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Straßenausbau; sachliche Beitragspflicht; Entstehung; endgültige Herstellung; Grunderwerb; Bauprogramm; Herstellungsmerkmal; Vermögenszuordnung; Verwaltungsvermögen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 12.11.2010
Aktenzeichen OVG 9 N 121.08 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 VwGO, § 124a VwGO, § 8 Abs 7 S 1 KAG BB, Art 21 Abs 1 EinigVtr, Art 21 Abs 2 EinigVtr

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. November 2007 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 123.936,22 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Berufungszulassungsantrag hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn sich aus den fristgerechten Darlegungen des Rechtsmittelführers ergibt, dass einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, muss sich aus den fristgerechten Darlegungen des Rechtsmittelführers ergeben, dass in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt.

Danach ist die Berufung hier nicht zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat die Aufhebung des angegriffenen Straßenbaubeitragsbescheides zum einen darauf gestützt, dass das Grundstück Z.1… (G. Flurstück 1…) durch die ausgebaute Anlage nicht erschlossen werde. Daneben hat es selbstständig tragend darauf abgestellt, dass es für den Straßenbaubeitragsbescheid keine wirksame satzungsrechtliche Grundlage gebe. Jedenfalls in Bezug auf die zweite Begründung ergibt sich aus den fristgerechten Darlegungen des Beklagten nicht, dass einer der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt.

1. Das gilt zunächst für den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Der Beklagte macht geltend, der angegriffene Straßenbaubeitragsbescheid finde eine wirksame satzungsrechtliche Grundlage in der Straßenbaubeitragssatzung vom 15. Juli 2003. Diese Satzung erfasse, wie erforderlich, den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht. Die sachliche Beitragspflicht sei vorliegend erst mit der bestandskräftigen Zuordnung des Flurstücks 353 durch Vermögenszuordnungsbescheid vom 9. Oktober 2003 und nicht schon mit der letzten VOB-Abnahme am 26. April 2002 entstanden. Dies ergebe sich daraus, dass der Grunderwerb Teil des Bauprogramms und damit Merkmal der endgültigen Herstellung der Anlage sei.

Diese Argumentation greift nicht.

Nach § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG entsteht die Beitragspflicht in Bezug auf Straßenbaumaßnahmen mit der endgültigen Herstellung der Anlage. Mit § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG hat der Gesetzgeber eine Regelung dazu getroffen, auf welche Sach- und Rechtslage es zeitlich für Grund und Höhe des Beitragsanspruchs ankommt. Maßgeblich ist danach der Zeitpunkt der endgültigen Herstellung. Mit ihr entsteht der Beitragsanspruch nach Grund und Höhe voll ausgeprägt und unveränderlich (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Auflage, § 37, Rdnr. 1). Spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage, insbesondere spätere Satzungsänderungen beeinflussen den Beitrag nicht mehr; fehlt zum Zeitpunkt der endgültigen Herstellung das notwendige Satzungsrecht, so ist dieses rückwirkend auf diesen Zeitpunkt zu erlassen (vgl. OVG Bbg, Urteil vom 23. November 2004 - 2 A 269/04 - juris).

