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Umsatzsteuerrecht; Bescheinigung; Berufsausbildung; Prüfungsvorbereitung; Beruf; Prüfung; Vorbereitung; musikalische Früherziehung; Musikgarten


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 27.09.2012
Aktenzeichen OVG 9 B 6.11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 4 Nr 21a Dbuchst bb UStG, Art 132 Abs 1i EGRL 112/2006

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Bescheinigung zur Steuerbefreiung nach dem Umsatzsteuergesetz für Kurse der musikalischen Früherziehung nach dem Musikgarten-Konzept.

Mit Schreiben vom 16. November 2009 beantragte die Klägerin, ihr ab dem Jahr 2005 zu bescheinigen, dass sie im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit mit dem Angebot von Kursen nach dem Konzept „Musikgarten“ auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereite. Sie gab an, dass die Kurse ausschließlich durch die Mitgesellschafterin J... durchgeführt würden. Zum Nachweis von deren Qualifikation legte sie ein Zeugnis über die Ablegung der Prüfung für Gymnastiklehrer mit der Berechtigung, Unterricht in Gymnastik und den Wahlfächern Tanz und Spiel sowie Pflegerische Gymnastik zu erteilen, vor, außerdem ein Musikgarten-Zertifikat sowie weitere Bescheinigungen über die Teilnahme an verschiedenen Kursen und Seminaren.

Der Beklagte wies den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 27. Januar 2010 zurück und begründete dies vor allem mit der fehlenden Qualifikation der Dozentin sowie der Tatsache, dass bei Kindern unter drei Jahren ein Berufsbezug fehle.

Die Klägerin hat hiergegen am Montag, den 1. März 2010 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, ein Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt erkenne an, dass auch Kurse der musikalischen Früherziehung für Kinder unter drei Jahren nach dem Musikgarten-Konzept der Berufsvorbereitung dienen könnten. Die klägerische Einrichtung wende sich anders als andere Musikschulen ausschließlich an die Zielgruppe der noch nicht drei Jahre alten Kinder.

Mit Urteil vom 12. Mai 2011 hat das Verwaltungsgericht Berlin die Klage abgewiesen. Den streitgegenständlichen Kursen nach dem Musikgarten-Konzept fehle es bereits an der objektiven Eignung, der Berufs- oder Prüfungsvorbereitung zu dienen. Zunächst bereiteten die Kurse nicht auf einen bestimmten Beruf vor, sondern dienten lediglich der Ausbildung allgemeiner Fähigkeiten. Auch eine Prüfungsvorbereitung scheide angesichts des sehr vagen Zusammenhangs zu später abzulegenden Prüfungen aus. Das Verwaltungsgericht Darmstadt habe die anzuwendende Vorschrift des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchstabe bb UStG zu weit ausgelegt. Auch aus Europarecht folge nichts anderes.

Die Klägerin hält im Rahmen des Berufungsverfahrens ihr erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen aufrecht. Zusätzlich verweist sie darauf, dass die streitgegenständlichen Musikgarten-Kurse auch zur Vorbereitung auf die vor der Klassenstufe 5 abzulegende Aufnahmeprüfung für die in Berlin vorhandenen weiterführenden Gymnasien mit besonderer musikalischer Prägung dienen könnten.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Mai 2011 und unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Januar 2010 zu verpflichten, ihr eine Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG darüber auszustellen, dass die von ihr angebotenen Musikkurse nach dem Musikgarten-Konzept auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiteten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen, macht sich die erstinstanzliche Urteilsbegründung zu Eigen und betont, es gebe in Berlin keine staatlichen Prüfungen, auf die die von der Klägerin angebotenen Kurse vorbereiten würden.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. August 2012 ist die Entscheidung vertagt worden; die Prozessparteien haben sich mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Versagungsbescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG dient der Umsetzung von Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, 1 ff.). Nach dieser Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- und Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder anderer Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung. Die Erteilung einer Bescheinigung stellt hinsichtlich des Schul- oder Hochschulunterrichts eine Anerkennung durch den Mitgliedstaat Deutschland als Einrichtung vergleichbarer Zielsetzung im Sinne der Richtlinie dar (BFH, Urt. v. 24. Januar 2008 – V R 3/05, juris).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist lediglich zu prüfen, ob auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet wird. Ob hingegen eine unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistung einer privaten Schule oder einer anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtung anzunehmen ist, haben die Finanzbehörde und ggf. nachfolgend die Finanzgerichtsbarkeit zu klären. Das gleiche gilt hinsichtlich der Frage, ob - unter Außerachtlassung des § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG - unmittelbar auf europarechtlicher Grundlage eine Umsatzsteuerbefreiung zu erteilen ist.

