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Gründungszuschuss; 90-Tage-Regelung; Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat Entscheidungsdatum 27.04.2010
Aktenzeichen L 18 AL 160/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 57 SGB 3

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1952 in L (jetzt Polen) geborene Kläger übersiedelte nach dem Erwerb des polnischen Abiturs und „Elektrotechniker Diploms“ 1972 nach N. 1974 erwarb er das deutsche Abitur und studierte bis 1977 an der R-Universität B im Fach Elektrotechnik (ohne Abschluss). 1977 gründete er das Restaurant „K“ in B. Von 1978 bis 31. August 2006 war er als „Elektrotechniker/Electrical Engineer“ und als Qualitätsprüfer in B sozialversicherungspflichtig beschäftigt, wobei er bereits ab 31. Januar 2006 aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung unwiderruflich freigestellt worden war. Mit durch Widerspruchsbescheid vom 12. September 2006 bestätigtem Bescheid der Beklagten vom 1. August 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. September 2006 für 360 Tage. Vom 17. Januar 2007 bis 9. Mai 2007 besuchte der Kläger regelmäßig den Kurs „Grundlagen der Betriebswirtschaft“ der Volkshochschule BM. Am 16. und 17. März 2007 absolvierte er ein Gründerseminar der Volkshochschule C. Vom 1. Februar 2007 bis 29. Juni 2007 nahm er an dem Modellprojekt „Marketing Assistenz polnischer Wirtschaftsraum“ des bbw Bildungswerk der Wirtschaft in Bund B e.V. (bbw) teil. Im März 2007 wurde dem Kläger Alg „bei Weiterbildung“ unter Angabe einer Anspruchsdauer von 210 Tagen bis 27. April 2007 und ab 28. April 2007 Alg „gem. § 117 SGB III“ für 167 Tagebewilligt.

Am 9. Juli 2007 bat der Kläger telefonisch bei der Beklagten um einen Termin für ein Gespräch über eine eventuelle Selbständigkeit. Am selben Tag teilte er telefonisch mit, dass er am 12. Juli 2007 einen Arzttermin habe und deshalb keine Termine beim Arbeitsvermittler wahrnehmen könne. Am 16. Juli 2007 bat der Kläger erneut bei der Beklagten um ein persönliches Gespräch. Laut einem Vermerk der Arbeitsvermittlerin Gr (G) der Beklagten vom 25. Juli 2007 beschwerte sich der Kläger an diesem Tag bei seiner persönlichen Vorsprache darüber, dass er nicht eher einen Termin bekommen habe. Er wolle sich selbständig machen mit einem Weinhandel und Verkauf von Motorrädern. Auf die Frage nach Förderung sei dem Kläger erläutert worden, dass für einen Gründungszuschuss (GZ) ein dreimonatiger Restanspruch auf Alg erkennbar sein müsse. Der Kläger werde mit dem Gewerbeamt klären, ob eine rückwirkende Gewerbeanmeldung möglich sei. Am 30. Juli 2007 legte der Kläger der Beklagten eine den Beginn einer selbständigen Tätigkeit als Handelsvertreter für Wein und Säfte am 12. Juli 2007 ausweisende Gewerbeanmeldung beim Bezirksamt C von B vom 30. Juli 2007 vor. Die Arbeitsvermittlerin G händigte dem Kläger sodann Antragsformulare für einen GZ und ein „Coaching“ sowie einen Bildungsgutschein für ein Existenzgründungsseminar aus. Mit zwei Bescheiden vom 2. August 2007 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 12. Juli 2007 mit der Begründung auf, der Kläger habe sich aus dem Leistungsbezug abgemeldet, und forderte den Kläger zur Erstattung des vom 12. Juli 2007 bis 31. Juli 2007 gezahlten Alg in Höhe von 1.133,92 € auf. Die für diesen Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 276,17 € bzw. 30,69 € wurden mit Bescheid(en) vom 21. August 2007 zurückgefordert. Vom 27. August 2007 bis 7. September 2007 nahm der Kläger erfolgreich an einem Existenzgründerseminar der A S A in B teil.