Die "endgültige Herstellung der Anlage" ist dem Wortsinne nach straßenbautechnisch zu verstehen. Der Abschluss des Erwerbs der für den Straßenbau benötigten Grundstücke gehört dagegen von Gesetzes wegen nicht zu den Merkmalen der endgültigen Herstellung (vgl. Driehaus, a. a. O., § 33 Rdnr. 32). Ungeachtet dessen belässt § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG den Gemeinden einen Spielraum dafür, zusätzlich zur straßenbautechnischen Herstellung der Anlage auch den Abschluss des Grunderwerbs zum Herstellungsmerkmal zu machen. Wegen der damit verbundenen Entfernung vom Wortlaut des § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG und mit Blick auf das Erfordernis von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bedarf es dazu aber entweder einer entsprechenden Satzungsregelung oder einer eindeutigen Festlegung im Bauprogramm für die konkrete Anlage (vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. April 2008 - 15 A 1809/05 - juris, m. w. N.; Driehaus a. a. O.). Das letztgenannte Erfordernis wird gelegentlich auch damit umschrieben, dass der Grunderwerb zum Teil des Bauprogramms gemacht werden müsse (vgl. etwa Driehaus. a. a. O., am Ende). Dies darf vor dem Hintergrund der allgemein nur geringen förmlichen Anforderungen an die Aufstellung des Bauprogramms (vgl. Driehaus, a. a. O., § 37 Rdnr. 6) allerdings nicht dahin verstanden werden, dass es für eine Festlegung des Grunderwerbs als Herstellungsmerkmal bereits ausreichen würde, wenn sich anhand von Unterlagen überhaupt die Absicht der Gemeinde belegen lässt, zwecks Straßenbaus einen Grunderwerb zu tätigen. Solche Unterlagen werden sich so gut wie immer auffinden lassen, wenn die Gemeinde die Absicht gehabt hat, zwecks Straßenbaus einen Grunderwerb zu tätigen. Sähe man ihre Existenz bereits als ausreichend dafür an, den Grunderwerb als Herstellungsmerkmal anzusehen, würde damit das Erfordernis einer zumindest im Bauprogramm erfolgenden Festlegung des Grunderwerbs als Herstellungsmerkmal praktisch aufgegeben. Soll dieses Erfordernis seinen Sinn behalten, kann es demgegenüber nur dahin verstanden werden, dass aus den im Zusammenhang mit dem Straßenbau erstellten Unterlagen nicht nur die Grunderwerbsabsicht als solche, sondern auch der Wille der Gemeinde hervorgehen muss, gerade die endgültige Herstellung der Anlage vom Abschluss des Grunderwerbs abhängig zu machen (vgl. OVG NW, Urteil vom 13. Dezember 1990 - 2 A 1952/87 - Gemeindehaushalt 1992, S. 21). Letzteres muss darüber hinaus klar und zweifelsfrei erkennbar sein; andernfalls bleibt es dabei, dass der Grunderwerb nicht Herstellungsmerkmal ist (vgl. OVG NW a. a. O.; Driehaus, a. a. O.).

Gemessen an diesem Maßstab ergibt sich aus den Darlegungen des Beklagten nicht, dass der Abschluss des Grunderwerbs hier Merkmal der endgültigen Herstellung im Sinne des § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG geworden wäre. Die vorgelegten Karten und Grunderwerbspläne lassen zwar erkennen, dass im Zusammenhang mit der Verlegung der Straßenbahntrasse und dem Ausbau der Z. ein Grunderwerb stattfinden sollte; für die Beantwortung der Frage, ob die endgültige Herstellung der (allein beitragsfähigen) ausgebauten Straße vom Grunderwerb abhängen sollte, geben sie jedoch nichts her. Auch der vom Beklagten ins Feld geführte Erläuterungsbericht zu der Entwurfsplanung für die Erneuerung der Z., 1. Bauabschnitt, 1. Teilabschnitt, erstellt von der A. am 1. Juli 1997, hilft insoweit nicht weiter. Dieser Erläuterungsbericht enthält auf Seite 33 zwar eine Nummer 8.3 ("Grunderwerb"). Darin wird indessen ebenfalls nur ausgeführt, dass für den Straßenbau Grunderwerb oder Grundstücksumwidmungen erforderlich seien und dass es darüber hinaus zu zeitweiligen Geländeinanspruchnahmen und Nutzungseinschränkungen kommen werde, nicht aber, dass der Grunderwerb Merkmal der endgültigen Herstellung sein solle. Unergiebig sind insoweit insbesondere die Ausführungen zum Flurstück 353. Darin heißt es: "Das Grundstück Gemarkung P., Flur 2..., Flurstück 353 (1...m² Fläche) wird bereits gegenwärtig als Verkehrsfläche genutzt. Man kann hier von rückständigem Grunderwerb sprechen. Für das vorgenannte Grundstück liegt ein Zuordnungsantrag der Stadt P. vor." Diese Passage erweckt den Anschein, der Grunderwerb des Flurstücks 353 stehe passenderweise ohnehin unabhängig vom Straßenbau an; dass die endgültige Herstellung der Anlage vom Erwerb des Flurstücks abhängen sollte, lässt sich dem gerade nicht entnehmen. Das Gleiche gilt im Ergebnis, soweit der Beklagte sich auf den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 4. Januar 1995 zum zweiten Bauabschnitt beruft. Zwar dürfte der Beschlusstenor so zu versehen sein, dass die Stadtverordnetenversammlung sich die Begründung der Beschlussvorlage zu Eigen gemacht hat. In dieser heißt es indessen lediglich: "Gebäudeabrisse und Grundstückinanspruchnahme werden mit nachstehender Ausnahme nicht erforderlich. Das D. Eckgrundstück Z. bedarf aber einer geringen Reduzierung zugunsten der Geh-/Radwegführung neben dem neuen Gleiskörper. Hier ist unbedingt ein rechtzeitiger Flächenkauf (ca. 10 - 20 m) durchzuführen." Danach sollte der Erwerb einer bestimmten, noch dazu kleinen Grundstücksfläche (in einem nicht näher definierten Sinne) "rechtzeitig" erfolgen. Dies deutet eher darauf hin, dass man sich mit dem Grunderwerb beeilen wollte, als dass man den Abschluss des Grunderwerbs zum Herstellungsmerkmal machen wollte.

