Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 14. Senat | Entscheidungsdatum | 13.10.2010 | |
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Aktenzeichen | L 14 AS 1665/10 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2. wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 02. September 2010 geändert, soweit diese verpflichtet worden ist, ein Darlehen zum Ausgleich bestehender Mietschulden in Höhe von 10.440,25 € zu gewähren und auszuzahlen auf das Konto Nr. bei der . Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird auch insoweit zurückgewiesen.
Von den außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Verfahren trägt die Antragsgegnerin zu 1. ein Drittel; im Übrigen sind für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren zwischen den Beteiligten keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2. hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht sie verpflichtet, ein Darlehen zum Ausgleich bestehender Mietschulden in Höhe von 10.440,25 € zu gewähren und auszuzahlen. Ein von der Antragstellerin hierauf gerichtetes Begehren im Rahmen eines – weiteren – einstweiligen Anordnungsverfahrens war schon ganz überwiegend wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig (zu. 1). Soweit ein Teil noch als zulässig zu erachten ist, ist zumindest ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden (zu 2.).
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu 2. im zuvor angegebenen Umfang zu verpflichten, ist wegen entgegenstehender Rechtskraft schon im Umfang von 7.941,40 € unzulässig, denn insoweit hat die Antragstellerin hier ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren mit demselben Begehren betrieben, wie schon im zum Aktenzeichen S 38 AS 828/10 ER registrierten einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Sozialgericht Potsdam und dem anschließenden Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zum Aktenzeichen L 5 AS 710/10 B ER. Dieses Verfahren ist durch unanfechtbaren Beschluss vom 18. Juni 2010 abgeschlossen.
Nach § 141 Abs. 1 SGG binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Der materiellen Rechtskraft fähig sind alle Urteile, mit denen endgültig und vorbehaltlos entschieden wird. Beschlüsse im Verfahren der einstweiligen Anordnung stehen ihnen insoweit gleich (BFH vom 18. Dezember 1991 – Az.: II B 112/91 m.w.N., nach juris; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008 [Meyer-Ladewig], § 141 Rn. 5). Sie regeln abschließend einen vorläufigen Zustand. Dies gilt auch, soweit sie Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückweisen. Auch hier muss ein fortgesetzter Streit der Beteiligten über denselben Gegenstand abgewiesen werden (BFH, a.a.O., Meyer-Ladewig, a.a.O). Die Wirkung der Rechtskraft ist von Amts wegen zu beachten; eine neue Verhandlung und Entscheidung über denselben Gegenstand zwischen denselben Beteiligten ist nicht möglich. Gegenstand der materiellen Rechtskraft ist grundsätzlich nur die Urteilsformel, bzw. die Beschlussformel. Reicht diese zur Bestimmung ihrer Tragweite nicht aus, z.B. bei abweisenden Urteilen, müssen die Entscheidungsgründe zur Bestimmung hinzugezogen werden (Meyer-Ladewig, § 141, Rn. 7a). Ein neuer Antrag ist nur dann möglich, wenn nach der früheren Beschlussfassung neue Tatsachen entstanden sind (BFH, a.a.O.; OVG Münster in NJW 1975, 992; Meyer-Ladewig, § 141 Rn. 6c, LSG Thüringen, L 6 RJ 914/03 ER).
