Gericht | VG Cottbus 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 30.07.2020 | |
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Aktenzeichen | 8 K 595/20 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2020:0730.8K595.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 Abs 1 UVG, § 1 Abs 3 UVG, § 9 UVG |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger begehrt die Weitergewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für den Zeitraum ab 1. Februar 2020.
Der Kläger ist Vater des am 12. Dezember 2012 geborenen T.... Von der Kindesmutter lebt er getrennt. T... ist bei dem Kläger gemeldet.
Mit Bescheid vom 29. April 2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger für dessen Sohn ab dem 1. Februar 2019 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von monatlich 212 Euro. Mit Bescheid vom 29. Mai 2019 setzte der Beklagte die Unterhaltsvorschussleistungen ab dem 1. Juli 2019 auf einen Betrag in Höhe von monatlich 202 Euro neu fest, nachdem sich aufgrund des Familienentlastungsgesetzes vom 29. November 2018 und der damit verbundenen Änderung von § 6 Bundeskindergeldgesetz das anzurechnende Kindergeld auf monatlich 204 Euro erhöht habe. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2019 setzte der Beklagte die Unterhaltsvorschussleistungen ab dem 1. Januar 2020 auf einen Betrag in Höhe von monatlich 220 Euro fest. Zur Begründung verwies er auf die entsprechende Erhöhung des insoweit maßgebenden Mindestunterhaltes gemäß § 1612 a des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2019 übersandte der Beklagte dem Kläger einen Fragebogen zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und forderte ihn auf, diesen ausgefüllt zurückzusenden, andernfalls ein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen nicht bestehe. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 3. Januar 2020 Widerspruch, zu dessen Begründung er im Wesentlichen geltend machte, nicht verpflichtet zu sein, intime, anstößige oder zu persönliche Fragen über sein Leben zu beantworten. Er sei nachgewiesener deutscher Staatsangehöriger und als solcher zu behandeln.
Mit Schreiben vom 8. Januar 2020 bat der Beklagte nochmals um die Rücksendung des Fragebogens oder schriftliche Beantwortung der darin aufgeführten Fragen. Diese Auskünfte seien zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen dringend erforderlich. Auch hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 10. Januar 2020 Widerspruch und wiederholte im Wesentlichen die in seinem Schreiben vom 3. Januar 2020 aufgeführten Gründe. Beide Widersprüche verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden jeweils vom 4. März 2020 als unzulässig, da es sich bei den Schreiben vom 23. Dezember 2019 und vom 8. Januar 2020 nicht um Verwaltungsakte handele. Die von dem Kläger hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Cottbus mit Urteil ebenfalls vom 30. Juli 2020 - VG 8 K 535/20 - abgewiesen.
Bereits mit Bescheid vom 25. Februar 2020 hatte der Beklagte den Bescheid vom 29. April 2019 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz mit Ablauf des 31. Januar 2020 aufgehoben. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen darauf, dass der Kläger seiner Auskunftspflicht im Rahmen der jährlichen Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen nicht nachgekommen und der Anspruch deshalb nicht mehr gegeben sei. Zudem ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung des Bescheides an.
Hiergegen erhob der Kläger am 28. Februar 2020 Widerspruch, zu dessen Begründung er im Wesentlichen erneut erklärte, nicht verpflichtet zu sein, intime Fragen über sein Leben zu beantworten. Fragen zur Sache habe er immer nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet. Art. 46 der Haager Landkriegsordnung über den Schutz des Einzelnen und des Privateigentums gelte auch für die Bundesrepublik Deutschland. Er sei nachgewiesener deutscher Staatsangehöriger und als solcher zu behandeln.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2020, dem Kläger zugestellt am 19. März 2020, zurück. Der Kläger sei als alleinerziehender Elternteil zur Auskunftserteilung verpflichtet. Hierzu zähle auch die Beantwortung der im Rahmen der regelmäßigen Überprüfung gestellten Fragen. Da der Kläger die erforderlichen Angaben nicht getätigt habe, sei der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nicht mehr gegeben.
Am 19. März 2020 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Er ist der Auffassung, dass die Begründung des Widerspruchsbescheides fehlerhaft sei. Er sei nachgewiesener deutscher Staatsangehöriger und als solcher zu behandeln.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2020 zu verpflichten, für seinen Sohn Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz über den 31. Januar 2020 hinaus weiter zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang (4 Hefte) ergänzend Bezug genommen.
Über die Klage, die mit Beschluss vom 3. Juni 2020 der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden ist, kann trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da diese mit der Ladung hierauf hingewiesen worden sind, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO statthaft. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz werden – wie regelmäßig im sozialen Leistungsrecht – grundsätzlich nicht als rentengleiche Dauerleistungen gewährt, sondern stehen unter dem Vorbehalt der jederzeitigen Einstellung. Die hier mit Wirkung zum 1. Februar 2020 erfolgte Einstellung der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bedeutet daher keine Rückgängigmachung bereits bewilligter Hilfe, sondern die Versagung künftiger Leistungen (vgl. ebenso Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 12. August 2004 – M 6b S 04.3578 -, juris Rn. 24), gegen die sachgerecht nur mittels einer Verpflichtungsklage auf Weitergewährung Rechtsschutz erreicht werden kann, weshalb das Vorbringen des Klägers gemäß § 88 VwGO als entsprechender Antrag auszulegen war.
