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Öffentliche Autopsie; Präparation und "Plastination" von Leichen im Rahmen einer kostenpflichtigen Ausstellung; Untersagung; Einverständniserklärung des Körperspenders


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat Entscheidungsdatum 10.01.2011
Aktenzeichen OVG 12 N 45.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Mai 2010 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.

1. Unter Zugrundelegung des allein maßgeblichen Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Es kann offen bleiben, ob die Einwendungen der Klägerin gegen die Abweisung der Klage als unzulässig durchgreifen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage hilfsweise auch mit dem selbstständig tragenden Argument als unbegründet angesehen, dass die Durchführung der von dem Beklagten untersagten „Live“-Präparation einer Einwilligung des Körperspenders bedarf und dass derartige wirksame Einwilligungen nicht vorliegen. Dem tritt der Zulassungsantrag nicht mit Erfolg entgegen.

Die Klägerin kann sich auf die von ihr eingereichten Einwilligungserklärungen nicht berufen, weil aus ihnen nicht eindeutig und klar hervorgeht, dass die Betroffenen mit einer Vornahme der untersagten Maßnahmen einverstanden waren. Dies ergibt sich aus einer – zulässigen – Auslegung der maßgeblichen Passagen, bei der u.a. auch der Empfängerhorizont bzw. der Horizont der Körperspender zu berücksichtigen sind.

Die Verfügung „Körperspende zur Plastination“, die die 1918 geborene weibliche Körperspenderin am 6. Juli 2006 und der 1932 geborene männliche Körperspender am 26. November 2006 unterzeichnet haben, erwähnt keine „Plastination“ in der Öffentlichkeit, sodass insoweit keine wirksame Zustimmung vorliegt. Gleiches gilt in Bezug auf die mit der Verfügung überlassene zweiseitige „Meinungsäußerung zur Körperspende und Plastination“. Dort erklären sich die Unterzeichner nur damit einverstanden, dass der bereits „plastinierte Körper“ in der Öffentlichkeit (z.B. in einem Museum) gezeigt wird“.

Ebenso wenig lassen sich wirksame Einwilligungen der erst später unterzeichneten „Meinungsumfrage und Verfügung zur Körperspende“ entnehmen, mit der die zuvor getroffenen Verfügungen aus der Sicht der Klägerin geändert werden konnten.

Soweit die Klägerin meint, der männliche Körperspender habe seine Zustimmung erklärt, indem er Frage Nr. 33 mit „Ja“ beantwortet habe, ist ihr nicht zu folgen. Die mit „Öffentlichkeit bei der Autopsie“ überschriebene Frage Nr. 33 soll beantwortet werden, indem der Adressat ankreuzt, ob er mit einer öffentlichen Autopsie einverstanden ist (ja/nein) bzw. indem er ankreuzt, dass er keine Angaben macht. Die Autopsie wird dort zuvor wie folgt definiert: „Bei der Autopsie wird der Körper für Lehr- und Aufklärungszwecke zum Zweck der Feststellung der Todesursache geöffnet. […]“. Außerdem enthält der Text am Ende in Klammern und kursiver Schrift die „Zusatzinformation“: „Weil bei uns die Autopsie nur zu Ausbildungszwecken durchgeführt wird und der Körper danach für die Plastination verwendet werden soll, ist eine Beantwortung kriminalistischer oder versicherungsrechtlicher Fragen bei einer solchen Autopsie nicht möglich.“ Die sich an Frage Nr. 33 anschließende Frage Nr. 34 ist mit „Autopsie, Präparation und Plastination in der Öffentlichkeit als Bedingung“ überschrieben. Hier hat der männliche Körperspender angekreuzt, dass er keine Angaben mache.

Angesichts der genannten Formulierungen lässt sich der durch den männlichen Körperspender erklärten Einwilligung nicht entnehmen, ob sie sich tatsächlich auch auf die streitigen „Live“-Präparationen bezieht. Der Leser des Fragebogens kann nicht eindeutig erkennen, dass er mit der Zustimmung zu einer öffentlichen Autopsie auch den von der Klägerin in der Öffentlichkeit an seinem Körper durchgeführten Plastinationspräparationen zustimmt. Dass gerade der hier betroffene Körperspender dies dennoch erkannt haben könnte, ist weder ersichtlich noch glaubhaft gemacht:

Schon die zu Beginn der Frage Nr. 33 vorgenommene Definition der Autopsie führt den Leser in die Irre, weil die von der Klägerin mit dem Ziel der „Plastination“ vorgenommene Sektion gerade nicht „für Lehr- und Aufklärungszwecke zum Zweck der Feststellung der Todesursache“ durchgeführt werden soll. Zwar lässt sich der Zusatzinformation entnehmen, dass die Klägerin eine Autopsie nur zu „Ausbildungszwecken“ vornimmt und der „Körper danach für die Plastination verwendet werden soll“, so dass eine Beantwortung kriminalistischer und versicherungsrechtlicher Fragen bei einer solchen Autopsie nicht möglich ist. Daraus ergibt sich jedoch nicht mit der gebotenen Klarheit, dass die Klägerin beabsichtigt, eine Autopsie im Rahmen einer öffentlichen und kostenpflichtigen Veranstaltung durchzuführen, an der jeder Besucher der Ausstellung teilnehmen kann. Die Zweifel, die in Bezug auf den Umfang der Einwilligung bestehen, werden auch nicht durch die Zusatzinformation entkräftet, weil die Autopsie danach ausdrücklich nur zu „Ausbildungszwecken“ durchgeführt werden soll. Auch insoweit fehlt es an einer deutlichen und unmissverständlichen Erläuterung. Daran ändert die Behauptung der Klägerin nichts, dass für die Teilnahme an der „Live“-Präparation keine zusätzlichen Kosten erhoben worden seien. Eine Teilnahme war nur möglich, wenn der Besucher den Eintritt für die Ausstellung entrichtet hatte.

Unabhängig davon sind die Maßnahmen, die die Klägerin durchgeführt hat, auch deshalb nicht von der erteilten Einwilligung gedeckt, weil in Frage Nr. 33 nur von der als Öffnung des Körpers beschriebenen öffentlichen Autopsie, nicht aber von einer Präparation und Plastination des Körpers in der Öffentlichkeit die Rede ist. Der von der Klägerin behauptete weiter gehende Umfang der Einwilligung ist für den Leser der Frage nicht erkennbar. Eine Öffnung der Leiche zu Ausbildungszwecken suggeriert grundsätzlich etwas anderes als die „Präparation und Plastination“ vor zahlenden Ausstellungsbesuchern. Angesichts dessen greift der von der konkreten Formulierung der Frage Nr. 33 losgelöste Einwand der Klägerin, dass eine Autopsie vor Publikum und eine Live-Präparation vor Ausstellungsbesuchern vergleichbar seien, nicht durch.

Die weiteren Einwendungen verhelfen dem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird der Begriff der Autopsie durch die dem Fragebogen beigefügten Fotos (u.a. öffentliche Autopsie in London 2002) nicht konkretisiert. Entscheidend ist, dass die Vorstellungen des Lesers zum Umfang seiner Einwilligung vorrangig durch den Text zu der Frage Nr. 33, vor allem durch die dort gegebenen Definitionen und Erläuterungen, geprägt werden. Diese erlauben – wie ausgeführt - gerade nicht die Annahme, dass der Körper des Spenders vor zahlendem Publikum präpariert und plastiniert werden soll. Hinsichtlich der „öffentlichen Autopsie in London“ wird im Text zur Frage Nr. 33 lediglich mitgeteilt, dass sie „trotz großer Zustimmung des Publikums in Deutschland nicht wiederholt werden durfte“. Welche konkreten Maßnahmen in welchem konkreten Rahmen in London durchgeführt worden sind, wird hingegen nicht beschrieben. Dies lässt für den Leser und für den Unterzeichner der Erklärung nur den Schluss zu, dass es sich auch insoweit um eine Autopsie im Sinne der in Frage Nr. 33 gegebenen Definition handelt. Vor diesen Hintergrund sind die Fotografien von der „Autopsie in London 2002“ nicht geeignet, die dargestellten Unklarheiten zu beseitigen. Dass dort zahlreiche Menschen abgebildet sind, die die als Autopsie beschriebene Maßnahme beobachten, spricht allenfalls für eine Durchführung der Maßnahme in der Öffentlichkeit. Angesichts dessen kommt es ferner nicht darauf an, ob die Argumentation des Verwaltungsgerichts auch auf alternative Begriffe (Sektion usw.) anwendbar wäre und zu demselben Ergebnis geführt hätte.

Ebenso wenig überzeugt die Auffassung der Klägerin, das Einverständnis ergebe sich auch daraus, dass die betroffenen Körperspender die Vorgehensweise der Klägerin gekannt und einer entgeltlichen Ausstellung ihres plastinierten Körpers zugestimmt hätten. Dies lässt sich den vorgelegten Unterlagen nicht entnehmen. Das Einverständnis mit der (entgeltlichen) Ausstellung eines bereits plastinierten Körpers berechtigt nicht automatisch zur Durchführung von Maßnahmen an einer Leiche oder an Leichenteilen. Dies bestätigt im Übrigen letztlich auch der nach Erteilung der Verfügung zusätzlich zur Beantwortung ausgegebene Fragebogen der Klägerin, weil anderenfalls die Frage Nr. 33 nicht hätte gestellt werden müssen. Dass im Fall der Körperspender etwas anders hätte gelten müssen, ist weder ersichtlich noch glaubhaft gemacht. Dem Verwaltungsgericht musste sich insoweit auch keine weitere Aufklärung aufdrängen.