Vorliegend sind die im Verwaltungsrechtsweg zu prüfenden tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Bescheinigung aus § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG nicht erfüllt. Die klägerischen Kurse bereiten im Sinne der Vorschrift weder ordnungsgemäß auf einen Beruf vor, noch handelt es sich um Prüfungsvorbereitung im Sinne der Norm.

1. Mit der Vorbereitung auf einen Beruf erfasst das Gesetz nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Vorbereitung auf einen bestimmten Beruf, die Vermittlung spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind (BVerwG, Urt. v. 3. Dezember 1976 – VII C 73.75, juris, Rn. 16). Entscheidend ist hierbei die objektive Eignung eines Kurses zur Berufsvorbereitung, nicht die Intention, mit der die Kursteilnehmer das Angebot nutzen und auch nicht die Frage, ob der geförderte Beruf tatsächlich ergriffen wird. Abzugrenzen ist die Berufsvorbereitung vielmehr von allgemeiner Wissens- und Fähigkeitsvermittlung, die zwar generell für die kindliche Entwicklung und möglicherweise auch für den späteren Lebens- und Berufsweg förderlich ist, jedoch keinen Bezug zu einer bestimmten Berufsausbildung aufweist (vgl. VG Darmstadt, Urt. v. 9. Juli 2009 – 7 K 97/08.DA (3), juris, Rn. 25). Wollte man den Begriff der Vorbereitung auf einen Beruf dahin verstehen, dass er jede Maßnahme erfasst, die im Hinblick auf den Weg zu einem bestimmten Beruf irgendwie als "förderlich" angesehen werden kann, so verlöre das Bescheinigungserfordernis des § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG seinen Sinn. Es lässt sich praktisch jeder Art der Frühförderung und Erziehung von Kindern eine positive Wirkung im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes und damit auch auf das Erlernen von bestimmten Berufen zuschreiben; würde dies für Vorliegen einer Berufsvorbereitung im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG ausreichen, wäre die Bescheinigung nach dieser Vorschrift praktisch immer zu erteilen. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Es besteht auch kein Spielraum für eine europarechtskonforme Auslegung in dieser Richtung. Zwar wird in Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, 1 ff.) auch auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen Bezug genommen, ohne dass eine altersmäßige Beschränkung oder eine Beschränkung auf Berufs- und Prüfungsvorbereitung erkennbar wäre. Danach sind die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG großzügig auszulegen; die Grenze der Auslegung und damit auch die Grenze einer europarechtskonformen Auslegung würden aber überschritten, wenn die Bestimmung so ausgelegt würde, dass sie ihren Sinn verlöre.

Gemessen daran stellen sich die klägerischen Kurse nicht als Berufsvorbereitung dar. Ausweislich der Eigendarstellung des Musikgarten-Konzepts, das sich mit den klägerischen Ausführungen deckt, soll die Musikgarten-Stunde dreierlei erreichen: Sie soll ein Verhältnis des Kindes zur Musik aufbauen, eine Bindung zwischen dem Kind und dem Erwachsenen durch Musik erreichen und schließlich den Erwachsenen mit dem spielerischen Musizieren vertraut machen. Diese Zielsetzung wird in drei Phasen verfolgt, nämlich in den Kursen „Musikgarten für Babys“ (bis 18 Monate), „Musikgarten Phase 1“ (18 Monate bis 3 Jahre) sowie „Musikgarten Phase 2“ (3 bis 5 Jahre). Im Rahmen der Kurse wird gemeinsam gesungen, und es werden verschiedene Rhythmusinstrumente eingesetzt. Zudem wird auch gemeinsam getanzt, manchmal unter Einsatz von Tüchern. Häufig werden musikalische Echospiele durchgeführt. Ältere Kinder werden zu eigenem kreativen Musizieren angeleitet, indem sie selbst Rhythmen und Lieder vorgeben. Mitunter wird durch Bildkarten auch eine Beziehung von Musik und Bildern hergestellt, wodurch eine erste Vorbereitung der Notenschrift erfolgen soll.

