Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 26.11.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 B 59.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 2 Abs 3 S 2 SGB 10, § 111 S 1 SGB 10, § 111 S 2 SGB 10, § 113 Abs 1 S 1 SGB 10, Art 1 Nr 2 FunktRefG BB 2, Art 4 S 3 Nr 1 FunktRefG BB 2, § 288 Abs 1 S 2 BGB, § 291 S 1 BGB |
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. November 2008 wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen geändert und wie folgt gefasst:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde. Dies betrifft einen Betrag von 160.608,48 Euro (= 63.041,33 Euro + 30.424,60 Euro + 37.290,38 Euro + 24.028,12 Euro + 5.824,05 Euro).
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die für den Hilfeempfänger in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Januar 2001 aufgewendeten Sozialhilfekosten in Höhe von 153.505,38 Euro sowie die in der Zeit vom 1. Februar 2001 bis zum 12. Februar 2001 aufgewendeten Sozialhilfekosten in Höhe von 1.047,80 Euro zu erstatten und auf den Gesamtbetrag von 315.161,66 Euro Prozesszinsen wie folgt zu zahlen:
in Höhe von 4 % ab dem 11. Juni 2003 auf 130.723,70 Euro und
in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz
- ab dem 11. Juni 2003 auf weitere 86.870,81 Euro,
- ab dem 2. Dezember 2004 auf weitere 19.298,72 Euro,
- ab dem 18. März 2005 auf weitere 37.290,38 Euro,
- ab dem 4. April 2006 auf weitere 24.028,12 Euro,
- ab dem 12. Januar 2007 auf weitere 5.824,05 Euro und
- ab dem 10. November 2008 auf weitere 11.125,88 Euro.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der klagende Landschaftsverband aus dem Land Nordrhein-Westfalen begehrt von der beklagten kreisfreien Stadt im Land Brandenburg die Erstattung von Sozialhilfekosten, die er von Anfang 1996 bis Ende Januar 2001 aufgewendet hat. Für den geforderten Erstattungsbetrag begehrt er weiter Prozesszinsen. Zusätzlich begehrt er die Zahlung von Prozesszinsen auf eine erstinstanzlich bereits von der beklagten Stadt anerkannte Erstattungsforderung, die den Zeitraum 13. Februar 2001 bis 9. November 2006 betrifft.
Der Hilfeempfänger wurde a... 1927 geboren. Er lebte zunächst in der beklagten Stadt Po.... A... 1959 wurde er in den von Bodelschwinghschen Anstalten in Be... in Nordrhein-Westfalen aufgenommen. Dort wurde festgestellt, dass er an Schizophrenie leide und wegen der Art seiner Erkrankung die Aufnahme in eine Heilanstalt notwendig sei. Ab 1959 leistete der Kläger für ihn Sozialhilfe in Form von Eingliederungshilfe im Sinne der späteren §§ 39 f. des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Ab 12. Oktober 1994 gewährte der Kläger als Maßnahme der Eingliederungshilfe Hilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG. Der Hilfeempfänger ist a... 2006 verstorben.
Mit Schreiben vom 15. Juli 1994 begehrte der Kläger vom Landesamt für Soziales und Versorgung in Cottbus nach § 103 BSHG bzw. § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X die Erstattung der entstandenen bzw. entstehenden Sozialhilfeaufwendungen, die seit dem 1. Januar 1991 – dem Datum des Inkrafttretens des BSHG in den neuen Bundesländern – für die Betreuung des Hilfeempfängers „im Rahmen des § 39 BSHG“ in den von Bodelschwinghschen Anstalten angefallen seien. Für die Leistungen ab 27. Juni 1993 ergebe sich die Erstattung aus § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X, weil die örtliche Zuständigkeit gewechselt habe. Da das Landesamt nach § 97 Abs. 2 BSHG n.F. seit dem 27. Juni 1993 für die Hilfegewährung örtlich zuständig sei, möge es den Hilfefall außerdem ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt in seine eigene Zuständigkeit übernehmen.
Unter dem 15. August 1994 lehnte das Landesamt die Kostenerstattung zunächst ab. Der Erstattungsanspruch erfasse nicht sog. Altfälle, in denen die Heimaufnahme und der vorherige gewöhnliche Aufenthalt in die Zeit vor dem 1. Januar 1991 fielen. Deshalb lehne das Landesamt es auch ab, nach § 97 Abs. 2 BSHG n.F. die Hilfe direkt zu übernehmen. Auf Nachfrage des Klägers verzichtete das Landesamt unter dem 1. November 1994 im Hinblick auf anhängige Musterverfahren auf die Einrede der Verjährung.
Mit Urteilen vom 18. Mai 2000 entschied das Bundesverwaltungsgericht in den Musterverfahren, dass für Erstattungsansprüche von Sozialhilfeträgern der alten gegen Sozialhilfeträger der neuen Bundesländer auch auf einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der neuen Bundesländer zurückgegriffen werden könne, der vor dem 1. Januar 1991 begründet worden sei (Urteil vom 18. Mai 2000 – BVerwG 5 C 27.99 –, juris, Rdnr. 17 – 19).
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2001 übermittelte der Kläger dem Landesamt eine Kopie seines Aktenvorgangs und bat darum, nunmehr über seinen Erstattungsanspruch zu entscheiden und den Hilfefall ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt in die eigene Bearbeitung zu übernehmen. Sollte bis zum 20. November 2001 kein Anerkenntnis vorliegen, werde er seinen Erstattungsanspruch im Klageweg durchsetzen.
