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Entscheidung VG 2 L 65/11


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer Entscheidungsdatum 31.05.2011
Aktenzeichen VG 2 L 65/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Anl 4 Ziff 8 FeV, §§ 11ff FeV, § 3 Abs 1 StVG, § 46 Abs 1 StVG

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 24. Februar 2011 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 17. Februar 2011 (Az.: XXX) wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg. Er ist unbegründet.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung – Entziehung der Fahrerlaubnis - durch den Antragsgegner ist nicht zu beanstanden; die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs kommt nicht in Betracht.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nach Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses gegen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs muss hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung zurücktreten, da sich die Ordnungsverfügung vom 17. Februar 2011 bei der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage im Ergebnis als rechtmäßig erweist.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sind im vorliegenden Fall § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 FeV. Danach ist dem Inhaber einer Fahrerlaubnis diese zu entziehen, wenn er sich zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erweist.

Vorliegend durfte im Ergebnis zu Recht von der fehlenden Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen werden. Diese ergibt sich aus dem von der XXX anlässlich einer am 09. Dezember 2010 stattgefundenen Untersuchung des Antragstellers erstellten medizinisch-psychologischen Gutachten, welches vom Antragsteller auf entsprechende Aufforderung hin vorgelegt worden ist. Ausweislich des Gutachtens ist zu erwarten, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird.

In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass es vorliegend auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Begutachtung nicht ankommt, weil in Fällen, in denen sich ein Fahrerlaubnisinhaber - wie hier der Antragsteller - einer angeordneten Begutachtung gestellt hat und diese zu einer für den Betroffenen negativen Prognose kommt, dies eine Tatsache ist, die selbstständige Bedeutung hat (BVerwG, Beschluss vom 19. März 1996 - 11 B 14.94 -, NZV 1996, 332; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Mai 2007 – 1 S 65.07 -).

Das in Rede stehende Gutachten selbst ist nicht zu beanstanden. Mit ihm ist überzeugend und nachvollziehbar dargelegt worden, dass vom Antragsteller auch zukünftig das Führen eines Fahrzeugs unter Alkoholeinfluss zu erwarten und er mithin als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet anzusehen ist.

Zwar ist dem Antragsteller darin zuzustimmen, dass das vorliegend in Rede stehende Gutachten bei Zugrundelegung der alten Fassung der Ziffer 8.1 der Anlage 4 zur FeV – wonach ein für die Annahme einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen erforderlicher Alkoholmissbrauch dann vorlag, "wenn das Führen von Kraftfahrzeugen (Hervorhebung durch die Kammer) und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum ... nicht hinreichend sicher getrennt werden" – möglicherweise als fehlerhaft angesehen werden könnte, weil im Gutachten der seinerzeit in den Fällen einer alkoholisierten Teilnahme am Straßenverkehr mit dem Fahrrad verlangte Rückschluss auf eine darüber hinaus zu erwartende Führung eine Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss nicht hinreichend herausgearbeitet worden ist.

Jedoch ergeben sich die tatbestandlichen Voraussetzungen für die vom Antragsgegner unter dem 17. Februar 2011 gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene Fahrerlaubnisentziehung aus den zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung gültigen Vorschriften und mithin der seit dem 18. Dezember 2010 in Kraft befindlichen FeV 2010 und ihrer Anlagen.

Im vorliegenden Fall ergeben sich die Maßstäbe, um die Kraftfahreignung abschließend beurteilen zu können, aus Nr. 8 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 der FeV in der zum Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Ordnungsverfügung geltenden Fassung (FeV 2010). Da bislang keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit des Antragstellers (vgl. Nr. 8.3 und 8.4) vorliegen, stellt sich allein die Frage nach dem Vorliegen eines die Fahreignung ausschließenden Alkoholmissbrauchs im Sinne der Nr. 8.1 und 8.2. In Nr. 8.1 ist "Missbrauch" ausdrücklich definiert. Er liegt vor,

"wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum ... nicht hinreichend sicher getrennt werden" kann.

Nach Nr. 8.2 ist die Kraftfahreignung nach Beendigung des Missbrauchs wieder gegeben,

"wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist."

Der Verordnungsgeber hat damit in Nr. 8.1 und 8.2 unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe geregelt, die davon abhängen, ob ein "Missbrauch" im rechtlich definierten Sinne bereits vorgelegen hat oder nicht. Bei bereits aufgetretenem Missbrauch ist in jedem Falle eine stabile Änderung des Trinkverhaltens zu fordern. Die Wiederholungsgefahr sieht der Verordnungsgeber erst dann als hinreichend gemindert an, wenn die Hauptursache des Fehlverhaltens, nämlich der Alkoholkonsum, sich dauerhaft geändert hat. Es stellt deshalb in dieser Fallgruppe eine hinreichende Grundlage für die Eignungsbeurteilung dar, wenn eine medizinisch-psychologische Begutachtung ergibt, dass sich das bislang gezeigte Trinkverhalten nicht geändert hat oder die Änderung noch nicht als stabil angesehen werden kann. So liegt es hier.