Mit dem am 13. September 2007 bei der Beklagten eingegangenen Antrag beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung eines GZ für eine Tätigkeit als Handelsvertreter in B. Auf dem Antragsformular bescheinigte die Arbeitsvermittlerin G als Tag der Antragstellung den 12. Juli 2007 sowie „Alg-Bezug bis 14.10.07“. Der Kläger gab an, er „werde“ am 12. Juli 2007 die selbständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen und sich dem Vertrieb von Wein, Porzellan, Glas, Spirituosen und Gesundheitssäften widmen. Mit dem Antrag auf Gewährung eines GZ legte er einen vom ihm erstellten Businessplan vom 7. September 2007 und eine Stellungnahme eines Unternehmensberaters vom 11. September 2007 zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vor.

Mit Bescheid vom 21. November 2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung eines GZ und führte aus: Der Tatbestand der hauptberuflichen Ausübung der selbständigen Tätigkeit sei fraglich. Zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs am 25. Juli 2007 habe der Kläger nicht mehr über einen Restanspruch auf Alg von 90 Kalendertagen verfügt. Weiterhin habe zunächst die geförderte und der Vorbereitung auf die Selbständigkeit dienende Teilnahme am Existenzgründerseminar im Vordergrund gestanden. Mit dem Widerspruch vom 1. Dezember 2007 trug der Kläger vor: Die Beklagte gehe selbst von seiner Selbständigkeit ab Juli 2007 aus, denn sie habe die Bewilligung des Alg ab Juli 2007 rückwirkend aufgehoben und sich überzahlte Leistungen erstatten lassen. Ungeachtet der Rückdatierung der Gewerbeanmeldung sei er bereits am 12. Juli 2007 als Handelsvertreter tätig gewesen. Die Vorbereitungshandlungen zur Aufnahme des späteren Geschäftsbetriebs erfüllten den Begriff der Selbständigkeit.

Mit dem durch Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2008 bestätigten Bescheid vom 30. November 2007 lehnte die Beklagte den unter dem 11. November 2007 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Begleitung einer selbständigen Tätigkeit (Coaching durch einen „TÜV-geprüften Coach in der Arbeitswelt“) nach § 2 der Richtlinien des Europäischen Sozialfonds (ESF) ab, weil an den Kläger kein Überbrückungsgeld, kein Existenzgründungszuschuss und kein GZ erbracht werde und damit die Voraussetzungen des § 2 ESF-Richtlinien nicht erfüllt seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. November 2007 zurück.

Im dem auf vorläufige Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines GZ gerichteten einstweiligen Rechtschutzverfahren S 52 AL 236/08 ER vor dem SG Berlin versicherte der Kläger „an Eides statt“, er sei seit 12. Juli 2007 als selbständiger Handelsvertreter hauptberuflich tätig. Der Antrag des Klägers wurde mit Beschluss des SG Berlin vom 28. Januar 2008 zurückgewiesen.

Auf den im Januar 2008 gestellten Überprüfungsantrag des Klägers hinsichtlich eines Alg-Anspruches ab 12. Juli 2007 bewilligte die Beklagte mit zwei Änderungsbescheiden vom 10. April 2008 Alg für die Zeit vom 12. Juli 2007 bis 26. August 2007 (Leistungsbetrag 59,68 täglich, Anspruchsdauer 93 Tage) sowie Alg bei Weiterbildung für die Zeit vom 27. August 2007 bis 7. September 2007 (Leistungsbetrag 59,68 € täglich, Anspruchsdauer 48 Tage)

