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Entscheidung 2 K 2286/06 B


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 08.12.2010
Aktenzeichen 2 K 2286/06 B ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger stand als Rechtsanwalt in jahrelanger Mandatsbeziehung zu der T… OHG. Aufgrund anhaltender Zahlungsschwierigkeiten trat ihm die T... OHG wegen offener Forderungen aus anwaltlichem Mandat eine Forderung gegen den Beklagten auf Auszahlung einer Investitionszulage i. H. v. … EUR ab. Dies wurde dem Beklagten am X.X.2003 angezeigt, der daraufhin am X.X.2003 die Zahlung direkt an den Kläger bewirkte. Die Investitionszulage wurde für in 2002 angeschaffte bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens aufgrund des Bescheids vom X.X.2003 bewilligt.

Am X.X.2003 wurde über das Vermögen der T... OHG das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Antrag auf Verfahrenseröffnung wurde bereits in 2002 gestellt. Der zum Insolvenzverwalter bestellte Rechtsanwalt Dr. A… forderte den Kläger im Juli 2003 unter Hinweis auf den Insolvenzanfechtungsgrund der inkongruenten Deckung gem. §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 140 der Insolvenzordnung - InsO - dazu auf, die Investitionszulage zur Masse zurückzuzahlen. Dem kam der Kläger in mehreren Zahlungsraten bis Ende 2003 nach.

Am X.X.2006 meldete der Beklagte Forderungen auf Rückzahlung der an die T... OHG für das Jahr 2002 geleisteten Investitionszulage i. H. v. … EUR zur Insolvenztabelle an, die später auch festgestellt und eingetragen wurden. Mit Bescheid vom X.X.2006 forderte er von dem Kläger als Leistungsempfänger die Rückzahlung der … EUR wegen nachträglichen Wegfalls der Verbleibensvoraussetzungen durch insolvenzbedingte Umwidmung des Betriebsvermögens in Umlaufvermögen.

Der Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 07.09.2006 zurückgewiesen.

Mit seiner fristgemäßen Klage wendet sich der Kläger gegen den geltend gemachten Rückforderungsanspruch des Beklagten. Dieser sei nicht rechtmäßig, weil er die erhal-tene Zahlung bereits an die Masse zurückgezahlt habe und nicht zu einer Doppelzahlung verpflichtet werden könne. Auch sei der Rechtsgrund für die ursprüngliche Gewährung der Investitionszulage nicht schon durch Anmeldung der Forderungen durch den Be-klagten zur Insolvenztabelle weggefallen. Diese könne keine Wirkung gegenüber ihm entfalten, weil er nicht an dem Verfahren beteiligt gewesen sei. Der von dem Beklagten in der Einspruchsentscheidung zitierte Beschluss des Finanzgerichts - FG - Berlin vom 17.03.2006 2 B 7048/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 1227) sei vom Bundesfinanzhof - BFH - mit Beschluss vom 13.07.2006 V 70/06 (Bundessteuerblatt - BStBl - II 2007, 415) aufgehoben worden. Selbst wenn der bestrittene Anspruch bestünde, sei er verwirkt, weil der Beklagte von der Insolvenz und damit von dem Rückforderungsanspruch bereits seit Mai 2003 gewusst habe und bis Juli 2006 ihm gegenüber untätig geblieben sei. Er habe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit einer Rückforderung rechnen müssen und folglich keine Rückstellungen gebildet.

Inzwischen hat der Kläger die Zahlung an den Beklagten bewirkt. Der Insolvenzverwalter habe auf Anfrage, so der Kläger, mitgeteilt, dass eine Rückzahlung der … EUR schon wegen Masseunzulänglichkeit nicht zu erwarten sei. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO sei bereits am X.X.2004 an das Insolvenzgericht erfolgt. Ihm sei daher wegen der Doppelzahlung ein Schaden entstanden, den der Beklagte verursacht habe, weil dieser wider besseres Wissen erst in 2006 seinen Anspruch geltend gemacht habe und damit eine bei rechtzeitiger Geltendmachung in 2003 mögliche befreiende einmalige Rückzahlung an diesen vereitelt habe. Hieraus resultiere ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten. Mit diesem Anspruch rechne er hilfsweise gegen den Rückforderungsanspruch auf.