Mit Schreiben vom 10. Januar 2002 lehnte das Landesamt den Kostenerstattungsantrag des Klägers für die Zeit bis 17. Juli 1993 ab, weil der Kläger seinen Anspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht habe, nämlich nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, §§ 111, 120 Abs. 2 SGB X. Für den anschließenden Zeitraum vom 18. Juli 1993 bis zum 31. Dezember 1995 erkannte das Landesamt den Erstattungsanspruch nunmehr an. Für die Zeit danach (ab 1. Januar 1996) lehnte es die Kostenerstattung wiederum ab, weil mit Wirkung vom 1. Januar 1996 die sachliche Zuständigkeit im Land Brandenburg auf die örtlichen Sozialhilfeträger – hier: die beklagte Stadt – gewechselt habe. Damit habe der Erstattungsanspruch gegen das Land geendet und sei auch die Übernahme des laufenden Hilfefalles durch das Landesamt abzulehnen.
Mit Schreiben vom 31. Januar 2002 wandte sich der Kläger an die beklagte Stadt. Unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den sog. Alt–Fällen, das Anerkenntnis des Landesamtes und die Zuständigkeit der beklagten Stadt ab dem 1. Januar 1996 für Aufgaben der Eingliederungshilfe bat er sie, seinen Erstattungsanspruch für die Zeit ab 1. Januar 1996 anzuerkennen und mitzuteilen, ab wann sie die Hilfegewährung in eigener Zuständigkeit übernehme. Die beklagte Stadt blieb untätig.
Mit seiner am 27. März 2003 beim Verwaltungsgericht Cottbus eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren für den Zeitraum bis 17. Juli 1993 gegen das Land und für den Zeitraum ab 1. Januar 1996 gegen die beklagte Stadt weiterverfolgt. Die Klage gegen das Land hat der Kläger zurückgenommen (VG Cottbus, Beschluss vom 3. April 2006 – 5 K 556/03 –).Das Verfahren gegen die Stadt hat das Verwaltungsgericht Cottbus abgetrennt und an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen. Dort hat der Kläger die Beträge, deren Erstattung er begehre, mit verschiedenen Schriftsätzen beziffert und die Bezifferung mit Schriftsatz vom 10. November 2008 teilweise geändert.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18. November 2008 hat die beklagte Stadt hinsichtlich der Kostenerstattung für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 12. Februar 2001 die Einrede der Verjährung erhoben. Den Erstattungsanspruch für die anschließende Zeit ab 13. Februar 2001 hat sie anerkannt. Weiter heißt es im Protokoll der mündlichen Verhandlung:
„Daraufhin erklären die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Hauptforderung ab 13. Februar 2001 übereinstimmend für erledigt.“
Mit Urteil vom 18. November 2008 hat das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich der Kostenerstattung für den Zeitraum 1. Januar 1996 bis 31. Januar 2001 abgewiesen; dem Anspruch stehe die Ausschlussfrist des § 111 SGB X entgegen, weil mit dem Zuständigkeitswechsel vom Land auf die Stadt eine „neue Schuld“ der beklagten Stadt entstanden sei und der Kläger den Anspruch gegenüber der Stadt erst nach Ablauf der gesetzlichen Jahresfrist geltend gemacht habe. Für den anschließenden Zeitraum vom 1. bis zum 12. Februar 2001 hat das Verwaltungsgericht die beklagte Stadt verurteilt, dem Kläger die für den Hilfeempfänger entstandenen Kosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab 11. Juni 2003 zu erstatten. In Bezug auf die Hauptforderung für den späteren Zeitraum vom 13. Februar 2001 bis zum 9. November 2006, hinsichtlich der die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Verwaltungsgericht die Zuerkennung von Prozesszinsen abgelehnt, weil insoweit keine Verurteilung vorliege.
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter (Erstattung für 1996 bis Januar 2001 nebst Prozesszinsen sowie Prozesszinsen auf die bereits anerkannte Erstattungsforderung für den späteren Zeitraum ab 13. Februar 2001). Zur Begründung führt er insbesondere aus, er habe seinen Anspruch auch hinsichtlich des noch streitigen Zeitraums vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Januar 2001 nach § 111 SGB X ordnungsgemäß und fristgerecht angemeldet. Das Geltendmachen des Anspruchs beim Landesamt durch das Schreiben vom 15. Juli 1994 wirke auch gegenüber der beklagten Stadt. Die Zahlung von Zinsen begehre er
in Höhe von 4 %
ab dem
auf einen Betrag in Höhe von
9. Juni 2003
130.723,70 Euro
sowie in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
ab dem
auf einen Betrag in Höhe von
9. Juni 2003
86.870,81 Euro
2. Dezember 2004
30.424,60 Euro
18. März 2005
37.290,38 Euro
3. April 2006
„44.028,12 Euro“
gemeint: 24.028,12 Euro12. Januar 2007
5.824,05 Euro.