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist der Kläger klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Zwar steht gemäß § 1 Abs. 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss dem jeweiligen Kind zu. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 UVG wird über die Zahlung der Unterhaltsleistung jedoch auf schriftlichen Antrag des Elternteils entschieden, bei dem der Berechtigte lebt. Diese Vorschrift umfasst die Berechtigung des alleinerziehenden Elternteils, den Anspruch des Kindes auf Unterhaltsvorschussleistungen im eigenen Namen geltend zu machen (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Dezember 2018 – OVG 6 B 9.17 -, juris Rn. 17; Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 26. Mai 2014 – 4 LA 198/13 -, juris Rn. 7 ff.).
In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg. Der Bescheid vom 25. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten. Der Sohn des Klägers hat keinen Anspruch auf die Weitergewährung des Unterhaltsvorschusses für den Zeitraum ab dem 1. Februar 2020, § 113 Abs. 5 VwGO.
Anspruchsgrundlage der begehrten Leistung ist § 1 Abs. 1 UVG.
Hiernach hat Anspruch auf Unterhaltsleistung, wer das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (Nr. 1), im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten oder Lebenspartner dauernd getrennt lebt (Nr. 2), und nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil (Nr. 3 a) mindestens in der in § 2 Abs. 1 und 2 UVG bezeichneten Höhe erhält. Diese Voraussetzungen sind für den Sohn des Klägers ersichtlich gegeben.
Nach Abs. 3 der Regelung besteht der Anspruch auf Unterhaltsleistungen nach diesem Gesetz allerdings u. a. dann nicht, wenn der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichnete Elternteil sich weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen. Der Gesetzgeber geht insoweit von einer Mitwirkungsobliegenheit des alleinerziehenden Elternteils aus. Diese Mitwirkungsobliegenheit trifft den Elternteil zwar nur im Rahmen des Zumutbaren (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 18. April 2019 – 12 C 18.1893 -, juris Rn. 21; Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 25. Februar 2011 – 2 K 1340/09 -, juris Rn. 16,18 f.), umfasst innerhalb diesen Rahmens aber alle Gesichtspunkte bzw. Tatsachen, die für die Prüfung der Leistungsvoraussetzungen nach § 1 UVG oder eines Leistungsausschlusses bzw. einer Einschränkung des Leistungsumfanges von Bedeutung sind. Dazu gehört es auch, dass der Elternteil die regelmäßig jährlich erfolgenden Fragebögen zur Überprüfung des Fortbestehens der Leistungsvoraussetzungen beantwortet, da die Sachverhalte, die zum Bezug von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz berechtigen, häufigen Änderungen unterliegen, die den zuständigen Behörden andernfalls nicht oder nicht rechtzeitig bekannt werden. Die Fragebögen dienen damit nicht zuletzt dem Zweck, mögliche Überzahlungen zu vermeiden oder zu begrenzen (vgl. Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 25. Februar 2011 – 2 K 1340/09 -, juris Rn. 17; Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 12. August 2004 – M 6b S 04.3578 -, juris Rn. 26).
Hier hat der Kläger den ihm von dem Beklagten am 23. Dezember 2019 übersandten Fragebogen nicht ausgefüllt und die darin gestellten Fragen auch nicht anderweitig beantwortet. Vielmehr hat er sich mit seinen „Widersprüchen“ vom 3. und 10. Januar 2020 ausdrücklich geweigert, die erbetenen Angaben zu machen.
Dass ihm die Mitwirkung aus einem wichtigen Grund nicht möglich oder nicht zumutbar war, ist nicht erkennbar und von dem Kläger auch nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht worden. Mit seinem Vortrag, dass er nicht verpflichtet sei, intime Fragen zu seinem Leben zu beantworten, vermag er schon deshalb nicht durchzudringen, weil der Fragebogen offenkundig keine intimen, die Zumutbarkeitsgrenze verletzenden Fragen enthält. Die darin im Wesentlichen aufgeführten Fragen zum Bestehen der häuslichen Gemeinschaft mit T..., zum gegenwärtigen bzw. absehbar künftigen Familienstand des Klägers, zum Getrenntleben von der Kindesmutter, zu ggf. von dieser erbrachten Unterhaltsleistungen und zu deren Aufenthalt und Arbeitgeber betreffen ausschließlich die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 UVG bzw. den Übergang der Unterhaltsansprüche gegen die Kindesmutter gemäß § 7 UVG und lassen keinen unzumutbar intimen Gehalt erkennen. Diesen hat der Kläger, der vergleichbare Angaben im Rahmen der Beantragung der Leistungen mit Schreiben vom 25. März 2019 bereits gemacht hat, auch nicht dargelegt. Aus dem von ihm redundant vorgebrachten Einwand, er sei „nachgewiesener deutscher Staatsangehöriger“, folgt nichts anderes.
Seinem Sohn steht deshalb gemäß § 1 Abs. 3 UVG bis zur Nachholung der entsprechenden Auskunftserteilung durch den Kläger kein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.