Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 12.09.2019 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 232/18 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2019:0911.9UF232.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 12. November 2018 in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 22. Januar 2019 und vom 15. Februar 2019 – Az. 7 F 28/17 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Antragsteller wird in Abänderung des Versäumnisurteils des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 28. März 2007 – Az. 7 F 133/06 – verpflichtet, an M… G…, geboren am ... September 1999, ab dem 29. Juni 2017 bis zum 21. September 2017 einen monatlichen, jeweils im Voraus fälligen Kindesunterhalt von 62,00 EUR zu zahlen.
Die Zwangsvollstreckung (durch die Antragsgegnerin) aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 28. März 2007 – Az. 7 F 133/06 – wird für unzulässig erklärt.
II. Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz hat die Antragsgegnerin zu tragen.
III. Der Beschwerdewert wird auf bis 10.000 EUR festgesetzt.
In Abänderung der Streitwertfestsetzung des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt im Beschluss vom 12. November 2018 (Ziffer 5. des Tenors) wird der Gegenstandswert für das Verfahren erster Instanz auf 10.096,58 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64, 117 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 520 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ZPO zulässig. Sie hat mit dem – nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten im Übrigen - zuletzt allein noch verfolgten Antrag, die Zwangsvollstreckung (durch die Antragsgegnerin) aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 28. März 2007 – Az. 7 F 133/06 – für unzulässig zu erklären, auch in der Sache Erfolg.
1.
Durch das vorzitierte Versäumnisurteil ist der Antragsteller auf Antrag der Antragsgegnerin verurteilt worden, mit Wirkung ab Mai 2006 Kindesunterhalt im Umfang von 100 % des Regelbedarfs der jeweiligen Altersstufe der Regelbetragsverordnung Ost abzgl. des anzurechnenden Kindergeldes für den gemeinsamen Sohn M… G…, geboren am ... September 1999, der im Haushalt der Antragsgegnerin betreut wurde, zu zahlen. Die Antragsgegnerin hat diese Kindesunterhaltsansprüche seinerzeit im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB im eigenen Namen verfolgt und durchgesetzt.
Die Antragsgegnerin hat im Frühjahr 2017 die Zwangsvollstreckung aus diesem Versäumnisurteil wegen Unterhaltsrückständen aus der Zeit von Mai 2014 bis einschließlich März 2017 im Gesamtumfang von 8.207,00 EUR sowie wegen laufenden monatlichen Kindesunterhalts im Umfang von 355 EUR eingeleitet und meint – auch in Ansehung der entgegen stehenden Hinweise des Senates in seinem Verfahrenskostenhilfebeschluss vom 5. August 2019 -, sie sei als „formale“ Titelgläubigerin aus dem Unterhaltstitel bis zu einer etwaigen und hier ausstehenden Umschreibung desselben (auf den Sohn) weiterhin uneingeschränkt zur Zwangsvollstreckung befugt.
2.
Tatsächlich ist die Antragsgegnerin für die von ihr ursprünglich eingeleitete Zwangsvollstreckung nach Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes, also seit ... September 2017, offensichtlich nicht mehr vollstreckungsbefugt. (Das hatte im Übrigen auch das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung auf Seite 3 Mitte des Beschlusses vom 12. November 2018 zutreffend ausgeführt, ohne allerdings daraus die richtige Konsequenz für den – gleichwohl insgesamt abgewiesenen - Vollstreckungsgegenantrag des Antragstellers zu ziehen.)