Unbeschadet der danach zu verneinenden Frage, ob der Grunderwerb vorliegend kraft Bauprogramms zum Herstellungsmerkmal zu zählen ist, ist auch die weitere Frage zu verneinen, ob gerade der Erwerb des Flurstücks 353 die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht hinauszögern konnte. Rechtsvorgänge in Bezug auf nicht beitragsfähige Maßnahmen haben keinen Einfluss auf die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (vgl. BayVGH, Urteil vom 19. September 1991 - 6 B 88.1578 - BayVBl. 1992, S. 728). Um einen solchen Rechtsvorgang handelt es sich indessen beim Erwerb des Flurstücks 353 durch die Stadt P. . Das Flurstück ist der Stadt P. mit Vermögenszuordnungsbescheid vom 9. Oktober 2003 zugeordnet worden. In diesem Bescheid ist - unter Aufhebung einer zunächst anderslautenden Feststellung - festgestellt worden, dass die Stadt P. am 3. Oktober 1990 kraft Art. 21 Abs. 1 und 2 EV Eigentümerin des Flurstücks geworden ist. Bei der im Bescheid ausgesprochenen positiven Feststellung des Eigentums der Stadt … handelt es sich um einen deklaratorischen Verwaltungsakt. Der Eigentumserwerb als solcher weist nach Rechtsgrundlage (Art. 21 Abs. 1 und 2 EV) und Zeitpunkt (3. Oktober 1990) keinen Bezug zum hier in Rede stehenden Straßenbau auf, sondern ist Teil der Verteilung des bei der Vereinigung vorhandenen Verwaltungsvermögens auf die nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung. Ein Erwerbsentgelt, das auf der Grundlage des Straßenbaubeitragsrechts abrechnungsfähig wäre, ist insoweit nicht angefallen. Auch die von der Stadt betriebene Rechtsverfolgung in Bezug auf die Feststellung des Eigentumsübergangs nach § 21 Abs. 1 und 2 EV ist keine beitragsfähige Maßnahme. Diesbezügliche Kosten sind vereinigungsbedingt angefallen und daher von der Allgemeinheit zu tragen.