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klagen gegen die Bescheide vom 21. November 2007 und 30. November 2007 mit Beschluss vom 26. Februar 2008 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Kläger hat vorgetragen: Schon am 2. Juli 2007 habe er bei der Beklagten telefonisch um ein Beratungsgespräch gebeten. Der Antrag auf Bewilligung eines GZ sei nicht verfristet, denn er habe erst nach Antragstellung die selbständige Tätigkeit aufgenommen. Im Beratungstermin vom 25. Juli 2007 habe er nicht erklärt, dass er sich künftig selbständig machen wollte. Bereits im Juni (2007) habe er an den Wochenenden Akquise betrieben und im Juli 2007 sei er des Öfteren in Polen gewesen. Er sei von der Sachbearbeiterin G aufgefordert worden, die Gewerbeanmeldung zum 12. Juli 2007 vorzunehmen. Diese habe ihm am 25. Juli 2007 erklärt, wenn er die rückwirkende Gewerbeanmeldung schaffe, hätte er (die) „90 Tage“. Da er bis zum 29. Juni 2007 in einer von der Beklagten geförderten Bildungsmaßnahme gewesen sei, hätten sich seine vorbereitenden Tätigkeiten zur Aufnahme der Selbständigkeit ausschließlich auf das Wochenende beschränkt. Die Woche nach der Ausbildung habe er hauptsächlich zur Regenerierung genutzt. Um den 8. Juli 2007 habe er damit begonnen, eine Analyse des polnischen Marktes zu fertigen. Am 11. Juli 2007 sei er nach P gefahren, um am 12. Juli 2007 an der Verleihung des „Diploms in Medizin“ an seine künftige Schwiegertochter teilzunehmen. Die Geschehnisse am 11. und 12. Juli 2007 erfüllten nachweisbar nicht den Tatbestand der Aufnahme einer Selbständigkeit. Zwischen dem 10. und 15. Juli 2007 habe er diverse potenzielle Geschäftspartner in Polen, Bund M persönlich kontaktiert, um Vertragsabschlüsse und Geschäftsbeziehungen anzubahnen bzw. zu vermitteln.

Das SG Berlin hat die Klage mit Urteil vom 14. Mai 2009 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Der Kläger, dessen Alg-Anspruch am 14. Oktober 2007 geendet habe, habe bei Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit nicht mehr über einen nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) für die Gewährung eines GZ erforderlichen Alg-Anspruch von mindestens 90 Tagen verfügt. Denn er habe bis zum 15. Juli 2007 seine selbständige Tätigkeit nicht aufgenommen. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liege erst dann vor, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen werde. Die vom Kläger dargelegten Kontakte zu potenziellen Geschäftspartnern stellten nur Vorbereitungshandlungen und keine auf unmittelbare Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeiten dar. Da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines GZ habe, sei der Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Begleitung einer selbständigen Tätigkeit nach § 2 ESF-Richtlinien ermessenfehlerfrei abgelehnt worden.

