteil vom 15. März 1978 - 1/5 RJ 128/76, SozR 2200 § 1246 Nr. 29, Urteil vom 15. November 1983 - 1 RJ 112/82, SozR 2200 § 1246 Nr. 109, Urteil vom 28. November 1985 - 4a RJ 51/84, SozR 2200 § 1246 Nr. 132, und Urteil vom 09. September 1986 - 5b RJ 82/85, SozR 2200 § 1246 Nr. 140). Sozial zumutbar ist nach der genannten Rechtsprechung grundsätzlich die Verweisung auf eine Tätigkeit, die eine Stufe unter der Stufe, welcher der bislang ausgeübte Beruf zugehörig ist, einzuordnen ist (BSG, Urteil vom 20. Juli 2007 - B 13 RJ 19/04 R, zitiert nach juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Kläger angesichts seines beruflichen Werdegangs nach der Überzeugung des Senats (§ 128 SGG) und auch der Beteiligten als Facharbeiter einzuordnen. Für seine bisherige Tätigkeit war er durch zwei erfolgreich abgeschlossene einschlägige Ausbildungen qualifiziert. Eine Einstufung des Klägers in die höchste Gruppe des Mehrstufenschemas als Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion kommt nicht in Betracht; als Vorarbeiter hat er zuletzt im Jahr 1997 gearbeitet. Nach der Gesamtschau aller maßgeblichen Gesichtspunkte ist der Kläger im Rahmen des Mehrstufenschemas somit der Berufsgruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen.
Die Beklagte hat keine Tätigkeit benannt, die dem verbliebenen Leistungsvermögen des Klägers entspricht und ihm sozial zumutbar ist. Die von ihr als Verweisungsberufe genannten Tätigkeiten als Registrator oder Poststellenmitarbeiter sind für den Kläger sozial nicht zumutbar. Im Rahmen des so genannten Mehrstufenschemas darf der Versicherte nach der ständigen Rechtsprechung des BSG jeweils nur auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden. Ein Facharbeiter kann somit nur auf solche Tätigkeiten verwiesen werden, die entweder zu den sonstigen Ausbildungsberufen gehören oder die eine betriebliche Anlernzeit von wenigstens drei Monaten erfordern oder sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten nach der tariflichen Eingruppierung durch den Arbeitgeber bzw. der tarifvertraglichen Eingruppierung oder auf Grund besonderer qualitativer Merkmale hervorheben und deshalb einer Anlerntätigkeit gleichstehen. Zu dieser Ebene gehören die von der Beklagten benannten Tätigkeiten nicht.
Ob die Verweisung auf „Poststellenmitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung“ den von der Rechtsprechung an die Benennung einer Verweisungstätigkeit gestellten Anforderungen genügt, ist schon zweifelhaft, denn dass damit ein typischer Arbeitsplatz mit der üblichen Berufsbezeichnung beschrieben und eine typisierende Arbeitsplatzbeschreibung über den tatsächlichen Umfang der Anforderungen und den Arbeitsablauf sowie typische Belastungssituationen zugrunde gelegt werden könnte (vgl. dazu ausführlich das Urteil des BSG vom 27. März 2007 - B 13 R 63/06, zitiert nach juris), wird man nicht annehmen können. Letztlich kann dies jedoch ebenso wie die Frage, welche Leistungsanforderungen mit solchen Tätigkeiten verbunden sind und ob der Kläger ihnen mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen entsprechen könnte, dahinstehen, denn soweit die Beklagte den Kläger auf Bürotätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung verwiesen hat, entsprechen diese jedenfalls dann, wenn der Kläger sie innerhalb einer Einarbeitungszeit von drei Monaten vollwertig verrichten könnte, nicht der Facharbeitern zumutbaren dritten Stufe. Soweit derartige Tätigkeiten die Anlernebene des Mehrstufenschemas erreichen, sich also deutlich von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unterscheiden, kann der Kläger auf sie nicht verwiesen werden, weil ihm jegliche Vorkenntnisse und Fertigkeiten fehlen, diese aber erforderlich sind, um die Tätigkeit nach einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten konkurrenzfähig ausüben zu können. Als Bautischler, Dachdecker und Einschaler hat er für die Ausübung von Bürotätigkeiten verwertbare Erfahrungen nicht sammeln können. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht darauf hingewiesen, dass daran weder seine Vertretungstätigkeiten für den Polier noch der Umstand, dass er zu Hause einen Computer hat, auf welchem er Bewerbungen schreibt und mittels dessen er im Internet surft, etwas ändern. In einem dem vorliegenden insoweit vergleichbaren Fall der Verweisung eines Schlossers auf Bürotätigkeiten hat der 6. Senat dieses Gerichts in seinem Urteil vom 7. März 2007 (L 6 RJ 67/01, zitiert nach juris) die folgenden Ausführungen gemacht:
„Die Tätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst ist nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt. Sie reicht von der vorwiegend mechanischen Tätigkeit (BAT X) und den einfacheren Arbeiten (BAT IX) über schwierigere Tätigkeiten (BAT VIII) bis zu Arbeiten mit gründlichen und besonders qualifizierten Fachkenntnissen und/oder leitenden Funktionen (BAT VII bis V). Diese Eingruppierungsgrundsätze und -regelungen gelten, da bisher noch keine spezielle neue Entgeltordnung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf Grund des neuen Tarifvertrags öffentlicher Dienst geschaffen wurde, fort (Dassau und Langenbrinck: TVöD Schnelleinstieg ins neue Tarifrecht, 1. Aufl. 2005, S 102; Breier u.a., Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale im öffentlichen Dienst, Kommentar, 85. Aktualisierung, Stand 01. Oktober 2006, Vorwort 2005). Die Vergütungsgruppe VIII BAT erfasst Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit schwierigerer Tätigkeit (z.B. Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben; Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung; Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art; Führung von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien sowie von solchen Karteien, deren Führung die Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt; buchhalterische Übertragungsarbeiten; Zinsstaffelberechnungen; Kontenführung). In die Vergütungsgruppe IXb BAT werden Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, Kanzlei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit einfacheren Arbeiten (z.B. nach Schema zu erledigende Arbeiten; Postabfertigung; Führung von Brieftagebüchern, Inhaltsverzeichnissen; Führung von einfachen Karteien z.B. Zettelkatalogen, nach Eigen- oder Ortsnamen geordneten Karteien; Führung von Kontrolllisten, Einheitswertbogen und statistischen Anschreibungen; Formularverwaltung, Schreibmaterialienverwaltung; Führung von häufig wiederkehrendem Schriftwechsel nach Vordruck, insbesondere formularmäßige Bescheinigungen und Benachrichtigungen sowie Erinnerungen und Straffestsetzungen; Lesen von Reinschriften; Heraussuchen von Vorgängen anhand der Tagebücher) eingruppiert. Die Vergütungsgruppen sind im Verhältnis zueinander zu sehen. Eine „schwierigere Tätigkeit“ im Sinne der Vergütungsgruppe VIII BAT muss an den „einfacheren Arbeiten“ der Vergütungsgruppe IXb BAT gemessen werden. Deshalb ist unter den schwierigeren Tätigkeiten nach VIII BAT weniger als eine schwierige Tätigkeit zu verstehen; der Komparativ „schwierigere“ wird hier als Steigerung gegenüber den „einfacheren“ Arbeiten der Vergütungsgruppe IXb Fallgruppe 1 gebraucht. Die schwierigeren Tätigkeiten zeichnen sich durch Verantwortlichkeit, große Selbständigkeit, eigene Initiative, Arbeitseinsatzentscheidung, besondere Initiative, besondere eigene Überlegung und eine Befähigung, wie sie zu einfacheren Arbeiten im Sinne von Vergütungsgruppe IX b nicht gefordert wird, aus. Schwierigere Tätigkeiten liegen gegenüber einfacheren Tätigkeiten dann vor, wenn die Tätigkeit den Einsatz qualifizierterer Fähigkeiten der Angestellten, gleich in welcher Hinsicht, im Vergleich zu den einfacheren Arbeiten verlangt (Breier ua, Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale im öffentlichen Dienst, aaO S 123; Bredemann/Neffke, Eingruppierung in BAT und BAT-O, 2001, RdNr 60). Die schwierigere Tätigkeit muss damit im Schwierigkeitsgrad einerseits deutlich erkennbar über den Anforderungen der Postabfertigung liegen, andererseits ist für eine solche Tätigkeit die Anwendung von „gründlichen Fachkenntnissen“ nicht erforderlich. Im Gegensatz zu den Vergütungsgruppen IXb und X BAT handelt es sich bei der Vergütungsgruppe VIII BAT um eine Tätigkeit für Angelernte und damit für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verwaltungstätigkeit (vgl. BSG Urteile vom 27. November 1991 - 5 RJ 91/89 -, 12. September 1991 - 5 RJ 34/90 - und 29. Mai 1980 - 5 RJ 138/79 -, jeweils veröffentlicht in juris). Üblicherweise wird für die qualifizierte Registraturtätigkeit eine abgeschlossene Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten vorausgesetzt (vgl hierzu das von der Vertreterin der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung des Senats zitierte Gutachten der BA Regionaldirektion Bayern vom 07. Oktober 2005). Die Arbeit in Poststellen ist den Vergütungsgruppen BAT X und BAT IXb zugeordnet, wobei die Vergütungsgruppe BAT IXb im Rahmen eines Bewährungsaufstieges nach zweijähriger Beschäftigung erreicht werden kann. Soweit die Arbeit auf Poststellen der Vergütungsgruppe BAT VIII zugeordnet sein kann (ausdrücklich erwähnt ist sie im Gegensatz zu den Vergütungsgruppen BAT X und BAT IXb nicht, lediglich exemplarisch genannt wird die „Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art“), handelt es sich um hervorgehobene Tätigkeiten, die ebenfalls einer längeren Einarbeitungszeit bedürfen. Zudem ist die Tätigkeit in der Poststelle im öffentlichen Dienst mit dem Heben und Tragen von Lasten - Paketen - verbunden und erfordern daher eine mittelschwere Belastbarkeit des Mitarbeiters (vgl hierzu das von der Vertreterin der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung des Senats zitierte Gutachten der BA Regionaldirektion Bayern vom 07. Oktober 2005).“
Diese Ausführungen macht der Senat sich zueigen. Dass auf der dritten Stufe des Mehrstufenschemas einzuordnende Bürohilfstätigkeiten Vorkenntnisse erfordern, über die im handwerklichen Bereich Ausgebildete und langjährig Tätige nicht verfügen, hat er bereits mehrfach entschieden (vgl. etwa die Urteile des Senats vom 16. September 2009 - L 4 R 54/06 - und vom 27. September 2009 - L 4 R 1046/06, beide zitiert nach juris). Auch der 21. Senat dieses Gerichts hat dies in seinem die Frage der Berufsunfähigkeit einer Köchin betreffenden Urteil vom 17. Dezember 2008 (L 21 RJ 177/04, zitiert nach juris) angenommen und dazu unter anderem ausgeführt:
„Insoweit ist dem Senat aus anderen Verfahren bekannt, dass eine von der Bundesagentur für Arbeit in den 1990er Jahren angebotene Fortbildung zur Büroassistentin ein Jahr dauerte (zum Beispiel vom 16. März 1992 bis 19. März 1993) und nach einem Ausbildungsplan erfolgte, der die Bereiche allgemeine Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Büroorganisation, Wirtschaftsrecht, Schriftverkehr, Schreibtechnik, Zahlungsverkehr, Bürokommunikation, Grundlagen des betrieblichen Rechnungswesens, Stenografie, kaufmännisches Rechnen, elektronische Datenverarbeitung und Kommunikations- und Bewerbungstraining jeweils mit unterschiedlichen Unterrichtsstunden beinhaltete (vgl. Urteil vom 11. Januar 2007, - L 21 R 375/05 - veröffentlicht in Juris). Dafür, dass die Klägerin entsprechende Kenntnisse wie durch diese Fortbildung erworben hat, bestehen aber keine Anhaltspunkte.“
Soweit die Beklagte Entscheidungen anderer Senate und Gerichte angeführt hat, die ihrer Auffassung nach ihre Rechtsansicht stützen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. So verfügte der Kläger in der im Schriftsatz vom 31. August 2011 angesprochenen Entscheidung des 3. Senats dieses Gerichts vom 10. August 2011 (L 3 R 569/10, zitiert nach juris) über einschlägige Vorkenntnisse. In dem Urteil heißt es insoweit: „Der Kläger kann sich in diese Tätigkeit auch innerhalb von drei Monaten einarbeiten (vgl. zu diesem Erfordernis BSG, Urteil vom 22. September 1977 - 5 RJ 96/76 -, in juris). Er nahm ausweislich der Angaben des JobCenters C gegenüber der Beklagten vom 19. November 2007 im Zeitraum vom 02. Mai 2001 bis zum 01. Juli 2003 an einer Umschulung zum IT-Systemelektroniker teil. Vom 01. September 2007 bis zum 29. Februar 2008 war er im Rahmen einer ABM-Maßnahme als Bürohilfskraft beschäftigt. Nach seinen eigenen Angaben in dem beim SG eingereichten Lebenslauf machte er anschließend im Zeitraum von Oktober 2008 bis Dezember 2008 noch eine EDV-Ausbildung in MS Office bei der b Akademie in C. Bei der Sachverständigen Frau Dr. F gab er am 11. Oktober 2007 als Hobby u. a. das Lesen von Elektronikliteratur an. Darüber hinaus gab er in seinem Rentenantrag vom 30. August 2007 an, beim JobCenter mit dem Vermittlungswunsch Bürohilfskraft, Tätigkeit im sozialen Bereich geführt zu werden. Es ist daher davon auszugehen, dass er über einige relevante PC-Kenntnisse sowie Erfahrungen im Bürobereich verfügt, auch wenn er im Rahmen seiner ABM-Tätigkeit vorwiegend nur Auskünfte erteilt oder eingeholt haben sollte. Denn mit Letzterem geht dennoch eine Auseinandersetzung mit den regelmäßigen Abläufen in einem Büro (etwa Telefonverkehr, Schriftverkehr, Vorgänge anlegen, Akten ordnen) einher. Hinsichtlich seiner Umstellungsfähigkeit auf neue Tätigkeiten bestehen ebenfalls keinerlei ersichtliche Einschränkungen.