Der Kläger beantragt,

den Rückforderungsbescheid vom X.X.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom X.X.2006 aufzuheben,

hilfsweise, festzustellen, dass der Rückforderungsanspruch durch Aufrechnung mit seinem Anspruch auf Schadensersatz in gleicher Höhe erloschen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Rückforderung der Investitionszulage gegenüber dem Abtretungsempfänger und Kläger sei innerhalb der Festsetzungs- und Steuerzahlungsfristen erfolgt. In dieser Zeit habe jederzeit ein Rückforderungsbescheid ergehen können, ein Verwirkungstatbestand sei nicht ersichtlich. Ohne Abtretung an den Kläger wäre in dem Insolvenzverfahren ohne Weiteres eine Aufrechnung möglich gewesen. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers bestehe nicht und die Aufrechnung gehe damit ins Leere. Im Übrigen verweist der Beklagte auf seine Stellungnahmen im vorausgegangenen Aussetzungsverfahren (Az. 2 B 2287/06) und auf die Einspruchsentscheidung.

Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom X.X.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der T... OHG aufgehoben. Nach Angaben des Klägers hat dieser Zahlungen auf die vorsorglich angemeldete Forderung nicht erhalten.

Der Senat verweist im Übrigen auf die im Verfahren ausgetauschten Schriftsätze und die beigezogenen Akten des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Rückforderungsbescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

I. Der Rückforderungsanspruch wegen der an den Kläger gezahlten Investitionszulage folgt aus §§ 37 Abs. 2, 218 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - i.V.m. § 6 Abs. 1 Investitionszulagengesetz 1999 - InvZulG -.

Ist eine Steuer oder eine Steuervergütung, der eine Investitionszulage gleichgestellt wird, ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Für die Finanzverwaltung ergibt sich aus dieser Vorschrift ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch, wenn der Rechtsgrund für eine Steuererstattung oder –vergütung von Anfang an fehlt oder später weggefallen ist (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteil vom 14.02.1989 VII R 55/86, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1989, 751, unter II.1., m. w. N.).

1. Der Rückforderungsanspruch richtet sich gegen den Leistungsempfänger. Schuldner eines abgabenrechtlichen Rückforderungsanspruchs ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH derjenige, zu dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die zurückverlangt wird (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 08.04.1987 X R 64/81, BFH/NV 1988, 2, Rz. 12 juris). Im Falle der Abtretung eines Steuererstattungs- bzw. -vergütungsanspruchs und der Auszahlung des Steuerbetrages an den Abtretungsempfänger (Zessionar) richtet sich der Rückforderungsanspruch des Finanzamts wegen rechtsgrundloser Erstattung bzw. Vergütung nach ständiger Rechtsprechung des BFH gegen den Zessionar. Dieser ist hinsichtlich des Zahlungsanspruchs in die Rechtsstellung des Abtretenden (Zedenten) eingetreten und hat den ohne rechtlichen Grund ausgezahlten Betrag aus eigenem, abgetretenem Recht und aufgrund der willentlichen Leistung des Finanzamts erhalten (vgl. BFH-Urteil vom 13.06.1997 VII R 62/96, BFH/NV 1998, 143, unter I.). Das gilt auch in den Fällen, in denen der Rechtsgrund für die Auszahlung später weggefallen ist (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO), und ungeachtet dessen, dass der Rückforderungsanspruch auch gegen den Abtretenden (Zedenten) geltend gemacht werden könnte (§ 37 Abs. 2 Satz 3 AO). Zedent und Zessionar sind Gesamtschuldner (§ 44 AO).

Der Kläger ist Leistungsempfänger, weil der Beklagte aufgrund der Abtretungsanzeige vom X.X.2003 willentlich an diesen als Zessionar der Investitionszulagenforderung im Erhebungsverfahren geleistet hat. Der Kläger wollte diese Zahlung auch als Forderungsinhaber an ihn bewirkt haben und hat die Zahlung nicht etwa lediglich als Bote oder Vertreter der T... OHG entgegen genommen.

