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(Betriebsprüfung - Gesamtsozialversicherungsbeitrag - Arbeitsentgelt - Entstehungsprinzip - Tarifvertrag - Allgemeinverbindlicherklärung - Mindestlohn - Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe - Beweislast)


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 24.03.2010
Aktenzeichen L 9 KR 4/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 3a AEntG, § 22 Abs 1 SGB 4, § 22 Abs 1 SGB 4, § 28d SGB 4, § 28e Abs 1 SGB 4, § 28p Abs 1 S 5 SGB 4, § 5 TVG, BauRTV, § 38 Abs 1 S 1 EStG, § 38 Abs 2 S 2 EStG

Leitsatz

Die Beweislast für die Tatsache, dass bestimmte Arbeitnehmer nicht vom persönlichen Anwendungsbereich eines allgemeinverbindlich erklärten oder auf der Grundlage von § 1 Abs. 3a AEntG auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber erstreckten Tarifvertrages erfasst werden, trägt im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28 p SGB IV der Arbeitgeber.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 16. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung für die Zeit vom 01. Januar 1997 bis zum 31. Oktober 2000. Umstritten ist hierbei nur die Anwendbarkeit der zwischen dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. und dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. einerseits und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt andererseits geschlossenen Tarifverträge zur Regelung eines Mindestlohnes im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn).

Die Geltung dieser Tarifverträge hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) durch Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE) nach § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) bzw. Verordnungen (VO) auf der Grundlage von § 1 Abs. 3 a Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) wie folgt auf die nicht an diese Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt:

Tarifvertrag vom

Erstreckung auf Nicht-
Tarifgebundene durch

Veröffentlichung

Geltungsdauer

02. September 1996

AVE vom 12. November 1996

Bundesanzeiger 1996,
S. 12102

01. Januar 1997 bis
31. August 1997

17. Juli 1997

AVE vom 14. August 1997

Bundesanzeiger 1997,
S. 10909

01. September 1997 bis
31. August 1999

26. Mai 1999

VO über zwingende Arbeits-
bedingungen im Baugewerbe
vom 25. August 1999

BGBl. 99 I, 1894

01. September 1999 bis
31. August 2000

02. Juni 2000

Zweite VO über zwingende
Arbeitsbedingungen im Bau-
gewerbe vom 17. August 2000

BGBl. 00 I, 1290

01. September 2000 bis
31. August 2002

Vom betrieblichen Geltungsbereich dieser Tarifverträge waren nach ihrem § 1 Abs. 2 Betriebe erfasst, die unter den betrieblichen Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) in der jeweils geltenden Fassung fallen. Den betrieblichen Geltungsbereich des BRTV regelte dessen § 1 Abs. 2 wie folgt:

Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

Abschnitt I

Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.

Abschnitt II

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Abschnitt III

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.

Abschnitt IV

Betriebe, in denen die nachstehend aufgeführten Arbeiten ausgeführt werden:

1. Aufstellen von Gerüsten und Bauaufzügen;

2. Bauten- und Eisenschutzarbeiten;

3. technische Dämm-(isolier-)Arbeiten, insbesondere solche an technischen Anlagen, soweit nicht unter Abschnitt II oder III erfasst, einschließlich von Dämm-(isolier-) Arbeiten an und auf Land-, Luft- und Wasserfahrzeugen.

4. Erfasst werden auch solche Betriebe, die im Rahmen eines mit einem oder mehreren Betrieben des Baugewerbes bestehenden Zusammenschlusses - unbeschadet der gewählten Rechtsform - für die angeschlossenen Betriebe des Baugewerbes entweder ausschließlich oder überwiegend die kaufmännische Verwaltung, den Vertrieb, Planungsarbeiten, Laborarbeiten oder Prüfarbeiten übernehmen, oder ausschließlich oder in nicht unerheblichem Umfang (zumindest zu einem Viertel der betrieblichen Arbeitszeit) den Bauhof und/oder die Werkstatt betreiben, soweit diese Betriebe nicht von einem spezielleren Tarifvertrag erfasst werden.

Abschnitt V

Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

1….

5. Beton- und Stahlbetonarbeiten einschließlich Betonschutz- und Betonsanierungsarbeiten sowie Armierungsarbeiten;

6. …

Abschnitt VI

Betriebe, soweit in ihnen die unter den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. Betrieb im Sinne dieses Tarifvertrages ist auch eine selbständige Betriebsabteilung. Als solche gilt auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die außerhalb der stationären Betriebsstätte eines nicht von den Abschnitten I bis IV erfassten Betriebes baugewerbliche Arbeiten ausführt.

