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(Regelung durch Betriebsvereinbarung, Teilauszahlung aus dem ERA-Anpassungsfondes, Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz)


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 13. Kammer Entscheidungsdatum 16.04.2010
Aktenzeichen 13 Sa 197/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 77 BetrVG

Leitsatz

In einer Betriebsvereinbarung kann auch eine vorzeitige Teilauszahlung aus dem betrieblichen ERA-Anpassungsfonds geregelt werden.

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 8. Oktober 2009 - 8 Ca 920/09 - wird auf seine Kosten bei einem Streitwert von 1.000,00 EUR in der II. Instanz zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger verlangt im Rahmen seiner beim Arbeitsgericht Potsdam am 28. April 2009 eingegangenen Klage von der Beklagten 1.000,-- € brutto nebst Zinsen aus einer Betriebsvereinbarung „Teilauszahlung des betrieblichen ERA-Anpassungsfonds 2008“ (im Folgenden: BV Teilauszahlung ERA) und beruft sich dabei auf einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, nachdem er selbst das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2008 gekündigt hat.

In der BV Teilauszahlung ERA ist unter anderem geregelt:

2. Anspruchsberechtigte

Anspruchsberechtigt sind jene Mitarbeiter, bei denen alle nachfolgenden Voraussetzungen vorliegen:

a. Sie stehen seit mindestens dem 01.01.2007 in einem Arbeitsverhältnis zu R. Deutschland am Standort D. (nachfolgend auch Unternehmen genannt) und haben seit dieser Zeit ununterbrochen zum ERA-Fondsaufbau bei R. Deutschland in D. beigetragen.

b. Sie stehen zum 31.12.2008 noch in einem Arbeitsverhältnis zum Unternehmen in D. und werden aus dortiger Sicht noch bis mindestens zum 30.06.2013 dort in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis stehen.

c. Sie stehen zum 31.12.2008 in keinem gekündigten Arbeitsverhältnis zum Unternehmen in D., das dadurch bedingt vor dem 30.06.2013 endet.

d. Sie befinden sich zum 31.12.2008 noch in einem Tarifmitarbeiter-Status.

e. Sie stehen zum 31.12.2008 noch und unter dem Geltungsbereich der Tarifverträge für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Berlin-Brandenburg.

3. Höhe des ERA-Fonds/Teilauszahlung

a. Bestimmung des ERA-Fonds allgemein

Von dem zugeführten Volumen an ERA-Strukturkomponenten sind nach den Regelungen des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds der Metall- und Elektroindustrie Berlin und Brandenburg die Beträge abzuziehen, die nach den Bestimmungen des ERA-Einführungstarifvertrages für die Mitarbeiter der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg zur Deckung der betrieblichen Kosten verwendet worden sind.

Ausgezahlt wird demzufolge insgesamt zu einem späteren Zeitpunkt der Geldbetrag, der sich am 01.07.2013 auf dem ERA-Konto befindet (= Auszahlungssumme gesamt).

b. Teilauszahlung als Teilbetrag des ERA-Fonds

Die durch die vorliegend geregelte pauschalierte Teilauszahlung erforderlichen Geldbeträge werden aus dem nach den tariflichen Vorgaben gebildeten ERA-Fonds entnommen.

4. Pauschalierter Teil-Auszahlungsbetrag auf Basis Vollzeit

Jeder nach dieser Betriebsvereinbarung Anspruchsberechtigte erhält einen pauschalierten Teilauszahlungsbetrag in Höhe von 1.000,00 € (in Worten: Eintausend) brutto. Zum Auszahlungszeitpunkt Teilzeitbeschäftigte und Mitarbeiter in Altersteilzeit erhalten den Betrag anteilig.

Dieser Betrag wird in Form eines Vorgriffs gewährt.

Er wird dem ERA-Fonds belastet und auf weitere Auszahlungsansprüche des Einzelnen angerechnet.

5. Auszahlungszeitpunkt

Die Beträge werden mit der Dezemberabrechnung spätestens am 31.12.2008 an die Mitarbeiter ausgezahlt.

6. Verwendung und Verteilung des Rest-Fondsbetrages

Der nach der Ermittlung des insgesamt ausgezahlten pauschalierten Teilbetrages bestehen bleibende ERA-Fonds wird tarifkonform weiterhin zur Deckung betrieblicher Kosten im Rahmen der tariflichen Regelungen zur betrieblichen Kostenneutralität verwendet werden.