Mit dieser inhaltlichen Ausgestaltung sind die klägerischen Kurse zwar sicherlich für die Bewahrung und Entwicklung der Musikalität von Kindern - und damit in gewisser Weise auch für das spätere Beschreiten einer musikalischen Ausbildung - förderlich. Sie sind gleichwohl noch im Vorfeld einer Berufsvorbereitung angesiedelt und nicht schon selbst als (gleichsam erster Teil der) Berufsvorbereitung anzusehen. Den Kindern wird nicht mit Bezug auf einen bestimmten Beruf, sondern im Sinne von Allgemeinbildung ein Grundverständnis für Musik vermittelt. Dem steht auch nicht die Überlegung entgegen, das es für die Erreichung eines musikalischen Spitzenniveaus möglicherweise unerlässlich ist, das insoweit (ohnehin) unerlässliche besondere Talent früh zu fördern (vgl. hierzu insbesondere VG Darmstadt, Urteil vom 9. Juli 2009 – 7 K 97/08.DA (3), Rn. 24 ff., VG Düsseldorf, Urteil vom 16. Februar 2005 – 25 K 4194/04, Rn. 20 ff.; jeweils zit. nach juris). Denn es ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass die insoweit notwendige Talentförderung durch das Angebot der Klägerin geleistet würde. Dem steht schon der dargestellte Anspruch des Musikgarten-Konzepts selbst entgegen, bei dem es - wie ausgeführt - darum geht, ein Verhältnis des Kindes zur Musik aufbauen, eine Bindung zwischen dem Kind und dem Erwachsenen durch Musik erreichen und schließlich den Erwachsenen mit dem spielerischen Musizieren vertraut machen und das nicht darauf abzielt, außergewöhnlichen musikalischen Begabungen eine Plattform für deren Entwicklung zu geben.

2. Die klägerischen Kurse dienen auch nicht im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG der ordnungsgemäßen Vorbereitung auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung. Auch insoweit reicht es nicht aus, dass eine Maßnahme im Hinblick auf das spätere Bestehen der Prüfung irgendwie noch als förderlich angesehen werden kann, sondern es bedarf ebenfalls eines finalen Zusammenhangs zwischen der Maßnahme und der Prüfung, um das Bescheinigungserfordernis des § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG nicht leerlaufen zu lassen (zum finalen Zusammenhang bereits Urteil des Senats vom 3. Mai 2012 – OVG 9 B 4.11, Rn. 17, zit. nach juris). Danach ist ein Kurs nur dann bescheinigungsfähig, wenn er so ausgerichtet ist, dass er bei lebensnaher Betrachtung bewusst und ernsthaft als Prüfungsvorbereitung genutzt werden kann und genutzt wird, wobei nicht alle Teilnehmer den Kurs als Prüfungsvorbereitung nutzen und die Prüfung ablegen müssen; vielmehr kommt es wiederum auf die vermittelten Fähigkeiten an. Danach ist hier für eine Prüfungsvorbereitung nichts ersichtlich.

Zunächst haben die Nachforschungen des Gerichts sowie die schriftsätzlichen Einlassungen der Parteien nicht ergeben, dass es im näheren räumlichen Umfeld, insbesondere im Land Berlin, Grundschulen gäbe, die die Schulaufnahme vom Bestehen einer irgendwie gearteten musikalischen Eignungsprüfung abhängig machen. Dies wäre nach derzeitiger Rechtslage auch nicht zulässig.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihre Kurse zur Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfungen dienten, die aufgrund einer besonderen musikalischen Prägung von zwei Berliner Gymnasien im Vorfeld der Klassenstufe 5 von Bewerbern um einen Schulplatz verlangt werden. Hierfür mangelt es an dem notwendigen finalen Zusammenhang zwischen den im Vorschulalter besuchten Musikgarten-Kursen und der zeitlich erheblich später abzulegenden Aufnahmeprüfung. Schon zeitlich sind die Musikgarten-Kurse der Klägerin mehrere Jahre von einer denkbaren Aufnahmeprüfung entfernt. Aber auch fachlich besteht kein solcher Zusammenhang, der die Kurse noch als Prüfungsvorbereitung erscheinen ließe. Im Rahmen der Aufnahmeprüfungen für die genannten Musikgymnasien werden bereits Kenntnisse und Fähigkeiten – insbesondere auch die Fähigkeit zum Spielen eines Instruments – verlangt, die in den klägerischen Kursen noch nicht ansatzweise vermittelt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision wird mangels Vorliegens einer der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen nicht zugelassen.