Danach stellt sich der Streitstand der Klage gegen die Stadt im Berufungsverfahren für den Erstattungszeitraum 1. Januar 1996 bis 9. November 2006 wie folgt dar:
Zeitraum | 01.01.1996 | 01.01.2003 | 01.01.2004 | 01.01.2005 | 01.01.2006 |
ursprünglich | 113.199,50 € | 19.298,72 € | 37.290,38 € | 24.028,12 € | 5.824,05 € |
Ursprünglicher | 06.06.2003 | 29.11.2004 | 15.03.2005 | 31.03.2006 | 09.01.2007 |
(Eingang) | (11.06.2003) | (30.11.2004) | (17.03.2005) | (04.04.2006) | (10.01.2007) |
Korrigierter | 217.594,51 € | 30.424,60 € | (-) | (-) | (-) |
Betrag korrigiert | 10.11.2008 | 10.11.2008 | (-) | (-) | (-) |
(Eingang) | (10.11.2008) | (10.11.2008) | (-) | (-) | (-) |
Streitstand | 01.01.1996 bis | Hauptsacheerledigung nach Anerkennung durch Beklagte (korrigierter Betrag, s.o.) | Hauptsacheerledigung nach Anerkennung durch Beklagte (Betrag s.o.) | Hauptsacheerledigung nach Anerkennung durch Beklagte (Betrag s.o.) | Hauptsacheerledigung nach Anerkennung durch Beklagte (Betrag s.o.) |
Prozesszinsen | 130.723,70 € und | 30.424,60 € | 37.290,38 € | 24.028,12 € | 5.824,05 € |
geforderter | 4 % auf 130.723,70 €; | 5 Prozentpunkte über Basiszinssatz | 5 Prozentpunkte über Basiszinssatz | 5 Prozentpunkte über Basiszinssatz | 5 Prozentpunkte über Basiszinssatz |
geforderter | 09.06.2003 | 02.12.2004 | 18.03.2005 | 03.04.2006 | 12.01.2007 |
Streitstand | 01.01.1996 bis | Klageabweisung, streitig | Klageabweisung, streitig | Klageabweisung, streitig | Klageabweisung, streitig |
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter teilweiser Abänderung des angefochten Urteils die beklagte Stadt zusätzlich zu verurteilen, dem Kläger die für den Hilfeempfänger in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Januar 2001 aufgewendeten Sozialhilfekosten in Höhe von 153.505,38 Euro zu erstatten zuzüglich von Prozesszinsen und außerdem Prozesszinsen auf die erledigte Hauptforderung jeweils ab Rechtshängigkeit zu zahlen und zwar so, wie in der Berufungsbegründung ausgeführt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass dem Erstattungsanspruch die Ausschlussfrist des § 111 SGB X entgegenstehe. Darüber hinaus habe der Beklagte bereits im Klageverfahren dem Grunde und der Höhe nach Einwände gegen den Erstattungsanspruch erhoben. Die Zinsanträge seien nicht nachvollziehbar. Im Übrigen habe bis zum Bescheid des Versorgungsamtes Bi... vom 30. Oktober 2006, mit dem es – vorrangige – Ansprüche des Hilfeempfängers nach dem Bundesversorgungsgesetz abgelehnt habe, kein Verzug der beklagten Stadt vorgelegen.
Nach der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2013 haben sich die Beteiligten übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Der Senat kann entsprechend § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden.
I. Die zulässige Berufung des Klägers ist im Wesentlichen begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Erstattung der Kosten für seine Hilfeleistungen vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Januar 2001 nebst Prozesszinsen zu Unrecht abgewiesen. Das gilt überwiegend auch hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung von Prozesszinsen auf die für erledigt erklärte Hauptforderung (Erstattungsbetrag für den Zeitraum 13. Februar 2001 bis 9. November 2006).
1. Der Kläger hat gegen die beklagte Stadt einen Anspruch aus § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X auf Erstattung seiner Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 153.505,38 Euro für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Januar 2001.
a) Der Erstattungsanspruch des Klägers ist gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X entstanden. Nach dieser Vorschrift hat bei einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit die nunmehr zuständige Behörde der bisher zuständigen Behörde die nach dem Zuständigkeitswechsel noch erbrachten Leistungen auf Anforderung zu erstatten. Das für solche Fälle früher (vor dem 1. Januar 1994) der Erstattungsanspruch aus § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG galt, steht der Anwendung von § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X nicht entgegen (vgl. Urteile des Senats vom 27. Februar 2013 – OVG 9 B 57.11 –, juris, Rdnr. 19, und – OVG 9 B 58.11 –, juris, Rdnr. 17). Ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit hat hier stattgefunden. Mit Wirkung ab 27. Juni 1993 hat wegen einer Änderung des § 97 BSHG die örtliche Zuständigkeit vom Kläger auf das Land Brandenburg gewechselt.
Als am 1. Januar 1991 das Bundessozialhilfegesetz (in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Januar 1991, BGBl. I S. 94, ber. S. 808 – BSHG 1991) im Beitrittsgebiet in Kraft trat, war zunächst der Kläger örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe. § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1991 sah vor, dass für die Sozialhilfe der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig sei, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende tatsächlich aufhielt. Der Hilfeempfänger lebte damals im räumlichen Zuständigkeitsbereich des Klägers.
Mit Wirkung vom 27. Juni 1993 wurde für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme hatte oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatte (§ 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG 1993 in der Fassung von Art. 7 Nr. 22 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993, BGBl. I S. 944). Das war das Land Brandenburg. Sachlich zuständig war der überörtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht nach Landesrecht für bestimmte näher aufgeführte Hilfen der örtliche Träger sachlich zuständig war (§ 100 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 BSHG). Im Land Brandenburg war damals (27. Juni 1993) für Fälle wie den des Klägers, d.h. für Eingliederungshilfen im Sinne von § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG, das Land sachlich zuständig, § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung des BSHG vom 24. Juli 1991 (AG–BSHG, GVBl. S. 318). Später, mit Wirkung vom 1. Januar 1996, wechselte innerhalb des Landes die Zuständigkeit vom Land auf die Landkreise und kreisfreien Städte wie die hier beklagte Stadt.
Der ursprünglich örtlich zuständige Kläger hat auch nach dem Zuständigkeitswechsel ab dem 27. Juni 1993 anstelle des seitdem örtlich zuständigen brandenburgischen Sozialhilfeträgers noch Sozialhilfeleistungen erbracht. Für diese Leistungen steht ihm daher aus § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X ein Anspruch auf Erstattung zu.
b) Der Erstattungsanspruch des Klägers ist nicht wegen verspäteter Anmeldung nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Der Kläger hat seinen Erstattungsanspruch für den hier streitigen Zeitraum ab 1. Januar 1996 mit Schreiben vom 15. Juli 1994 an das Landesamt rechtzeitig einheitlich auch für alle später, d.h. bis zum 9. November 2006, von ihm erbrachten Sozialhilfeleistungen geltend gemacht. Nach § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Diese Regelung findet auf den Erstattungsanspruch nach § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X Anwendung (OVG Berlin, Urteil vom 10. Februar 2005 – 6 B 21.03 –, juris, Rdnr. 17; Kater, in: Leitherer, Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: 1. Oktober 2012, § 111 SGB X Rdnr. 5b).