2. Die Zahlung der Investitionszulage an den Kläger aus abgetretenem Recht erfolgte zwar ursprünglich nicht ohne rechtlichen Grund. Dieser ist jedoch mit Anmeldung und Eintragung des Rückforderungsanspruchs zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren des Zedenten, der T... OHG, später, d.h. nach Zahlung, weggefallen (§ 37 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO).

Rechtlicher Grund für die erhaltene Zahlung i. S. v. § 37 Abs. 2 AO war im Zahlungszeitpunkt der gegenüber der T... OHG ergangene Festsetzungsbescheid gem. 6 Abs. 2 Satz 1 InvZulG vom X.X.2003 über den Anspruch die Investitionszulage i. V. m. der nach § 46 Abs. 1 AO zulässigen und gemäß dessen Abs. 2 mit Abtretungsanzeige vom X.X.2003 wirksam gewordenen Forderungsabtretung in Höhe von … EUR.

a) Dieser Bewilligungsbescheid selbst wurde weder aufgehoben noch geändert. Aus § 251 Abs. 2 Satz 1 AO und § 87 InsO wird in ständiger Rechtsprechung abgeleitet, dass Steuerbescheide nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ergehen dürfen. Gemäß § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Um keine Rechtsnachteile zu erleiden, müssen sie somit ihre im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensansprüche gegen den Insolvenzschuldner (§ 38 InsO) nach den Vorschriften der §§ 174 f. InsO verfolgen. Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis, die gemäß § 174 InsO als Insolvenzforderung zur Eintragung in die Tabelle anzumelden sind, dürfen deshalb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von den Finanzämtern nicht mehr festgesetzt werden. Ein dennoch erlassener Steuerbescheid ist unwirksam (vgl. BFH-Urteile vom 10.12.2008 I R 41/07, BFH/NV 2009, 719, unter II.2.a.; vom 18.12.2002 I R 33/01, BStBl II 2003, 630, unter II.1.).

Zwar würde im Streitfall mit einem Null-Bescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter zunächst kein Vermögensanspruch gegen die Insolvenzmasse geltend gemacht, da sich eine Steuerschuld hieraus nicht ergäbe bzw. ein Rückforderungsanspruch damit noch nicht geltend gemacht wäre. Offensichtlich entfiele aber spätestens mit der rückwirkenden Null-Festsetzung des Investitionszulagenanspruchs für 2002 die Rechtsgrundlage für die Bewilligung, was einen Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO entstehen ließe. Dieser wiederum ist zur Tabelle anzumelden. Da sich damit auch ein möglicher Null-Bescheid oder eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides negativ auf die anzumeldenden Steuerforderungen auswirken würde, ist der Beklagte unter Berücksichtigung dieser Umstände zutreffend davon ausgegangen, dass jedenfalls im Verhältnis zur T... OHG eine Unterbrechung des Verfahrens durch die Insolvenzeröffnung eintrat. Die Änderung oder Aufhebung des Bewilligungsbescheides war folglich unzulässig und der Rückforderungsanspruch konnte nur durch Anmeldung zur Insolvenztabelle gegenüber dem Insolvenzschuldner verfolgt werden. Dies hat der Beklagte mit der Anmeldung der Ansprüche zur Tabelle am X.X.2006 in Höhe der für 2002 bewilligten Investitionszulage über insgesamt … EUR auch getan.