Unabhängig davon liegt eine wirksame Einwilligungserklärung des männlichen Körperspenders auch deshalb nicht vor, weil dem an die Körperspender mit dem Fragebogen übersandten Begleitschreiben zufolge eine Änderung ihrer ursprünglichen Verfügung nur dann bewirkt werden soll, wenn der Körperspender in Teil 2 (S. 14 des Bogens) die dort als Einwilligung bezeichnete Erklärung („Ich bitte, wenn möglich, meine in diesem Fragebogen in Teil 1 dargelegte Meinung bei der Plastination meines Körpers zu berücksichtigen“) mit „ja“ beantwortet. Dies hat der männliche Körperspender jedoch gerade nicht getan, denn er hat die Rubrik „keine Angabe“ angekreuzt.

Nichts anderes gilt im Ergebnis hinsichtlich der Einwilligungserklärung der weiblichen Körperspenderin, bei der es sich offensichtlich trotz des handschriftlich angegebenen Geburtsjahrganges „1913“ um die ausweislich der weiteren Dokumente 1918 geborene Körperspenderin handelt. Sie hat zu der Frage Nr. 33 keine Angaben gemacht und die mit „Autopsie, Präparation und Plastination in der Öffentlichkeit als Bedingung“ überschriebene Frage Nr. 34 mit „ja“ beantwortet. Auch hier bezieht sich die Einverständniserklärung ausdrücklich nur auf eine öffentliche Autopsie, wobei – anders als in Frage Nr. 33 - die Öffentlichkeit zur Bedingung der Zustimmung gemacht wird („Ich bin mit einer Autopsie nur einverstanden, wenn die interessierte Öffentlichkeit Zutritt hat. Damit ist gemeint, dass Vertreter der Medien und Laien daran teilnehmen dürfen.“). Da die Frage Nr. 34 den in Frage Nr. 33 definierten Autopsiebegriff nicht erweitert oder ändert, kann die Autopsie in der sich an Nr. 33 anschließenden Frage nur in dem bereits dargelegten Sinne verstanden werden, sodass auf die obigen Ausführungen Bezug genommen wird. Hinzu kommt, dass die Überschrift zu der Frage Nr. 34 zwischen Autopsie, Präparation und Plastination unterscheidet, während der Text und vor allem die Einverständniserklärung nur die Autopsie nennen. Auch insoweit spricht alles dafür, dass sich die Einwilligung allein auf eine Autopsie und nicht auf eine Präparation und Plastination des Körpers in der Öffentlichkeit vor zahlendem Publikum bezieht.

Angesichts dessen kann offen bleiben, ob es mit dem Verwaltungsgericht auch auf die Umstände, die die Abgabe der späteren Erklärung betreffen, auf deren Bezeichnung als „Meinungsumfrage und Verfügung zur Körperspende“ sowie auf den Umfang und Aufbau des Fragenkatalogs ankommt, der erst am Ende eine pauschale Einwilligungserklärung zu den in Teil 1 genannten Fragen enthält, mit der jedoch lediglich die Bitte formuliert wird, die gegebenen Antworten – wenn möglich – bei der Plastination des Körpers zu berücksichtigen.

2. Der Zulassungsantrag legt nicht mit Erfolg dar, dass die Rechtssache besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) Auf die Frage, wie weit die Garantie der Menschenwürde reicht, kommt es mangels wirksamer Einwilligungserklärungen nicht entscheidungserheblich an.

3. Der Rechtssache kommt unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens auch keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die aufgeworfenen Fragen, die die Garantie der Menschenwürde betreffen, sind aus den dargelegten Gründen nicht entscheidungserheblich. Die Frage, welchen Anforderungen eine Einverständniserklärung genügen muss, damit sie als wirksame Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes anerkannt werden kann, ist einer grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren nicht zugänglich. Abgesehen davon, dass die Frage - in die die Klägerin zudem auch Betreuungs- und Patientenverfügungen einbezieht - zu allgemein formuliert ist, richten sich die Anforderungen an eine Einverständniserklärung zumindest auch nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Dass die Erklärung hinreichend klar und eindeutig sein muss, woran es hier fehlt, bedarf ebenfalls keiner weiteren Klärung in einem Berufungsverfahren. Im Übrigen begehrt die Klägerin, soweit sie sich gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts wendet und dessen Anforderungen für überzogen hält, letztlich eine erneute Überprüfung der Sach- und Rechtslage, die sie jedoch mit der Grundsatzrüge nicht erreichen kann.

4. Die Ausführungen zur Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) sind hier nicht entscheidungserheblich, weil sie sich allein auf die von dem Verwaltungsgericht verneinte Zulässigkeit der Klage beziehen, auf die der Senat nicht abgestellt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).