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Vergütungen von Notfallleistungen im Krankenhaus - Beschluss des EBewA vom 16. Dezember 2009 - "Nachschusspflicht"


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 24. Senat Entscheidungsdatum 31.05.2013
Aktenzeichen L 24 KA 4/10 KL ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 85 SGB 5, § 87 SGB 5

Tenor

Teil (C) des Beschlusses des Beklagten vom 16. Dezember 2004 („Vergütung von Notfallleistungen und Krankenhaus mit Wirkung vom 1. April 2005 bis zum 31. Dezember 2007“) wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der klagende Spitzenverband Bund der Krankenkassen wendet sich gegen einen Teil eines Beschluss des beklagten Erweiterten Bewertungsausschusses (eBewA) für die vertragsärztliche Versorgung vom 16. Dezember 2009.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteilen vom 17. September 2008 (B 6 KA 46/07 R und B 6 KA 47/07 R) entschieden, dass die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä; in der vom 1. April 2005 bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung <EBM-Ä 2005>) enthaltene Differenzierung zwischen dem mit 500 Punkten bewerteten Ordinationskomplex im organisierten Notfalldienst (Gebührennummer 01210) und der mit 200 Punkten bewerteten Notfallbehandlung in Krankenhäusern (Gebührennummer 01218) gegen höherrangiges Recht verstößt. Das BSG hat dem Beklagten als Normgeber des EBM-Ä aufgegeben, die festgestellte Ungleichbehandlung bei der Bewertung der Notfallleistungen zu beseitigen und die Gebührenkomplexe rückwirkend, grundgesetzkonform, neu zu regeln.

Der Kläger und die Beigeladene zu 2), die Kassenärztliche Bundesvereinigung, als Trägerorganisationen des Bewertungsausschusses, haben über die Neuregelung der jeweiligen Gebührenkomplexe in der Sache Einvernehmen herstellen können. Hinsichtlich der Finanzierung konnte eine Einigung nicht erzielt werden. Deshalb wurde der beklagte eBewA angerufen.

Mit Beschluss vom 16. Dezember 2009 beschloss der Beklagte eine „Vergütung von Notfallleistungen im Krankenhaus mit Wirkung vom 1. April 2005 bis zum 31. Dezember 2009“. Neben den zwischen den Trägerorganisationen nicht streitbefangenen Beschlussteilen (A) und (B) beschloss er einen mit „Aufnahme einer ergänzenden Regelung zur Finanzierung“ überschriebenen Beschlussteil (C). Dieser Beschlussteil lautet:

1. Sofern der Leistungsbedarf für die Notfallleistungen im Krankenhaus in den o. g. Zeiträumen innerhalb der budgetierten Gesamtvergütung finanziert wurde, kann die rückwirkende Anpassung der Vergütung für die im Krankenhaus erbrachten Notfallleistungen eine Nachschusspflicht für die Krankenkassen maximal in Höhe der Hälfte der gestellten Forderungen auslösen, sofern diese noch streitanhängig sind.

2. Sofern der Leistungsbedarf für die Notfallleistungen im Krankenhaus in den o. g. Zeiträumen außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung finanziert wurde, gelten folgende Regelungen:

Wurde die Finanzierung des Leistungsbedarfs für die Notfallleistungen im Krankenhaus im Zeitraum 1. April 2005 bis einschließlich 31. Dezember 2007 von budgetär auf extrabudgetär umgestellt, empfiehlt der Erweiterte Bewertungsausschuss den Gesamtvertragspartnern die ggf. vorhandene Punktdifferenz zwischen der Vergütung von durch Vertragsärzte und durch Krankenhäuser erbrachte Notfallleistungen durch die Krankenkassen rückwirkend zu finanzieren.

Wurde die Finanzierung des Leistungsbedarfs für die Notfallleistungen im Krankenhaus vor dem 1. April 2005 von budgetär auf extrabudgetär umgestellt, empfiehlt der Erweiterte Bewertungsausschuss den Gesamtvertragspartnern zu prüfen, inwieweit sich aus der Bereinigung auf Basis der Bewertungen der Notfallleistungen im EBM ´96 finanzielle Nachforderungen der Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber den Krankenkassen ergeben.