Werden in Betrieben des Baugewerbes in selbständigen Abteilungen andere Arbeiten ausgeführt, so werden diese Abteilungen dann nicht von diesem Tarifvertrag erfasst, wenn sie von einem spezielleren Tarifvertrag erfasst werden.

Abschnitt VII

Nicht erfasst werden Betriebe:

1. des Betonwaren und Terrazzowaren herstellenden Gewerbes,

2. - 13. ……

Jeweils unter § 1 Abs. 3 der o.g. Tarifverträge – und nochmals wiederholt in den beiden o.g. AVE – wurde deren persönlicher Geltungsbereich wie folgt umschrieben:

„gewerbliche Arbeitnehmer (Arbeiter), die eine nach der Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben. Nicht erfasst werden jugendliche Arbeitnehmer ohne abgeschlossene Berufsausbildung sowie Boten, Küchenhilfen, Reinigungspersonal, Wächter und Wärter (Hilfskräfte) gemäß Berufsgruppe VIII des Anhangs zum Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe – Berufsgruppen für die Berufe des Baugewerbes.“

Für diesen Personenkreis sah jeweils § 2 Abs. 2 b der o.g. Tarifverträge u.a. für das Land Brandenburg einen Gesamttarifstundenlohn (GTL) in folgender Höhe vor:

Tarifvertragliche Geltungsdauer

GTL in DM

Januar 1997 bis August 1997

15,64

September 1997 bis August 1999

15,14

September 1999 bis August 2000

16,28

September 2000 bis August 2001

16,60

Nach § 2 Abs. 3 dieser Tarifverträge (bzw. § 2 Abs. 4 des TV Mindestlohn vom 02. Juli 2000) war der GTL der Berufsgruppe VII 2 nach dem Anhang zum BRTV („Arbeitnehmer, die einfache Bauarbeiten verrichten, in den ersten 6 Monaten ihrer Tätigkeit“) zugleich Mindestlohn im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AEntG für alle vom persönlichen Geltungsbereich dieser Tarifverträge erfassten Arbeitnehmer.

Der Kläger meldete – ausweislich der Gewerbeanmeldung beim Amt R vom 02. Oktober 1989 – zum 01. Februar 1990 ein handwerklich geführtes Gewerbe mit den Tätigkeiten „Baubetrieb, Hoch- u. Tiefbau, Betonsteinherstellung“ an. Mit vom Kläger nicht angegriffenen Bescheid vom 02. März 2001 setzte die damalige Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitsamt Cottbus) gegenüber dem Kläger wegen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz 3 und 4 AEntG eine Geldbuße in Höhe von 10.000 DM u.a. deswegen fest, weil fünf Arbeitnehmern der Fa. Betonwaren Hoch- u. Tiefbau O B in der Zeit vom Januar 1997 bis September 1999 nicht der tarifvertraglich festgesetzte Mindestlohn des Baugewerbes gezahlt worden sei.

Aufgrund einer für den o.g Betrieb des Klägers am 05. Oktober 2001 für den Zeitraum Januar 1997 bis Dezember 2000 durchgeführten Betriebsprüfung setzte die Landesversicherungsanstalt Brandenburg – eine Rechtsvorgängerin der Beklagten – mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 eine Beitragsnachforderung in Höhe von 11.892,78 DM (6.080,68 €) fest, weil im streitgegenständlichen Zeitraum für die Beigeladenen zu 7), 8) und 10) bis 12), den zwischenzeitlich verstorbenen früheren Beigeladenen zu 13) sowie den Beschäftigten S D die Mindestlohnregelung des Baugewerbes nicht berücksichtigt worden sei. Darüber hinaus seien bezüglich der Beschäftigten E D keine Pauschalbeiträge für geringfügige Dauerbeschäftigung und für die Beigeladene zu 9) die U2-Umlagebeiträge nicht abgeführt worden. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 25. September 2002).