“ Der Kläger in der von der Beklagten in Bezug genommenen und in Ablichtung zu den Akten gereichten Entscheidung des 3. Senats dieses Gerichts vom 20. April 2009 (L 3 R 342/07) hatte zwar den Beruf des Ofenbauers erlernt, war aber später als Unternehmer tätig. In dem ebenfalls in Kopie eingereichten Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2010 (L 20 R 551/08) fehlt eine Auseinandersetzung mit der Problematik völlig. Dort heißt es lediglich: „Der Kläger kann sich in diese Tätigkeit auch innerhalb von drei Monaten einarbeiten … Der Kläger besitzt schon PC-Kenntnisse, hinsichtlich seiner Umstellungsfähigkeit auf neue Tätigkeiten bestehen ebenfalls keinerlei Einschränkungen.“ Die Auffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, wonach für die Tätigkeiten als Registrator oder Poststellenmitarbeiter außer PC-Kenntnissen keine Vorkenntnisse erforderlich und letztere auch bei Vorhandenseins eines Computers zu Hause anzunehmen sein sollen (so etwa das von der Beklagten erwähnte Urteil vom 25. Januar 2005 - L 11 RJ 4993/03, zitiert nach juris), teilt der Senat aus den bereits dargelegten Gründen nicht. Wäre dem so, so wäre die tarifliche Einordnung fehlerhaft.
Andere, nicht von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeiten sind nicht ersichtlich, insbesondere auch nicht von Amts wegen zu ermitteln, weil sich weder aus dem Beteiligtenvorbringen noch aus der Aktenlage oder aus Gerichts- oder Allgemeinkunde konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Vergleichsberufen aufdrängen (vgl. BSG, Urteil vom 05. April 2001 - B 13 RJ 23/00 R, zitiert nach juris).
Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist durch Dr. Totkas und ihm folgend durch das Sozialgericht Potsdam zu Unrecht bis zum 30. Juni 2011 befristet worden. Zwar werden nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet nur geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Dies ist aber hier der Fall.
Der Senat ist davon überzeugt, dass zwar, wie von Dr. T im Gegensatz zu der im Verwaltungsverfahren gutachterlich tätig gewordenen Chirurgin Dr. L angenommen, eine Besserung des Gesundheitszustands des Klägers grundsätzlich möglich ist und im Zeitpunkt der Erstellung des Sachverständigengutachtens wohl auch wahrscheinlich war. Zu beachten ist allerdings, dass im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht jede Besserungswahrscheinlichkeit von Relevanz ist, sondern nur die Wahrscheinlichkeit einer Besserung dergestalt, dass dem Kläger die Ausübung seines bisherigen Berufs als Einschaler wieder möglich ist. Davon konnte und kann jedoch nicht ausgegangen werden. Dass, wie Dr. T schreibt, durch intensive Behandlungen eine bessere muskuläre Konditionierung der Wirbelsäule und der Extremitäten erreicht werden kann, reicht insoweit nicht. Schließlich hat sich selbst die von Dr. T für wahrscheinlich gehaltene Besserung trotz zweier weiterer zwischenzeitlich durchgeführter stationärer Rehabilitationsmaßnahmen nicht eingestellt. Der Kläger erscheint vielmehr inzwischen zusätzlich zu den somatischen Störungen aufgrund der frustranen Behandlungsverläufe zunehmend im Sinne einer Depression psychisch alteriert. Dies lässt sich den Entlassungsberichten der Rehaklinik H vom 30. November 2010 und des Rehaklinikums H F vom 18. September 2011 klar entnehmen.
Ausgehend von einem Eintritt des Leistungsfalls mehr als drei Monate vor der Rentenantragstellung ergibt sich ein Rentenanspruch des Klägers ab dem Zeitpunkt der Antragstellung, das heißt ab dem 1. Dezember 2007 (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.