Das „Geltendmachen“ im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X erfordert eine erkennbar auf Rechtssicherung gerichtete Mitteilung, dass und für welchen Hilfeempfänger welche Sozialleistungen gewährt werden bzw. wurden und dass und für welche Leistungen Erstattung begehrt wird. Die Mitteilung muss die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind, und den Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht wurde, hinreichend konkret angeben. Wirksam und im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X fristwahrend kann der Anspruch auch in solchen Fällen geltend gemacht werden, in denen noch nicht feststeht, ob bzw. für welchen Zeitraum der als vorrangig in Anspruch genommene Leistungsträger – wie die hier beklagte Stadt – tatsächlich zur Leistung verpflichtet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2003 – 5 C 18.02 –, juris, Rdnr. 14; OVG Mecklenburg–Vorpommern, Urteil vom 28. August 2007 – 1 L 59/05 –, juris, Rdnr. 47). § 111 Satz 1 SGB X verlangt nicht, dass für laufend – etwa monatlich – gewährte Leistungen der Sozialhilfe der Erstattungsanspruch laufend – etwa monatlich – neu geltend zu machen wäre (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 9. November 2006 - 5 K 867/06 -, UA S. 8). Vielmehr lässt die Bestimmung zu, dass eine einheitliche Anmeldung auch für alle zukünftigen Leistungen abgegeben wird, für die sie dann auch wirkt (vgl. Klattenhoff, in: Hauck/Noftz, SGB X, K § 111 Rdnr. 11; Marschner, in: Pickel/Marschner, SGB X, Stand: April 2012, § 111 Rdnr. 8; Roller, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 111 Rdnr. 13; VG Düsseldorf, Urteil vom 18. Juli 2006 – 22 K 4148/04 –, juris, Rdnr. 51 f. m.w.N.).
Das Schreiben des Klägers vom 15. Juli 1994 an das Landesamt genügt diesen Maßstäben. Es benennt den Hilfeempfänger, weist darauf hin, in welcher Einrichtung er untergebracht ist, wo er vor der Aufnahme seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und welche Art der Hilfe der Kläger ihm gewährt. Weitere Einzelheiten – wie die monatlich wiederkehrende Leistung von Eingliederungshilfe – sind der beigefügten Kostenzusage des Klägers zu entnehmen. Ausdrücklich macht der Kläger in dem Schreiben unter Berufung auf § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X seinen Erstattungsanspruch geltend und fordert den Adressaten auf, den Anspruch anzuerkennen und schriftlich zu bestätigen. Damit liegt eine einheitliche Anmeldung des Erstattungsanspruchs für alle bereits entstandenen und für alle zukünftig anfallenden monatlich wiederkehrenden Leistungen des Klägers vor.
Im hier in Rede stehenden Erstattungszeitraum hat sich auch nichts an dem geltend gemachten Erstattungsanspruch geändert. Weder ist die Hilfeleistung des Klägers für den Hilfeempfänger jemals unterbrochen worden noch hat sich die Art der Hilfe geändert. Das gilt auch für die ab 12. Oktober 1994 gewährte Hilfeleistung nach § 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG. Ebenso wie bei der vorher gewährten Hilfe handelt es sich bei ihr um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe für Behinderte (§ 27 Abs. 1 Nr. 6, Abschnitt 1 Unterabschnitt 7 BSHG) innerhalb derselben Art der Hilfe (§§ 39, 40 BSHG), und nicht um eine andere Art der Hilfeleistung (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und Nr. 7 bis 12 BSHG).
Der Erstattungsanspruch ist auch nicht deshalb nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen, weil der Kläger es versäumt hat, ihn nach dem Zuständigkeitswechsel vom Land auf die beklagte Stadt am 1. Januar 1996 innerhalb der Jahresfrist gegenüber der beklagten Stadt anzumelden. Die ursprünglich für das Land begründete Erstattungspflicht ist mit dem Übergang der Aufgaben zum 1. Januar 1996 im Wege der Funktionsnachfolge unter Wahrung der Identität der Schuld und unter Fortwirkung der bereits erfolgten Anmeldung auf die beklagte Stadt übergegangen (§ 2 Abs. 2 AG–BSHG in der Fassung von Art. 1 Nr. 2, Art. 4 Satz 3 Nr. 1 des Zweiten Funktionalreformgesetzes – 2. BbgFRG – vom 13. Juli 1994, GVBl. I S. 382); eine „neue Schuld“ der beklagten Stadt, die der Kläger rechtzeitig nach § 111 Satz 1 SGB X nunmehr ihr gegenüber hätte geltend machen müssen, hat der Zuständigkeitswechsel nicht begründet.