Mit Urteil vom 16. Juni 2005 hat das Sozialgericht Cottbus die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die auf § 28 p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) gestützte Nachforderung sei rechtmäßig. Ermessensgrundlage für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag sei nicht das tatsächlich zugeflossene, sondern das geschuldete Entgelt. Dies ergäbe sich aus dem TV Mindestlohn in der jeweils geltenden Fassung, gegen dessen Anwendung keine Bedenken bestünden. Gegen die Behauptung des Klägers, sein Betrieb sei überwiegend mit der Herstellung von Betonwaren befasst, sprächen die Gewerbeanmeldung, die umfangreichen Ermittlungen des Arbeitsamtes C im Rahmen des Bußgeldbescheides vom 02. März 2001 sowie die Auskunft des Arbeitsamtes C vom 19. März 2003, wonach die Fa. Betonwaren O B als Baubetrieb im Sinne der Baubetriebsverordnung eingestuft werde. Auf die Erklärung des Klägers, drei der Beigeladenen seien als Hilfskräfte eingesetzt gewesen, komme es nicht an, denn auch für diesen Personenkreis hätte er den o.g. Mindestlohn beachten müssen, der sich an der niedrigsten Lohngruppe des BRTV orientiere. Der Kläger könne auch nicht geltend machen, er habe einschlägige Bestimmungen der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge nicht gekannt. Ein Vertrauenstatbestand bestehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht. Auch die Feststellungen zur Abführung von pauschalen Arbeitgeberbeiträgen bei geringfügiger Beschäftigung und zur Erhebung von Umlagebeiträgen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) unterlägen keinen rechtlichen Bedenken.

Gegen dieses ihm am 30. Juni 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 29. Juli 2005, zu deren Begründung er vorträgt: Innerhalb der Ausschlussfrist nach § 16 BRTV sei die Lohnhöhe von keinem der Beteiligten angezweifelt worden. Sollte der BRTV tatsächlich anwendbar sein, wären daher kein weiteres Entgelt und auch keine Sozialversicherungsbeiträge geschuldet. Seine Unternehmung habe auch die Herstellung von Betonwaren zum Gegenstand. Dass er parallel dazu auch einen Baubetrieb habe, sei unbeachtlich, da die hier betroffenen Mitarbeiter im tariffreien Gewerbe (Betonwaren) eingesetzt worden seien. Im Übrigen bestehe die Tarifpflicht beim Einsatz von Hilfskräften – zu diesen zählten nach der Klagebegründung die Beigeladenen zu 7), 8) und 10) – nicht. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten ausschließlich Reinigungsarbeiten auf der Baustelle und sonstige Tätigkeiten übernommen. Weil die Einzugstellen bei ihrer Überprüfung der Lohnhöhe der Versicherungsleistungen im Rahmen einer mehrtägigen Überprüfung nichts zu beanstanden gehabt hätten, habe er darauf vertrauen dürfen, dass die von ihm vorgenommenen Zahlungen der Höhe nach nicht zu beanstanden seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 16. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich ebenso wie sämtliche Beigeladenen im Berufungsverfahren zur Sache nicht geäußert.

Der Senat die Auskunft der Handwerkskammer C vom 16. März 2010 zu den den Kläger betreffenden Eintragungen in die Handwerksrolle veranlasst.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

Der Kläger hat die im angefochtenen Bescheid als „KV“, „PV, „RV“ und „BA“ gekennzeichneten Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Bundesagentur für Arbeit und die als „U1“ und „U2“ gekennzeichneten Umlagebeiträge nach dem Lohnfortzahlungsgesetz für die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und dem für allgemeinverbindlich erklärten Mindestlohn zu tragen.

1. Rechtsgrundlage für die Nachforderung ist § 28 p Abs. 1 Satz 5 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung bei den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28 h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs. 5 SGB X nicht. Hierzu prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern gemäß § 28 p SGB IV, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen, ordnungsgemäß erfüllen.

Nach § 28 e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugstelle – dies ist gemäß § 28 h SGB IV die Krankenkasse – zu zahlen. Nach § 28 d SGB IV werden die Beiträge in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung als Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt.

2. Bemessungsgrundlage für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28 d Satz 1 SGB IV), den der Kläger zu entrichten hatte, ist das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; § 57 Abs. 1 SGB XI; § 162 Nr. 1 SGB VI; § 342 SGB III). Die Höhe des zustehenden Arbeitsentgelts ergibt sich hier aus § 2 Abs. 2 b der o.g. Tarifverträge i.V.m. den AVE vom 12. November 1996 und 14. August 1997 bzw. den o.g. VO vom 25. August 1999 und 17. August 2000.