Über die Auszahlung des verbleibenden Fonds wird zwischen den Parteien eine entsprechende Regelung getroffen werden. Hierbei steht es den Parteien frei, den Kreis der dann dort Anspruchsberechtigten auch abweichend von der vorliegenden Betriebsvereinbarung zu fassen.“

Das Arbeitsgericht Potsdam hat mit Urteil vom 08. Oktober 2009 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger nicht anspruchsberechtigt nach § 2 BV Teilauszahlung ERA sei, da er sich gem. Ziff. 2 c am 31. Dezember 2008 in einem gekündigten Arbeitsverhältnis befand. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz bestehe nicht, da durch die BV Teilauszahlung ERA nur der Wille der Tarifvertragsparteien umgesetzt worden sei, die Ansprüche aus dem ERA-Anpassungsfonds teilweise vorzuziehen, dabei aber zu berücksichtigen, dass Voraussetzung das ungekündigte Arbeitsverhältnis zum Fälligkeitszeitpunkt 30. Juni 2013 aus dem ERA-Anpassungsfonds sei.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgericht und des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf das Urteil vom 08. Oktober 2009 Bl. 83 - 89 d. A. verwiesen.

Gegen dieses ihm am 31. Dezember 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. Januar 2010 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene und am Montag, dem 01. März 2010 per Fax begründete Berufung des Klägers.

Er erweitert und konkretisiert seinen Vortrag dahingehend, dass nach seiner Auffassung eine sachwidrige Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Personen vorliege, die wie er am 31. Dezember 2008 in einem gekündigten Arbeitsverhältnis stünden. Er beruft sich dabei darauf, dass es sich bei den 1.000,-- € Teilauszahlung in Wirklichkeit um Gelder aus der ERA-Strukturkomponente handele, die aufgrund einer Betriebsvereinbarung nach den einschlägigen Tarifverträgen (vgl. dazu die vom Kläger eingereichten Unterlagen Bl. 121 ff bzw. 125 ff d. A.) dem ERA-Anpassungsfonds zugeführt worden sei. Diese Gelder beliefen sich auf Beträge über 1.000,-- €, selbst wenn man nur einen Eintritt für den Kläger wegen der entsprechenden Voraussetzungen der BV Teilauszahlung ERA ab 01. Januar 2007 berücksichtige. Habe damit der Kläger dieses Geld verdient, dürfe er nicht durch die vorliegende Stichtagsregelung benachteiligt werden. Er verweist dabei auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. März 1982 - 4 AZR 540/79 -.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 08. Oktober 2009 - 8 Ca 920/09 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.000,-- € brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. Januar 2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie verweist darauf, dass anders als im Fall der zitierten BAG-Entscheidung vorliegend kein Anspruch auf einen verdienten Lohn bestünde, sondern der Kläger unstreitig keine individuellen Ansprüche auf Leistungen aus dem ERA-Anpassungsfonds habe. Nur mithilfe einer Betriebsvereinbarung könnten nach dem ERA-Tarifvertrag Anspruchsmodalitäten geregelt werden. Da vorzeitige Teilauszahlungsansprüche im Tarifvertrag nicht geregelt seien, aber auch nicht verboten seien, habe unter Berücksichtigung des ERA-Tarifvertrages, wonach Voraussetzung der Bestand des Arbeitsverhältnisses am 30. Juni 2013 sei, die Betriebsvereinbarung Teilauszahlung ERA ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis zum Stichtag und aus Sicht des Arbeitgebers bis zum 30. Juni 2013 als Voraussetzung haben müssen.

Wegen des weiteren konkreten Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 01. März 2010 (Bl. 110 ff d. A.) und der Beklagten vom 06. April 2010 (Bl. 139 ff d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gem. §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe b; 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG; §§ 222 Abs. 2; 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung des Klägers jedoch keinen Erfolg. Sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht hat das Arbeitsgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt dem Arbeitsgericht Potsdam und sieht von einer nur wiederholenden Begründung gem. § 69 Abs. 2 ArbGG ab. Nur im Hinblick auf den zweitinstanzlichen Vortrag der Parteien und die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 16. April 2010 wird auf Folgendes hingewiesen:

1. Einig sind sich die Parteien zutreffend dahingehend, dass ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von 1.000,-- € aus der BV Teilauszahlung ERA nicht besteht, da der Kläger gem. Ziff. 2 c in einem gekündigten Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2008 stand und außerdem gem. Ziff. 2 b zwar am 31. Dezember 2008 noch in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stand, er aber aus „dortiger Sicht“ nicht mehr bis zum 30. Juni 2013 in einem Arbeitsverhältnis stehen wird.

