Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 04.04.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 11 S 9.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 28 Abs 1 S 1 Nr 1 AufenthG, § 28 Abs 1 S 5 AufenthG, § 30 Abs 1 S 1 Nr 2 AufenthG, § 39 Nr 5 AufenthV, § 13 Abs 4 PStG, § 146 Abs 4 S 3 VwGO, § 146 Abs 4 S 6 VwGO |
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
I.
Die 1962 geborene türkische Antragstellerin reiste erstmals am 22. Oktober 2009 mit einem bis zum 10. November 2009 gültigen Schengen-Visum nach Deutschland ein. Nachdem sie sich in der Folgezeit unerlaubt hier aufgehalten hatte, stellte sie Anfang September 2010 einen Asylantrag, der durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. September 2010 unter Androhung der Abschiebung als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hiergegen wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Oktober 2010 zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2010 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, hilfsweise Duldung, zum Zweck erneuter Eheschließung mit ihrem früheren - inzwischen eingebürgerten - Ehemann, den sie kurz darauf heiratete. Durch Bescheid vom 24. November 2010 lehnte der Antragsgegner dies im Wesentlichen mit der Begründung ab, ihr stehe mangels deutscher Sprachkenntnisse weder ein Anspruch auf Ehegattennachzug nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu noch falle die Ermessensentscheidung im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu ihren Gunsten aus. Hiergegen hat die Antragstellerin am 22. Dezember 2010 Klage erhoben (VG 19 K 329.10). Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht Berlin durch Beschluss vom 19. Januar 2011, zugestellt am 25. Januar 2011, zurückgewiesen.
II.
Die rechtzeitig erhobene und begründete Beschwerde der Antragsstellerin hat auf der Grundlage des nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO maßgeblichen Beschwerdevorbringens keinen Erfolg. Berechtigte Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung aufzuzeigen, ist der Antragsstellerin nicht gelungen.
Sie macht zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung darauf gestützt, im Zeitpunkt der Eheschließung sei sie nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis bzw. Duldung gewesen, so dass die Voraussetzungen des § 39 Nr. 5 AufenthV nicht vorgelegen hätten. Dabei sei jedoch nicht berücksichtigt worden, dass der Antragsgegner ihr auf ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 15. Oktober 2010 hätte eine Duldung erteilen müssen, wenn sie den Vorsprachetermin vom 28. Oktober 2010 tatsächlich wahrgenommen hätte, da die Eheschließung kurz bevorgestanden hätte. Zudem habe dieser Antrag Fiktionswirkung ausgelöst. Beide Annahmen sind jedoch unzutreffend.
Abgesehen davon, dass die Antragstellerin den Vorsprachetermin nicht wahrgenommen hat und ihr deshalb damals keine Duldung erteilt werden konnte, hätte ein solcher Anspruch aus Art. 6 Abs. 1 GG nur bestanden, wenn die Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen, von dem die Eheschließung im Ausland nicht verlangt werden kann, unmittelbar bevorgestanden hätte. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der Standesbeamte gemäß § 13 Abs. 4 PStG mitgeteilt hat, dass die Eheschließung vorgenommen werden kann (ständige Rechtsprechung des Senats: vgl. nur Beschluss vom 13. Februar 2007 - 11 S 14.07 - zum früheren § 6 Abs. 1 PStG). Das hatte die Antragstellerin jedoch selbst nicht einmal vorgetragen, sondern nur erklärt, sie werde „alsbald“ heiraten. Auch war das nicht - wie erforderlich - glaubhaft gemacht.
Darüber hinaus hätte auch die Erteilung einer solchen Duldung nicht den Tatbestand des § 39 Nr. 5 AufenthV erfüllt. Voraussetzung hierfür ist, dass zum einen die Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und zum anderen währenddessen im Bundesgebiet eine Ehe geschlossen wird, die einen Anspruch auf Aufenthaltserlaubniserteilung verschafft. Bei der dabei vorausgesetzten Aussetzung der Abschiebung muss es sich allerdings um eine solche handeln, die unabhängig von der Eheschließung ein Abschiebungshindernis begründete (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Januar 2011 - 11 S 51.10 -, juris Rz. 10 m.w.N.). Andernfalls würde die Eheschließung gewissermaßen doppelt berücksichtigt werden, nämlich im Rahmen der Feststellung der Abschiebungsaussetzung und zusätzlich zur Begründung des Anspruchs auf ein Aufenthaltsrecht. Damit aber würde die eigenständige rechtliche Bedeutung der vorangehenden Duldung entfallen. Privilegiert sollen jedoch nur die Ausländer werden, die sich hier mit Duldung aufhalten und sodann die Ehe schließen, nicht aber diejenigen, denen eine Duldung nur erteilt wird, um ihnen die zeitlich unmittelbar bevorstehende Eheschließung zu ermöglichen.
Unrichtig ist aber auch die - zudem entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO schon nicht begründete - Annahme, dass dieser Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 15. Oktober 2010 Fiktionswirkung ausgelöst habe. Denn die Antragstellerin hielt sich zu dieser Zeit nicht mehr erlaubt im Bundesgebiet auf, nachdem auch ihr - nach vorangegangenem längeren illegalen Aufenthalt gestellter - Asylantrag unter Androhung der Abschiebung als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war und das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt hatte. Im Übrigen hätte sich daraus schon kein Anspruch aus § 39 Nr. 5 AufenthV auf Erteilung einer Aufenthaltstitels ohne vorherige Ausreise ergeben.
Ohne Erfolg bleibt weiterhin der nicht weiter substantiierte Einwand der Antragstellerin, infolge der Eheschließung am 11. November 2010 habe sie einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach „§ 23 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG“ - gemeint ist offensichtlich § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG - erworben. Das würde voraussetzen, dass sie sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann (§ 28 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Das ist unstreitig nicht der Fall.
Soweit geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, es sei ihr zumutbar, das Visumsverfahren nachzuholen und - nach Rückkehr in ihren Wohnort in der Türkei - zum Besuch eines Alphabetisierungskurses eine Fahrtstrecke von 250 Kilometer nach Ankara in Kauf zu nehmen, geht das schon an der vorrangig tragenden Begründung des angefochtenen Beschlusses vorbei. Dort wird nämlich ausgeführt, es sei nicht glaubhaft gemacht und auch nicht nachvollziehbar, dass in Konya, ihrer Heimatstadt, keine solchen Kurse angeboten würden. Denn Konya verfüge mit über 70.000 Studierenden über die größte türkische Universität, die wiederum mit verschiedenen deutschen Hochschulen kooperiere. Die Behauptung der Antragstellerin, sie sei zwei Monate vor ihrer Ausreise aus der Türkei nach Deutschland in ihr Heimatdorf in der Provinz Agri verzogen, ist schon nicht glaubhaft gemacht, zudem aber auch unglaubhaft. Denn die Antragstellerin hatte im Rahmen ihrer Befragung zum Asylantrag am 14. September 2010 erklärt, in Konya habe sie sich „bis zur Ausreise aufgehalten“ und weiterhin zur Asylbegründung angegeben, sie habe davor Angst gehabt, dass sie „dort in Konya allein leben muss“, während hier in Deutschland ihr bei ihrem Ehemann wohnender Sohn und in Stuttgart eine weitere Tochter - eine zweite wohne in Konya - lebten. Die Ausführungen im verwaltungsgerichtlichen Beschluss zu Fahrtmöglichkeiten von Konya nach dem etwa 250 Kilometer entfernten Ankara sind auch ausdrücklich als zusätzliche Erwägung gekennzeichnet („Selbst wenn …).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).