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Ermächtigung; sachlich-rechtliche Richtigstellung; Rückforderung von Honorar; Anhörungserfordernis; Akteneinsicht in staatsanwaltliche Ermittlungsakten


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 25.03.2011
Aktenzeichen L 7 KA 13/11 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 24 SGB 10, § 41 SGB 10, § 45 SGB 10, § 106a SGB 5, § 45 BMV-Ä, § 34 EKV-Ä, § 474 StPO

Leitsatz

1.) Die sachlich-rechnerische Richtigstellung eines Honorarbescheides erfordert, dass die KV dem Arzt für jedes Quartal, für das sie das Honorar richtig stellen will, zumindest eine unrichtige Abrechnung in der Abrechnungs-Sammelerklärung nachweist.

2.) Der Nachweis setzt grundsätzlich voraus, dass die Antragsgegnerin die von ihr ermittelte, fehlerhafte Abrechnung nach Leistungsart und Abrechnungsziffer bezeichnet und zusammen mit den gegebenenfalls erforderlichen Beweismitteln und Tatsachen, aus denen sich ein Verschulden des betroffenen Arztes ergibt, in den Honorarbe-richtigungsbescheid aufnimmt.

3.) Zum Recht einer KV auf Einsichtnahme in staatsanwaltliche Ermittlungsakten.

4.) Zur Nachholung einer unterlassenen Anhörung.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 190.875,61 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2011 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 85 Abs. 4 Satz 9 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers (vgl. dazu Beschlüsse des Senats vom 31. Januar 2006, L 7 B 1046/05 KA ER und vom 7. Mai 2007, L 7 B 97/06 KA ER, jeweils zitiert nach juris) gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 13. und 27. Juli 2010, mit denen diese die dem Antragsteller erteilten Honorarbescheide für die Quartale I/2005 bis IV/2009 aufgehoben, das dem Antragsteller für diese Zeit zustehende Honorar auf 0 € festgesetzt und das ihm gewährte Honorar vollständig in Höhe von 381.751,22 € zurückgefordert hat, rechtsfehlerfrei angeordnet. Denn bei der nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG für diese Entscheidung durchzuführenden Abwägung der Interessen der Beteiligten ist dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin der Vorrang einzuräumen, weil sich die angefochtenen Bescheide sowohl materiell als auch formell als rechtswidrig erweisen; an der sofortigen Vollziehung rechtswidriger Bescheide besteht jedoch kein besonderes öffentliches Interesse. Daher konnte auch der Hilfsantrag keinen Erfolg haben.

1.) Die Antragsgegnerin war im vorliegenden Fall auf der Grundlage der bekannten Tatsachen gemäß § 45 Abs. 2 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV Ä) bzw. § 34 Abs. 4 Ersatzkassenvertrag Ärzte (EKV-Ä) i.V.m. § 82 Abs. 1 SGB V bzw. § 106a SGB V sowie nach § 45 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 i.V.m. § 50 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) nicht berechtigt, die streitige Honorarberichtigung vorzunehmen und das dem Antragsteller in der streitigen Zeit für vertragsärztliche Leistungen gewährte Honorar vollständig zurückzuverlangen. Zwar berechtigen die genannten Vorschriften die Antragsgegnerin zur Rücknahme unrichtiger und damit rechtswidriger Honorarbescheide und zur Rückforderung zu Unrecht gezahlten Honorars. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen ein ermächtigter Arzt Leistungen abgerechnet hat, die nicht von ihm selbst, sondern von einem nicht genehmigten Assistenten oder Vertreter erbracht worden sind; denn eine solche Vorgehensweise macht die auf einer entsprechenden Abrechnung beruhenden Honorarbescheide sachlich-rechnerisch unrichtig, was zur Honorarberichtigung und Rückforderung grundsätzlich ausreicht.