Gegen diesen Teil des Beschlusses des Beklagten richtet sich die Klage des Klägers vom 18. Januar 2010. Er trägt vor, dass die „Annahme einer solchen grundsätzlichen Nachschusspflicht“ sowohl gegen den Grundsatz verstoße, nach dem die Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung gezahlt werde, als auch gegen den Grundsatz der Beitragsstabilität. Eine Nachschusspflicht sei „auch nicht mit Blick auf die Situation der Kassenärztlichen Vereinigungen erforderlich.“ Es sei den Kassenärztlichen Vereinigungen zumutbar, die sich aus den Beschlussteilen (A) und (B) des Beschlusses des Beklagten vom 16. Dezember 2009 ergebenden Nachvergütungen ohne Beteiligung der Krankenkassen aufzubringen. Der Beklagte habe zudem „keine Kompetenz, unter Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben eine Nachschusspflicht der Krankenkassen zu legitimieren und damit faktisch festzulegen.“

Die Beigeladene zu 2) hat zunächst vorgetragen, dass eine „Einschränkung der Klage ausschließlich auf Punkt C des Beschlusses nicht zulässig“ sei, weil dieser Beschluss des Beklagten vom 16. Dezember 2009 rechtlich nicht teilbar sei. Ohne den angefochtenen Beschlussteil hätte sie den nicht angefochtenen Beschlussteilen nicht zugestimmt. Der in dem „Beschlussteil C geregelten Nachschusspflicht stehe die befreiende Wirkung der Zahlung der Gesamtvergütung“ nicht entgehen. Die Gesamtvergütung müsse im vorliegenden Fall unter dem Gesichtpunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch) angepasst werden. Diese Anpassung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Beitragsstabilität. Denn die Beiträge müssten wegen des finanziell zu vernachlässigenden Umfangs der Anpassung nicht erhöht werden. Die Befugnis des Beklagten zur Normierung einer Nachschusspflicht folge aus § 87b Abs. 4 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Bei „den Nachvergütungen handele es sich um eine nachträgliche Rückstellung, die zur Finanzierung der aufgrund der BSG-Entscheidung zur Honorierung ambulanter Notfallleistungen in Krankenhäusern erforderlichen Nachvergütung benötigt“ würden.

Der Beklagte hat sich dem Vortrag der Beigeladenen zu 2) angeschlossen.

Die Beigeladene zu 2) hat mit Schriftsatz vom 23. Januar 2013 im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 27. Juni 2012 (B 6 KA 28/11 R) ergänzend vorgetragen:

Das Urteil des BSG bestätige, dass in bestimmten Ausnahmefällen eine Nachschusspflicht der Krankenkassen zur Gesamtvergütung bestehe. Mit dem angefochtenen Beschluss habe der Beklagte seine Kompetenzen nicht überschritten. Soweit das BSG entschieden habe, dass der Beklagte nicht das Recht habe, den Krankenkassen eine nachträgliche Erhöhung der Gesamtvergütung vorzugeben, sei diese Argumentation im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Denn der Beklagte habe den Gesamtvertragspartnern nicht vorgegeben, die Gesamtvergütung zu erhöhen. Vielmehr habe er im Beschlussteil (C) 1., ausweislich des Wortes „kann", eine Erhöhung der Gesamtvergütung ausdrücklich in das Ermessen der Gesamtvertragspartner gestellt. Eine verbindliche Regelung enthalte der Beschlussteil nur in Bezug auf die Begrenzung der Nachschusspflicht. Diese dürfe nach dem Beschluss in keinem Fall die Hälfte der noch streitanhängigen Forderungen übersteigen. Damit habe der Beklagte eine in das Ermessen der Gesamtvertragspartner gestellte Erhöhung der Gesamtvergütung verbindlich der Höhe nach begrenzt.

Die beigeladene Bundesrepublik Deutschland (Beigeladene zu 1) hat mit Bescheid vom 1. März 2010 den Beschlussteil (C) 1. beanstandet. Die Beigeladene zu 2) hat hiergegen am 29. März 2010 Klage erhoben. Der Senat hat beide Verfahren mit Beschluss vom 12. April 2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Beschluss vom 9. Januar 2013 hat der Senat die Verfahren wieder getrennt. Die Klage der Beigeladenen zu 2) gegen den Beanstandungsbescheid der Beigeladenen zu1) ist unter dem Aktenzeichen L 24 KA 4/13 KL anhängig.