Im Berufungsverfahren trägt der Kläger vor: Er habe seine Selbständigkeit nach dem 12. Juli 2007 und vor dem 15. Juli 2007 aufgenommen, indem er Vertragsabschlüsse angebahnt habe. Ob es zu Vertragsabschlüssen gekommen sei, sei unerheblich. Die Schwierigkeiten in der Umsetzung seines Geschäftsmodells seien durch die Vorenthaltung der streitgegenständlichen Leistungen begründet. Er sei jedoch immer noch im Weinvertrieb tätig.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Mai 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 21. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Gründungszuschuss vom 13. Juli 2007 bis 26. August 2007 und vom 8. September 2007 bis 12. April 2008 zu bewilligen und seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Begleitung einer selbständigen Tätigkeit nach den Richtlinien des Europäischen Sozialfonds unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor: Mittelbar der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit dienende Handlungen könnten einen Leistungsanspruch nicht begründen. Die Antragsangaben des Klägers hinsichtlich der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit am 12. Juli 2007 entsprächen nicht der Wahrheit. Im Klageverfahren habe der Kläger selbst vortragen lassen, dass die Geschehnisse am 11. und 12. Juli 2007 nicht den Tatbestand einer Aufnahme der Selbständigkeit erfüllten.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verwaltungsakten der Beklagten (1 Band, 2 Halbhefter) sowie die Gerichtsakten dieses und des Verfahrens S 52 AL 236/08 haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Bewilligung eines GZ für die im Berufungsantrag bezeichneten Zeiträume noch auf erneute Entscheidung über seinen Antrag auf ESF-Leistungen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen GZ nach § 57 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706). Nach Absatz 1 dieser Vorschrift haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen GZ. Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III muss der zu fördernde Arbeitnehmer jedoch bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen verfügen. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht. Dabei kann offen bleiben, ob die von dieser Vorschrift geforderte restliche Dauer des Alg-Anspruchs (ausschließlich) auf der Grundlage der im Zeitpunkt der geltend gemachten Aufnahme der selbständigen Tätigkeit – hier nach dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren der 13. bzw. 14. Juli 2007 – maßgeblichen „Bescheidlage“ zu beurteilen ist oder ob hierfür spätere rückwirkende Änderungen durch Aufhebungsbescheide und Wiederbewilligungsbescheide von Bedeutung sind. Dem Kläger war vor der von ihm geltend gemachten Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zuletzt unter dem 20. März 2007 Alg ab 28. April 2007 mit einer Anspruchsdauer von 167 Tagen bewilligt worden, so dass ihm (nur) bis zum 14. Juni 2007 noch ein Alg-Anspruch von mindestens 90 Tagen zugestanden hätte. Nachdem mit Bescheid vom 2. August 2007 die Alg-Bewilligung aufgehoben worden war, ist dem Kläger auf seinen Überprüfungsantrag hin mit zwei Änderungsbescheiden vom 10. April 2008 erneut Alg bewilligt worden und zwar ab 12. Juli 2007 für 93 Tage und ab 27. August 2007 für 48 Tage. Während der für die Zeit ab 27. August 2007 Geltung beanspruchende Änderungsbescheid schon mangels verlautbarter Regelung für den davor liegenden Zeitraum hier nicht erheblich sein kann, kommt es auch nicht darauf an, ob die nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III zu fordernde Restanspruchsdauer von 90 Tagen auf der Grundlage des für die Zeit ab 12. Juli 2007 eine Anspruchsdauer von 93 Tagen verlautbarenden Änderungsbescheides vom 10. April 2008 zu berechnen ist und dementsprechend dem Kläger noch am 15. Juli 2007 ein Alg-Anspruch für 90 Tage zugestanden hätte. Denn der Senat kann bei der erforderlichen Gesamtbewertung der Umstände des Existenzgründungsvorhabens des Klägers nicht zu seiner vollen Überzeugung feststellen, dass der Kläger spätestens am 15. Juli 2007 seine selbständige Tätigkeit aufgenommen hatte.