Es ist anerkannt, dass eine Schuld – wie die hier streitige Verpflichtung zum Aufwendungsersatz – auf einen neuen Schuldner übergehen kann, ohne dass eine „neue Schuld“ in der Art einer Schuldumschaffung (Novation) entsteht (vgl. BFH, Urteil vom 22. Januar 1965 – III 127/64 S –, juris, Rdnr. 17; KG Berlin, Urteil vom 1. Dezember 1999 – 11 U 3872/99 –, juris, Rdnr. 47). Ein solcher Schuldübergang, bei dem (nur) der Schuldner wechselt und die Identität der Schuld im Übrigen gewahrt bleibt, ist etwa in §§ 414 ff. BGB geregelt (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 73. Auflage 2014, Überblick vor § 414 Rdnr. 1) und kann sich aus einer Vereinbarung (§§ 414, 415 BGB) oder aus dem Gesetz ergeben (z.B. aus der bis 1998 geltenden Vorschrift des § 419 BGB). Im öffentlichen Recht kann Rechtsgrund für einen derartigen Schuldnerwechsel unter Wahrung der Identität der Schuld insbesondere die Funktionsnachfolge wegen eines Zuständigkeitswechsels sein (Kaduk, in: v. Staudinger, BGB, 12. Auflage 1994, § 419 Rdnr. 65). Das gilt auch hier. Bei einer gesetzlich angeordneten Funktionsnachfolge für Sozialleistungsaufgaben folgt der Funktionsnachfolger ohne Weiteres sowohl in die verfahrensrechtliche als auch in die materiell–rechtliche Position des Funktionsvorgängers (LSG Baden–Württemberg, Urteil vom 25. Januar 2007 – L 10 R 739/04 –, juris, Rdnr. 15). Der Übergang der Rechte und Pflichten tritt allein durch den Zuständigkeitswechsel ein und gilt für alle noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsaufgaben, die der Vorgänger wegen der ihm nicht mehr zustehenden Funktion nicht mehr wahrnehmen kann (BSG, Urteil vom 9. Dezember 1987 – 10 RKg 5/85 –, juris, Rdnr. 10 m.w.N.). Eine solcher Fall liegt hier vor. Art. 1 Nr. 2, Art. 4 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1 2. BbgFRG regeln eine Funktionsnachfolge aufgrund eines Zuständigkeitswechsels, mit dem bestimmte Aufgaben der Sozialhilfe in umfassender Weise vom Land auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen werden. Danach ist der Erstattungsvorgang mit seinem gesamten Inhalt einschließlich des Schriftwechsels auf die beklagte Stadt übergegangen und von ihr weiter zu bearbeiten gewesen, und zwar mit dem zu diesem Zeitpunkt erreichten Sachstand, d.h. mit dem (ursprünglich gegenüber dem Land) entstandenen Erstattungsanspruch, der fristgerecht geltend gemacht worden ist und auch alle zukünftig entstehenden Erstattungsbeträge erfasst.
Art. 1 Nr. 2 2. BbgFRG hat mit der Neufassung von § 2 Abs. 2 AG-BSHG bestimmt, dass die in § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG geregelten Aufgaben (Eingliederungshilfe für Behinderte in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen und Einrichtungen zur teilstationären Betreuung) im Land Brandenburg nicht mehr vom überörtlichen, sondern vom örtlichen Träger der Sozialhilfe wahrgenommen werden; örtliche Träger der Sozialhilfe sind die kreisfreien Städte – wie die beklagte Stadt – und die Landkreise (§ 1 Abs. 1 AG-BSHG). Diese Änderung der sachlichen Zuständigkeit durch das 2. BbgFRG bezweckte, die meisten Zuständigkeiten vom überörtlichen Träger (Land) auf die örtlichen Träger der Sozialhilfe (Kreise und kreisfreie Städte) zu verlagern (Landtagsdrucksache 1/3048, S. 1, 8 f.). Für das Inkrafttreten der landesrechtlichen Zuständigkeitsänderung sah Art. 4 Satz 2 2. BbgFRG vor, dass die Übertragung der Aufgaben grundsätzlich zum 1. Januar 1995 erfolgte. Als Ausnahme bestimmte jedoch Art. 4 Satz 3 Nr. 1 2. BbgFRG, dass die – hier in Rede stehenden – Aufgaben der Eingliederungshilfe für Behinderte in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen erst zum 1. Januar 1996 auf die Landkreise und kreisfreien Städte übergingen.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes sind die genannten Aufgaben umfassend und ohne jede Einschränkung übergegangen (Art. 4 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1 2. BbgFRG). Aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt ohne Weiteres, dass stets die gesetzlich zuständige Behörde zu handeln hat, im Falle eines Wechsels der gesetzlich bestimmten Zuständigkeit – wie hier nach dem 2. BbgFRG – also die neu zuständige Behörde (vgl. Henkel, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 3 Rdnr. 69 m.w.N.; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 3 Rdnr. 38). Das gilt auch für zum Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels noch nicht erledigte Vorgänge. Nur wenn etwas anderes gelten soll, bedarf es dazu einer gesetzlichen Regelung, wie z.B. § 3 Abs. 3 VwVfG (vgl. dazu Schmitz, a.a.O.) und ebenso für das Sozialrecht § 2 Abs. 2 SGB X. Für Gerichtsverfahren ist in § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG vorgesehen, dass ein Gericht für ein einmal begonnenes Verfahren grundsätzlich zuständig bleibt („perpetuatio fori“). Für Verwaltungsvorgänge gibt es keine entsprechende Vorschrift (etwa im Sinne einer „perpetuatio magistratus“, vgl. Henkel, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 3 Rdnr. 69 m.w.N.; Schmitz, a.a.O.). Demzufolge hat die neu zuständige Behörde – hier die beklagte Stadt – auch Verwaltungshandlungen vorzunehmen, die sich auf vor dem Übergang der Zuständigkeit liegende Zeiträume erstrecken, soweit der gesetzlichen Regelung des Zuständigkeitswechsels keine Einschränkung dahin zu entnehmen ist, dass bereits begonnene Verfahren von der bisher zuständigen Behörde zu Ende zu führen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 1984 – 5 C 24.81 – juris, Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 12. Februar 2009 – B 5 R 39/06 R –, juris, Rdnr. 13; OVG Nordrhein–Westfalen vom 23. Juni 2008 – 6 B 626/08 –, juris, Rdnr. 9). Danach handelt es sich um eine bloße Klarstellung, wenn für einen entsprechenden Zuständigkeitswechsel in Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich geregelt ist, dass der dort neu zuständige örtliche Träger der Sozialhilfe auch für die Geltendmachung und Gewährung von Kostenerstattungen sachlich zuständig ist (§ 3 AG–BSHG vom 17. Dezember 2001, GVOBl. M–V S. 612).