Der vom Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 18. März 2010 konkretisiert gestellte Antrag zur offenen Mietzinshöhe (einschließlich weiterer Kosten in diesem Zusammenhang) von 7.941,40 € (– bereits mit der Antragsschrift vom 11. März 2010 ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 2. „aufgelaufener Mietschulden bis März 2010“ begehrt worden –) ist am selben Tag durch den Beschluss ausweislich des Tenors zu 3. abgewiesen worden; („Der weitergehende Antrag wird abgewiesen“). Zwar geht das Sozialgericht in seinem Beschluss nicht mehr explizit auf dieses Antragsbegehren ein. Aus seiner Sicht hat hierfür auch keine Veranlassung bestanden, denn es hatte die Antragstellerin zu 1. (wie auch hier im Verfahren) u. a. dazu verpflichtet, die bis dahin streitigen Mietschulden darlehensweise zu tragen. Aus diesem Zusammenhang wird aber deutlich, dass die Zurückweisung des Antrages im Übrigen sich (auch) auf die Verpflichtung zur Übernahme der Mietschulden gegenüber der Antragsgegnerin zu 2. beziehen musste. Anders erklärt sich dann auch nicht, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin im zum Aktenzeichen L 5 AS 710/10 AS ER registrierten und von der Antragsgegnerin zu 1. betriebenen Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) noch hilfsweise weiter die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 2. hinsichtlich der Mietschulden geltend gemacht hat (Schriftsatz vom 17. Mai 2010). Dass hierauf im Beschluss des LSG vom 08. Juni 2010 (Az.: L 5 AS 710/10 AS ER) nicht mehr eingegangen worden ist, erscheint schon unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass die rechtskundig vertretene Antragstellerin selbst nicht eine Beschwerde geführt hat und soweit in dem Schriftsatz vom 17. Mai 2010 eine solche zu erblicken gewesen sein könnte, die Beschwerdefrist schon längst abgelaufen war. Der Beschluss des Sozialgerichts vom 18. März 2010 war dem Verfahrensbevollmächtigten am 19. März 2010 zugestellt worden.
Neue, nach dem Beschluss des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2010 entstandene Tatsachen, die eine erneute Entscheidung rechtfertigen könnten, sind im vorliegenden Verfahren nicht erkennbar. Wesentliche Umstände, die für die Übernahme der begehrten 7.941,40 € durch die Antragsgegnerin zu 2. (oder zu 1.) von Bedeutung sind, müssen schon bei Erlass des Beschlusses des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 18. Juni 2010 vorgelegen haben. Insbesondere ist nicht vorstellbar, dass erst nach diesem Zeitpunkt sozusagen rückwirkend neue Tatsachen entstehen, die eine andere Beurteilung der Frage erlauben, ob es sich bei der gegenständlichen Wohnung im Zeitraum vor dem Beschluss um die Unterkunft der Antragstellerin im Sinne von § 22 SGB II handelte.
2. Soweit vom Verfahrensbevollmächtigten noch zulässigerweise ein Begehren mit der Forderung von 2.498,85 € (= 10.440,25 € ./. 7.941,40 €) gegenüber der Antragsgegnerin zu 2. geltend gemacht werden konnte, ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden und deswegen die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2. auch diesbezüglich begründet. Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden ist.
Nach § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II), sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vom Grunde her dürfte unzweifelhaft sein, dass die Anspruchsvoraussetzungen nur vorliegen können, wenn auch die gemietete oder genutzte Liegenschaft als „Unterkunft“ dient und insoweit ein entsprechender Bedarf besteht; hierüber haben die Verfahrensbeteiligten im Beschwerdeverfahren widerstreitende Auffassungen. Soweit anhand der sehr unübersichtlichen Verwaltungsakten der Antragsgegner ersichtlich, dürften der Antragstellerin von mindestens Juli 2008 bis 31. August 2010 (mit Ausnahme des Zeitraums vom 01. September 2009 bis 31. Oktober 2009, s. Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 01. September 2009 – S 42 AS 3116/09 ER; die Beschwerde der Antragstellerin wurde durch Beschluss vom 21. Januar 2010 zurückgewiesen; L 25 AS 1659/09 B ER) keine KdU/KdH-Leistungen gewährt worden sein, woraus sich die Mietschulden weitestgehend erklären, wenn auch nicht abschließend in genauem, rechnerischen Umfang. Denn soweit für zwei Monate Leistungen gewährt worden sind, ist schon nicht glaubhaft gemacht worden, dass hierfür noch Mietschulden bestehen können; es sei denn die Leistung ist nicht zweckgerichtet verwendet worden, was nicht vorgetragen worden ist. Die vom Sozialgericht eingeholte Auskunft von Vermieterseite hilft in diesem Zusammenhang auch nicht weiter, denn hieraus ist mit Stand vom 30. August 2010 eine Gesamtforderung von 10.440,25 € (Mietrückstand bis 30. August 2010, Kosten aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss, Zinsen und Zwangsvollstreckungskosten) erkennbar, ohne dass hieraus klar wird, für welchen Zeitraum welche Miete offen ist. Hierauf kommt es im Ergebnis aber nicht an.