Eine selbständige Tätigkeit wird dann aufgenommen, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird (vgl. BSG SozR 4-4300 § 57 Nr. 1; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 11. März 1997 – L 13 Ar 2633/95 – und vom 11. August 2009 – L 13 AL 5078/08 -).Vorbereitende Handlungen sind jedenfalls dann als „Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit“ zu qualifizieren, wenn sie zielgerichtet und unmittelbar der Bestreitung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt sind (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Januar 2001 – L 1 AL 122/00 -, juris). Es kann offen bleiben, ob daneben auch Vorbereitungshandlungen – wie etwa ein Mietvertragsabschluss für Geschäftsräume, die erwirkte vorläufige Gaststättenerlaubnis oder die Gewerbeanmeldung – dann als Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gewertet werden können, wenn sie Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere „Geschäftseröffnung“ ausgerichtet gewesen sind (vgl. den Terminsbericht des BSG Nr. 27/10 vom 5. Mai 2010 zum Urteil vom selben Tag in der Sache B 11 AL 28/09 R). Denn der Kläger hat vor dem 16. Juli 2007 weder unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete Handlungen mit Außenwirkung noch „ernst und unmittelbar“ auf die beabsichtigte Tätigkeit als Handelsvertreter ausgerichtete Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung vorgenommen. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ab 13. Juli 2007 geltend macht, ergeben sich weder aus seinen eigenen Angaben zu seinen geschäftlichen Aktivitäten an diesem Tag noch aus der Vernehmung des Zeugen K im Termin zur mündlichen Verhandlung hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen von unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete Handlungen. So hat der Kläger berichtet, dass er am Tag nach seiner Rückkehr aus P das mit ihm befreundete Hotelierspaar K aufgesucht und mit diesem Paar, jedoch hauptsächlich dem Zeugen K, zunächst über die Reise nach P gesprochen habe. Anschließend habe er dem Zeugen K seine Idee erläutert, in dessen Pension Piccolos zu verkaufen. Es sei nur über Piccolos im Allgemeinen gesprochen worden und nicht über bestimmte Sektmarken. Der Zeuge K hat ausgesagt, der Kläger sei nie wegen irgendwelcher Geschäftskontakte bei ihm gewesen. Am 13. Juli 2007 habe er mit dem Kläger zunächst über dessen P Aufenthalt gesprochen und sodann habe der Kläger ihn unter Hinweis darauf, dass er in den Weinhandel eintreten wolle, gefragt, ob er von ihm eventuell Piccolos beziehen wolle. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger, so glaube er, noch nicht Weinhändler gewesen. Wegen der wirtschaftlichen Lage seiner Pension habe damals kein Bedarf an Wein oder Sekt bestanden und es sei auch später nicht zu einer Geschäftsbeziehung gekommen. Im Zusammenhang mit den Angaben des Klägers begründet diese Aussage des Zeugen K allein die Schlussfolgerung, dass das Gespräch des Klägers mit den Eheleuten K nicht darauf gerichtet war, diesen bestimmte alkoholischen Getränke zu verkaufen oder auch nur eine diesem Zweck dienende Geschäftsbeziehung anzubahnen. Vielmehr handelte es sich lediglich um ein unverbindliches Gespräch unter Duzfreunden über private Dinge, bei dem der Kläger mit seinen Gesprächspartnern, ohne konkret zu werden, auch über seine geschäftliche „Idee“ plauderte und dabei auch nicht gegenüber seinen Gesprächspartnern den Eindruck erweckte, er sei bereits als Handelsvertreter tätig. Auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat im Anschluss an die Aussage des Zeugen K eingeräumt, dass, ausgehend von den Bekundungen dieses Zeugen, der Kläger wohl seine Tätigkeit als Handelsvertreter am 13. Juli 2007 noch nicht aufgenommen habe.

Der Kläger hatte auch am 14. und 15. Juli 2007 keine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlungen mit Außenwirkung vorgenommen. Sein Besuch im Möbelgeschäft der mit ihm befreundeten Zeugin C am 14. Juli 2007 ging – ebenso wie das Gespräch mit dem Ehepaar K - nicht über eine im Vorfeld einer geschäftlichen Aktivität verharrende Plauderei hinaus. Nach eigenem Bekunden verhandelte der Kläger dabei nicht über die Lieferung bestimmter Waren, sondern sprach lediglich unverbindlich und abstrakt über seine Vorstellung, im Möbelgeschäft der Zeugin nicht näher bestimmte Weine anzubieten, die er, „sobald er geeignete Lieferanten habe“, der Zeugin verkaufen könne. Aus diesen Angaben des Klägers lässt sich aber ebenso wie aus der glaubhaften Aussage der Zeugin C nur schließen, dass der Kläger bei seinem Gespräch mit der Zeugin C aus deren Sicht diese noch nicht als bereits selbständig tätiger Handelsvertreter aufgesucht hatte. Es ist bei diesem wesentlich durch private Dinge wie die Preise geprägten Gespräch, das nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und der Zeugin C nicht länger als eine Stunde gedauert hatte, nicht konkret über den Aufbau einer Geschäftsbeziehung auf der Grundlage der vom Kläger angesprochenen Vorstellung eines Weinverkaufs im Möbelgeschäft gesprochen worden. Details des vom Kläger angesprochenen Weinverkaufs sind – dies hat die Zeugin C ausdrücklich bekundet – nicht besprochen worden.