Der Kläger beantragt,

den Beschlussteil (C) des Beschlusses des Beklagten vom 16. Dezember 2009 ("Vergütung von Notfallleistungen im Krankenhaus mit Wirkung vom 1. April 2005 bis zum 31. Dezember 2007“) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf den sonstigen Inhalt der Gerichtakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Beschlussteil (C) des Beschlusses des Beklagten vom 16. Dezember 2009 („Vergütung von Notfallleistungen im Krankenhaus mit Wirkung vom 1. April 2005 bis zum 31. Dezember 2007“) ist rechtswidrig.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist nach § 29 Abs. 4 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Gericht des ersten Rechtszuges zur Entscheidung über die Klage gegen den Beschluss des Beklagten zuständig. Der Kläger ist eine der Trägerorganisation des Beklagten (§§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 SGB V).

Als solcher ist der Kläger auch befugt, Klage gegen Beschlüsse des Beklagten zu erheben, da diese – ungeachtet der darin liegenden Normsetzung durch Vertrag – gegenüber den an der Normsetzung beteiligten Institutionen als Verwaltungsakte ergehen. Dies gilt nicht allein für Beschlüsse des Beklagten, die Regelungen zum EBM-Ä beinhalten, sondern für alle Entscheidungen des Beklagten im Bereich der Normsetzung (Urteil des BSG vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 28/11 R –, zitiert nach Juris).

Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG. Der Beklagte ist berechtigt, seine Beschlüsse im gerichtlichen Verfahren zu verteidigen und ist – als gemeinsames Entscheidungsgremium von Leistungserbringern und Krankenkassen – nach § 70 Nr. 4 SGG beteiligtenfähig. Eines Vorverfahrens bedarf es wegen der mit einem Schiedsamt vergleichbaren Stellung des Beklagten nicht (BSG, a. a. O. und Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Berlin-Brandenburg vom 15. Dezember 2010 – L 7 KA 62/09 KL – zitiert nach Juris).

Der Klageantrag ist auch insoweit zulässig, als er sich auf die Aufhebung des Beschlussteils (C) des Beschlusses des Beklagten vom 16. Dezember 2009 beschränkt. Dieser Beschlussteil kann ausschließlich Gegenstand der Klage sein. Gegenstand des Rechtsstreits ist der von dem Kläger angefochtene Beschlussteil, soweit er Einwendungen gegen dessen Rechtmäßigkeit erhoben hat. Nur hierüber hat das Gericht zu entscheiden. Werden Inhalte eines Beschlusses gerichtlich beanstandet, so ist insoweit vom Beklagten eine neue Regelung zu treffen. Soweit es dafür auch weiterer Neufestlegungen bedarf, weil andernfalls andere gesetzliche Vorschriften nicht eingehalten würden, sind diese dem Beklagten nicht verwehrt (Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 15. Dezember 2010, a. a. O.). Insofern stellt sich die von der Beigeladenen zu 2) problematisierte Frage der rechtlichen Teilbarkeit des angefochtenen Beschlusses nicht.

Beschlussteil (C) des angefochtenen Beschlusses ist rechtswidrig und als Rechtsnorm daher nichtig. Der Beklagte war zum Erlass der angefochtenen Regelung nicht befugt. Es fehlt insoweit an einer entsprechenden Rechtsgrundlage.

Eine spezielle Ermächtigung zum Erlass des angefochtenen Beschlussteils ist nicht ersichtlich. Soweit die Beigeladene zu 2) vorträgt, dass „eine Befugnis zum Erlass dieser Nachschusspflicht aus § 87b Abs. 4 Satz 2 SGB V folg(e), wonach (der Beklagte) Vorgaben zur Umsetzung von Abs. 2 Satz 3, Abs. 6 und 7 sowie Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach Abs. 3 Satz 5 (treffe)“, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Kläger hat zutreffend vorgetragen, dass die in § 87b Abs. 4 Satz 2 SGB V normierten Regelungen erst für die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1. Januar 2009 galten, im vorliegenden Fall aber um eine Regelung gestritten wird, die den Zeitraum vom 1. April 2005 bis zum 31. Dezember 2007 betrifft.

Im Übrigen regelt der hier streitbefangene Beschlussteil nicht die Bildung von Rückstellungen. Rückstellungen sind Passivposten, die Verluste, Verbindlichkeiten oder Aufwendungen berücksichtigen, die ihrer Entstehung und/oder Höhe nach noch ungewiss sind; sie dienen dem Zweck, zukünftige Ausgaben in der Periode zu berücksichtigen, in der sie wirtschaftlich verursacht worden sind (Morck in Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Auflage 2011, § 249 RdNr. 1 und Urteil des BSG vom 13. November 2012 – B 1 KR 24/11 R -, zitiert nach juris, RdNr. 43 m. w. Nachw.). Um die Bildung derartiger, auch im Vertragsarztrecht üblicherweise zu bildenden Rückstellungen (vgl. § 87b Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 2 SGB V in der Fassung vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2011), geht es hier nicht, sondern im Kern um eine nachträgliche Erhöhung der Gesamtvergütung für einen vergangenen Abrechnungszeitraum, die entgegen § 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach die Krankenkasse nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung entrichtet, mittels einer Nachschusspflicht finanziert werden soll. Rückstellungen werden demgegenüber aus der mit befreiender Wirkung gezahlten Gesamtvergütung gebildet.