a) Für die Frage, ob eine Honorarabrechnung unrichtig erstellt und abgegeben und der auf ihr beruhende Honorarbescheid deshalb ebenfalls unrichtig, d.h. rechtswidrig, ist, hat die Erklärung des Vertragsarztes über die ordnungsgemäße Erbringung und Abrechnung der geltend gemachten Leistungen eine grundlegende Bedeutung. Die an sich für jede einzelne Leistungsabrechnung gebotene Erklärung des Arztes über die ordnungsgemäße Erbringung und Abrechnung dieser Leistung wird aufgrund der den Vertragsarzt bindenden Bestimmungen untergesetzlichen Rechts durch eine sog. Abrechnungs-Sammelerklärung ersetzt. Nach §§ 35 Abs. 2, 42 Abs. 3 BMV-Ä, §§ 34 Abs. 1, 35 EKV-Ä ist die Abgabe einer - ordnungsgemäßen - Abrechnungs-Sammelerklärung eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs des Vertragsarztes auf Vergütung der von ihm erbrachten Leistungen. Mit ihr garantiert der Vertragsarzt, dass die Angaben auf den von ihm eingereichten Abrechnungen zutreffen. Diese Garantiefunktion ist gerade wegen der aufgrund des Sachleistungsprinzips im Vertragsarztrecht auseinander fallenden Beziehungen bei der Leistungserbringung und der Vergütung und den damit verbundenen Kontrolldefiziten unverzichtbar. Die Richtigkeit der Angaben in den Abrechnungen kann nur in engen Grenzen überprüft werden, und Kontrollen sind mit erheblichem Aufwand und unsicheren Ergebnissen verbunden. Das System der Abrechnung beruht deshalb in weitem Maße auf dem Vertrauen, dass der Arzt die erbrachten Leistungen zutreffend abrechnet. Insoweit kommt der Abrechnungs-Sammelerklärung als Korrelat für das Recht des Arztes, allein aufgrund eigener Erklärungen über Inhalt und Umfang der von ihm erbrachten Leistungen einen Honoraranspruch zu erwerben, eine entscheidende Funktion bei der Überprüfung der Abrechnung zu.

Aus dieser Funktion der Abrechnungs-Sammelerklärung als Voraussetzung der Vergütung der von dem Vertragsarzt abgerechneten Leistungen folgt zugleich, dass die Erklärung in den Fällen, in denen sie sich wegen abgerechneter, aber nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen als falsch erweist, ihre Garantiewirkung nicht mehr erfüllt, es sei denn, es läge lediglich ein Fall schlichten Versehens vor. Wenn die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung entfällt und damit eine Voraussetzung für die Festsetzung des Honoraranspruches des Arztes fehlt, ist der auf der Honorarabrechnung des Vertragsarztes in Verbindung mit seiner Bestätigung der ordnungsgemäßen Abrechnung beruhende Honorarbescheid rechtswidrig. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ist zumindest berechtigt, wenn nicht verpflichtet, den entsprechenden Honorarbescheid aufzuheben und das Honorar neu festzusetzen (BSG Urteil vom 17. September 1997, 6 RKa 86/95).

b) Die Abrechnungs-Sammelerklärung als Ganzes ist bereits dann unrichtig, wenn nur eine mit ihr abgegebene Abrechnungsposition eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthält. Damit entfällt für die KV grundsätzlich die Verpflichtung, als Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides dem Arzt mehr als eine unrichtige Abrechnung pro Quartal nachzuweisen. Sie ist rechtlich nicht gehalten, in allen Behandlungsfällen, in denen sie unrichtige Abrechnungen vermutet, den Nachweis der Unrichtigkeit zu führen. Im Ergebnis liegt somit das Honorar-Risiko auf der Seite des Arztes, der in seiner Honorarabrechnung unrichtige Angaben gemacht hat (BSG Urteil vom 17. September 1997, 6 RKa 86/95).

Wegen dieser weitgehenden Wirkung der Rechtsfolgen aus der Abgabe einer unrichtigen Abrechnungs-Sammelerklärung sind diese auf den Fall zu beschränken, dass unrichtige Angaben in den Behandlungsausweisen zumindest grob fahrlässig, also unter Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X), erfolgt sind. Eine vorsätzlich falsche Abrechnung ist nicht erforderlich. Andererseits reicht für die genannte Berechtigung der KV leichte Fahrlässigkeit auf Seiten des Arztes oder des von ihm beauftragten Personals nicht aus. Beruhen unrichtige Angaben in der Honorarabrechnung auf einem schlichten Versehen, so beeinträchtigt dies nicht die grundsätzliche Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung und berechtigt lediglich zur rechnerischen und sachlichen Richtigstellung der Honorarabrechnung hinsichtlich dieser Abrechnungsfehler.