Der Antragsteller führte am 02. Oktober 2009 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,24 Promille ein Fahrrad - und damit ein Fahrzeug (vgl. für § 13 Nr. 2 c) FeV: BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 – 3 C 32/07 -, NJW 2008, 2601 f.; ständige Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg, stellvertretend Beschlüsse vom 21. August 2009 – 1 N 90.08 – und vom 29. September 2008 – 1 N 80.07 -, beide zitiert nach juris) im öffentlichen Straßenverkehr. Danach lag auf Seiten des Antragstellers ein Alkoholmissbrauch im Sinne von Ziffer 8.1 der aktuell gültigen Anlage 4 zur FeV vor.

Das dem Antragsgegner unter dem 20. Dezember 2010 – und mithin nach Inkrafttreten der FeV 2010 sowie der geänderten Fassung der Anlage 4 zur FeV – übersandte Gutachten ist vor diesem Hintergrund in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass auf Seiten des Antragstellers die Eignung zum Führen von KFZ – noch - nicht gegeben ist. In dem Gutachten ist im Rahmen einer Auswertung der durchgeführten psychologischen Teiluntersuchung überzeugend und nachvollziehbar dargelegt worden, dass vom Antragsteller trotz des sich andeutenden Einstellungswandels und - unterstelltem - momentanen Alkoholverzichts (nach Angaben des Antragstellers eingeschränkt seit dem 02. Oktober 2009 und vollständig seit dem „Herrentag“ 2010) bereits aufgrund seines fehlenden Problembewusstseins ohne weitere Auseinandersetzungs- und Bewältigungsprozesse zur Auflösung seines Verhaltens noch nicht von einer gefestigten Änderung des Trinkverhaltens auszugehen ist und von ihm auch zukünftig eine Gefährdung der Verkehrssicherheit ausgehen wird.

Es begegnet dabei keinen Bedenken, wenn die begutachtende Stelle aufgrund der Vorgeschichte des Antragstellers vor dem Hintergrund von einen vergleichbaren Personenkreis behandelnden wissenschaftlichen Untersuchungen sowie der Einlassungen im Explorationsgespräch zu dem Ergebnis gelangt ist, dass auch zukünftig eine ausreichende Trennung von Trinken und Fahren nicht gewährleistet und mithin eine Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss zu erwarten sei.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf den vom Antragsteller auch freimütig eingeräumten z. T. erheblichen Alkoholkonsum in der Zeit von seinem 17. Lebensjahr an, das bislang nicht veränderte gesellschaftliche Umfeld des Antragstellers und das Fehlen von alternativen Strategien zur Stressbewältigung auf Seiten des Antragstellers zu verweisen (vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen auf S. 16 ff. des Gutachtens). Anhaltspunkte dafür, dass die begutachtende Stelle bei den ihr obliegenden Wertungen und der abschließenden Prognoseentscheidung einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt hat oder Äußerungen des Antragstellers im Explorationsgespräch im Gutachten falsch oder sinnentstellt wiedergegeben wurden, sind nicht ersichtlich. Die wesentlichen Grundlagen, Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen sind im Gutachten nachprüfbar dargelegt.

Ein Ermessen, von der Entziehung einer Fahrerlaubnis abzusehen, wenn sich deren Inhaber - wie hier aus den zuvor dargelegten Gründen der Antragsteller - als ungeeignet erwiesen hat, besteht nicht, die Fahrerlaubnis war gem. § 46 Abs. 1 FeV zu entziehen. Für die mit Schreiben des Antragsgegners vom 17. Januar 2011 bzw. 27. Januar 2011 erfolgte Anforderung eines „korrigierten Gutachtens“ war bereits danach kein Raum.

Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der rechtmäßigen Entziehungsverfügung ist ebenfalls gegeben. Wenn sich ein Kraftfahrer als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, muss dies nicht nur zur Entziehung der Fahrerlaubnis, sondern in aller Regel auch dazu führen, dass diese Anordnung sofort vollzogen wird, um den ungeeigneten Führerscheininhaber unverzüglich von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen, da ein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit daran besteht, dass die Gefahren, die von ungeeigneten Kraftfahrern für ihre Sicherheit ausgehen, nicht länger hingenommen werden. Das öffentliche Interesse an der Wahrung der Verkehrssicherheit genießt Vorrang gegenüber dem persönlichen Interesse des Antragstellers (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08. September 2006 - 1 S 122.05 -, S. 9 f. EA).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Da vorliegend keine Besonderheiten erkennbar sind, die eine abweichende Festsetzung angezeigt erscheinen lassen, ist nach Ziffer II 46. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.) für die Entziehung der Fahrerlaubnis vom im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblichen Streitwert in Höhe des Auffangwertes von 5.000,00 Euro auszugehen. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes war diese Summe zu halbieren.