Eine generelle Befugnis des Beklagten zur Normierung einer Nachschusspflicht scheidet ebenfalls aus (§ 87 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 und Abs. 5 SGB V). Das Gesetz hat dem Beklagten nach § 87 SGB V bestimmte originäre Aufgaben übertragen und diese damit der – ansonsten nach § 82 SGB V bestehenden – Zuständigkeit der Bundesmantelvertragspartner entzogen. Dem Beklagten kommt mithin ein spezieller Aufgabenbereich zu. Dieser „spezielle" Aufgabenbereich des Beklagten lässt es nicht zu, in § 87 SGB V eine Art Generalermächtigung zur Regelung vertragsärztlicher Vergütungstatbestände auf Bundesebene zu sehen (BSG, a. a. O.). Eine derartige Normsetzungskompetenz des Beklagten kann auch nicht („originär") aus dem ihm grundsätzlich zustehenden weiteren Gestaltungsspielraum hergeleitet werden. Die Gestaltungsfreiheit des Beklagten ist durch den Umfang der ihm gesetzlich eingeräumten Kompetenzen begrenzt, da ein Gestaltungsspielraum untergesetzlicher Normgeber nur innerhalb der ihnen erteilten Normsetzungsermächtigung besteht (BSG, a. a. O.).

Diese Kompetenzen umfassen nicht die Befugnis eine Nachschusspflicht der Krankenkassen zu normieren. Denn die Befugnis zur Normierung einer Nachschusspflicht, also im Kern die Erhöhung der Gesamtvergütung, steht ausschließlich den Vertragspartnern auf Landesebene zu. Die Höhe der Gesamtvergütung wird nach § 85 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz SGB V im Gesamtvertrag vereinbart. Diese Vereinbarung treffen die Landesverbände der Krankenkassen mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart (§ 85 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz). Kommt ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande, setzt das Schiedsamt den Vertragsinhalt fest (§ 89 SGB V). Schiedsamt in diesem Sinne ist das aus der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung, dem jeweiligen Landesverband der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen zusammengesetzten Landesschiedsamt (§ 89 Abs. 2 SGB V).

Bei dem Beklagten handelt es sich demgegenüber um ein Vertragsorgan (BSG, a. a. O.) das auf Bundesebene tätig wird. Sein Handeln und dasjenige des Bewertungsausschusses werden, den Partnern der Bundesmantelverträge als eigenes zugerechnet. Dass der Bewertungsmaßstab bzw. die sonstigen vom Bewertungsausschuss zu treffenden Entscheidungen gegebenenfalls in einem schiedsamtsähnlichen Verfahren durch den Beklagten festgesetzt werden, ändert nichts daran, dass es sich dabei um vertragliche Vereinbarungen zwischen den Trägern der Bewertungsausschüsse handelt. Die im § 87 Abs. 4 SGB V vorgesehene Erweiterung des Bewertungsausschusses um unparteiische Mitglieder und einen unparteiischen Vorsitzenden stellt einen in den Normsetzungsvorgang inkorporiertes Schiedsverfahren dar. Der Beklagte tritt dabei an die Stelle des ansonsten bei Nichtzustandekommen von Verträgen über die vertragliche Versorgung auf Bundesebene zuständigen Schiedsamtes nach § 89 Abs. 4 SGB V, dessen Funktion er insoweit wahrnimmt. Weder aus seinem Charakter als Vertragsorgan, noch aus der schiedsamtsähnlichen Funktion des Beklagten kann dessen Berechtigung abgeleitet werden, den regionalen Vertragspartnern den Abschluss von solchen Vereinbarungen vorzuschreiben, die nach der gesetzlichen Verteilung der Normsetzungskompetenzen allein in deren Zuständigkeit fallen (BSG, a. a. O.). In diese Kompetenzen und Autonomie der regionalen Gesamtvertragspartner und des jeweiligen Landesschiedsamtes greift ein Beschluss des Beklagten ein, der, wie im vorliegenden Fall, eine Regelung über rückwirkende Erhöhung der Gesamtvergütung trifft.