Insgesamt ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen K und C sowie den Angaben des Klägers, der sich für die Zeit vom 13. bis 15. Juli 2007 über die mit Ausnahme der angeführten Treffen mit den Zeugen K und C hinaus an keine weiteren Außenaktivitäten hinsichtlich einer Existenzgründung erinnern kann und seine Zeit vorwiegend am PC mit Recherchen verbracht hatte, dass er sich im angeführten Zeitraum noch nicht im Klaren darüber war, ob und gegebenenfalls mit welchem Konzept er den Schritt in die Selbständigkeit wagen sollte. Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger jedenfalls bis einschließlich 15. Juli 2007 noch nicht zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit entschlossen war, folgt weiterhin aus dem Umstand, dass der Kläger nach eigenem Bekunden seit 2. Juli 2007 versucht hatte, im Hinblick auf seine Existenzgründung einen Beratungstermin bei der Beklagten zu bekommen, der ihm allerdings erst am 25. Juli 2007 gewährt wurde. Es ist unwahrscheinlich, dass der in Sachen Existenzgründung durch das von ihm absolvierte Gründerseminar, bei dem am 17. März 2007 auch zur Förderung von Existenzgründungen durch die Beklagte referiert worden war, „vorgebildete“ Kläger ohne vorherige Beratung über die bestehenden Fördermöglichkeiten und deren Voraussetzungen den Sprung in den Selbstständigkeit gewagt hatte, es sei denn, er hätte über die Regelung des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III und mithin über die förderungsbedingte Notwendigkeit zur „Eile“ Bescheid gewusst. Von der 90-Tage-Regelung des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III hatte der Kläger jedoch erst anlässlich seiner Vorsprache am 25. Juli 2007 erfahren, als ihm erklärt worden war, bei rückwirkender Gewerbeanmeldung hätte er „90 Tage“.

Der Kläger hatte vor dem 16. Juli 2007 auch keine „ernst und unmittelbar“ auf die beabsichtigte Tätigkeit als Handelsvertreter ausgerichtete Vorbereitungshandlung mit Außenwirkung vorgenommen. Soweit er auf Anregung der Arbeitsvermittlerin G im Hinblick auf die angestrebte Erfüllung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III zum 12. Juli 2007 rückwirkend sein Gewerbe angemeldet hatte, fand diese Vorbereitungshandlung erst am 30. Juli 2007 statt. Ein der Tätigkeit als Handelsvertreter zugrunde liegendes Gesamtkonzept legte der Kläger erst mit dem Businessplan vom 7. September 2007 vor, nachdem er sich zuvor im Rahmen der Ausbildungsinhalte des von ihm vom 27. August 2007 bis zum 7. September 2007 besuchten Existenzgründerseminars mit den Anforderungen an die Erstellung eines Businessplans vertraut gemacht hatte. Er hat weder dargelegt noch ist sonst ersichtlich, dass er einen Businessplan oder ein sonstiges Existenzgründungskonzept bereits zu einem früheren Zeitpunkt fertig gestellt hätte und damit in irgendeiner Form nach außen getreten wäre.

Selbst wenn man schließlich davon ausgeht, dass durch die nachträgliche Durchführung der Bildungsmaßnahme in der Zeit vom 27. August 2007 bis 7. September 2007 sich die Restanspruchsdauer wegen des nach § 117 SGB III für diesen Zeitraum bewilligten Alg entsprechend verlängert haben sollte (vgl. § 128 Abs. 1 Nr. 8 SGB III), lassen sich auch für die Woche nach dem 15. Juli 2007 schon nach dem Vortrag des Klägers konkrete nach außen gerichtete Vorbereitungshandlungen nicht feststellen. Denn der Kläger hat auf die Nachfrage des Senats erklärt, er habe in dieser Woche zu hause gearbeitet und habe auch mit dem polnischen Zoll an einem ihm nicht mehr erinnerlichen Tag „wegen der Konditionen“ sprechen wollen, aber niemanden angetroffen, der sich zuständig gefühlt habe.

Die fehlende Erfüllung der Voraussetzung des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III lässt sich auch nicht auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs dadurch ersetzen, dass eine Aufnahme der selbständigen Tätigkeit für einen Zeitpunkt vor dem 15. bzw. 16. Juli 2007 fingiert wird. Dabei bedarf es keiner Beurteilung, ob die Beklagte eine ihr auf Grund Gesetzes oder eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses dem Kläger gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur (zügigen) Auskunft und Beratung (vgl. §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – SGB I), verletzt und ihm dadurch einen Nachteil zugefügt hat (vgl. BSG SozR 3-4100 § 249e Nr. 4; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2; BSG SozR 4-2600 § 58 Nr. 3; BSG, Urteil vom 31. Januar 2006 – B 11a AL 15/05 R - juris). Es kann daher auch dahinstehen, ob die erforderliche Kausalität zwischen einem etwaigen Beratungsfehler und der verspäteten Aufnahme der selbständigen Tätigkeit durch den Kläger festgestellt werden könnte.