a) Der persönliche Anwendungsbereich der genannten Tarifverträge war für die Beigeladenen zu 9), 11) bis 13) sowie den Beschäftigten S D unstreitig gegeben. Aber auch die Beigeladenen zu 7), 8) und 10) wurden von ihm erfasst. Die Behauptung des Klägers, bei diesen Arbeitnehmern handele es sich um Hilfskräfte, ist nicht erwiesen. Arbeitsverträge mit diesen Arbeitnehmern hat der Kläger trotz entsprechender Aufforderung durch den Senat nicht vorgelegt. Nach den auch im Sozialrecht anzuwendenden allgemeinen Regeln der Beweislast ist davon auszugehen, dass die Beigeladenen zu 7), 8) und 10) dem persönlichen Anwendungsbereich der o.g. TV Mindestlohn unterfielen. Die Beweislast, dass der persönliche Anwendungsbereich eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags eröffnet ist, trägt der Rentenversicherungsträger, da es sich insoweit um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt. Dass Arbeitnehmer der Berufsgruppe VIII des Anhangs zum BRTV aus diesem Anwendungsbereich herausgenommen werden, stellt eine Ausnahme vom Regelfall dar. Die Beweislast für die Voraussetzungen der Ausnahme liegt bei dem Beteiligten, der sich auf die Ausnahme beruft, hier also beim Kläger. Zu seinen Lasten ist daher im Falle der Nichterweislichkeit davon auszugehen, dass die o.g. Beigeladenen keine Hilfskräfte i.S.d. Berufsgruppe VIII waren.

b) Soweit der Kläger geltend macht, sein Betrieb sei vom betrieblichen Anwendungsbereich der TV Mindestlohn nicht erfasst, verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffende Begründung der angefochtenen sozialgerichtlichen Entscheidung. Ergänzend sei auf die vom Senat eingeholte Auskunft der Handwerkskammer C vom 16. März 2010 verwiesen, derzufolge der Kläger seit 1990 nur für die handwerklichen Tätigkeiten „Mauer- und Betonbauer Straßenbauer“, nicht aber für das - im streitigen Zeitraum noch zulassungspflichtige - Handwerk des Betonstein- und Terrazzoherstellers in der Handwerksrolle eingetragen war. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sowohl gegenüber der Handwerkskammer als auch gegenüber dem Gewerbeamt als auch gegenüber der (damaligen) Bundesanstalt für Arbeit unwahre Angaben gemacht hat.

3. Für die Feststellung der Höhe des Arbeitsentgeltes und damit auch der Beitragshöhe gilt das Entstehungsprinzip und nicht das Zuflussprinzip. Maßgeblich ist daher das tariflich geschuldete Arbeitsentgelt. Desgleichen ist das Arbeitsentgelt Bemessungsgrundlage der Umlagebeiträge („Umlage U2“) für die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen in Kleinbetrieben nach § 14 Mutterschutzgesetz (MuSchG) i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Lohnfortzahlungsgesetz.

a) Nach § 22 Abs. 1 SGB IV in der bis 2002 anzuwendenden Fassung entstehen ausnahmslos alle Beitragsansprüche, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Diese bestehen jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Beschäftigung tatsächlich aufgenommen worden ist, in der Ausübung der versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigung gegen Entgelt. Auch die Fälligkeitsregelung des § 23 SGB IV spricht für das Entstehungsprinzip. Diese Vorschrift unterscheidet nicht danach, ob das Arbeitsentgelt bei Fälligkeit der Beiträge bereits gezahlt worden ist oder nicht. Ferner bestätigen insolvenzrechtliche Regelungen das Entstehungsprinzip. So ergibt sich aus § 208 SGB III (früher § 141 n Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz), dass der Beitragsanspruch auf nicht gezahltes Arbeitsentgelt gegen den insolventen Arbeitgeber fortbesteht. Eine solche Regelung wäre unverständlich, wenn eine Beitragsforderung von der Zahlung des Arbeitsentgelts abhinge. Die genannten Vorschriften zum Entstehen und zur Fälligkeit von Beitragsforderungen lassen keine Unterscheidung danach zu, ob der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt zahlt und ob der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt verlangt hat oder es noch verlangen könnte. Derartige Bedingungen würden das Entstehen oder den endgültigen Bestand von Beitragsforderungen von zahlreichen Unsicherheiten abhängig machen, wie beispielsweise: dem Geltendmachen des Anspruchs auf nicht gezahltes Arbeitsentgelt durch den Arbeitnehmer, dem Eingreifen tariflicher Ausschlussklauseln, der Verjährung des Anspruchs, der Erhebung der Verjährungseinrede durch den Arbeitgeber oder einem etwaigen Verzicht des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt. Unter derartige Vorbehalte sind Beitragsansprüche in den genannten Vorschriften nicht gestellt.