b) Entgegen der Auffassung des Beklagten trägt auch die Straßenbaubeitragssatzung vom 15. November 2004 (SBS 2004) den angegriffenen Straßenbaubeitragsbescheid nicht. Diese Satzung ist zwar rückwirkend zum 21. November 1997 in Kraft getreten (vgl. § 11 SBS 2004) und erfasst mithin auch den Zeitpunkt der endgültigen Herstellung (26. April 2002). Soweit die Satzung indessen für die Zeit vor dem 1. Februar 2004 Geltung beansprucht, muss sie, um wirksam zu sein, auch den materiellen Anforderungen entsprechen, die sich aus dem Kommunalabgabengesetz in der vor dem 1. Februar 2004 geltenden Fassung ergeben haben (im Folgenden: KAG a. F.). Danach musste die Satzung, um eine taugliche Grundlage für die Abrechnung des hier in Rede stehenden Straßenbaus zu sein, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 4 Satz 9 KAG a. F. auch den Beitragssatz angeben (vgl. OVG Bbg, Urteil vom 23. November 2004 - 2 A 269/04 - juris). Das gilt zumindest deshalb, weil vorliegend auch der abrechnungsfähige Aufwand schon vor dem 1. Februar 2004 festgestanden hat. Soweit der Beklagte demgegenüber meint, die Angabe des Beitragssatzes sei lediglich eine formelle Satzungsanforderung, die bei rückwirkendem Satzungserlass nicht zu beachten sei, trifft dies nicht zu. Die in § 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 4 Satz 9 KAG a. F. vorgesehene Angabe des Beitragssatzes ist eine materielle Satzungsanforderung. Sie betrifft den Satzungsinhalt. Die Angabe des Beitragssatzes in der Satzung bedeutet, dass die Gemeindevertretung sich das Ergebnis der Beitragskalkulation zu Eigen macht.

c) Dass die Straßenbaubeitragssatzung vom 24. Oktober 1997 (SBS 1997) den angegriffenen Straßenbaubeitragsbescheid trage, wird nicht einmal mehr vom Beklagten geltend gemacht; er setzt der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach diese Satzung materiell fehlerhaft sei, nichts entgegen.

2. Aus den fristgerechten Darlegungen des Beklagten ergibt sich nicht, dass die vorliegende Rechtssache hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht verneinten Frage, ob es für den angegriffenen Straßenbaubeitragsbescheid eine wirksame satzungsrechtliche Grundlage gebe, besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) aufweisen würde; vielmehr kann diese Frage, wie unter 1. geschehen, ohne weiteres im Zulassungsverfahren beantwortet werden.

3. Aus den fristgerechten Darlegungen des Beklagten ergibt sich schließlich nicht, dass die vorliegende Rechtssache hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht verneinten Frage, ob es für den Straßenbaubeitragsbescheid eine wirksame satzungsrechtliche Grundlage gebe, grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hätte.

Der Beklagte sieht es insoweit zunächst als grundsätzlich klärungsbedürftig an, welche Anforderungen an die gemeindliche Willensbildung zu stellen sind, damit davon ausgegangen werden kann, dass der Grunderwerb Bestandteil des (straßenbaubeitragsrelevanten) Bauprogramms ist. Dies lässt sich indessen - wie unter 1. geschehen - fallübergreifend ohne weiteres wie folgt beantworten: Es muss nicht nur die Grunderwerbsabsicht der Gemeinde erkennbar sein, sondern eindeutig auch die Absicht, den Abschluss des Grunderwerbs zum Merkmal der endgültigen Herstellung der Anlage machen zu wollen. Das Nähere ist eine Sache des Einzelfalles.

Der Beklagte sieht es weiter als grundsätzlich klärungsbedürftig an, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine konkrete Entwurfsplanung der Gemeinde zugerechnet werden kann bzw. muss. Dies ist indessen vorliegend nicht entscheidungserheblich. Denn der Grunderwerb ist nach dem zu 1. Ausgeführten vorliegend auch dann nicht Herstellungsmerkmal, wenn man der Stadt alle Unterlagen zurechnet, die der Beklagte insoweit ins Feld geführt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).