Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Ausgleichsleistungsrecht

Ausgleichsleistungsrecht


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 8. Kammer Entscheidungsdatum 25.04.2012
Aktenzeichen 8 K 1177/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 2 S 2 AusglLeistG, § 18b Abs 1 VermG, § 18b Abs 2 S 2 VermG

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, Erben nach Herrn A. ..., begehren die Gewährung von Ausgleichsleistungen für eine Grundschuld an dem Grundstück in ..., ... 14, eingetragen im Grundbuch von ... Band 110, Blatt 3527 (Konzerthaus ...). Eigentümer dieses Grundstücks war Herr H. ... Ausweislich des preußischen Grundschuldbriefes vom 8. August 1929 war in der Abt. III des Grundbuchs von ... unter der lfd. Nr. 32 eine Grundschuld in Höhe von 40.000,00 Reichsmark zu Gunsten von A. ... eingetragen. Dieser trat die Grundschuld am 26. August 1946 an die Volksbank zu Kreditsicherungszwecken ab. Mit Schreiben vom 16. Dezember 1946 machte A. ... gegenüber dem Finanzamt ... als Eigentümer der Grundschuld für die Jahre 1945 und 1946 die vereinbarten Zinsen mit 5 % in Höhe von 2.000,00 Reichsmark pro Jahr geltend. Die Stadtverwaltung habe das genannte Grundstück übernommen und sei für die Zinsen haftbar. Mit Schreiben vom 2. Januar 1947 teilt die Stadtverwaltung ... Herrn ... mit, dass die Grundstücksverwaltung zurzeit in Verhandlungen zwecks Abschluss eines Vertrages mit dem Verwalter des Grundstücks „...“ stehe. In dem Vertrage solle auch die Regelung der rückständigen Hypothekenzinsen vorgesehen werden. Mit Schreiben vom 15. April 1947 beantragte A. ... beim Finanzamt Stundung bzgl. der Vermögenssteuer für die Grundschuld, da er von der Stadtverwaltung, welche das Grundstück nutze, trotz Anmahnung noch keine Zinsen erhalten habe. Mit Schreiben vom 23. September 1947 teilte die Stadtverwaltung ... Frau ... mit, dass sich erst jetzt herausgestellt habe, dass ihr Sohn, Eigentümer des Konzerthauses „...“, bereits seit 1928 der NSDAP angehöre, weshalb das Grundstück zum Sequester anzumelden sei. Mit Protokoll Nr. 203 des Stadtkreises ... vom 26. September 1947 wurde das Grundstück ... unter Sequester gestellt. Mit Schreiben vom 7. Januar 1948 teilte die Stadtverwaltung ... Herrn A. ... auf dessen Anfrage vom 28. November 1947 mit, dass das Grundstück ... zum Sequester angemeldet worden sei, weil der Eigentümer des Grundstücks NSDAP-Mitglied gewesen sei. Bzgl. der Zinsenregelung bzw. Kapitalsregelung könne noch kein Bescheid erteilt werden, da eine endgültige Entscheidung seitens der Regierung noch nicht vorliege. Die Landeskommission für Sequesterangelegenheiten habe noch nicht getagt. Grundsätzlich seien nach Anordnung der damaligen Provinzregierung bzw. jetzigen Landesregierung vom August 1946 alle sequestrierten Grundstücke schulden- und lastenfrei in die Hand des Volkes zu übernehmen. Ob in dieser Angelegenheit später einmal eine reichsgesetzliche Lösung über die Abfindung ehemaliger Hypothekengläubiger kommen werde, könne nicht gesagt werden.