b) Die Anmeldung des später festgestellten und in die Insolvenztabelle eingetragenen Rückforderungsanspruchs wirkt auch gegenüber dem Kläger und Abtretungsempfänger als außerhalb des Insolvenzverfahrens stehendem Dritten wie ein Änderungsbescheid und beseitigt den Rechtsgrund für die Auszahlung der Investitionszulage „auf andere Weise“ gemäß §§ 218 Abs. 1, 124 Abs. 2 AO i.V.m. § 178 Abs. 3 InsO. Hierzu hat bereits der VII. Senat des BFH (Urteil vom 19.08.2008 VII R 36/07, BStBl II 2009, 90, unter II.1.b.dd) unter Verweis auf §§ 87, 178 Abs. 3 InsO und in Abweichung von der Auffassung des V. Senats im Aussetzungs-Beschluss vom 13.07.2006 (V B 70/06, a.a.O., unter Rz. 15, 17 in juris) ausgeführt, dass die Feststellung zur Insolvenztabelle grundsätzlich die gleichen Rechtswirkungen wie ein entsprechender Steuerbescheid habe. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Denn das Finanzamt ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehindert, einen Steuerbescheid wirksam zu erlassen. Die Feststellung der Forderung in der Insolvenztabelle stellt daher das insolvenzrechtliche Äquivalent zur Steuerfestsetzung durch Verwaltungsakt dar (ebenso: Neumann, in: Beermann/Gosch, AO, FGO Kommentar, § 251, Rz. 150; Loose, in: Tipke/Kruse, AO, FGO Kommentar, § 251 AO, Rz. 64). Bezogen auf die Änderung des Bewilligungsbescheides zur Investitionszulage gem. § 6 Abs. 1 und 2 InvZulG i.V.m. § 218 Abs. 1 AO bedeutet dies, dass die Anmeldung und Eintragung des Erstattungsanspruchs in die Insolvenztabelle die gleiche Wirkung hat, die eine inhaltsgleiche förmliche Berichtigung nach dieser Vorschrift gehabt hätte.

Nach den vorstehenden Ausführungen sind die Zweifel, die der V. Senat des BFH in seinem Beschluss vom 13.07.2006 (a.a.O.) geäußert hat, ob nämlich die Eintragung in die Insolvenztabelle Rechtswirkungen auch gegenüber einem am Insolvenzverfahren Nichtbeteiligten - hier dem Zessionar - haben könne, wegen der rechtlichen Gleichstellung der Feststellung des angemeldeten Erstattungsanspruchs zur Tabelle mit dem Erlass eines Änderungs- bzw. Null-Bescheides nicht gerechtfertigt. Beide Maßnahmen sind i. S. des § 218 Abs. 1 AO Grundlage der Verwirklichung des Steueranspruchs. Die Rechtswirkungen, die von einer solchen Null-Festsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen ausgehen, muss der Zessionar nach ständiger Rechtsprechung des BFH in gleicher Weise wie der Steuerpflichtige gegen sich gelten lassen. Einen Anspruch auf Beteiligung am Steuerfestsetzungsverfahren hat der Zessionar grundsätzlich nicht, denn ihm wird nur der reine Zahlungsanspruch, also die Rechtsstellung des Zedenten im Erhebungsverfahren, übertragen (vgl. BFH-Urteil vom 06.12.1988 VII R 206/83, BStBl II 1989, 223, unter II.3.e).

3. Der Kläger kann sich nicht wirksam auf Entreicherung berufen, wenngleich der Senat die von dem Kläger vorgetragene Doppelzahlung der … EUR nachvollzieht. § 818 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-, der die Entreicherungseinrede im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht kodifiziert, ist im öffentlich-rechtlichen Rückforderungsverfahren nicht, auch nicht sinngemäß, anwendbar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich auch der erkennende Senat anschließt, ist § 818 Abs. 3 BGB im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO nicht anwendbar und enthält auch keinen allgemeinen Rechtsgedanken, der bei einer Rückforderung zu Unrecht gewährter Investitionszulage zu berücksichtigen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 28.03.2001 VI B 256/00, BFH/NV 2001, 1117, unter II.3. am Ende; ebenso: Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO, FGO, § 37 AO, Rz. 93, m.w.N.; Brockmeyer/Ratschow, in: Klein, AO Kommentar, 10. Auflage 2009, § 37 Rz. 36; Druen, in: Tipke/Kruse, AO Kommentar, § 37 AO, Tz. 26).