Der Regelungszweck des 2. BbgFRG spricht ebenfalls für eine umfassende und uneingeschränkte Übertragung der Aufgaben, welche den Übergang noch offener Verbindlichkeiten unter Wahrung ihrer Identität einschließt. Der Landesgesetzgeber beabsichtigte, eine umfassende Funktionsnachfolge der Landkreise und kreisfreien Städte vorzusehen. Diese Absicht findet ihren Ausdruck schon in der Bezeichnung des Gesetzes als „Funktionalreform“. Außerdem ergibt sie sich aus der Gesetzesbegründung, nach der das Gesetz eine „weitgehende Delegation der Aufgabenwahrnehmung an die örtlichen Träger“ regele (vgl. Landtagsdrucksache 1/3048, Begründung S. 4) und die sachliche Zuständigkeit des Landes lediglich für die Fälle erhalten bleibe, bei denen bei überregionalen Einrichtungen eine landeseinheitliche Versorgung im Lande zu gewährleisten sei oder aus sonstigen Gründen die Aufgaben überörtlich zu erfüllen geboten erscheine (a.a.O., S. 3 f.). Dem entspricht es, dass gemäß Art. 4 2. BbgFRG das differenzierte Inkrafttreten der Zuständigkeitsänderungen den örtlichen Sozialhilfeträgern Gelegenheit geben sollte, sich auf die geänderten Gegebenheiten einzustellen (a.a.O., S. 8). Mit dem Übergang der Aufgaben war auch die Überleitung des Personals, das bis dahin für das Land diese Aufgaben wahrgenommen hatte, verbunden (vgl. die Stellungnahme der Ministerin bei Verabschiedung des Gesetzes, Plenarprotokoll 1/99, S. 8168); die rechtlichen Grundlagen dafür waren kurz zuvor im Funktionalreformgrundsätzegesetz vom 30. Juni 1994 (GVBl. I S. 230) geregelt worden. All dies spricht für eine umfassende und vollständige Übertragung der Aufgaben einschließlich aller damit verbundenen noch offenen Vorgänge und Verbindlichkeiten.
Aus der Rechtsprechung, welche die beklagte Stadt anführt (Schriftsatz vom 17. April 2014, S. 5 – 8), ergibt sich nichts anderes. Keine der von ihr zitierten Entscheidungen betrifft den Fall einer Funktionsnachfolge, bei der die Aufgabenzuweisung geändert und damit der Schuldner eines aufgabenbedingten Erstattungsanspruches ausgewechselt wird, nachdem der Anspruch ordnungsgemäß und fristgerecht bei dem zum Zeitpunkt seiner Anmeldung zuständigen Sozialleistungsträger geltend gemacht worden ist. Stattdessen geht es in den meisten Entscheidungen um das Geltendmachen von Ansprüchen gegenüber einem von vorneherein unzuständigen Verwaltungsträger und um die daraus folgende Frage, ob und ggf. wie sein Verhalten dem zuständigen Verwaltungsträger zugerechnet werden kann (vgl. LSG Saarland, Urteil vom 10. Juli 2001 – L 5b V 11/00 –, juris, Rdnr. 24 f.; LSG Berlin–Brandenburg, Urteil vom 8. Oktober 2009 – L 15 SO 144/08 –, juris, Rdnr. 26 f. und 30 – 32; VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Februar 2002 – 13 K 2979/00, juris, Rdnr. 19 und 55; VG München, Urteil vom 19. Januar 2005 – M 18 K 04.1854 –, Juris, Rdnr. 23 – 25). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Halle (Urteil vom 24. Juni 2004 – 4 A 748/01 –, juris, Rdnr. 69) schließlich stellt lediglich fest, dass die erstmalige Geltendmachung des Erstattungsanspruchs für den gesamten zukünftigen Leistungszeitraum wirke, soweit keine rechtserhebliche zeitliche Unterbrechung der Hilfegewährung eingetreten und derselbe kostenerstattungspflichtige Träger betroffen sei. Damit äußert sich das Gericht aber nicht zu den Folgen eines – in jenem Fall gerade fehlenden und damit nicht entscheidungserheblichen – gesetzlichen Wechsels des kostenerstattungspflichtigen Trägers während des Erstattungsverfahrens. Vielmehr ergibt sich aus dem anschließenden Satz in der Begründung, dass es nur um die Dauerwirkung der Anmeldung des Erstattungsanspruchs geht, die – wie auch hier – verhindert, dass für jeden nachfolgenden Bewilligungsabschnitt der Hilfeleistung der Erstattungsanspruch erneut angemeldet werden müsste (a.a.O., Rdnr. 69).
Soweit hier das Land gegen die Informations- und Weiterleitungspflichten verstoßen hat, die ihm gegenüber dem beklagten Landkreis aus der landesgesetzlichen Aufgabenübertragung obliegen, kann dies dem Kläger nicht entgegenhalten werden (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 9. November 2006, a.a.O., S. 8).
c) Der Anspruch steht dem Kläger in der geltend gemachten Höhe zu. Für den Leistungszeitraum 1. Januar 1996 bis 31. Januar 2001 hat der Kläger gegen die beklagte Stadt einen Anspruch auf Erstattung von Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 153.505,38 Euro. Dieser Betrag errechnet sich aus den Anlagen zum Schriftsatz des Klägers vom 6. Juni 2003. Sie weisen für den in Rede stehenden Zeitraum als monatliche Ausgaben (Pflegekosten) insgesamt 205.302,92 Euro und als monatliche Einnahmen (Altersruhegeld) insgesamt 51.797,54 Euro aus. Die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen ergibt den Erstattungsbetrag.
d) Der Erstattungsanspruch des Klägers ist nicht verjährt, § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X, analog § 111 Abs. 1 SGB XII.