Die Anwendung des Entstehungsprinzips beim Gesamtsozialversicherungsbeitrag gewährleistet im Allgemeinen eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Versicherungsverhältnissen sowie den mit ihnen verbundenen Beitragspflichten und Leistungsansprüchen. Wegen der Höhe der Beitragssätze wird der Gesamtsozialversicherungsbeitrag vor allem durch die Beiträge zur Rentenversicherung und zur Krankenversicherung bestimmt. In der Rentenversicherung würden, wenn nicht der Versicherungspflicht auch eine Beitragspflicht entspräche, Leistungsansprüche in der Regel nicht begründet. In der Krankenversicherung stünden dem, wenn mit dem Eintritt in die Beschäftigung oder das Beschäftigungsverhältnis die Mitgliedschaft beginnt und sofortige Ansprüche zumindest auf Sachleistungen ausgelöst werden, bei Geltung des Zuflussprinzips möglicherweise keine Beiträge gegenüber. Solche Ergebnisse entsprechen nicht dem geltenden Recht, sondern bedürfen, wenn sie gewollt sind, einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Zuflussprinzips. Dieses Erfordernis wird dadurch bestätigt, dass eine solche Regelung für die beitragsrechtliche Behandlung von Einmalzahlungen seit dem 1. Januar 2003 vorhanden ist. Von diesem Zeitpunkt an ist § 22 Abs. 1 SGB IV neu gefasst worden. Darin ist bestimmt, dass der Beitragsanspruch bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt entsteht, sobald dieses ausgezahlt worden ist (zur Begründung der Gesetzentwurf BT-Drucks 15/26 S 24 zu Nr. 6 – § 22). Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass für hier zu zahlendes laufendes Arbeitsentgelt das Zuflussprinzip nach wie vor nicht gilt.

b) Die Anwendung des Zuflussprinzips beim Arbeitsentgelt ist kein allgemeiner abgabenrechtlicher Grundsatz, der für Steuern und Beiträge gleichermaßen gelten müsste und aus dem Einkommensteuerrecht auf das Beitragsrecht der Sozialversicherung übertragen werden könnte. Im Steuerrecht ist das Zuflussprinzip ausdrücklich geregelt. Nach § 36 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) entsteht die Einkommensteuer vorbehaltlich abweichender Regelungen mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Eine solche Ausnahmeregelung ist in § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG enthalten, wonach die Lohnsteuer (nur) erhoben wird, soweit der Arbeitslohn ausgezahlt wird. Zudem bestimmt § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG, dass die Lohnsteuer abweichend von der Regel des § 36 Abs. 1 EStG bereits zu dem Zeitpunkt entsteht, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Vergleichbare Regelungen enthält das Beitragsrecht der Sozialversicherung - von der o.g., ab 2003 geltenden Ausnahme abgesehen - nicht. Zwischen beiden Bereichen bestehen auch strukturelle Unterschiede. Im Steuerrecht werden Abgaben zur Erfüllung staatlicher Aufgaben grundsätzlich zweckfrei nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben, die sich im Zufluss ausdrückt und erschöpft. Im Sozialversicherungsrecht werden demgegenüber durch entgeltliche Beschäftigungen Versicherungsverhältnisse begründet, die in ihrem Bestand und in ihrer beitragsrechtlichen Ausgestaltung grundsätzlich nicht vom Zufluss des Arbeitsentgelts abhängen.

c) Soweit dem entgegengehalten wird, die Einheit der Rechtsordnung erfordere die Anwendung des Zuflussprinzips, überzeugt dies jedenfalls für Sachverhalte einer einverständlichen untertariflichen Bezahlung nicht. Allerdings führt die Anwendung des Entstehungsprinzips zu einer Inkongruenz zwischen Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht, wenn der Arbeitnehmer arbeitsrechtlich eine tarifliche Entlohnung jedenfalls nach einer gewissen Zeit wegen tariflicher Ausschlussklauseln, Verjährung oder Verzicht nicht mehr durchsetzen kann, gleichwohl aber selbst dann noch Beiträge gegenüber dem Arbeitgeber festgesetzt werden dürfen. Andererseits dient es jedoch der Einheit der Rechtsordnung, wenn Versicherungsverhältnisse auf der Grundlage bestehender Tarifverträge durchgeführt werden müssen und durch eine untertarifliche Bezahlung weder der Versicherungsschutz der Arbeitnehmer beeinträchtigt werden darf noch sich Arbeitgeber Vorteile gegenüber tariflich zahlenden Arbeitgebern verschaffen können (BSG, Urteil vom 14. Juli 2004, Az.: B 12 KR 1/04 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.; im Ergebnis ebenso: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. September 2008, Az.: 1 BvR 2007/05, veröffentlicht in Juris).

4. Soweit die angegriffenen Bescheide pauschale Arbeitgeberbeiträge bei geringfügiger Beschäftigung und Beiträge zur Umlage U2 betreffen und soweit der Kläger sich auf Vertrauensschutz beruft, verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG ebenfalls auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Cottbus.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.