4. Materielle Einwände gegen die Rückforderung kann der Kläger nicht geltend machen, weil die Forderung bereits in der Tabelle festgestellt ist. Hiergegen ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben, allenfalls die Restitutionsklage. Es sind jedoch keine für ein solches Klageverfahren einschlägigen Einwände in der Sache geltend gemacht worden, noch sonst ersichtlich. Insbesondere sind nach § 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG Wirtschaftsgüter nur begünstigt, wenn sie mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen während des gesamten Fünfjahreszeitraums ununterbrochen bestehen. (z.B. BFH-Urteil vom 23.02.2006 III R 43/04, BFH/NV 2006, 1350, unter II.1., m.w.N.). Es kommt auch nicht darauf an, ob die Nichterfüllung der Verbleibensvoraussetzung schuldhaft verursacht wurde (vgl. BFH-Urteil vom 05.05.1988 III R 181/83, BFH/NV 1988, 741, m.w.N.). So hat der BFH bereits entschieden, dass betriebswirtschaftliche Gründe, die es dem Betriebsinhaber zwingend oder ratsam erscheinen ließen, sich vorzeitig von einem Wirtschaftsgut zu trennen, keine Ausnahme von dem gesetzlichen Erfordernis rechtfertigen könnten, dass das Wirtschaftsgut drei Jahre im Betrieb des Anspruchsberechtigten verbleiben müsse. Weshalb ein Wirtschaftsgut vorzeitig aus der Betriebsstätte ausscheidet, ist hiernach grundsätzlich ohne Bedeutung. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Investor die Gründe für das vorzeitige Ausscheiden zu vertreten hat.

5. Festsetzungsverjährung war für die Rückforderung nicht eingetreten. Die Umwidmung und damit Nichterfüllung der Verbleibensvoraussetzung stellt gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 AO ein rückwirkendes Ereignis dar, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit entfaltet. Die Festsetzungsfrist für die nach § 175 Abs. 1 Satz 1 AO vorzunehmende Änderung oder Aufhebung des Bewilligungsbescheides beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt, also mit Ablauf des Jahres 2003, in dem das Insolvenzverfahren für die T... OHG eröffnet wurde. Die gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG i. V. m. §§ 155 Abs. 4, 169 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO entsprechend anzuwendende vierjährige Festsetzungsverjährung für einen solchen Änderungsbescheid gegenüber dem Kläger (oder dem Insolvenzschuldner) begann mit Ablauf des Jahres 2003, in dem der Beklagte die Abtretungsanzeige erhalten hat (§ 46 Abs. 2 AO) und die insolvenzverfahrensbedingte Umwidmung des geförderten Betriebsvermögens erfolgt ist, und endete wegen der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 13 AO nicht mit Ablauf des 31.12.2007. Gemäß § 171 Abs. 13 AO läuft die Festsetzungsverjährung für eine im Insolvenzverfahren angemeldete, noch nicht festgesetzte Steuer frühestens drei Monate nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab. Das Verfahren ist erst mit Beschluss des Amtsgerichts … vom X.X.2010 aufgehoben worden. Bei Erlass des Rückforderungsbescheids vom X.X.2006 war die Erstattungsforderung daher nicht festsetzungsverjährt.

6. Die Rückforderung des Beklagten verletzt auch nicht die Grundsätze von Treu und Glauben, insbesondere ist kein Verwirkungstatbestand gegeben. Verwirkung setzt neben dem bloßen Zeitmoment, also der zeitweiligen Untätigkeit des Anspruchsberechtigten, ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus, demzufolge der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand). Weiterhin ist erforderlich, dass der Anspruchsverpflichtete tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich hierauf eingerichtet hat. Durch das Rechtsinstitut der Verwirkung soll der Steuerpflichtige davor geschützt werden, dass ihm erhebliche Nachteile entstehen, die ihm nicht entstanden wären, wenn das Finanzamt den Steueranspruch rechtzeitig geltend gemacht hätte. Zum bloßen Zeitablauf müssen weitere Umstände treten, aus denen sich nach der Erfahrung des Rechtslebens entnehmen lässt, dass die Untätigkeit endgültig sein soll (vgl. BFH-Urteil vom 21.07.1988 V R 97/83, BFH/NV 1989, 356; Drüen, in: Tipke/Kruse, a.a.O., Rz. 106 zu § 37).