Hinsichtlich des hier noch für zulässig erachteten Begehrens ist die Entscheidung des 5. Senats in seinem Beschluss vom 8. Juni 2010 nicht bedeutungslos. In seinem Beschluss hat dieser Senat für den Zeitraum vom 01. April 2010 bis 31. August 2010 die Gewährung von KdU/KdH im Ergebnis abgelehnt. Für diesen Zeitraum beläuft sich dieser Leistungsumfang auf 2.318,88 € (= 386,48 € x 6 Monate) und entspricht annähernd der hier noch für zulässig erachteten Beschwerde(-forderung); die Differenz dürfte sich aus weiter aufgelaufenen Zinsen ergeben. Es erscheint schon unter Berücksichtigung dieser Entscheidung widersinnig zu sein und begründet Zweifel des Senats am Anordnungsanspruch, dass einerseits KdU/KdH nicht gewährt werden, anderseits gleichwohl (spiegelbildlich) Mietschulden übernommen werden können. Denn auch aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II folgt, dass der Grundsicherungsträger nur solche Kosten zu übernehmen hat, die dem Antragsteller tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht (vgl. BSG, Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 37/08 R). Ein Bedarf besteht aber nur, wenn die Unterkunft auch tatsächlich genutzt wird, woran jedenfalls auch für die Gewährung der KdU/KdH-Leistung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II der 5. Senat seine Zweifel gehabt hat. Ob deswegen überhaupt hier noch Raum für die Frage der Übernahme von Mietschulden für denselben Zeitraum ist, wenn der Bedarf hierfür schon im Rahmen einer vorangegangenen einstweiligen Anordnung – unanfechtbar (§ 177 SGG) – abgelehnt worden ist, ist zumindest zweifelhaft und muss der Senat aber jetzt nicht abschließend entscheiden. Denn selbst wenn unterstellt wird, dass ein abgelehnter Bedarf gleichwohl noch zur Frage der Mietschuldenübernahme führen kann, fehlt dem für zulässig erachteten Begehren der Anordnungsgrund.
Grundsätzlich wird vorläufiger Rechtsschutz nach § 86b Abs. 2 SGG gewährt, um einer gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Notlage zu begegnen. Eine Ausnahme kommt nur dann in Betracht, wenn ein konkreter Nachholbedarf glaubhaft gemacht wird und die daraus folgenden Gefahren für die Sicherung des laufenden Lebensunterhalts konkret belegt werden (Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg vom 30. September 2008 – L 10 B 1693/08 AS ER –, 30. Januar 2008 – L 9 B 600/07 KR ER –; 04. Januar 2008 – L 28 B 2130/07 AS ER –). Der Antragsstellerin droht insoweit der Verlust der Wohnung, denn eine Räumung der von der Antragstellerin (zumindest) gemieteten Wohnung war für den 06. September 2010 vorgesehen und ist lediglich wegen des hier mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses aufgehoben worden. Es dürfte nahe liegend sein, dass das weitere Verhalten des Vermieters abhängig von der Entscheidung hier im Verfahren ist. Bei einer insgesamt offenen Forderung von 10.440,25 € hält es aber der Senat nicht für glaubhaft gemacht, dass der Antragstellerin keine Räumung drohen würde, wenn ihr lediglich der nicht für zulässig erachtete Anteil von 2.498,85 € darlehensweise zugesprochen würde.
Nach alledem bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in entsprechender Anwendung und berücksichtigt nach Maßgabe einer einheitlichen Kostenentscheidung, dass „nur“ die Antragsgegnerin zu 1. im erstinstanzlichen Verfahren teilweise unterlegen ist.
Der Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar; § 177 SGG.