Mit Schreiben vom 12. Februar 1948 teilte Rechtsanwalt ... Herrn ... mit, dass er in der Sache ... den Vollstreckungsbefehl erhalten habe, so dass eine Zwangsvollstreckung in das Grundstück infrage käme. Da aber die Sequestration schwebe, werde eine Vollstreckung zwecklos sein. Mit Schreiben vom 20. März 1948 beantragte A. ... beim Finanzamt ... die Aufhebung der Besteuerung der Grundschuld, da er nicht in der Lage sei, weiterhin die Vermögenssteuer zu entrichten. Ihm könne nicht zugemutet werden, Vermögenssteuer für ein Objekt zu zahlen, dessen Besitzrecht man ihm abspreche. Mit Schreiben vom 1. April 1948 teilte das Finanzamt A. ... mit, dass es dessen Auffassung, dass die für ihn eingetragene Grundschuld von 40.000,00 Reichsmark nicht als vollwertig anzusehen sei, teile. Nach Lage der Sache sei damit zu rechnen, dass bei der endgültigen Regelung der Eigentumsverhältnisse die Grundschuld ausfalle, weshalb die Berichtigung der Vermögenssteuerveranlagung veranlasst worden sei.

Mit Enteignungsurkunde des Ministers des Innern der Landesregierung Brandenburg vom 30. November 1948 wurde das Grundstück ... 14 aufgrund der Befehle Nr. 124 und Nr. 64 der SMAD enteignet und in Volkseigentum überführt. Am 6. Januar 1949 wurde die genannte Grundschuld gemeinsam mit den weiteren in der Abt. III des Grundbuchs eingetragenen Belastungen gelöscht. Eine entsprechende Nachricht erfolgte an die Bank für Handwerk und Gewerbe (früher Volksbank eGmbH) als Gläubigerin der Grundschuld durch das Amtsgericht ...

Mit Schreiben vom 21. Januar 1949 teilte die Bank für Handwerk und Gewerbe ... A. ... mit, dass der ihm gegen diese Grundschuld zur Verfügung gestellte Kontokorrentkredit zurückgezahlt sei, weshalb die Bank keine Ansprüche mehr geltend mache. Diese Bestätigung werde an Stelle einer löschungsfähigen Quittung erteilt. Eine Wiedereintragung der Grundschuld im Grundbuch erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 31. Mai 1949 teilte Rechtsanwalt Dr. ... Herrn ... mit, dass dessen persönliche Forderung gegen den Grundstückseigentümer bestehen geblieben sei, die dingliche Sicherung allerdings aufgrund des lastenfreien Übergangs des haftenden Grundstücks in das Volkseigentum fortgefallen sei.

Nachdem der Restitutionsantrag der Kläger vom 19. September 1990 bzgl. der Grundschuld mit bestandskräftigen Bescheid des Beklagten, Außenstelle ..., vom 15. September 1993 abgelehnt worden war, wertete der Beklagte den Antrag gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Ausgleichleistungsgesetz (AusglLeistG) als Antrag auf Gewährung von Ausgleichsleistungen und lehnte diesen mit Bescheid vom 10. März 2010 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht der Rechtsvorgänger, der Kläger, A. ..., Gläubiger der Grundschuld gewesen sei, sondern ausweislich des Grundbuchs sowohl zum Zeitpunkt der Sequestrierung am 26. September 1947 als auch zum Zeitpunkt der Enteignung des Grundstücks die Volksbank eGmbH.

Die Kläger haben am 12. April 2010 die vorliegende Klage erhoben.