Denn selbst bei einem unterstellten objektiven Fehlverhalten der Beklagten kommt eine Korrektur im Wege des Herstellungsanspruchs jedenfalls deshalb nicht in Frage, weil ein entsprechender Nachteilsausgleich auf ein gesetzwidriges Verhalten der Beklagten hinauslaufen würde (vgl. BSG SozR 4-4300 § 137 Nr. 1). Dies ist vorliegend jedoch der Fall, weil eine Amtshandlung nicht die tatsächlich unterbliebene Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bis zum 14. bzw. 15. Juli 2007 zu ersetzen vermag.

Die Berufung ist auch insoweit unbegründet, als der Kläger begehrt, über seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Begleitung einer selbständigen Tätigkeit nach § 2 ESF-Richtlinien erneut zu entscheiden. Denn der angegriffene Bescheid vom 30. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2008 erweist sich als rechtmäßig.

Diese ESF-Richtlinien stellen keine isoliert zu wertenden Verwaltungsvorschriften dar, sondern sind Bestandteil einer Verwaltungsvereinbarung iS des § 370 Abs. 2 SGB III (heute § 368 Abs. 2 SGB III), die ihrerseits als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu Gunsten Dritter zu qualifizieren ist. Eine entsprechende Qualifizierung hat das Bundessozialgericht hinsichtlich der ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000 vorgenommen (BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 7a AL 62/05 R -, juris). Danach sind die ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000 Bestandteil einer von der Bundesregierung und der damaligen Bundesanstalt für Arbeit geschlossenen und auf der gesetzlichen Ermächtigungsnorm des § 370 Abs. 2 SGB III a.F. beruhenden Verwaltungsvereinbarung. Die Bestimmungen dieser als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu Gunsten Dritter iS des gemäß § 61 Abs. 2 SGB X anwendbaren § 328 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu wertenden Verwaltungsvereinbarung stehen in ihrer generell abstrakten Bedeutung Normen gleich, sodass bei ihrer Auslegung nach den nebeneinander heranzuziehenden Auslegungsgrundsätzen des §§ 133, 157 BGB allein auf den objektiven Erklärungswert der Regelungen abzustellen ist. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat mit Urteil vom 17. September 2008 – L 16 AL 496/06 – ESF- zu den Richtlinien vom 22. Dezember 2004 angeschlossen hat , stehen auch die hier anwendbaren Richtlinien vom 22. Dezember 2004 in der geänderten Fassung vom 25. Juli 2006 ebenfalls Normen gleich, denn diese ESF-Richtlinien sind von der angeführten Verwaltungsvereinbarung vom 2. Februar 2000 (abgedruckt als Anlage 4 zu § 368 bei Becker, in Eicher/Schlegel, SGB II, Stand Dezember 2007) gedeckt.

Die mithin als „Tatbestandsvoraussetzungen“ (vgl. zu dieser Terminologie LSG Brandenburg, Urteil vom 30. April 2005 - L 30 AL 9/03 -, juris) zu interpretierenden Anforderungen des § 2 der ESF-Richtlinien vom 22. Dezember 2004 in der geänderten Fassung vom 25. Juli 2006 sind nicht erfüllt, weil an den Kläger weder ein Überbrückungsgeld noch ein Existenzgründungszuschuss oder ein GZ erbracht wird bzw. worden ist. Da der Kläger auch keinen Anspruch auf den insoweit allein in Betracht kommenden GZ hat, kann offen bleiben, ob der Kläger schon im Falle eines bestehenden und noch nicht erfüllten Anspruchs auf einen GZ eine erneute Entscheidung über seinen Antrag verlangen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.