Der Kläger hat bis Ende 2003 in Anerkennung des Rückforderungsanspruchs des Insolvenzverwalters an diesen gezahlt. Innerhalb dieses Zeitraums, aber auch in der Folgezeit bis zur Bekanntgabe des Rückforderungsbescheids durfte er nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte die Investitionszulage nicht mehr zurückfordern würde. Der Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, wie etwa eine Zusage hinsichtlich eines Verzichts auf eine Rückforderung, und der Kläger hat nicht im Vertrauen auf ein besonderes Verhalten des Beklagten Dispositionen getroffen. Dass den Kläger an dem Wegfall des Rechtsgrundes kein Verschulden trifft, ändert hieran nichts, weil ein Verschulden nicht Voraussetzung für die Rückforderung ist.

Aus Sicht des Beklagten stellt sich die Rückforderung auch sonst nicht als unzulässige Rechtsausübung gegenüber dem Kläger dar. Ob und warum dieser an den Abtretenden herausgibt, darauf hat der Beklagte keinen Einfluss. Schließlich liegt die Einbringlichkeit seiner ursprünglichen Honorarforderung in der Risikosphäre des Klägers. Dieser allein hatte es in der Hand, gegenüber der in erkennbaren Zahlungsschwierigkeiten befindlichen T... OHG in Vorleistung zu gehen. Weiterhin ist es sachgerecht, dass er im Verhältnis zum Beklagten das Risiko aus dem zusätzlichen Sicherungsgeschäft, nämlich der Sicherungsabtretung, und aus der Einziehung einer Forderung einer Gesellschaft trägt, die bereits zahlungsunfähig war. Auch musste dem Kläger bewusst sein, dass er mit der Abtretung einer steuerrechtlichen Forderung eine mit dem Risiko ihres Bestehens behaftete Forderung übernimmt. Dies gilt erst recht, wenn es sich - wie hier - um eine Investitionszulage handelt, bei der die Voraussetzungen für den Bestand des Anspruchs durch den Steuerpflichtigen über einen mehrjährigen Zeitraum zu erfüllen sind. Durch die Herausgabe an den Insolvenzverwalter lebte im Innenverhältnis zur T... OHG die Honorarforderung des Klägers wieder auf, die er im Insolvenzverfahren geltend machen konnte. Weiterhin kann er wegen der Zahlung an den Beklagten im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 BGB Ersatz verlangen.

7. Die Inanspruchnahme des Klägers erfolgte ermessensfehlerfrei. Zedent und Zessionar haften nach § 44 Abs. 1 AO gleichrangig nebeneinander als Gesamtschuldner. Die Entscheidung, welcher von mehreren grundsätzlich gleichrangigen Schuldnern in Anspruch genommen werden soll, steht genauso im pflichtgemäßen Auswahlermessen der Behörde (§ 5 AO), wie die Entscheidung, dass alle Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden sollen. Jeder der Gesamtschuldner hat ein subjektives öffentliches Recht, dass die Finanzbehörde diese Entscheidung ermessensfehlerfrei trifft. Die Ermessensentscheidung ist daher nach § 102 Satz 1 FGO vom Gericht darauf zu überprüfen, ob sie rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Zu einer ermessensfehlerfreien Auswahlentscheidung gehört zunächst, dass sich die Finanzbehörde überhaupt ein zutreffendes Bild darüber verschafft, wer die betreffenden Abgaben aus welchen Rechtsgründen schuldet. Hier schulden der Kläger und die T... OHG die Erstattung der Investitionszulage nach § 37 i.V.m. § 2 InvZulG aus dem gleichen Rechtsgrund. Eine gesetzliche Vorgabe zur Rangfolge der Inanspruchnahme ist § 37 AO nicht zu entnehmen. Das Auswahlermessen ist daher gemäß § 5 AO entsprechend dem Zweck der Anspruchsgrundlage für die Rückforderung auszuüben. Vorliegend war das Ermessen zur Inanspruchnahme des Klägers, wie vom Beklagten dargestellt, eindeutig dadurch vorgeprägt, dass in Anbetracht der Insolvenz der T... OHG und in besonderem Maße durch die bereits im März 2004 durch den Insolvenzverwalter angezeigte Masseunzulänglichkeit von beiden Gesamtschuldnern allein der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides im Sommer 2006 zahlungsfähig war. Demgegenüber versprach die Forderungsanmeldung gegenüber der T... OHG lediglich die rechtliche Sicherung der Forderung, diente der Verjährungsunterbrechung und der Erlangung eines Vollstreckungstitels, jedoch war ersichtlich nicht annähernd mit einer den Erstattungsanspruch abdeckenden Quote des Beklagten zu rechnen. Dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage entsprechend, nämlich ungerechtfertigte Steuervergütungen zugunsten des Fiskus zurückzuerlangen, hat sich der Beklagte danach ermessensfehlerfrei entschieden, auch den Kläger in Anspruch zu nehmen.

II. Auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag hinsichtlich des behaupteten Erlöschens des Erstattungsanspruchs des Beklagten durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch des Klägers hat keinen Erfolg. Er ist schon deswegen unzulässig, weil eine Feststellungsklage gemäß § 41 Abs. 2 FGO daran scheitert, dass der Kläger seine Rechte vorrangig durch Antrag auf Erlass eines entsprechenden Abrechnungsbescheids und ggf. Gestaltungsklage dagegen hätte verfolgen müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 08.01.1998 VII B 137/97, BFH/NV 1998, 686). Ein Anspruch aus Amtshaftung wegen einer Amtspflichtverletzung nach § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG ist zudem auch nicht ersichtlich.

Bedienstete einer Körperschaft, die in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig werden, haben die Pflicht, die ihnen obliegenden Amtspflichten nicht zu verletzen. Dient die Amtspflicht auch dem Schutz Dritter und nicht allein dem Schutz der Allgemeinheit, trifft die Bediensteten gegenüber ihrem Dienstherrn auch eine Pflicht, Dritte nicht zu schädigen. Für etwaiges Fehlverhalten hätte der Dienstherr einzustehen. Eine Pflichtverletzung von Bediensteten des Beklagten ist hier nicht erkennbar.

Ungeachtet dessen, dass der Beklagte erst in 2006 seinen Rückforderungsanspruch angemeldet und gegenüber dem Kläger geltend gemacht hat, sprechen die Regeln über die Festsetzungsverjährung und die oben dargestellte Rechtsprechung zur Verwirkung gegen eine Amtspflichtverletzung nur wegen des Zeitablaufs bis zum Erlass des Rückforderungsbescheides. Dass der Beklagte in Kenntnis einer unverzüglichen Handlungspflicht die Bearbeitung der Sache pflichtwidrig verzögert und damit den Kläger geschädigt hätte, ist nicht ersichtlich. Dies folgt entgegen der Auffassung des Klägers nicht schon aus dem Zeitablauf zwischen dem Bekanntwerden der Insolvenz der T... OHG in 2003 und dem Erlass des Rückforderungsbescheides in 2006. Insbesondere war für den Beklagten die Anfechtung der Abtretung durch den Insolvenzverwalter und die Herausgabe der Investitionszulage durch den Kläger nicht ohne Weiteres ersichtlich. Schließlich wäre auch denkbar, dass der Kläger vor der Herausgabe an den Insolvenzverwalter an den Beklagten als den ursprünglich Zahlenden herangetreten wäre, um eine mögliche Rückforderungsverpflichtung frühzeitig festzustellen. Im Übrigen bestanden für den Beklagten über die allgemeine Festsetzungsverjährungsfrist und die Dauer des Insolvenzverfahrens hinaus keine zeitlichen Beschränkungen zur Anmeldung seiner Forderung zur Insolvenztabelle und zur Rückforderung gegenüber dem Kläger. Innerhalb dieser Fristen hat der Beklagte die Erstattungsansprüche geltend gemacht.

III. Die Revision wird wegen Abweichung von der Auffassung des V. Senats des BFH, die dieser in dem Beschluss vom 13.07.2006 V B 70/06 (a.a.O.) vertreten hatte und nach der der Wegfall des rechtlichen Grundes als Tatbestandsvoraussetzung für die Rückforderung hätte verneint werden müssen, zugelassen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.