Sie tragen vor: Die Schädigung bzgl. der Grundschuld sei bereits mit der Sequestration des Grundstücks nach Inkrafttreten des SMAD-Befehls 124 vom 30. Oktober 1945 und des Befehls 97 bzw. des Befehls Nr. 150/181 vom 21. Mai 1946 eingetreten. Denn seit 1945 sei keine Vermögenssteuer mehr erhoben worden. Auf die spätere grundbuchtechnische Abwicklung komme es nicht an. Die Abtretung der Grundschuld an die Volksbank ändere daran nichts, da sie keine rechtlichen Wirkungen entfaltet habe. Der Kontokorrentkredit sei bereits 1948 zurückgezahlt gewesen. Damit sei der Sicherungszweck für die Bank entfallen. Der Abtretungsvermerk hätte gelöscht werden müssen. Dies sei jedoch wegen der Löschung der Grundschuld im Zuge der Enteignung des Grundstücks nicht mehr möglich gewesen. Geschädigter sei damit bei der hier gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht die Bank, sondern A. ... gewesen. Die Nichtwiedereintragung der Grundschuld stelle eine schädigende Maßnahme nach dem Vermögensgesetz dar.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10. März 2010 zu verpflichten, ihnen für die auf dem Grundstück in ..., ... 14 in Abt. III des Grundbuchs von ... Band 110, Blatt 3527 unter der laufenden Nr. 32 eingetragen gewesenen Grundschuld über 40.000 RM eine Ausgleichsleistung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend vor, dem Rechtsvorgänger der Kläger habe allenfalls ein Anwartschaftsrecht zugestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist nicht begründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausgleichsleistungen für den Verlust der für A. ... eingetragenen Grundschuld in Höhe von 40.000,00 Reichsmark. Der Bescheid des Beklagten vom 18. März 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Gewährung von Ausgleichsleistungen ist § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 AusglLeistG. Danach erhalten natürliche Personen, die Vermögenswerte im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG durch entschädigungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage verloren haben oder ihre Erben oder weiteren Erben eine Ausgleichsleistung. Das Gleiche gilt für Begünstigte früherer dinglicher Rechte an Grundstücken, die auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet wurden. Begünstigter gem. § 18 b Satz 1 VermG ist der Gläubiger eines früheren dinglichen Rechts an dem Grundstück oder sein Rechtsnachfolger. Gem. § 18 b Abs. 2 Satz 2 VermG gilt als Begünstigter der zum Zeitpunkt der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum im Grundbuch eingetragene Gläubiger eines dinglichen Rechts oder dessen Rechtsnachfolger, solange nicht vernünftige Zweifel an seiner Berechtigung bestehen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist Gläubiger der hier in Rede stehenden Grundschuld nicht der Rechtsvorgänger der Kläger, A. ..., sondern die Rechtsnachfolgerin der Volksbank, die Bank für Handwerk und Gewerbe. Deshalb haben die Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausgleichsleistungen. Zur Begründung wird die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Die Einwände der Kläger greifen nicht durch. Insbesondere wurde das Grundstück erst am 26. September 1947 zum Sequester angemeldet, also erst nach der Abtretung vom 26. August 1946. Die Wirkungen von Ziff. 5 des SMAD Befehls Nr. 124 vom 13. Oktober 1945, wonach alle Geschäfte, die ohne Zustimmung der SMAD abgeschlossen wurden für ungültig erklärt wurden, traten entgegen der Auffassung der Kläger nicht bereits 1945 bzw. mit Inkrafttreten der SMAD-Befehle ein, sondern erst ab Sequestrierung. Denn die mit der Sequestrierung betrauen deutschen Stellen mussten die von den SMAD-Befehlen betroffenen Grundstücke zunächst erfassen. Soweit das Grundstück bereits vor der Sequestrierung von der Stadtverwaltung ... genutzt wurde, beruhte diese Nutzung jedenfalls nicht auf den SMAD- Befehlen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Finanzamt ... letztlich die Veranlagung von A. ... zur Vermögenssteuererhebung außer Kraft setzte. Dem Schreiben des Finanzamtes vom 1. April 1948 lässt sich bereits nicht entnehmen, für welche Jahre dies gelten sollte. Soweit die Kläger geltend machen, der Kontokorrentkredit sei bereits 1948 zurückgezahlt worden, so dass der Abtretungsvermerk hätte gelöscht werden müssen, geht dies ebenfalls ins Leere. Dieser Umstand führte nur dazu, dass die Bank nach dem Sicherungsvertrag, der der Grundschuldabtretung zugrunde lag, schuldrechtlich verpflichtet war, die Grundschuld wieder an A. ... zu übertragen, was aber nichts an ihrer Rechtsinhaberschaft änderte. Entgegen der Auffassung der Kläger kommt es nicht auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an, sondern auf die Rechtsstellung, die sich grundsätzlich aus dem Grundbuch ergibt, vgl. § 18 b Abs. 2 Satz 2 VermG. Vernünftige Zweifel an der der Gläubigerschaft der Volksbank bzw. nachfolgend der Bank für Handwerk und Gewerbe bestehen nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.