Soweit die Beigeladene zu 2) im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 28/11 R – in ihrem Schriftsatz vom 23. Januar 2013 vorträgt, dass der Beklagte keine „Erhöhung der Gesamtvergütung vorgegeben", sondern diese, wie das Wort „kann" in dem angefochtenen Beschlussteil zeige, „ausdrücklich in das Ermessen der Gesamtvertragspartner gestellt", und der Beklagte eine verbindliche Regelung nur insoweit getroffen habe, als die Nachschusspflicht in keinem Fall die Hälfte der noch streitanhängigen Forderungen übersteigen dürfe, vermag auch dieser Einwand nicht durchzugreifen.

Die Zahlung der Gesamtvergütung erfolgt nach § 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V mit befreiender Wirkung. Die Krankenkassen gelten mit dieser Vergütung die Gesamtheit der von den Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 75 Abs. 1 SGB V sicherzustellenden vertragsärztlichen Versorgung ab. Eine Vergütung von Leistungen außerhalb der Gesamtvergütung ist nur zulässig, soweit dies das Gesetz ausdrücklich vorsieht (BSG, a. a. O., Engelhardt in Hauck/ Noftz, Stand Mai 2012, SGB V, K § 87a RdNr. 20). Hieraus folgt, dass Nachforderungen der Kassenärztlichen Vereinigungen regelmäßig ausgeschlossen sind, weil die Krankenkassen ihrerseits von den Versicherten nachträglich keine höheren Beiträge einziehen können und daher Nachforderungen von einem anders zusammengesetzten Versicherungskollektiv zu finanzieren wären. Diese Befreiungswirkung ist zentrales und unverzichtbares Element des vertragsärztlichen Vergütungssystems (BSG, a. a. O.). Ansprüche auf eine Nachvergütung (Nachschusspflicht) bedürften deshalb regelmäßig einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage (vgl. z.B. § 87a Abs. 3a Satz 4 SGB V). Außerhalb der im Gesetz ausdrücklich geregelten Fälle müssen entsprechende Nachschusspflichten auf besondere Ausnahmesituationen beschränkt bleiben (BSG, a. a. O.). Zuständig sind jedenfalls insoweit, wie ausgeführt, die regionalen Vertragspartner.

Der Beklagte hat als Vertragsorgan des Bundes deshalb insoweit keine Regelungskompetenz (s. o.). Die Argumentation der Beigeladenen zu 2) ist vor diesem Hintergrund zumindest unverständlich. Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2010 hat sie sich umfänglich mit der Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Beschlussteil „geregelten Nachschusspflicht“ auseinandergesetzt und insbesondere argumentiert, dass „die Voraussetzungen für eine Anpassung der Gesamtvergütung nach § 313 Abs. 1 BGB“ vorlägen. Sie hätte den Beschlussteilen (A) und (B) des angefochtenen Beschlusses nicht ohne die in Teil (C) „geregelte Nachschussverpflichtung der Krankenkassen“ zugestimmt. Hiervon abweichend trägt sie letztlich vor, dass der Beklagte „keine Erhöhung der Gesamtvergütung vorgegeben habe“, sondern diese „ausdrücklich in das Ermessen der Gesamtvertragspartner gestellt“ habe. Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob diese Auslegung des Beschlusses zutreffend ist. Es kann auch offen bleiben, ob das Vorbringen der Beigeladenen zu 2) so zu verstehen ist, dass sie die Formulierung „kann“ in dem angefochtenen Beschlussteil im Sinne einer Ermächtigung der regionalen Vertragspartner versteht, eine Nachvergütungspflicht zu normieren, oder im Sinne einer Vorgabe einer Ermessensentscheidung, unter der Annahme einer bereits bestehenden Nachvergütungspflicht.

Jedenfalls hat der Beklagte insoweit seine Kompetenzen überschritten. Er hat nach der gesetzlichen Systematik weder die Befugnis, die regionalen Vertragspartner zu ermächtigen, eine nachträgliche Erhöhung der Gesamtvergütung zu beschließen, noch ihm insoweit einen Ermessenspielraum einzuräumen. Ebenso wenig hat er die Befugnis, ihm Vorgaben inhaltlicher Art, wie im vorliegenden Fall hinsichtlich der der Höhe der Nachvergütung, vorzugeben (BSG, a. a. O).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.