Nach der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung des § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X verjähren Erstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend (§ 113 Abs. 2 SGB X). Im vorliegenden Fall ist der Verjährungsbeginn jedoch nicht unmittelbar nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X, sondern durch analoge Heranziehung des § 111 Abs. 1 SGB XII zu bestimmen (vgl. Urteil des Senats vom 27. Februar 2013 – OVG 9 B 57.11 –, a.a.O., Rdnr. 20), weil keine Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht vorliegt. Die beklagte Stadt hat gegenüber dem Hilfeempfänger bis zu dessen Tod a... 2006 keine Entscheidung über ihre eigene Leistungspflicht getroffen. Dementsprechend beginnt die Verjährungsfrist des § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X für den Erstattungsanspruch in analoger Anwendung von § 111 Abs. 1 SGB XII nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist (vgl. Urteil des Senats vom 27. Februar 2013, a.a.O., Rdnr. 20 m.w.N.).
Danach scheidet eine Verjährung hier für die von Anfang 1999 bis Ende Januar 2001 entstandenen Kostenerstattungsansprüche des Klägers von vorneherein aus, weil sie durch rechtzeitige Klage auf Leistung bis zur rechtskräftigen Entscheidung gehemmt ist, § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1, § 209 BGB. Insoweit liegt die Klageerhebung am 23. März 2003 noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist.
Für die in den Kalenderjahren 1996 bis 1998 entstandenen Kostenerstattungsansprüche des Klägers greift die Einrede der Verjährung ebenfalls nicht durch. Allerdings liegen insoweit die Voraussetzungen der Verjährung grundsätzlich vor. Hinsichtlich der in diesem Zeitraum (1996 – 1998) aufgrund der erbrachten Leistungen zuletzt im Dezember 1998 entstandenen Kostenerstattungsansprüche war die vierjährige Verjährungsfrist bei Klageerhebung bereits verstrichen. Indessen steht der Einrede der Verjährung, welche die beklagte Stadt in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erhoben hat, der Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung entgegen (zu den Voraussetzungen vgl. Urteil des Senats vom 27. Februar 2013, a.a.O., Rdnr. 21 m.w.N.). Denn nachdem der Kläger seine Ansprüche fristgerecht geltend gemacht hat, hat das damals zuständige Land mit Schreiben vom 1. November 1994 auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Dadurch hat das Land während seiner Zuständigkeit einen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen der Kläger davon ausgehen durfte, dass die Einrede der Verjährung gegen seinen Erstattungsanspruch nicht erhoben werde und er deshalb noch keine Klage zu erheben brauche. Im Wege der Funktionsnachfolge (s.o. unter b) ist der Erstattungsvorgang am 1. Januar 1996 unter Fortwirkung sowohl der Anmeldung des Klägers als auch der vom Land abgegebenen Erklärung, die Verjährungseinrede nicht zu erheben, in die Zuständigkeit der beklagten Stadt übergegangen. Aus ihrem Verhalten, auf sein Schreiben nicht zu reagieren, konnte der Kläger nicht erkennen, dass die Stadt den Verzicht nicht länger beachten werde. Folglich kann sich die beklagte Stadt gegenüber dem Kläger auch für den Zeitraum 1996 bis 1998 nicht auf Verjährung berufen.
2. Der Kläger hat sowohl hinsichtlich des streitigen als auch hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils des Kostenerstattungsanspruchs einen Anspruch auf Prozesszinsen in dem Umfang, der aus dem Tenor ersichtlich ist. Die Erstattungsbeträge sind in sinngemäßer Anwendung des § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verzinsen. Das entspricht der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren und für verwaltungsgerichtliche Erstattungsklagen maßgeblichen und gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 22. Februar 2001 – BVerwG 5 C 34.00 –, juris, Rdnr. 6 und 9 ff. m.w.N.; zuletzt Urteil vom 23. Januar 2014 – BVerwG 5 C 8.13 –, juris, Rdnr. 22 f. m.w.N.), welcher der Senat folgt.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts schließt das Fehlen einer Verurteilung hinsichtlich des unstreitigen Teils der Forderung den Anspruch auf Prozesszinsen hier nicht aus. Wenn der Kläger neben der Hauptforderung – wie hier – auch Prozesszinsen geltend gemacht hat und die Beteiligten nur die vom Beklagten anerkannte Hauptforderung für erledigt erklären, sich aber weiterhin über die Prozesszinsen streiten, dann hat das Gericht das Verfahren hinsichtlich des immer noch streitigen Anspruches auf Prozesszinsen fortzuführen und zu entscheiden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 3 B 08.3245 –, juris, Rdnr. 12 und 14). Auf den von der beklagten Stadt angesprochenen Vorgang (Bescheid des Versorgungsamtes Bi... vom 30. Oktober 2006) kommt es für die Prozesszinsen und deren Anspruchsvoraussetzung der Rechtshängigkeit (§ 291 BGB) nicht an. Die Rechtshängigkeit ist für den hier in Rede stehenden Teil der Hauptforderung durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen – anders als bei einer Klagerücknahme – nicht rückwirkend entfallen (vgl. Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 90 Rdnr. 6). Die Erledigungserklärungen sind hier außerdem ausdrücklich auf die Hauptforderung ab 13. Februar 2001 beschränkt. Sie erfassen daher nicht die Nebenforderung von Prozesszinsen auf den für erledigt erklärten Teil des Erstattungsbetrages. Diese Nebenforderung ist streitig geblieben.