c) Die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Richtigstellung setzt allerdings immer voraus, dass die KV dem Antragsteller für jedes Quartal, für das sie das Honorar richtigstellen will, zumindest eine unrichtige Abrechnung in der Abrechnungs-Sammelerklärung nachweist. Nur die von der KV tatsächlich aufgedeckten Abrechnungsfehler berechtigen sie im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zur Berichtigung eines Honorarbescheides und zur Umkehr der Beweislast zu Lasten des Arztes (Urteil des Senats vom 10. Oktober 2007, L 7 KA 56/03; ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. November 2002, L 5 KA 4454/00, jeweils zitiert nach juris). Der erforderliche Nachweis setzt grundsätzlich voraus, dass die Antragsgegnerin die von ihr ermittelte, fehlerhafte Abrechnung nach Leistungsart und Abrechnungsziffer bezeichnet und zusammen mit den gegebenenfalls erforderlichen Beweismitteln und Tatsachen, aus denen sich ein Verschulden des betroffenen Arztes ergibt, in den Honorarberichtigungsbescheid aufnimmt. Denn der betroffene Arzt muss wissen, auf welchen Abrechnungsfehler die KV die Unrichtigkeit seiner Abrechnung stützt, weil hiervon für ihn einschneidende Rechtsfolgen abhängen: Beim Nachweis auch nur eines Abrechnungsfehlers kann die KV von dem Vertragsarzt die sofortige Rückzahlung des gesamten in einem Quartal abgerechneten Honorars verlangen, weil er nicht nur der Umkehr der Beweislast, sondern auch der sofortigen Vollziehbarkeit des Berichtigungs- und Rückforderungsbescheides ausgesetzt ist. Könnte die KV auf die genaue Angabe des Abrechnungsfehlers in diesem Bescheid verzichten und sich für ihr Rückforderungsbegehren trotzdem auf die Umkehr der Beweislast und die sofortige Vollziehbarkeit stützen, wäre für den betroffenen Arzt ein effektiver Rechtsschutz vor der Durchführung des Hauptsacheverfahrens praktisch nicht mehr möglich, weil jeder Anknüpfungspunkt für eine Rechtsverteidigung fehlen würde. Dies wäre mit seinem Recht aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Außerdem würde eine solche Vorgehensweise der KV gegebenenfalls die Sozialgerichte zwingen, „ins Blaue hinein“ ohne brauchbaren Anknüpfungspunkt nach Abrechnungsfehlern zu suchen. Denn eine Berichtigung der Honorarbescheide auf den bloßen Verdacht der fehlerhaften Abrechnung hin lassen die oben genannten Rechtsgrundlagen aus dem SGB V, den Mantelverträgen und dem SGB X nicht zu.

d) Die vorstehenden Anforderungen erfüllen die angefochtenen Bescheide nicht. In den Bescheiden vom 13. und 27. Juli 2010 beschränkt sich die Antragsgegnerin mit geringen Abweichungen in der Formulierung darauf, den für die Widerlegung der Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung maßgeblichen Abrechnungsfehler damit zu begründen, ihr sei (ein Sachverhalt) bekannt geworden, dass die vom Antragsteller im Rahmen seiner Ermächtigung abgerechneten Leistungen seit 2005 tatsächlich nicht von ihm persönlich erbracht worden seien. Konkrete Angaben hierzu enthalten die angefochtenen Bescheide nicht, obwohl auch die Antragsgegnerin nicht davon ausgeht, dass der Antragsteller überhaupt keine der abgerechneten Leistungen erbracht hat, wie ihr Vorbringen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zeigt. Denn sie geht von dem von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin erhobenen Vorwurf aus, wonach der Antragsteller die abgerechneten Leistungen „regelhaft auf Weiterbildungsassistenten des Krankenhauses“ delegiert habe.

e) Auf den Nachweis zumindest eines Abrechnungsfehlers je Quartal kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn die Ermittlung der Abrechnungsfehler für die Antragsgegnerin schwierig sein sollte. Der Einwand der Antragsgegnerin, sie habe vor Erlass der angefochtenen Bescheide von der Staatsanwaltschaft keine Akteneinsicht erhalten können, ist nicht stichhaltig. Denn nach § 474 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Strafprozessordnung (StPO) stand ihr ein Recht auf Einsicht in die Ermittlungsakten zu, weil diese Einsicht zur Feststellung und Durchsetzung von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit einer Straftat erforderlich ist; zumindest hätte sie unter denselben (gegebenen) Voraussetzungen aber einen Anspruch auf Auskünfte aus den Akten der Staatsanwaltschaft besessen (vgl. hierzu im Einzelnen: OLG Hamm, Beschluss vom 30. April 2009, 1 VAs 11/09, zitiert nach juris). Im Falle der Gewährung der Akteneinsicht hätte sie auch deren Übersendung erreichen und amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen können (§ 474 Abs. 4 und 5 StPO). Ebenso wenig entbindet die Tatsache, dass der Antragsteller dem Vorwurf, regelhaft die von ihm abgerechneten Leistungen an Weiterbildungsassistenten des Krankenhauses delegiert zu haben, nach Meinung der Antragsgegnerin nicht substantiiert entgegengetreten sei, die Antragsgegnerin vom Nachweis eines Abrechnungsfehlers pro Quartal. Zu einem substantiierten Bestreiten ist der Antragsteller erst nach der Angabe zumindest einer falschen Abrechnung in der Lage, wie der Senat bereits oben dargelegt hat. Ein konkretes Bestreiten ist deshalb derzeit weder möglich noch erforderlich.