2. Diese Regelungen sind nicht wegen einer sachwidrigen Ungleichbehandlung teilnichtig. Da der Kläger beide negativen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, müssen beide Regelungen unwirksam sein. Zumindest Ziff. 2 b der BV Teilauszahlung ERA setzt jedoch den ERA-Tarifvertrag um, indem auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Fälligkeit von Ansprüchen aus dem ERA-Anpassungsfonds zum 30. Juni 2013 abgestellt wird, auch wenn dies bei einer vorzeitigen Teilauszahlung wie in der BV Teilauszahlung ERA geschehen nur in Form einer Prognose geschehen kann. Damit werden letztendlich diejenigen Mitarbeiter durch Abfluss aus dem ERA-Anpassungsfonds an möglicherweise vor dem 30. Juni 2013 ausscheidende andere Mitarbeiter geschädigt, die bis zum Fälligkeitszeitpunkt am 30. Juni 2013 bei der Beklagten verbleiben und deren Anpassungsfonds durch die Teilauszahlung verringert wird sowie die Arbeitgeberin. Letztere hat sich jedoch durch die freiwillige Betriebsvereinbarung zur Zahlung bereit erklärt. Der Kläger jedoch wäre stets nach den Vorgaben des ERA-Tarifvertrages nicht anspruchsberechtigt gewesen, da er unstreitig vor dem 30. Juni 2013 ausgeschieden ist.

3. Er kann sich auch nicht auf die angezogene Entscheidung des BAG vom 10. März 1982 - 4 AZR 540/79 - BAGE 38, 118 = EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 29 berufen. In diesem Fall ging es darum, dass der Arbeitgeber übertarifliche Zulagen nach einer Stichtagsregelung für die ausscheidenden Mitarbeiter auf eine Tariflohnerhöhung nach Meinung des BAG anrechnen durfte, während er die weiterbeschäftigten Mitarbeiter von der Anrechnung ausnahm. Das BAG sah es unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung als sachwidrig an, ausscheidende Arbeitnehmer von rückwirkenden Lohnerhöhungen durch Anrechnung von übertariflichen Zulagen auszunehmen.

Diese Fallkonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben. Es geht gerade nicht um individuelle Zahlungsansprüche der Arbeitnehmer aus dem ERA-Anpassungsfonds, da diese nach dem ERA-Tarifvertrag gerade ausgeschlossen sind. Vielmehr setzt die BV Teilauszahlung ERA gerade die Intention der Tarifvertragsparteien um, dass Voraussetzung für einen Anspruch auf Zahlung aus dem ERA-Anpassungsfonds der Bestand eines Arbeitsverhältnisses bis zum 30. Juni 2013 und die Regelung der Auszahlungsmodalitäten durch eine Betriebsvereinbarung sein müssen. Die Betriebsparteien haben damit nur den ERA-Tarifvertrag umgesetzt. Die Tarifvertragsparteien können aber durch Stichtagsregelungen auch ausscheidende Arbeitnehmer sogar von Lohnerhöhungen ausnehmen, wenn diese rückwirkend erfolgen (vgl. BAG 10.03.1982, a. a. O., S. 128 f.).

4. Hier aber geht es entgegen der Auffassung des Klägers nicht um verdienten individuellen Lohn. Denn nach den Regelungen der Tarifvertragsparteien soll jedenfalls dann, wenn die Lohnbestandteile wie vorliegend durch Betriebsvereinbarung dem ERA-Anpassungsfonds zugeführt worden sind, kein individualvertraglicher Anspruch auf Auszahlung bestehen, sondern nur durch eine Betriebsvereinbarung, die die Vorgaben des ERA-Tarifvertrages umsetzt. Dies ist vorliegend geschehen.

III.

Der Kläger trägt daher die Kosten seiner erfolglosen Berufung gem. § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.