Für die Höhe des Zinssatzes verweist § 291 Satz 2 BGB auf § 288 Satz 2 BGB, der hier in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden ist. Danach hat die beklagte Stadt dem Kläger die ihm zustehenden Erstattungsbeträge jeweils vom Eintritt der Rechtshängigkeit an für das Jahr mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (vgl. § 291 Satz 1 BGB) ist der Eingang des Schriftsatzes, der den zu verzinsenden Betrag beziffert (§ 90 VwGO).
Für die Prozesszinsen auf den noch streitigen Erstattungsbetrag in Höhe von 153.505,38 Euro (1. Januar 1996 bis 31. Januar 2001) richtet sich der Beginn der Verzinsung nach dem Schriftsatz des Klägers vom 6. Juni 2003, der nicht schon am 9. Juni 2003 (so der Klageantrag), sondern erst am 11. Juni 2003 bei Gericht eingegangen ist. Indessen hat der Kläger für einen Teilbetrag daraus in Höhe von 130.723,70 Euro seinen Klageantrag in der Berufungsbegründung (ebenso wie schon vor dem Verwaltungsgericht) auf einen niedrigeren Zinssatz von 4 Prozent beschränkt. Insoweit hat die beklagte Stadt Prozesszinsen nur zu diesem niedrigeren Zinssatz zu entrichten, weil das Gericht über das Begehren des Klägers nicht hinausgehen darf (§ 88 VwGO). Mit dem gesetzlichen Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ist daher ab 11. Juni 2003 nur der verbleibende Differenzbetrag von 22.781,68 Euro (= 153.505,38 Euro – 130.723,70 Euro) zu verzinsen. Außerdem sind mit diesem höheren Zinssatz ab diesem Zeitpunkt (11. Juni 2003) auch die mit demselben Schriftsatz (9. Juni 2003) bezifferten Teilbeträge zu verzinsen, welche das Verwaltungsgericht dem Kläger zuerkannt hat (1.047,80 Euro für den Zeitraum 1. bis 12. Februar 2001) oder die beklagte Stadt anerkannt hat (63.041,33 Euro für den Zeitraum 13. Februar 2001 bis 31. Dezember 2002), insgesamt also 86.870,81 Euro.
Für die Prozesszinsen auf den weiteren Teil der Erstattungsforderung (ab 1. Januar 2003) ergeben sich die Höhe des jeweils zu verzinsenden Erstattungsbetrages aus den Anlagen und der Zeitpunkt des Verzinsungsbeginns aus dem Eingangsdatum des jeweiligen Schriftsatzes, mit dem der Kläger den Betrag beziffert hat. Daraus folgt die vom Antrag des Klägers abweichende Tenorierung hinsichtlich des Erstattungsbetrages für das Jahr 2003. Für dieses Jahr hat der Kläger nämlich zunächst mit Schriftsatz vom 29. November 2004 nur einen Erstattungsbetrag in Höhe von 19.298,72 Euro beziffert und belegt; nur dieser Betrag ist bereits ab dem begehrten Datum, dem 2. Dezember 2004, zu verzinsen. Den für 2004 angefallenen Erstattungsbetrag (37.290,38 Euro) hat der Kläger mit einem am 17. März 2005 eingegangenen Schriftsatz beziffert; der Beginn der Verzinsung ist aber nach seinem Begehren erst auf den 18. März 2005 festzusetzen. Hinsichtlich der Erstattungsforderung für 2005 (24.028,12 Euro) ist demgegenüber ein späterer als der vom Kläger begehrte Zeitpunkt der Verzinsung (4. April 2006 statt 3. April 2006) festzusetzen, weil dies dem (späteren) Eingangsdatum des Schriftsatzes entspricht. Der Erstattungsbetrag für 2006 (5.824,05 Euro) ist wiederum nach dem Begehren des Klägers ab 12. Januar zu verzinsen. Schließlich ergibt sich der Restbetrag für 2003 in Höhe von weiteren 11.125,88 Euro (Pflegekosten 1. Oktober 2003 bis 31. Dezember 2003) erst aus dem am 10. November 2008 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag; daher beginnt die Verzinsung dieses Restbetrages erst ab diesem späteren Zeitpunkt.
II. Im Übrigen ist die Berufung hinsichtlich des Zinsanspruchs für die von der beklagten Stadt anerkannten oder vom Verwaltungsgericht dem Kläger zugesprochen Erstattungsbeträge unbegründet.
Das betrifft – erstens – die Prozesszinsen auf den Teil des Erstattungsbetrages, der auf den Hilfeleistungszeitraum 1. Oktober bis 31. Dezember 2003 entfällt (11.373,40 Euro), soweit der Kläger die Verzinsung bereits aufgrund des am 30. November 2004 eingegangenen Schriftsatzes begehrt. Insoweit ist die Klage abzuweisen, weil auf diesen Betrag die Prozesszinsen aus den oben dargelegten Gründen erst ab dem 10. November 2008 angefallen sind. Die Klage ist – zweitens – auch abzuweisen, soweit der Kläger für weitere Teilbeträge die Verzinsung ab einem früheren Zeitpunkt als dem des Eingangs des die Beträge beziffernden Schriftsatzes begehrt (9. statt 11. Juni 2003; 3. statt 4. April 2006). Schließlich ist – drittens – die Berufung zurückzuweisen, soweit der Kläger den ab dem 11. Juni 2003 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsenden Betrag auch im Berufungsverfahren mit 86.870,81 Euro angegeben hat, obwohl ihm für einen Teil davon (1.047,80 Euro für den im Zeitraum 1. bis 13. Februar 2001) schon vom Verwaltungsgericht rechtskräftig Prozesszinsen zugesprochen worden sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO; das Unterliegen des Klägers hinsichtlich eines geringen Teils der Prozesszinsen, die er neben der Hauptforderung geltend gemacht hat, fällt nicht ins Gewicht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.