2.) Darüber hinaus sind die angefochtenen Bescheide auch formell fehlerhaft, weil die Antragsgegnerin den Antragsteller vor ihrem Erlass nicht nach § 24 Abs. 1 SGB X angehört hat, obwohl sie hierzu verpflichtet gewesen wäre. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug, denen er folgt (vg. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

a) Es sind keine Gründe erkennbar, die zu einem Absehen von der Anhörung berechtigt hätten. Gefahr im Verzug oder ein öffentliches Interesse ohne Anhörung sofort zu entscheiden, sind nicht erkennbar (vgl. § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X). Da der Antragsteller sich vor Erlass der Bescheide in Untersuchungshaft befand, ist schon zweifelhaft, ob er überhaupt in der Lage gewesen wäre, Vermögenswerte der Rückforderung zu entziehen, wie die Antragstellerin befürchtet. Außerdem hatte die Staatsanwaltschaft ein Konto mit einem Guthaben von ca. 134.000 € arretiert, so dass ein Teil der Forderung ohnehin gesichert war. Zumindest wäre aber eine Anhörung mit einer kurzen Frist von wenigen Tagen möglich und ausreichend gewesen, insbesondere wenn die Antragsgegnerin den Bescheid zutreffend begründet hätte, weil dem Antragsteller dann eine Entkräftung der erhobenen Falschabrechnung auch in kurzer Zeit zuzumuten gewesen wäre.

b) Der Verstoß gegen die Anhörungspflicht nach § 24 Abs. 1 SGB X ist auch nicht gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden. Dies würde nämlich voraussetzen, dass die erforderliche Anhörung des Antragstellers nachgeholt worden ist. Das ist aber nicht der Fall. Die Nachholung der fehlenden Anhörung setzt voraus, dass die Handlungen, die an sich nach § 24 Abs. 1 SGB X bereits vor Erlass des belastenden Verwaltungsaktes hätten vorgenommen werden müssen, von der Verwaltung bis zum Abschluss der gerichtlichen Tatsacheninstanz vollzogen werden. Ein während des Gerichtsverfahrens zu diesem Zweck durchzuführendes förmliches Verwaltungsverfahren liegt vor, wenn die Behörde dem Kläger/Antragsteller in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gegeben hat und sie danach zu erkennen gibt, ob sie nach erneuter Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält. Dies setzt regelmäßig voraus, dass - ggf. nach freigestellter Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG - die Behörde den Kläger/Antragsteller in einem gesonderten "Anhörungsschreiben" alle Haupttatsachen mitteilt, auf die sie die belastende Entscheidung stützen will und sie ihm eine angemessene Frist zur Äußerung setzt. Ferner ist erforderlich, dass die Behörde das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis nimmt und sich abschließend zum Ergebnis der Überprüfung äußert (BSG, Urteil vom 9. November 2010, B 4 AS 37/09 R, m.w.N., zitiert nach juris). Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin den gesamten Schriftwechsel mit dem Antragsteller zur Nachholung der Anhörung nicht zu dem dem Gericht übersandten Verwaltungsvorgang genommen hat und damit das vom Bundessozialgericht geforderte förmliche Verwaltungsverfahren nicht dokumentiert ist, hat sich die Antragsgegnerin nicht unter Würdigung des Vorbringens des Antragstellers im Widerspruchsverfahren nach Ablauf der ihm gesetzten Fristen abschließend zum Ergebnis der Überprüfung geäußert. Weder das von der Antragsgegnerin übersandte Schreiben vom 30. Dezember 2010 noch die vom Antragsteller vorgelegten Schreiben der Antragsgegnerin vom 27. Januar 2011, 2. Februar 2011 oder 14. Februar 2011 setzen sich mit dem Vorbringen des Antragstellers im Widerspruchsverfahren auch nur ansatzweise auseinander. Eine abschließende Äußerung zum Ergebnis der Überprüfung nach Ablauf der zuletzt bis zum 14. Februar 2011, 24:00 Uhr gesetzten Äußerungsfrist fehlt völlig: Denn das Schreiben der Antragsgegnerin vom 14. Februar 2011 ist vor Fristablauf gefertigt worden und lässt erkennen, dass eine inhaltliche Überprüfung nicht stattgefunden hat.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie aus §§ 52 und 53 Gerichtskostengesetz (GKG).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).