Richtig ist, dass der Elternteil aus einem von ihm auf Grund der Verfahrensstandschaft erstrittenen Unterhaltstitel die Zwangsvollstreckung (grundsätzlich) bis zu einer Titelumschreibung auf das Kind (entsprechend § 120 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 727 ZPO) betreiben kann (vgl. nur: Peschel-Gutzeit, in: Staudinger, BGB, § 1629 Rdnr. 379). Die Vollstreckungsbefugnis des durch den Titel legitimierten Elternteils bleibt also auch dann erhalten, wenn die Verfahrensstandschaft lediglich durch Rechtskraft der Scheidung endet, weil die Vertretungsberechtigung des Elternteils fortbesteht und sich für den Titelschuldner durch diese Entwicklung in tatsächlicher Hinsicht nichts ändert. Sind die Voraussetzungen der Verfahrensstandschaft allerdings mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes (oder aufgrund von Veränderungen in den Obhutsverhältnissen des Kindes, § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB) entfallen, kann der Titelschuldner dies mit einem Vollstreckungsabwehrantrag nach § 767 ZPO gegenüber dem weiter die Zwangsvollstreckung betreibenden Elternteil einwenden. Keinen Unterschied macht es hierbei, ob der nicht mehr legitimierte Elternteil wegen eines laufenden Unterhalts oder auch noch wegen Unterhaltsrückständen aus der Zeit der Minderjährigkeit des Kindes die Zwangsvollstreckung betreibt, da maßgebend für den Erfolg des Vollstreckungsabwehrantrags allein auf den Wegfall der Vollstreckungsbefugnis abzustellen ist (vgl. dazu Wendl/Dose, das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 10 Rdnr. 52; Palandt-Götz, BGB, 78. Aufl., § 1629 Rdnr. 33; Peschel-Gutzeit in Staudinger, a.a.O., Rdnr. 386; Hamdan in: jurisPK-BGB, 8. Aufl., 2017, § 1629 Rdnr. 107; OLG Hamm FamRZ 2016, 1100; Brandenburgisches Oberlandesgericht – 2. Familiensenat – FamRZ 1997, 509; OLG Köln FamRZ 1995, 308; OLG Oldenburg FamRZ 1992, 844; OLG Celle FamRZ 1992, 842; OLG München FamRZ 1990, 653; OLG Schleswig FamRZ 1990, 189 –jeweils zitiert nach juris).
Danach fehlt der Antragsgegnerin nach der am ... September 2017 eingetretenen Volljährigkeit des Sohnes M… G… jegliche Vollstreckungsbefugnis aus dem Versäumnisurteil vom 28. März 2006. Dies gilt auch für den heute insgesamt rückständigen Kindesunterhalt, der nach Eintritt der Rechtshängigkeit am 29. Juni 2017 und bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes M… G… am .... September 2017 entstanden ist. Gegen die insoweit vorliegende teilweise Erweiterung des Vollstreckungsgegenantrages im Beschwerdeverfahren bestehen keine Zulässigkeitsbedenken.
Auf die weiter – gleichfalls in zulässiger Weise im Wege des Vollstreckungsgegenantrages (vgl. dazu Wendl/Dose, a.a.O., § 10 Rdnr. 154; Brudermüller in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. Aufl., § 238 FamFG Rdnr. 2 ff. – jeweils mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen) - verfolgten und im Einzelnen umstrittenen Einwendungen des Antragstellers gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung (Verzicht, unzulässige Rechtsausübung/Verwirkung, Erfüllung) kommt es nach alledem jedenfalls für die hier zu treffende Entscheidung über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung durch die Antragsgegnerin nicht mehr an.
Die angefochtene Entscheidung war danach antragsgemäß abzuändern. Der Senat hat mit seinem (zu den Erfolgsaussichten des Rechtsmittels näher begründeten Verfahrenskostenhilfebeschluss-)Beschluss vom 5. August 2019 gemäß § 117 Abs. 3 FamFG angekündigt, dass im schriftlichen Verfahren entschieden werden soll. Beide Beteiligten haben dieser Verfahrensweise ausdrücklich zugestimmt.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.
4.
Die – abändernde – Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 55 Abs. 3 Nr. 2; 33 Abs. 1; 51 Abs. 1; 40 Abs. 1 Satz 1; 42 Abs. 1 FamGKG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken aus §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
Der (ursprüngliche) Vollstreckungsgegenantrag war im Streitfall mit den Beträgen anzusetzen, wegen derer die Zwangsvollstreckung betrieben worden ist (Rückstand von 8.207 EUR zzgl. lfd. Unterhalt bis zur Rechtshängigkeit am 29. Juni 2017, also rund 3 Monate x 355 EUR = 9.272 EUR). Für den nur noch den 3-monatigen Zeitraum zwischen Rechtshängigkeit und Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes umfassenden Abänderungsantrag war die Differenz zwischen dem mit Versäumnisurteil titulierten Unterhalt (100 % der Regelbetragsverordnung Ost = 94,10 % des Mindestunterhalts abzgl. des anzurechnenden Kindergeldes = 336,86 EUR monatlich) und den zugestandenen 62,00 EUR monatlich anzusetzen; das ergibt einen Betrag von 824,58 EUR für den Abänderungsantrag.
Im Beschwerdeverfahren konzentriert sich der Streit der Beteiligten auf den (erweiterten) Vollstreckungsgegenantrag (9.272 EUR zzgl. 3 Mon. x 62 EUR); die – durch Berichtigungsbeschluss des Amtsgerichts vom 22. Januar 2019 – erledigte weitergehende Beschwerde hat keine besonderen Kosten verursacht.
5.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.